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Interessen und Bedürfnisse des preußischen Volkes sind wesentlich und unzertrennlich identisch mit denen des deutschen Volkes; wo dies Element zu seiner wahren Bedeutung und Geltung kommt, wird Preußen niemals befürchten dürfen, in eine seinen eigenen Interessen widerstrebende Politik hineingezogen zu werden; eine Befürchtung, die doppelt gerechtfertigt ist, wenn neben einem Organismus, in welchem der Schwerpunkt außerhalb Preußens fällt, die widerstrebenden partikularistischen Elemente prinzipiell in die Bildung der Volksvertretung hineingebracht werden.

Wir haben uns erlaubt, in vorstehendem nur die wesentlichsten Mängel hervorzuheben, ohne deren Beseitigung, unseres allerunterthänigsten Dafürhaltens, eine Bundesreform der vorgeschlagenen Art für Preußen nicht annehmbar ist. . . .

Für Eurer Majestät Regierung wird der nahe bevorstehende Zusammentritt des Landtages die Gelegenheit darbieten, die Auffassung der preußischen Landesvertretung in betreff des Inhalts der vorliegenden Reformakte und der von der Königlichen Regierung derselben gegenüber vertretenen Grundsäge kennen zu lernen, und wie wir nicht zweifeln, werden die Kundgebungen der preußischen Landesvertretung schon jetzt mit Bestimmtheit erkennen lassen, daß nur solche Änderungen der bestehenden Bundesverträge auf ihre demnächstige verfassungsmäßige Zustimmung zu rechnen haben, vermöge deren die Würde und die Machtstellung Preußens und die Interessen der gesamten deutschen Nation in gleichem Maße ihre Berücksichtigung finden.

Das preußische Volk bildet einen so wesentlichen Bestandteil des deutschen und ist in seinen Bedürfnissen und Interessen, wie in seinen Wünschen und Gesinnungen mit der Gesamtheit der deutschen Nation so innig verwachsen, daß die Stimme des preußischen Landtags zugleich die bisher fehlenden Anhaltspunkte für die Beurteilung der Aufnahme der beabsichtigten Institutionen von seiten des deutschen Volkes gewähren wird.

262.

Der dänische Krieg und seine Ziele.

1864.

(Aus der „Provinzial-Korrespondenz" vom 17. Februar. Hahn, Fürst Bismard, I, 219.) Unsere braven Truppen haben im Verein mit dem trefflichen öfterreichischen Heere in raschem, kühnem und todesmutigem Vordringen bereits den größten Teil von Schleswig erobert; sie stehen jetzt vor dem letzten Bollwerk der Dänen in Schleswig, vor den Düppeler Schanzen.

Bevor diese feste Stellung und die Insel Alsen den Dänen entrissen und das ganze Schleswig in den Händen der Deutschen ist, dürfen die Waffen nicht ruhen, darf an kein Stillstehen oder Unterhandeln gedacht

werden; diese Gewißheit ist soeben noch den Engländern erteilt worden, die uns aus Freundschaft für die Dänen zumuten wollten, daß wir mitten im Siegeslauf inne halten und die Feinde im Besitze der Insel Alsen lassen sollten.

Wenn aber in kurzem, wie wir hoffen, ganz Schleswig in der Gewalt der Preußen und Österreicher ist, was soll dann weiter geschehen? Wozu soll der Sieg deutscher Waffen benutzt werden? Welcher Erfolg soll durch das vergossene Blut unserer deutschen Brüder schließlich errungen werden?

Es ist gewiß sehr natürlich, daß diese Frage alle Gemüter beschäftigt; denn so groß die Freude und der Stolz über die raschen Siege in Schleswig sind, so würden doch um so größere Trauer und gerechter Unmut alle Herzen erfüllen, wenn so große Anstrengungen und Opfer nicht zu einem hohen und lohnenden Ziele führen sollten.

Der König hat soeben einer Deputation aus Holstein von neuem die Versicherung gegeben, daß es sein fester Wille sei, die Herzogtümer gegen jede Rückkehr dänischer Gewaltherrschaft zu schüßen und die Vereinigung von Schleswig und Holstein für alle Zukunft sicher zu stellen. Dies sind in der That die beiden großen Ziele, nach denen die Herzogtümer und mit ihnen alle deutschen Herzen seit 18 Jahren ringen.

