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die wohlhabendere und gebildetere Klasse der Landeseinwohner dazu gezogen werden soll. Die Bestimmung im Detail wird aber mit großen Schwierigkeiten verbunden sein, eine sehr reifliche Erwägung und Prüfung aller Verhältnisse erfordern. Für bloße Dienstfehler oder solche Vergehungen, für welche Civilpersonen keiner körperlichen Strafe unterworfen sind, könnten lettere beim Militär vielleicht ganz abgeschafft, dagegen aber die härtesten körperlichen Strafen, und nach Umständen Todesstrafe ohne Erlaß, auf Subordinationsverbrechen gesezt werden.

Infolge einer nochmaligen Beratung erhielt dieser Punkt folgenden Zusah: Im ganzen würden die körperlichen Strafen abgeschafft werden können mit Ausnahme der Diebe, wo es sehr zu wünschen wäre, wenn man diese bei Wiederholung ihres Verbrechens ganz aus dem Militär ausstoßen könnte. Wer aber 3 mal eines Fehlers sich schuldig gemacht hätte, auf den bisher körperliche Strafen erfolgten, träte beim 4. Male in eine zweite Klasse, wo er mit körperlichen Strafen gezüchtigt würde; nur gute Aufführung könnte ihn aus dieser Klasse wieder heraustreten lassen. Strenger einsamer Arrest wirkt oft sehr stark auf den Menschen. Bei den zu entwerfenden Kriegsartikeln müssen Belohnungen ebensogut als Bestrafungen ausführlich angegeben werden. . .

b.

Über die allgemeine Wehrpflicht.

1809.

Mits

(Aus einem Immediat-Bericht der Konskriptions-Kommissions. Königsberg, 1. Juli 1809. geteilt von M. Lehmann: Historische Zeitschrift, herausg. von H. v. Sybel, Bd. 61, S. 97. ff.)

1. Der Zweck der Konskription kann nur sein, jeden Unterthan zu der Überzeugung zu bringen, daß, wenn das Vaterland in Gefahr ist, jeder zu dessen Verteidigung verpflichtet sei. Denn wenn diese Überzeugung bei jedem Unterthan lebendig ist, wird es keines Zwanges zum Militärdienst weiter bedürfen. Das erste französische Konskriptionsgesetz fängt daher mit folgenden Bestimmungen an: Tout Français est soldat et se doit à la défense de la patrie. Lorsque la patrie est déclarée en danger, tous les Français sont appelés à sa défense. Hors le cas du danger de la patrie, l'armée se forme par enrôlement volontaire et par la voie de la conscription militaire. Daß diese Grundgesetze jedem Staate durchaus wesentlich sind, folgt schon daraus, daß der Kaiser Napoleon, sobald er mit seinen Truppen einen feindlichen Staat berührt, das Gegenteil aufstellt und fortwährend dem Volke

5 Sie war auf Scharnhorsts Anregung vom Könige Anfang Juni, nach der Schlacht bei Aspern, eingesetzt worden. Der Immediat-Bericht gehört zu den Versuchen, den König zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht zu bewegen. Erst durch das Wehrgeset vom 3. Sept. 1814 wurde sie eingeführt. vom 19. Fructidor des 6. Jahres der Republik.

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empfiehlt. Der Geist unserer Gesetze ist jedem Feinde hierin günstig; denn wenngleich unseres Wissens kein geschriebenes Gesetz existiert, welches den Feind des Vaterlandes nur für den Feind des Militärs des Vaterlandes erklärt, so hat doch die Erfahrung gezeigt, daß diese Meinung vorherrscht, und daß verhältnismäßig nur sehr wenige sich zur Verteidigung des Vaterlandes freiwillig versammelt haben. In dem neuen Konskriptionsgesetz wird es möglich sein, ohne daß dadurch ein großes Aufsehen erregt werden sollte, der Nation den richtigen Gesichtspunkt in dieser Hinsicht zu stellen.

