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wie einst unter Ludwig XIV., den Impuls zu allem zu geben, was die Welt beschäftigte, so wurde seine Action jezt durch die Wirkung der demokratischen Ideen, die es vertrat, verdoppelt. In Italien gelangte die revolutionär - demokratische Tendenz, von den Armeen unterstüßt und sie unterstüßend, in den noch unabhängigen Landschaften, selbst in Rom zur Herrschaft. Auch die neu eingerichtete Republik Holland empfing nun dem demokratischen Princip, das in Frankreich selbst vorherrschte, gemäßere Einrichtungen. Nirgends wirkten Demokratie und Militärgewalt mehr zusammen, als in der Schweiz; das natürliche Bollwerk der Neutralität wurde von Frankreich in Besitz genommen. Eine überwältigende Einwirkung hofften nun auch die Franzosen auf England auszuüben; aber obgleich die Engländer von dem den Franzosen so gut wie unterworfenen Holland und dem mit denselben verbündeten Spanien keine Hülfleistung hatten, so war doch ihre maritime Ueberlegenheit zweifellos: den Stier bei den Hörnern zu packen, wie einst Choiseul versucht hatte, und zwar mit sehr unzureichenden Kräften, war Bonaparte, dem auch hier die Entscheidung zufiel, nicht gemeint: er wollte, sagte er, das Schicksal der Republik nicht auf diesen Einen Wurf im Würfelspiel des Krieges wagen. Immer erfüllt von Gedanken, welche die Welt umfaßten, hatte er vielmehr einen ganz anderen Plan entworfen. Ein Korse von Herkunft, der französischen Partei von Hause aus angehörig, in natürlichem Gegensaß mit den Engländern, wünschte er nichts mehr, als die Franzosen zur Herrschaft über das Mittelmeer zu erheben. Die venetianischen Besizungen im Oriente sollten ihm den Weg zum Umsturz der Türkei bahnen oder diese Macht doch verhindern, seinen anderweiten Eroberungsansichten in den Weg zu treten. Er hoffte, wie Malta, so auch Aegypten zu erobern und sich durch den Orient den Weg nach Indien zu bahnen, wo einst Dupleix mit den einheimischen Fürsten in Verbindung getreten war. Die von dem Christenthum losgerissene revolutionäre Idee coincidirte hiebei mit der politischen insofern, als sie keine Feindseligkeit gegen den Islam einschloß; vielmehr konnte man durch die Verbindung mit den Mohammedanern ihren Gegensatz gegen die englische Herrschaft gewaltig erneuern. Ideen, die etwas Wildphantastisches haben, aber doch praktisch ausführbar erschienen; sie knüpfen an Alexander den Großen und die älteste Weltgeschichte an, sollten aber zugleich dem Moment dienen: nicht sowohl an eine Eroberung Indiens wurde gedacht, als an einen Umsturz der von den Engländern daselbst aufgerichteten Herrschaft. Es ist ein

gigantisches Unternehmen; doch wird es von Berechnung beherrscht. Auf diese Weise meinten die Franzosen den Engländern die beste Stüße ihrer Macht zu entreißen und ihr Uebergewicht auf der ge= sammten alten Hemisphäre zu begründen.

In dieser Combination, welche Orient und Occident umfaßte, lag nun aber auch die Nothwendigkeit, daß die Weltkräfte, die von diesem Vorhaben berührt wurden, sich mit aller Macht dagegensezten. Wir kommen hier auf die Verhältnisse von Deutschland und Italien zurück. Der österreichische Diplomat, der den Frieden von Campo-Formio geschlossen hatte, war auch der erste, der die Unhaltbarkeit und unter den veränderten Umständen die Uner= träglichkeit desselben erkannte. Ludwig Cobenzl war durch das Verhalten der Franzosen in Rastadt, welches mit den bei dem Abschluß des Friedens gemachten Zusagen so ganz in Widerspruch war, tief verlegt. Er wollte endlich wissen, woran er sich halten könne. Man veranstaltete, daß er mit François de Neuchateau, einem der in Folge des 18. Fructidor eingetretenen Directoren, der aber seitdem nach der constitutionellen Ordnung der Dinge wieder ausgeschieden war, in Selz zusammenkam (Juni 1798). Den äußeren Anlaß gab ein Insult der Tricolore, der zu Wien an dem Palais des französischen Gesandten, damals Bernadotte, stattgehabt hatte. Bei weitem wichtiger aber waren die Verhandlungen über die politischen Verhältnisse überhaupt. Cobenzl wünschte noch immer Ausschließung Breußens von den Unterhandlungen zu Rastadt. François de Neuchateau erwiderte, daß eine solche nicht stattfinden könne, nach= dem das ganze linke Rheinufer abgetreten worden, also auch Preußen gegründete Ansprüche auf Entschädigung erlangt habe. Dies war aber gegen den Wunsch Desterreichs geschehen; es widersprach den geheimen Artikeln des Vertrages von Campo-Formio. Dagegen kam nun Cobenzl auf die Idee, das ganze Gewicht der österreichischen Entschädigung auf Italien zu wälzen 1). Er forderte hier eine Erweiterung der österreichischen Grenzen bis an den Oglio und nochmals die Ueberlassung der Legationen: eben die Punkte, die ihm General Bonaparte nicht hatte gewähren wollen. Er brachte alle die Gewaltsamkeiten in Erinnerung, zu denen die Franzosen soeben in Rom und in der Schweiz geschritten waren. Er hatte ganz Recht,