In welcher Weise diese Aufgaben am günstigsten und sichersten zu lösen sein werden, unter welche Herrschaft namentlich die Herzogtümer bei Erfüllung ihrer gerechten Forderungen zu stellen sein werden: das sind Fragen, deren schließliche Erledigung teils von dem weiteren Verlauf des Krieges, teils von dem Gange der europäischen Verhandlungen abhängt. Gerade hierbei wird es unzweifelhaft gelten, das Höchste für die Freiheit der Herzogtümer und deren Zusammengehörigkeit mit Deutschland ins Auge zu fassen; aber eben darum kann dieses Ziel nicht im voraus leichthin und ohne Sicherheit des Gelingens aufgestellt und ver fündet werden. Das allein steht für jetzt fest, daß Preußen und Österreich durch den Krieg, zu welchem sie durch den Vertragsbruch seitens Dänemark getrieben worden, jeder früher übernommenen Verpflichtung gegen die Dänen auch ihrerseits ledig sind und bei den weiteren Ver handlungen einzig und allein die Rechte und Wünsche der Herzogtümer und ihre eigene Stellung zu den europäischen Mächten zu berücksichtigen haben.

Das preußische und das deutsche Volk können das zuversichtliche Vertrauen zu König Wilhelm hegen, daß er das Schwert nicht wieder aus den Händen legen wird, bis seine von ihm bezeichneten Ziele vollständig und wahrhaft erreicht sind: daß unsere Truppen nicht eher wieder aus Schleswig gehen werden, bis ein selbständiges Herzogtum Schleswig-Holstein in enger Verbindung mit Deutschland und mit dauernder Gewähr dieser deutschen Gemeinschaft hergestellt sein wird.

263.

Das Lied von Düppel.

April 1864.

Von E. Geibel.

(E. Geibels gesammelte Werke, Bd. IV: „Herolds rufe".)

Was klingt aus den Städten wie helles Festgeläut?
Die Pauken und Drommeten, was jubeln sie heut?
Was brausen und jagen die Wasser der Schlei?
Der Feind ist geschlagen und Schleswig ist frei?

Bei Düppel dort am Meere, vor Alsen am Sund,
Da rangen die Heere auf blutgetränktem Grund;
Da galt's, auf die Schanzen im Siegessturmgewog
Den Adler zu pflanzen anstatt des Danebrog.

Von Kugeln umsungen, vom heißen Tod umkracht,
Die märkischen Jungen, wie stritten sie mit Macht!
Wie lernten sie das Steigen auf schlüpfriger Bahn!
Es ging wie im Reigen; der Beeren' war voran.

2

Wohl mancher der Braven sank mit ihm in den Sand;
Du fielst, o tapfrer Raven, das Schwert in der Hand.
Und du am Pulverfasse, getreuer Winkelried!

3

Der Klinkeschen Gasse3 gedenkt noch manch ein Lied.

Doch als auf den Wällen nun flog das Siegspanier,
Da bliesen die Gesellen: Herr Gott, dich loben wir!
Das hat sich erschwungen, wie Abels Opferbrand;
Das ist hinausgeklungen bis tief ins deutsche Land!

Im sonnigen Meere nun spiegelt sich aufs neu'
Die preußische Ehre, die alte deutsche Treu';
Und war sie geschändet, wie strahlt sie doppelt rein!
Und habt ihr sie verpfändet, ihr löstet sie ein.

Jhr Meister der Staaten, und geht ihr nun und tagt,
So woll' euch Gott beraten, auf daß ihr nicht zagt!
Sprecht: Nichts von Vertragen! Nun bleibt es dabei,
Der Feind ist geschlagen und Schleswig ist frei!

1 Major v. B. 2 General v. R. 3 Der westfäl. Landwehrmann Klinke zerstörte durch eine Pulvererplosion, wobei er das Leben verlor, einen Teil der Pallisaden, deren Erstürmung große Schwierigkeiten bot und zahlreiche Opfer forderte.

264.

Der Wiener Friede.

30. Oktober 1864.

(v. Meyer, Corpus Iuris Confoederationis Germanicae, III, 554 ff.)

Art. 3. Se. Maj. der König von Dänemark verzichtet auf alle seine Rechte auf die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg zu Gunsten Ihrer Majestäten des Kaisers von Österreich und des Königs von Preußen und verpflichtet sich, die Verfügungen, welche Ihre genannten Majestäten hinsichtlich dieser Herzogtümer treffen werden, anzuerkennen.

Art. 4. Die Abtretung des Herzogtums Schleswig begreift in sich alle zu diesem Herzogtum gehörigen Inseln, sowie das auf dem Festlande gelegene Territorium.