4... Im allgemeinen scheinen uns E. K. M. Unterthanen zu Einführung eines allgemeinen Heerbannes jetzt vollkommen vorbereitet zu sein. Es ist schon vor einem Jahre dem Volke öffentlich angekündigt worden, daß diese Einrichtung eintreten werde." Die auf den Grund der neuen Kriegsartikel im Militär gemachte Erfahrung hat die Nation überzeugt, daß durch eine ehrenvolle Behandlung des gemeinen Soldaten von seiten seiner Offiziere die Ordnung nicht leide, im Gegenteil ein dem Militär angemessener Geist erzeugt werde. Die Nation erwartet in ihren Einrichtungen ein Fortschreiten und muß den Monarchen segnen, der ihr mehr Gleichmäßigkeit in den ersten, heiligsten Pflichten gegen die höchste Gewalt giebt. . .

Wir sind hiernach des unmaßgeblichen Dafürhaltens, daß der jeßige Zeitpunkt gerade der angemessenste zur Einführung eines allgemeinen Heerbannes ist. Wir können unvorgreiflich nicht dazu raten, vorher noch mehrere vorbereitende Maßregeln zu nehmen und der Sache selbst Anstand zu geben. Denn erstens scheint uns jetzt kein Zeitpunkt zu sein, in dem man auf den Erfolg von Operationen, welcher sich erst nach Jahren zeigen könnte, warten kann. Zweitens hindert unsere jezige Konskriptionsart, daß E. K. M. Unterthanen zur klaren, lebendigen Einsicht ihrer Pflicht in Beziehung auf Vaterlandsverteidigung gelangen können. Wenn der Bauer und der arme Bürger sieht, daß er zu den Waffen gezwungen wird, währenddem alle, die nicht zu seiner Klasse ge= hören, von dieser Pflicht entbunden werden, dann kann er den Kampf für König und Vaterland nicht für etwas so Heiliges und Unerläßliches halten, daß alles andere ihm nachstehe. Drittens wird der allgemeine Heerbann das wirksamste Mittel sein, die Nation zu der vollen Überzeugung zu bringen, daß es die Pflicht jedes Unterthanen ohne Ausnahme sei, sein Leben für seinen König und sein Vaterland einzuseßen. Je mehr und je schneller diese Überzeugung bei dem Volke lebendig wird, um so mehr und um so eher wird der Zwang durch freiwillige Feststellung entbehrlich werden. Viertens diejenigen, welche jetzt von dem Militärdienst eximiert sind, scheinen uns hier keine Rücksicht zu ver dienen, und in Rücksicht dieser könnten doch nur allein noch vorbereitende Maßregeln getroffen werden, die alle andern gewinnen. Die Erimierten

7 in den Kriegsartikeln und in der Verordnung über die Militärsstrafen, 3. Aug. 1808. Vgl. auch oben unter a. die Bemerkung der Kommission zu Punkt 12 der Vorlage des Königs. Vgl. Quellenbuch S. 362, 6.

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sind in Beziehung auf Landesverteidigung jezt als nicht existierend zu betrachten; ihre diesfälligen Wünsche haben daher keinen Wert, und jede andere Rücksicht scheint uns weichen zu müssen, sobald von der Vaterlandsverteidigung die Rede ist...

v. Scharnhorst. Schön. Gr. v. Lottum. v. Boguslawski. v. Massenbach. Ribbentrop. v. Boyen.

204.

Wodurch kann die Erhaltung der deutschen Nation bewirkt werden?

(Fichte, Reden an die deutsche Nation. Berlin 1808.

1

Aus der 12. Rede.)

Diejenige Erziehung, die wir den Deutschen zu ihrer fünftigen National-Erziehung vorschlagen, ist nun sattsam beschrieben. Wird das Geschlecht, das durch dieselbe gebildet ist, nur einmal dastehen, dieses lediglich durch seinen Geschmack am Rechten und Guten und schlechthin durch nichts anderes getriebene, dieses mit einem Verstande, der, für seinen Standpunkt ausreichend, das Rechte allemal sicher erkennt, versehene, dieses mit jeder geistigen und körperlichen Kraft, das Gewollte allemal durchzusetzen, ausgerüstete Geschlecht, so wird alles, was wir mit unsern kühnsten Wünschen begehren können, aus dem Dasein desselben von selbst sich ergeben und aus ihm natürlich hervorwachsen. Diese Zeit bedarf unserer Vorschriften so wenig, daß wir vielmehr von derselben zu lernen haben würden.