1) François de Neuchateau sagte: „Sie suchen Alles nach Italien zu verlegen, damit der König von Preußen keine Erwerbung macht." Hüffer, Der Rastadter Congreß und die zweite Coalition I, S. 292.

wenn er meinte, daß Desterreich, indem es in Deutschland mit seinen, im letzten Tractat formulirten Ansprüchen durchzudringen keine Hoffnung mehr hatte, durch die Stellung, die Frankreich nahm, auch in Italien in eine unhaltbare Lage versezt werde. Aus den Berichten Cobenzls nimmt man ab 1), daß er Vollmacht hatte, von österreichischer Seite für jene Beleidigung der Nationalfarben Satisfaction anzubieten. Aber er unterließ das, weil ihm immer das allgemeine Verhältniß im Sinne lag. Er behielt beständig die Idee im Auge, die Territorialmacht Desterreichs so zu erweitern, daß die alte Bedeutung der Dynastie in der Welt aufrechterhalten wer= den könne. Aus der Unmöglichkeit, die Differenz auszugleichen, entsprang dort in Selg die Unvermeidlichkeit eines neuen Krieges. Cobenzl sagte: wenn man Desterreich das Messer an die Kehle seye, so werde es sich in die Arme von England werfen. François de Neuchateau ließ vernehmen: der Ausbruch eines neuen Krieges werde den Untergang aller Aristokraten in Europa herbeiführen. So schieden sie voneinander. In den Conferenzen, welche die Vollendung des Friedens zum Zweck hatten, durchdrang sich Cobenzl mit der Ueberzeugung, daß die Wiederaufnahme des Krieges für Desterreich nothwendig sei.

Schon längst war darüber mit Rußland verhandelt worden. Aber das österreichische Ministerium hatte sich immer dilatorisch geäußert; es hatte gemeint, daß man sich erst allseitig vorbereiten müsse, um dann einen entscheidenden Schlag zu führen. Weder mit England noch auch mit Rußland waren bindende Verträge für einen neuen Krieg geschlossen ). Cobenzl faßte die Ansicht, daß jeder weitere Verzug verderblich werden könne.

1) J'aurais pu à la vérité, en signant une promesse de rechercher et de punir les coupables de l'événement du 13 avril, empêcher la rupture des négociations. Mais il n'est malheureusement que trop prouvé que je n'aurais rien gagné par là du côté de l'Italie. Une fois en possession de cette déclaration de Plénipotentiaire français n'aurait pas moins continué à renvoyer au congrès de Rastatt tout ce qui concerne nos équivalents, à nous disputer les stipulations les plus claires du traité de Campo Formio et à nous contester tout droit d'opposition à ce que la France a entrepris à Rome et en Suisse. Cobenzls Bericht vom 7. Juli, Mendelssohn-Bartholdy in Sybel's historischer Zeitschrift, Bd. 23, S. 52. Vergl. Hüffer, Der Rastadter Congreß und die zweite Coalition I S. 272 mit. Einen Auszug aus der Instruction Cobenzls theilt Hüffer a. a. D. S. 308 ff.

2) Vergl. die Auszüge aus den Depeschen des russischen Gesandten in

In den Aufzeichnungen Cobenzl's, in der Form von Instructionen, die er für sich selbst schrieb, aber vom Kaiser bestätigen ließ 1), tritt der Gedanke hervor, daß Desterreich überhaupt auf keinen dauernden Frieden mit den Franzosen zählen dürfe: denn sobald als Frankreich die Entwürfe, mit denen es umgehe, ausgeführt habe, werde es Desterreich unfehlbar angreifen 2). Die alte Frage, welche dieser Mächte in Italien vorwalten solle, auf die auch Cobenzl den größten Werth legte, wäre dann sofort zu Ungunsten Desterreichs entschieden worden. Cobenzls Meinung war, durch Vollziehung der Bündnisse mit Rußland und England dieser Eventualität zuvorzukommen. Zugleich hielt er an dem Gedanken fest, die Ideen, die den lezten Thugut'schen, durch Reuß in Berlin mitge= theilten Entwürfen zu Grunde lagen, zur Ausführung zu bringen, namentlich das hierarchische Element im deutschen Reiche, auf welches sich das Ansehen des Kaiserthums gründete, möglichst zu conser= viren 3). Darüber, daß Rußland die Verbindung mit Desterreich festhalten werde, hegte er keinen Zweifel.

