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der er in seinem Reiche eine Zuflucht gewährt hatte. Sein Gesichtspunkt war immer auf die großen Gegensäße gerichtet, auf welche Rußland zu Lande und zur See stieß; seine Antipathieen galten nicht den Franzosen an sich; er war kein Anhänger des englischen Uebergewichts zur See, sehr bereit jedoch, im Verein mit England gegen das revolutionäre Frankreich in den Kampf zu treten. Wenn er die ungeheuere Macht ansah, welche in seine Hand gelegt war, so fühlte er sich gleichsam dazu verpflichtet. Von den Borstellungen, die in seiner Familie, namentlich von dem Bruder der Kaiserin, dem Prinzen Ferdinand von Würtemberg, an ihn ge= richtet wurden, war keine wirksamer, als die: daß er seine Kriegsmacht nicht zu einem vorübergehenden Vortheil verwenden, sondern zu einem großen Zweck gebrauchen müsse. In dieser Stimmung trafen ihn die neuen Anträge von Desterreich.

Von jenen fruchtlosen Conferenzen zu Selß hinweg eilte Cobenzl zuerst nach Wien, dann über Dresden und Berlin nach St.Petersburg. An den beiden deutschen Höfen konnte er nichts erreichen, zumal da er seine antipreußische Richtung niemals aus den Augen verlor. Aber in Petersburg war Alles vorbereitet, ihm in jeinen Plänen entgegenzukommen. Es kam wirklich zu einer Allianz zwischen Desterreich, das nur den Fehler von Campo-Formio wieder gutzumachen wünschte, und dem feurigen Paul, der die revolutionäre Welt zu vernichten und dem Continent eine der mon= archisch christlichen Idee analoge Verfassung zu geben gedachte. Eine mächtige Unterstüßung fanden seine Bestrebungen in dem Siege der Engländer über die französische Flotte bei Abukir (2. August 1798). Man könnte die Schlacht von Abukir mit jener von Lepanto bergleichen, durch welche das Uebergewicht der roma= nischen Nationen über die Türken im Mittelmeere begründet wurde; durch den Sieg von Abukir gelangte dasselbe in die Hand der Engländer. Damit scheiterten nicht allein die ursprünglichen, auf die Herrschaft im Mittelmeere gerichteten Absichten Bonaparte's; er wurde zugleich in Aegypten isolirt.

Schon drang der König von Neapel, mit Rußland und England verbündet, siegreich in den von den Franzosen occupirten Kirchenstaat ein. Aber der erste Enthusiasmus war nicht geeignet, gegen die revolutionären Streitkräfte Stand zu halten. Der Kirchenstaat fiel in die Hände der Franzosen zurück; König Ferdinand selbst mußte nach Sicilien flüchten. Die Volksbewegung jedoch war damit in den neapolitanischen Provinzen nicht erstickt,

geschweige denn in dem übrigen Italien. Indeß erschienen die österreichischen Waffen wieder im Felde; sie begegneten in Oberitalien, in der Schweiz und an der Donau den Franzosen in theilweise glücklichen Anstrengungen und erhielten dann durch den Zu= zug der Russen die Oberhand. Eine neue Phase der Weltverhält nisse trat damit ein: der überfluthenden revolutionären Macht geschah zunächst Einhalt; den legitimistischen Principien eröffnete sich die Aussicht, nicht allein das Gleichgewicht herzustellen, sondern das Uebergewicht auf ihre Seite zu bringen.

Eine der größten Fragen war, wie sich Preußen zu diesem Wechsel verhalten würde.

Zweites Capitel.

Erfte Regierungsjahre Friedrich Wilhelms III.
Auflösung der Coalition.

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Wie hoch man auch die allgemeinen Verhältnisse und ihre innere Nothwendigkeit anschlagen mag, so hat doch in dem monar= chischen Staat eben das monarchische Element, d. h. die Natur und Sinnesweise eines Fürsten, einen Alles bestimmenden Einfluß. Friedrich II. hatte nur einen großen Gedanken verfolgt, den der Selbständigkeit seines Staates inmitten der großen Mächte, denen er ebenbürtig sein wollte. Friedrich Wilhelm II., seinem Vorgänger in Eigenschaften nicht vergleichbar, nahm doch einen eingreifenderen Antheil an den Verhältnissen und Bewegungen der Welt. Seine Allianz mit England zu Gunsten des Hauses Dranien, sein Widerstand gegen die russisch österreichischen Entwürfe im Orient geben den ersten Jahren seiner Regierung ihren Charakter. Er lebte be= ständig in großen Impulsen, die ihn zu raschen, nicht immer gleichförmigen Entschlüssen trieben. In seiner Politik war ein persön= liches Moment, das von der Nothwendigkeit des Staates nicht durch= aus abhing. Seine anfängliche Sympathie für die Polen ver= wandelte sich, als er sich nicht nach Verdienst von ihnen gewürdigt sah, in Gleichgültigkeit und selbst in Antipathie. Den Vertrag von Reichenbach hat er dem Hause Desterreich auferlegt, gleich darauf aber, selbst im Widerspruch mit seinen Ministern, eine Allianz mit Kaiser Leopold geschlossen, welche eine neue Aera eröffnete. In dieser Allianz erlebte er den großen Augenblick, in welchem er das altfranzösische Königthum durch sein Kriegsheer herzustellen berufen zu sein glauben konnte: seine Seele dürstete danach. Aber es war jugleich der Umschlag seines Glückes: er mußte innewerden, daß es nicht das Amt von Preußen war, die alte staatliche Ordnung Europa's aufrechtzuerhalten. Auch fortan nahm er Theil an dem Kriege der Coalition gegen das revolutionäre Frankreich, immer

