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mehrere wichtige Schriftstücke bereits veröffentlicht. Unter andern findet sich in einem holländischen Werk der ganze Briefwechsel Leopold's II. und Friedrich Wilhelm's II. aus dem Jahre 1790 gedruckt.*) Selbstverständlich vermied ich dessen Wiedergabe und habe nur den Brief Friedrich Wilhelm's II. an Leopold II. vom 28. November 1790 neuerdings zum Abdruck gebracht, um die Antwort des Kaisers vom 11. December 1790, die bisher nicht bekannt war, verständlicher zu machen, nicht minder um die politische Situation, wie sie zwischen den beiden Höfen nach dem Reichenbacher Congress geherrscht hat, heller zu beleuchten.**) Das wichtige Buch van der Spiegel's, die Geschichte des

*) Résumé des négociations qui accompagnèrent la révolution des PaysBas autrichiens, avec des pièces justificatives par van der Spiegel (Amsterdam 1841).

**) Das auf S. 11 des vorliegenden Werkes abgedruckte „Mémoire à présenter à Londres et à la Haye par Mr. le comte de Reviczky et le Baron de Buol“ ist in van der Spiegel's „Pièces justificatives" S. 311 als eine nur nach Holland gerichtete Note aufgeführt, während es hier die für England bestimmten wesentlichen Varianten enthält. Auch die auf S. 13 vollinhaltlich abgedruckte „Note verbale de la part de LL. H. P." vom 16. Juli 1790 ist von jener, bei van der Spiegel (S. 278), gekürzt und von der mehr als Auszug gebrachten „Production d'un extrait du régistre des résolutions de LL. H. P. les États généraux des P. B." wesentlich verschieden. Die „Pièces justificatives“ bei van der Spiegel werden in dem hier auf S. 39 gedruckten interessanten Bericht des Grafen Mercy an Kaunitz eine werthvolle Ergänzung finden. Eben so wichtig ist das „Précis des faits" S. 63, welches van der Spiegel nicht bekannt gewesen zu sein scheint. Die den Reichenbacher Congress einleitende Correspondenz Leopold's II. mit dem König von Preussen, welche im Staatsarchiv vollständig vorhanden ist, findet sich, wie oben erwähnt, bei van der Spiegel bereits gedruckt vor, und zwar: 1. Der Brief des Kaisers an den König, vom 26. März 1790; 2. Das „Mémoire confidentiel sur la conduite et la disposition de la cour de Vienne" etc.; 3. Der Brief Friedrich Wilhelm's II. an Leopold II., vom 14. April 1790; 4. Leopold an Fr. Wilhelm, vom 27. April 1790; 5. Fr. Wilhelm an Leopold, vom 10. Mai 1790; 6. Leopold an Fr. Wilhelm, vom 23. Mai 1790; 7. Friedrich Wilhelm an Leopold, vom 26. Mai 1790; 8. Der in Nr. 64 bei Spiegel angeführte Brief Fr. Wilhelm's an Leopold datirt nach dem Original im Staatsarchiv vom 4. und nicht vom 2. Juni 1790; 9. Observations ultérieures sur les trois bases de négociation, proposées à la cour de Vienne"; 10. Leopold an Fr. Wilhelm, d. d. 17. Juni 1790; und endlich 11. „Réflexions ultérieures sur les bases de la négociation."

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Ferner finden sich bei v. d. Spiegel S. 161 die Briefe von Kaunitz an Reviczky, d. d. 12. Februar 1790, und von Leopold II. an Reviczky, d. d. 17. April 1790, endlich auch die vom 17. Juni 1790 datirten „Points préliminaires que la cour de Prusse propose à celle de Vienne, pour servir de base à un armistice entre les parties belligérantes et ensuite à un accommodement général entre les parties in téressées à la crise présente dans l'Orient et le Nord.“

Reichenbacher Congresses und die Beendigung der niederländischen Wirren erhalten durch die vorliegenden Geschichtsquellen überaus wichtige Ergänzungen.