Um die Abgrenzung zu vereinfachen und den Unzukömmlichkeiten ein Ende zu machen, welche aus der Lage der in schleswigschem Gebiet enklavierten jütländischen Gebietsteile entspringen, tritt Se. Maj. der König von Dänemark an Ihre Majestäten den Kaiser von Österreich und den König von Preußen jene jütländischen Besitzungen ab, welche im Süden der südlichen Grenzlinie des Distrikts Ripe gelegen sind, als: die jütländische Landstrecke Mögeltondern, die Insel Amrum, die jütländischen Teile der Insel Foehr, Sylt und Romoe u. f. w. Dagegen willigen Ihre Majestäten der Kaiser von Österreich und der König von Preußen ein, daß ein äquivalenter Teil von Schleswig, der außer der Insel Arroe solche Gebietsteile begreift, welche dazu dienen, den Zusammenhang des obenerwähnten Distrikts Ripe mit dem übrigen Jütland herzustellen und die Grenzlinie zwischen Jütland und Schleswig auf der Seite von Kolding zu verbessern, vom Herzogtum Schleswig losgetrennt und dem Königreich Dänemark einverleibt werde.

Art. 12. Die Regierungen von Österreich und Preußen werden sich von den Herzogtümern die Kriegskosten zurückerstatten lassen.

Art. 23. Um mit allen ihren Kräften zur Beruhigung der Gemüter beizutragen, erklären und versprechen die vertragschließenden Mächte, daß kein anläßlich der letzten Ereignisse kompromittiertes Individuum, welcher Klasse und welchem Stande es immer angehöre, wegen seines Verhaltens oder seiner politischen Ansichten verfolgt, beunruhigt oder in seiner Person oder seinem Eigentum beanstandet werden wird.

265.

Preußens Bedingungen für die selbständige Konstituierung Schleswig-Holsteins.

22. Febr. 1865.

(Aus einer Depesche des Ministerpräsidenten und Ministers der auswärtigen Angelegenheiten D. v. Bismarc an den preuß. Gesandten Freiherrn v. Werther in Wien. Hahn, Fürst Bismard, I, S. 271 ff.)

Eurer Excellenz bin ich nunmehr in der Lage in näherer Formulierung die Bedingungen anzugeben, unter welchen wir die Bildung eines neuen Staates Schleswig-Holstein nicht als eine Gefahr für die Interessen Preußens und Deutschlands ansehen dürften, und deren gesicherte Verbürgung das Königliche Staatsministerium daher berechtigen würde, Sr. Majestät dem Könige die Übertragung seiner durch den Friedensschluß vom 30. Oftober erworbenen oder sonst Ihm zustehenden Rechte auf einen anderen vorzuschlagen.

Sie finden dieselben in der Anlage zusammengestellt.

Zur Begründung und Erläuterung füge ich folgendes hinzu:

Daß Preußen bei der Konstituierung des neuen Staates an denselben die Forderung eines festen und unauflöslichen Bündnisses stellen muß, ist selbstverständlich; es kann sich nicht einen eventuellen Gegner selbst schaffen wollen. Ebensosehr und noch mehr bedarf der neue Staat selbst eines solchen Bündnisses zu seiner eigenen Sicherheit, welche zugleich die Sicherung Deutschlands gegen Norden in sich begreift.

Die Herzogtümer bilden einerseits vermöge ihrer geographischen Lage und der politischen Verhältnisse einen sehr exponierten Angriffs- und Verteidigungspunkt für das gesamte Norddeutschland und für Preußen insbesondere; andererseits würden sie in einer isolierten militärischen Stellung nicht imstande sein, sich selbst zu schützen. Preußen wird daher immer ihren Schutz und ihre Verteidigung übernehmen müssen; und wenn es so weitgehende Verpflichtungen und die dafür erforderlichen Opfer auf sich nehmen soll, so muß es auch die Mittel erhalten, diese Verpflichtungen in wirksamer Weise jederzeit erfüllen zu können. . . .

Der deutsche Bund kann seinen Schutz nicht auf das Herzogtum Schleswig ausdehnen, welches nicht zu ihm gehört. . .

Von der Sicherheit Schleswigs hängt die Sicherheit Holsteins ab. Letzteres ist Bundesland, und der neue Souverän muß in den Stand gesetzt werden, seine Verpflichtungen gegen den Bund in militärischer, wie in jeder anderen Hinsicht zu erfüllen.

Holstein aber eine andere Militär-Organisation zu geben als Schleswig, würde zu einer neuen Schwächung des staatlichen Zusammenhanges führen und das Einschreiten Preußens in Kriegszeiten lähmen.

Es muß also ein Modus gefunden werden, um dem neuen Staat eine einheitliche Militär-Organisation und zugleich die unumgängliche Verbindung mit dem preußischen Militärsystem zu geben. . . .

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