Da inzwischen dieses Geschlecht noch nicht gegenwärtig ist, sondern erst herauferzogen werden soll, und, wenn auch alles über unser Erwarten trefflich gehen sollte, wir dennoch eines beträchtlichen Zwischenraums bedürfen werden, um in jene Zeit hinüber zu kommen, so entsteht die näherliegende Frage: Wie sollen wir uns auch nur durch diesen Zwischenraum hindurch bringen? Wie sollen wir, da wir nichts Besseres können, uns erhalten, wenigstens als den Boden, auf dem die Verbesserung vorgehen, und als den Ausgangspunkt, an welchen dieselbe sich anknüpfen könne? Wer sich ohne Aufmerksamkeit auf sich selbst gehen läßt und von den Umständen sich gestalten, wie sie wollen, der gewöhnt sich bald an jede mögliche Ordnung der Dinge. So sehr auch sein Auge durch etwas beleidigt werden mochte, als er es das erste Mal erblickte, laßt es nur täglich auf dieselbe Weise wiederkehren, so gewöhnt er sich daran und findet es späterhin natürlich und als eben so sein müssend, gewinnt es zuletzt gar lieb, und es würde ihm mit der Herstellung des erstern bessern Zustandes wenig gedient sein, weil dieser ihn aus seiner nun einmal gewohnten Weise zu sein herausrisse. Auf diese Weise gewöhnt man sich sogar an Sklaverei, wenn nur unsre sinnliche Fortdauer dabei

ungekränkt bleibt, und gewinnt sie mit der Zeit lieb; und dies ist eben das Gefährlichste an der Unterworfenheit, daß sie für alle wahre Ehre abstumpft, und sodann ihre sehr erfreuliche Seite hat für den Trägen, indem sie ihn mancher Sorge und manches Selbstdenkens überhebt.

Laßt uns auf der Hut sein gegen diese Überraschung der Süßigkeit des Dienens, denn diese raubt sogar unsern Nachkommen die Hoffnung fünftiger Befreiung. Wird unser äußeres Wirken in hemmende Fesseln geschlagen, laßt uns desto kühner unsern Geist erheben zum Gedanken der Freiheit, zum Leben in diesem Gedanken, zum Wünschen und Begehren nur dieses einigen. Laßt die Freiheit auf einige Zeit verschwinden aus der sichtbaren Welt; geben wir ihr eine Zuflucht im Innersten unsrer Gedanken so lange, bis um uns herum die neue Welt emporwachse, die da Kraft habe, diese Gedanken auch äußerlich darzustellen. Machen wir uns mit demjenigen, was ohne Zweifel unserm Ermessen frei bleiben muß, mit unserm Gemüte, zum Vorbilde, zur Weissagung, zum Bürgen desjenigen, was nach uns Wirklichkeit werden wird. Lassen wir nur nicht mit unserm Körper zugleich auch unsern Geist niedergebeugt und unterworfen und in die Gefangenschaft gebracht werden!

Fragt man mich, wie dies zu erreichen sei, so ist darauf die einzige, alles in sich fassende Antwort diese: wir müssen eben zur Stelle werden, was wir ohnedies sein sollten, Deutsche. Wir sollen unsern Geist nicht unterwerfen: so müssen wir eben vor allen Dingen einen Geist uns anschaffen, und einen festen und gewissen Geist; wir müssen ernst werden in allen Dingen und nicht fortfahren bloß leichtsinnigerweise und nur zum Scherze dazusein; wir müssen uns haltbare und unerschütterliche Grundsätze bilden, die allem unsern übrigen Denken und unserm Handeln zur festen Richtschnur dienen; Leben und Denken muß bei uns aus einem Stücke sein und ein sich durchdringendes und gediegenes Ganzes; wir müssen in beiden der Natur und der Wahrheit gemäß werden und die fremden Kunststücke von uns werfen; wir müssen, um es mit einem Worte zu sagen, uns Charakter anschaffen; denn Charakter haben, und deutsch sein, ist ohne Zweifel gleichbedeutend, und die Sache hat in unsrer Sprache keinen besondern Namen, weil sie eben ohne all unser Wissen und Besinnung aus unserm Sein unmittelbar hervorgehen soll.