Für die damaligen Weltverhältnisse war ein entscheidendes Ereigniß, daß Kaiser Paul I. zu dem Entschluß gelangt war, die Hülfe, die seine Vorgängerin versprochen, er aber verzögert hatte, in der That zu leisten. Kaiser Paul war mit der Absicht auf den Thron gestiegen, nur eben die inneren und äußeren Interessen des Reiches zur Richtschnur seines Thuns und Lassens zu nehmen. Zuweilen hielt er dafür, daß dies am besten geschehe, wenn er die großen Kämpfe in Europa ihrem eigenen Gang überlasse. Aber eine Fortentwicklung der Macht, wie Frankreich sie jezt beabsichtigte, war doch auch für Rußland unerträglich. Aus aufgefangenen Briefen nahm er ab, daß die intimste Verbindung der französischen

Bien, Rasumowsky, bei Martens, Recueil des traités et conventions conclus par la Russie. II, S. 360 ff.

1) Bom 24. Juli 1798 bei Vivenot, Zur Geschichte des Rastadter Congresses, S. 213.

2) il n'est pas douteux que la monarchie autrichienne doit s'attendre à une levée de bouclier bien plus dangereuse pour elle que la guerre qui aurait lieu dans le moment présent.

3) dans le cas où la guerre recommencerait avec l'Autriche seule, ces indemnités seront réglées de la manière la plus défavorable pour les intérêts de S. M., tout ne serait réparti qu'en faveur des protestants et au détriment des princes ecclésiastiques; que par conséquent l'autorité et l'influence du chef de l'Empire deviendraient presque nulles.

Regierung mit den Polen bestehe; das Directorium erkannte die Verdienste derselben um die französische Revolution an

innerte sie, sich nur ruhig zu verhalten, bis die Zeit der Rache ge= kommen sei). Von der Herstellung des alten Königreichs, wofür man Preußen und Desterreich zu gewinnen hoffte, ist nochmals die Rede gewesen. Um so nothwendiger war es für den Kaiser, einer Verbindung der beiden Mächte, namentlich Desterreichs mit Frankreich, zuvorzukommen. Ueberdies aber: das Mittelmeer, Aegypten, die Türkei dem Uebergewicht von Frankreich zu überlassen, hätte der Weltstellung Rußlands auf immer Eintrag gethan; Paul konnte das in seiner Eigenschaft als Ezar nicht dulden; auch seine persön= lichen Sympathieen waren dagegen. Er war durch seine Herkunft, seine Erziehung, seine Lectüre in ein inneres Verhältniß zu den Ideen der romanisch-germanischen Welt getreten. In seiner Jugend hatte er Vertôt gelesen und war für die Heldenthaten der Johanniter, die noch ihren alten Eit in Malta inne hatten, mit Be= wunderung erfüllt worden. Daß nun Napoleon Bonaparte bei seiner Fahrt nach Aegypten Malta überraschte und in Besit nahm (12. Juni 1798), machte auf ihn einen höchst widerwärtigen Eindruck. Die unter seiner Aegide vor kurzem gebildete Abtheilung des Malteser - Ordens fühlte sich veranlaßt und hielt sich für berechtigt, das Großmeisterthum desselben dem Kaiser Paul zu übertragen. Er dachte daran, dem Orden auch eine Abtheilung aus griechisch-gläubigen Mitgliedern hinzuzufügen und denselben zu einer Institution für die Ausbildung des gesammten europäischen Adels im antirevolutionären Sinne zu gestalten. Und wer wollte leugnen, daß es für ihn auch Reiz hatte, im Mittelmeere die große Position von Malta in Besit zu nehmen? Gegen die orientalischen Pläne des Generals Bonaparte ward er selbst durch eine Art von Eifersucht gereizt; den Einfluß, den dieser durch den Angriff erwarb, meinte er durch Vertheidigung zu paralysiren und zum Vortheil von Rußland zu benutzen. Dabei nahm er dann den Kampf gegen die Revolution in großem Style auf. Er war ein Enthusiast der Le= gitimität, so daß er es für unmöglich hielt, die alten Zustände Europa's zu retten, ohne Zurückführung der bourbonischen Dynastie,

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29. Januar 1798
9. Februar 1798

bei Miliutin I,

1) Aus einem Berichte von Panin den S. 51. In dem Schreiben des Directoriums heißt es: nous n'oublierons jamais les services que vous avez rendus à notre révolution; suspendez pour quelque temps votre vengeance. Miliutin I, S. 341.

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