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August Wilhelm Rehberg,

Königlich Hannoverischem Geheimen Cabinetsrathe und Commandeur
des Guelpher - Ordens, Mitgliede der Societät der Wissen-
schaften zu Göttingen.

DIVINITY SCHOOL

LIBRARY.

HARVARD UNIVERSITY

Erster Band.

Fr. Lücke,.

Hannover, 1828.

Im Verlage der Hahn'schen Hofbuchhandlung.

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Vorrede.

Nach der Lehre der persischen Magier schwebt über jedem Menschen ein Ferver, ein geistiges Wesen, in welchem sich das, was er nach seinen ursprünglichen Anlagen seyn und werden konnte, in vollkommenster Reinheit darstellt: frey von Allem, was durch den irdischen Stoff der Person beygemischt wird, worin jenes Urbild sich in der wirklichen Welt ausdrückt. Dieses höhere Wesen ist allein ein reiner Gegenstand der unvertilgbaren Selbstliebe: dahingegen es durch die Farbe, die es bey der Erscheinung in Gedanken, Empfindungen und Handlungen annimmt, oft so entstellt wird, daß der Mensch sich selbst nicht wieder erkennt. Dem Dienste jenes Ideals soll er sich widmen: damit er wenigstens mit sich selbst einig bleibe, wenn ihm auch nicht beschieden wåre, mit seinen äußern Verhältnissen zufrieden zu seyn. Dadurch allein vermag er den Widerwillen gegen

die aufgebrungene låstige Natur, und die vergebliche Sehnsucht zu überwinden, sich von den Fesseln zu befreyen, die einen Ueberdruß des Lebens erregen, den Jeder empfindet, wenn er auch zu den Glücklichen gezählt wird. Wer möchte wohl in eine Wiederholung des überstandnen Lebens einwilligen, dafern ihm nicht verstattet würde, einige Büge seiner Natur und Verhältnisse abzuåndern, um sein innerstes Wesen in der äußern Welt besser darzustellen, als das erste Mal? Das unwiderstehliche Schicksal, welches den Menschen mit sich fortreißt, und ihm jeden Rückschritt verweigert, erlaubt ihm jedoch, ein Bild jenes eigensten und wahrsten Selbst, das sich im wirklichen Leben nur so unvollkommen ausdrückte, zu hinterlassen. Er darf versuchen, die Erinnerung des engern oder weitern Kreises, in dem er nach seinem Ende fortzuleben hofft, an dieses Bild zu feffeln. In demselben darf der Charakter nicht verfälscht werden. Kein 3ug darf fehlen; das Eigenthümliche und Individuelle erscheint aber im vollkommen= sten Lichte nur alsdann, wenn seine Umgebungen zugleich mit dargestellt werden.

Auch durch die Verhältnisse zu diesen ist der innere Mensch in seiner Erscheinung gebunden. Dem Einflusse seiner Zeit vermag Keiner sich zu entziehen. Sogar der= jenige, der sich im entschiedensten Widerspruche mit ihr befindet, erhält eben durch die Vorstellungen, gegen die er

sich auflehnt, eine bestimmte Richtung. Die Geschichte seines Geistes ist daher innigst mit der Geschichte seiner Zeit verwebt. In den gegenseitigen Beziehungen der gleichzeitig Lebenden und Wirkenden, ohne welche kein Einzelner vollkommen begriffen wird, ist aber Einiges, jedem fremden Blicke Verborgnes, das nur von dem treffend angegeben werden kann, der von sich selbst redet.

Dieses gilt nicht bloß vom thätigen Leben. Auch auf den Schriftsteller kann es angewandt werden. Eins aber hat dieser noch voraus. Wenn gleich der erste Eindruck seiner Werke, der unabånderlichen Vergangenheit angehört, so kann er doch versuchen, einer durch Prüfung und Erfahrung geläuterten Ansicht eine dauerndere Wirkung zu verschaffen. Wenn er das Glück gehabt hat,

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denn auch daran hat das Glück einigen Antheil, den Gesichtspunkt gleich anfangs gefaßt zu haben, den er bey allem Wechsel der Erscheinungen festhalten durfte, so kann er sich bemühen, seine Grundsähe, durch eine in die Denkart der Zeit mehr eingreifende Ausführung, gegen verkehrte Anwendung und gegen Mißbrauch zu sichern: und wenn er sich genöthigt sieht, frühere Ansichten aufzugeben, seine Gesinnung rechtfertigen, indem er erklärt, wie jene in ihm entstanden sind.

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