Graf Mercy, der österreichische Botschafter am französischen Hofe, war seit den Haager Conferenzen nicht mehr nach Paris. zurückgekehrt. Die Expeditionen an ihn aus den Jahren 1790 und 1791, in so ferne sie die französischen Angelegenheiten betreffen, hängen mit dem von ihm mit der Königin und dem Grafen de la Marck geführten geheimen Briefwechsel eng zusammen. Die Expeditionen der Staatskanzlei an die österreichische Gesandtschaft in Paris in den Jahren 1790-1791 enthalten die Bekanntgabe der politischen Verhandlungen, wie sie gleichfalls den andern Ministern in Circular-Depeschen zugestellt wurden. Ihren wichtigsten Theil bilden aber die geheimen Weisungen in den mit der Königin von Frankreich gepflogenen directen Verhandlungen.

Die durch Herrn von Arneth*) zur Veröffentlichung gelangten wichtigen Briefsammlungen Marie Antoinettens mit ihren Kaiserbrüdern und mit dem Grafen Mercy, durch ähnliche Veröffentlichungen des Herrn Feuillet de Conches**) und mehrere Actenstücke in Herrmanns „Geschichte Russland's" ergänzt, wie nicht minder die gehaltvollen Publicationen Hermann Hüffers ***) und meine eigenen früheren Arbeiten füllen so ziemlich die Lücken

*) v. Arneth: „Marie Antoinette, Joseph II. und Leopold II. Ihr Briefwechsel.“ (Wien, 1866.) Auf das wichtige „Mémoire", S. 279, mache ich besonders aufmerksam, wie auch auf den Brief Ludwig's XVI an Leopold II. (Juli 1791). Ueberhaupt ist der durch Arneth publicirte Briefwechsel (siehe auch „Joseph II. und Leopold von Toscana") zum Verständniss der Genesis der Kriege in Frankreich von hoher Wichtigkeit.

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**) Marie Antoinette, Louis XVI." etc., herausgegeben durch Feuillet de Conches (1864), 3 Bände. Insbesondere gilt dies von einer ganzen Reihenfolge, das hier publicirte Material ergänzender Briefe Leopold's II., des Grafen Artois, des Grafen Mercy, Depeschen des Fürsten Kaunitz an Letzteren und an den Grafen Kageneck, kaiserlichen Botschafter in Madrid, B. II S. 152-155, B. III S. 268, B. III S. 280 etc. Die Publication Feuillet's ist in Bezug auf die von ihm im Wiener Archiv angefertigten Abschriften authentischer Documente verlässlich; zwischen diesen letzteren jedoch und seinen übrigen, theilweise apokryphen Autographen ist wohl zu unterscheiden.

***) Siehe des Ersteren: „Geschichte Russlands", des Letzteren: „Diplomatische Verhandlungen aus der Zeit der französischen Revolution. Erster Band. 1. Oesterreich und Preussen gegenüber der französischen Revolution. (Bonn 1868.) 2. Die Politik der deutschen Mächte im Revolutionskriege etc." (Ergänzungsheft. Münster 1869).

aus, welche für den Historiker von Fach nach dieser Seite in dem vorliegenden Bande etwa fühlbar werden könnten. Den Wiederabdruck aller dieser bekannten Quellen, so sehr sie in den Rahmen meiner Aufgabe gepasst hätten, habe ich selbstverständlich unterlassen und nur einigen kleineren, zum Verständniss des Zusammenhanges der politischen Ereignisse durchaus nothwendigen Actenstücken die Aufnahme gewährt.*)

Ein ähnliches Bewandtniss hat es mit einigen Briefen Leopold's II. an Kaunitz, welche Herr Adolf Beer als „Analecten zur Geschichte der Revolutionszeit" inzwischen veröffentlicht hat.**) Von demselben Gelehrten ist soeben auch eine reichhaltige, das vorliegende Werk in einigen Punkten ergänzende Correspondenz erschienen, auf die aufmerksam zu machen ich nicht verfehlen will.***)