jedoch mit dem Vorbehalt, das Ansehen, das er in Folge des noch von Friedrich II. eingeleiteten Fürstenbundes in Deutschland erworben hatte denn auch er war nie ohne Eifersucht gegen Desterreich -, zu vermehren und zugleich die Stellung, die er in Polen einnahm, zu befestigen und zu erweitern, was dann wieder in sein Verhältniß zu Rußland eingriff. Schon waren die Hülfsquellen seines Staates nahezu erschöpft; doch glaubte er noch einmal durch englische Subfidien in den Stand gesezt zu werden, in dem Kriege gegen die französische Republik, wenn nicht die Führung, so doch eine der ersten Rollen übernehmen zu können. Die plögliche Zurückziehung dieser Subsidien, die er lediglich den Engländern schuld gab, sezte seinem germanischen Ehrgeiz Grenzen und erfüllte seine Seele mit einer Indignation, die er nie überwunden hat, so daß er, so schwer es ihm auch wurde, endlich doch darauf einging, mit dem revolu= tionären Frankreich in ein friedliches und selbst freundschaftliches Verhältniß zu treten. Er schritt ungern dazu; aber er that es dann doch unter dem Eindruck der Unmöglichkeit, sich auf eine andere Weise den übrigen großen Mächten gegenüber zu behaupten.

In dem historischen Conner der Entwicklung des preußischen Staates bildet die Regierung Friedrich Wilhelms II. ein sehr wesentliches Moment. Seine Erwerbungen in Polen sind zum größten Theil wieder verloren gegangen; aber einmal haben sie doch dazu gedient, die Continuität des Staates im Nordosten, nach der die brandenburgischen Fürsten seit Waldemar vergeblich gestrebt hatten, vollständiger noch, als es dem Vorgänger gelungen war, herzustellen; und bei der späteren Reconstruction des Staates haben sie beigetragen, den Maßstab der Macht festzustellen. Friedrich Wilhelm hat den gleichsam abhanden gekommenen Gedanken einer engen Verbindung des preußi= schen Staates mit Deutschland zu vollem Ausdruck gebracht und diese durch Neutralität und Demarcation zu einer Art von friedlichem Protectorat ausgebildet. Es haben sich ein paar Docu= mente gefunden'), aus denen man abnimmt, mit welcher Energie Friedrich Wilhelm II. noch in seinen lezten Lebensjahren diese Stellung behauptete. Das eine enthält seine Aeußerungen in Bezug auf Zumuthungen, die ihm von russischer Seite kamen. Kaiserin Katharina hatte Anstoß daran genommen, daß Preußen mit Frank, reich in freundschaftlicher Verbindung stand, während die Desterreicher, am Rhein geschlagen, sich zurückzogen, um die Erblande zu

1) Sie sind in den Aufzeichnungen des Grafen Haugwit mitgetheilt.

vertheidigen; sie forderte Preußen auf, die Waffen für Desterreich zu ergreifen, und machte selbst die Fortdauer ihres guten Einver= nehmens mit dem Könige davon abhängig. Friedrich Wilhelm war sehr entrüstet über den hohen Ton, in dem man mit ihm rede. Er hatte schon oft ausgesprochen, daß er der Coalition von Herzen beistimme; wenn er von derselben zurückgetreten sei, so habe er als Bater seines Volkes nicht anders handeln können. Die Lage des Landes, seine Ehre habe es gebieterisch gefordert; er habe dabei seine Pflicht als König von Preußen erfüllt. Da er besorgen mußte, von den Russen feindlich behandelt zu werden, so hat er wohl dem Gedanken Raum gegeben, sich an seine alten Verbündeten, die Osmanen, zu wenden und deren Beistand gegen die Russen in Anspruch zu nehmen 1). Nur durch einen Zufall geschah es, daß der Antrag nicht nach Constan= tinopel gelangte. Mit dem Tode der Kaiserin veränderte sich als dann seine Stellung. In dem neuen Kaiser, Paul, sah Friedrich Wilhelm II. einen persönlichen Freund. Die Briefe, die sie mitein ander wechselten, zeugen von herzlicher Freundschaft auf beiden Seiten. Im Jahre 1797 machten dann die Franzosen große Anstrengungen, um den König zu einer förmlichen Allianz fortzureißen, und zeigten sich sehr verstimmt darüber, daß ihnen das nicht gelang. Am preußischen Hofe meinte man, ihre Absicht gehe dahin, ohne Rücksicht auf die Neutralität Preußens den Engländern dadurch den Krieg zu machen, daß sie Hannover und die Hansastädte, vor Allem Hamburg, in ihren Besit brächten. Der König schrieb darüber an den Herzog von Braunschweig, der den Oberbefehl über die zur Behauptung der Neutralität aufgestellten Truppen führte, und trug ihm auf, alle nöthigen Vorkehrungen zu treffen, um ein Unternehmen dieser Art zu verhindern, jedoch solche, durch welche die Franzosen nicht gereizt würden; dem französischen Enthusiasmus müsse man von deutscher Seite Circumspection entgegenseßen. In dieser neutralen Stellung, die ihm überall hin eine große Autorität verschaffte, lebte und webte er; seine ganze Politik hing

1) Enfin le roi revint à l'idée de donner l'éveil à la Porte. Les lettres de Lucchesini l'engagèrent à presser le départ du courrier pour Constantinople. Il m'écrivit à ce sujet du 6 septembre (1796): Les Bouvelles de Lucchesini touchant les démarches des Russes ne me paraissent guère fondées. Mais je reviens au courrier pour Knobelsdorff, et je désire qu'il s'expédié bientôt. C'était ma première idée dès que j'appris l'envoi du courrier Russe et les propos du sr. Kolitscheff. Aus den Aufzeichnungen des Grafen Haugwiß.

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