Wir müssen zuvörderst über die großen Ereignisse unsrer Tage, ihre Beziehung auf uns und das, was wir von ihnen zu erwarten haben, mit eigner Bewegung unsrer Gedanken nachdenken und uns eine flare und feste Ansicht von allen diesen Gegenständen und ein entschiedenes und unwandelbares Ja oder Nein über die hierherfallenden Fragen verschaffen; jeder, der den mindesten Anspruch auf Bildung macht, soll das. . . Jene Achtlosigkeit auf das, was unter unsern Augen vorgeht, und die künstliche Ableitung der allenfalls entstandenen Aufmerksamkeit auf andere Gegenstände wäre das Erwünschteste, was einem Feinde unsrer Selbständigkeit begegnen könnte. Ist er sicher, daß wir uns bei keinem Dinge etwas denken, so kann er eben, wie mit leblosen Werkzeugen, alles mit uns vornehmen, was er will; die Gedankenlosigkeit eben ist es, die sich an alles gewöhnt; wo aber der klare und umfassende Gedanke und

in diesem das Bild dessen, was da sein sollte, immerfort wachsam bleibt, da kommt es zu keiner Gewöhnung.

Diese Reden haben zunächst Sie eingeladen, und sie werden einladen die ganze deutsche Nation, inwieweit es dermalen möglich ist, dieselbe durch den Bücherdruck um sich zu versammeln, bei sich selbst eine feste Entscheidung zu fassen und innerlich mit sich einig zu werden über folgende Fragen: 1) ob es wahr sei, oder nicht wahr, daß es eine deutsche Nation gebe, und daß deren Fortdauer in ihrem eigentümlichen und selbständigen Wesen dermalen in Gefahr sei; 2) ob es der Mühe wert sei, oder nicht wert sei, dieselbe zu erhalten; 3) ob es irgend ein sicheres und durchgreifendes Mittel dieser Erhaltung gebe, Erhaltung gebe, und welches dieses Mittel sei.

205. Aus

Ludwig Jahn, Deutsches Volkstum.

(Lübeck 1810.)

a.

Regierung.

Achtung vor dem Gesetz muß jeder Staatsgenoß haben, das Gesetz muß ihm heilig wie eine Glaubenspflicht sein. Auf die Religionsgebote müssen die Vorschriften der Regierung folgen, aber ein wahrer menschlicher Sinn des hohen Ordneramts muß über sie walten. Gehorsam ist eine deutsche Tugend; mit Kindlichkeit folgt der deutsche Unterthan, wenn die Obrigkeit väterlich fürsorgt, nicht bloß zwingherrisch gebietet und verbietet, sondern zuvor gründlich belehrt und dadurch die Überzeugung gibt, daß sie es wahrhaft gut meine, das Wohl ihrer Anbefohlnen beabsichtige, nicht eignen Gewinn, noch ausgekrämerten Vorteil.

Zwischen Kopf, Hand und Fuß liegt das Herz; das muß nicht bloß maschinenmäßig schlagen, es muß von Ehre gehoben werden. Dies wohlthuende Gefühl wird durch eine Bürgerehre am besten eingeflößt, wo die Regierung die Regierten für ratsfähig in eigenen Sachen anerkennt, sie nicht als ewige Unmündige in ewige Vormundschaft nimmt.

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b.

Allgemeines Bürgerrecht.

Nur einer sei Herr der Staat; nur ihm, nur einem sei der Staatseinwohner unterthan. Es gebe keine staatsbürgerlichen Pflichten ohne staatsbürgerliche Rechte. Es höre jede Knechtschaft auf, sie heiße Hörigkeit, unterthänigkeit oder Leibeigenschaft. . . . Knechtschaft

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