Die Aufnahme aller auf den Sistower Frieden bezüglichen Erlässe unterblieb, einerseits wegen ihres Umfanges, anderseits wegen ihres Nichtzusammenhanges mit dem politischen Hauptgegenstande dieses Werkes. Die Vorgänge in Sistow werden übrigens hinreichend, ja trefflich illustrirt durch einige Stellen aus der geheimen Correspondenz der preussischen Minister Lucchesini, Herzberg, Jacobi und der Correspondenz des Königs mit seinen Ministern. Die türkische Post- in österreichischen Händen unterrichtete die Staatskanzlei von den geheimsten Absichten ihrer Gegner. Wie aus den hier abgedruckten Berichten der preussischen Minister ersichtlich ist, wusste man in Wien genau, dass die englischen und preussischen Minister in Sistow nach gemeinsamen Instructionen handelten, und dass man von Berlin und London für die kaiserliche Politik wenig Entgegenkommen zu erwarten

*) Z. B. das Rundschreiben Leopold's II. an die Souveraine, d. d. Padua, 5.-6. Juli 1791, die „Pillnitzer Declaration," beide gedruckt bei Feuillet de Conches B. III S. 388. Feuillet, der consequent Rageneck statt Kageneck schreibt, datirt das Rundschreiben B. II. S. 152 vom 5. Juni und 6. Juli und sagt: „Cette lettre, commencée le 5 juin, n'a été expédiée que le 6 juillet." Dies ist ein Irrthum. Alle Briefe des Kaisers datiren vom 5. und 6. Juli aus Padua, wie denn auch gleich in dem nach Feuillet Anfangs Juni geschriebenen Briefe der Flucht des Königs und seiner Ankunft in Luxemburg Erwähnung geschieht, die doch angeblich erst am 20. und 21. Juni vor sich gegangen sein sollte.

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**) Es sind dies die vom 5., 14. und 20. Mai und 30. August 1791 datirten Rescripte Leopold's II. an Kaunitz, abgedruckt in „von Sybel's historischer Zeitschrift 1872, 1. Heft; so auch einige den Rücktritt des Fürsten Kaunitz berührende Documente, die ich im 2. Band bezeichnen werde.

***) „Joseph II., Leopold II. an Kaunitz. Ihre Correspondenz“ von Adolf Beer. (Wien, Braumüller 1873.)

hatte. Aus den übelwollenden Depeschen Lucchesini's und Herzberg's*) geht übrigens die interessante Thatsache hervor, dass diese preussischen Minister von Februar bis Juli 1791 über die inzwischen durch Bischoffwerder's Sendung (auf die wir noch zurückkommen) erfolgte freundschaftliche Annäherung Preussens an Oesterreich in vollständiger Unkenntniss geblieben waren.

Interessante historische Streiflichter bot mir, wie für frühere Publicationen, auch für diese wieder das kurmainzische Archiv, ein Bestandtheil des geheimen Haus-, Hof- und Staats-Archives", dem ich die auf die Elsässer Angelegenheiten und die Baseler Wirren bezüglichen Documente entnahm. Der Kurfürst von Mainz, welcher im Jahre 1794 als Vorläufer des Baseler Friedens den sogenannten „kurmainzischen Friedensantrag" **) gestellt hat, war im Jahre 1791 die Seele der deutschen Offensivpolitik und ein Hauptagitator zu Gunsten eines gegen Frankreich zu erweckenden Reichskrieges. **) Die zwischen ihm, seinen deutschen Mitständen und dem Fürsten Kaunitz gewechselten Schriftstücke verdienen aber auch deshalb noch eine ganz besondere Beachtung, weil Kurmainz das Directorium im kurfürstlichen Collegium in Regensburg führte und als der Mittelpunkt der officiellen Vorgänge im Reiche betrachtet werden kann.

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Auch die polnische Revolution, das Verhältniss Oesterreichs zu Russland, zu Sachsen und den Emigranten erhält durch die vorliegende Veröffentlichung mancherlei neue und nicht unwichtige Aufklärungen. Werthvolle Ergänzungen finden sich in den Staatsschriften und Memoiren über die politische Thätigkeit Leopold's II. in Padua, von wo aus, nach der eingelaufenen Kunde der Gefangennahme Ludwig's XVI. in Varennes, das berühmte Rundschreiben an alle Souveraine erlassen wurde.

Ueber die österreichische Politik gegenüber Russland finden. sich in den Rescripten an Graf Ludwig Cobenzl nach Petersburg die entsprechenden Aufklärungen. Ueber die Politik, die Oesterreich den italienischen Höfen gegenüber befolgte, finden sich in diesem Band nur wenige Erläuterungen. Kaiser Leopold II. durfte sich als das Haupt Italiens betrachten; sein Sohn regierte

*) Siehe Seite 52, 88, 128, 132, 134-35, 137, 148, 165-182 etc. **) Siehe des Herausgebers Herzog Albrecht von Sachsen-Teschen (Zur Geschichte des Baseler Friedens) a. g. O.

***) Siehe den Brief des Kurfürsten von Cöln an Leopold II., S. 543 des vorliegenden Bandes.

in Florenz, seine Schwester in Neapel, und man kann kühnlich behaupten, dass unter seiner kurzen Regierung die italienischen Höfe fest an seiner Seite standen. Ueber das Verhältniss der österreichischen Politik zu den Seemächten ist dagegen kaum mehr zu sagen, als aus der Mission Elgin's*), den Depeschen Aucklands, Keith's, Straton's und van Haeften's**) und den wenigen hier aufgenommenen Rescripten an Reviczky und Stadion***) hervorgeht. Erst im Jahre 1793 knüpft das Ministerium des Baron Thugut die sehr gelockerten freundschaftlichen Bande mit England wieder fester.

Durchaus neue Aufschlüsse enthält dieser Band über die eben erwähnten Versuche einer freundschaftlichen Annäherung Preussens an Oesterreich in den Jahren 1790 und 1791. Die wiederholten geheimen Sendungen des preussischen Generals Bischoffwerder (unter dem Namen Buschmann) nach Wien liefern werthvolle und bisher gänzlich unbekannt gebliebene Aufschlüsse über die Genesis des Allianztractates von 1792. Auch über Bischoffwerders Verhandlungen mit Ph. Cobenzl und dem Fürsten Kaunitz†), über seine und Lord Elgin's Sendung nach Mailand††), über die Pillnitzer Begegnung†††) und die politische Denkart des Fürsten Kaunitz fördert dieser Band durchweg neues Urkundenmaterial zu Tag.

Der leitende Staatsgedanke des Fürsten Kaunitz enthüllt sich gänzlich in den hier abgedruckten Briefen, Erlässen, Memoiren und philosophischen Betrachtungen, und die Thatsache ist nicht nur hoch interessant, sondern auch historisch bedeutungsvoll, dass der staatskluge Fürst den Beginn der französischen Umwälzung mit wohlwollenden Blicken betrachtet hat. Auch die Rathschläge, welche Mercy der Königin gab, und die wir jetzt nach den vorerwähnten gehaltvollen Publicationen Arneth's und Feuillet de Conches' genau kennen, entfernten sich nie von den Regeln hoher Staatsphilosophie, welche die ganze politische Leitung des Fürsten Kaunitz charakterisirt. Nahezu bis an die Grenze der Unmöglichkeit versuchte der Fürst-Kanzler sein grosses politisches System, eine „dauernde Allianz Oesterreichs mit Russland und

*) S. 172.

**) S. 51, 48, 152, 155-164, 172.

***) S. 3, 4, 464, 468.

†) S. 78, 86-87, 89, 96, 97, 216, 229, 247 etc.

††) S. 172, 176.

tit) S. 236-259.

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