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Verbindung mit der Bundesreform zu behandeln bereit ist und gerade in dieser Verbindung eine Erleichterung der friedlichen Lösung sieht. Sie erwartet auch jetzt nur den Augenblick, wo sie diese Frage mit einer Bundesgewalt verhandeln und erledigen kann, in welcher die Mitwirkung der nationalen Vertretung dem Einflusse partikularer Interessen das Gegengewicht hält und die Bürgschaft gewährt, daß die von Preußen gebrachten Opfer schließlich dem gesamten Vaterlande und nicht der dynastischen Begehrlichkeit zu gute kommen. Unter den gegenwärtigen Umständen aber und bei der positiven Begrenzung, welcher die Kompetenz der Bundesversammlung durch die bestehende Verfassung unterliegt, muß sie Einspruch dagegen erheben, daß über eigene, durch blutige Kämpfe und durch internationale Verträge erworbene Rechte ohne ihre Zustimmung Verfügung getroffen werde.

In betreff der von der Kaiserl. Regierung mit ihrer Erklärung verbundenen Anzeige, daß dem Freiherrn v. Gablenz Spezialvollmacht zur Einberufung des holsteinischen Landtages erteilt worden sei, hat der Gesandte zu bemerken, daß seine Regierung die Einberufung der Stände als ein Souveränitätsrecht ansieht, welches unter den bestehenden Vertragsverhältnissen, und namentlich nachdem die Bestimmungen der Gasteiner Übereinkunft hinfällig geworden, von den beiden Souveränen gemeinschaftlich hätte ausgeübt werden müssen.

269.

Preußens Entwurf zur Bundesreform.*)

10. Juni 1866.

(Aegidi und Klauhold, Staatsarchiv, XI, 104 ff.)

Art. 1. Das Bundesgebiet besteht aus denjenigen Staaten, welche bisher dem Bunde angehört haben, mit Ausnahme der Kaiserlich Österreichischen und Königlich Niederländischen Landesteile.

Art. 2. Die gesetzgebende Gewalt des Bundes wird auf denjenigen Gebieten, welche derselben zugewiesen sind, von dem Bundestage in Gemeinschaft mit einer periodisch zu berufenden Nationalvertretung ausgeübt. Zur Gültigkeit der Beschlüsse ist die Übereinstimmung der Mehrheit des Bundestages mit der Mehrheit der Volksvertretung erforderlich und ausreichend.

Art. 4. Die Nationalvertretung geht aus direkten Wahlen hervor, welche nach den Bestimmungen des Reichswahlgesetzes vom 12. April 1849 vorzunehmen sind.

*) Dieser Entwurf wurde den Königl. Vertretern an den deutschen Höfen gesandt mit der Weisung, den betr. Regierungen Mitteilung davon zu machen. Einen Antrag auf Bundesreform hatte Preußen bereits am 9. April 1866 am Bundestage gestellt.

Art. 5. Die Bundesstaaten bilden ein gemeinsames und einheitliches Zoll- und Handelsgebiet, in welchem die Errichtung von Freihäfen vorbehalten bleibt.

Art. 6. Der Gesetzgebung und Oberaufsicht der Bundesgewalt unterliegen die nachstehenden Angelegenheiten:

1. Die Zoll- und Handelgesetzgebung;

2. die Ordnung des Maß, Münz- und Gewichtssystems nebst Feststellung der Grundsätze über die Emission von fundiertem und unfundiertem Papiergelde;

3. die allgemeinen Bestimmungen über das Bankwesen;

4. die Erfindungspatente;

5. der Schutz des geistigen Eigentums;

6. die Bestimmungen über Freizügigkeit, Heimats- und Ansiedlungsverhältnisse, den Gewerbebetrieb, die Kolonisation und Auswanderung nach außerdeutschen Ländern;

7. Organisation eines gemeinsamen Schutzes des deutschen Handels im Auslande, der deutschen Schiffahrt und ihrer Flaggen zur See und Anordnung gemeinsamer konsularischer Vertretung, welche vom Bunde ausgestattet wird;

8. das gesamte deutsche Eisenbahnwesen im Interesse der Landesverteidigung und des allgemeinen Verkehrs;

9. der Schiffahrtsbetrieb auf den mehreren Staaten gemeinsamen Wasserstraßen, sowie die Fluß- und sonstigen Wasserzölle;

10. das Post- und Telegraphenwesen;

11. die gemeinsame Civilprozeßordnung und das gemeinsame Konkursverfahren.

Art. 7. Die Bundesgewalt hat das Recht, Krieg zu erklären und Frieden, sowie Bündnisse und Verträge zu schließen, in völkerrechtlicher Vertretung des Bundes Gesandte zu ernennen und zu empfangen.

Art. 8. Die Kriegsmarine des Bundes mit den erforderlichen Hafen und Schiffahrtsanlagen wird nach folgenden Grundsäßen errichtet:

Die Kriegsmarine der Nord- und Ostsee ist eine einheitliche unter preußischem Oberbefehl. Bei Ernennung der Offiziere und Beamten konfurrieren die Küstenstaaten auf Grund besonderer Vereinbarungen.

Der Kieler und der Jahdehafen werden Bundeskriegshäfen.

Art. 9. Die Landmacht des Bundes wird in zwei Bundesheere eingeteilt, die Nordarmee und die Südarmee.

In Krieg und Frieden ist Seine Majestät der König von Preußen Bundesoberfeldherr der Nordarmee, Seine Majestät der König von Bayern Bundesoberfeldherr der Südarmee. .

Art. 10. Die Beziehungen des Bundes zu den deutschen Landesteilen des österreichischen Kaiserstaates werden nach erfolgter Vereinbarung über dieselben mit dem zunächst einzuberufenden Parlamente durch besondere Verträge geregelt werden.

270.

Preußens Austritt aus dem Bunde. Bundesversammlung, 24. Sißung, vom 14. Juni 1866. (Aegidi und Klauhold a. a. D. XI, 101.)

Nachdem das Vertrauen Preußens auf den Schuß, welchen der Bund jedem seiner Mitglieder verbürgt hat, durch den Umstand tief erschüttert worden war, daß das mächtigste Glied des Bundes seit drei Monaten im Widerspruche mit den Bundesgrundgesetzen zum Behufe der Selbsthülfe gegen Preußen gerüstet hat, die Berufungen der Königl. Regierung aber an die Wirksamkeit des Bundes und seiner Mitglieder zum Schutze Preußens gegen willkürlichen Angriff Osterreichs nur Rüstungen mehrerer Bundesglieder ohne Aufklärung über den Zweck derselben zur Folge ge= habt haben, mußte die Königl. Regierung die äußere und innere Sicherheit, welche nach Art. 2 der Bundesakte der Hauptzweck des Bundes ist, bereits als in hohem Grade gefährdet erkennen.

Diese ihre Auffassung hat der vertragswidrige Antrag Österreichs und die eingehende, ohne Zweifel auf Verabredung beruhende Aufnahme desselben durch einen Teil ihrer bisherigen Bundesgenossen nur noch bestätigen und erhöhen können.

Durch die nach dem Bundesrechte unmögliche Kriegserklärung gegen ein Bundesmitglied, welche durch den Antrag Österreichs und das Votum derjenigen Regierungen, welche ihm beigetreten sind, bedingt ist, sieht das Königl. Kabinett den Bundesbruch als vollzogen an.

Im Namen und auf Allerhöchsten Befehl Sr. Majestät des Königs, seines allergnädigsten Herrn, erklärt der Gesandte daher hiermit, daß Preußen den bisherigen Bundesvertrag für gebrochen und deshalb nicht mehr verbindlich ansieht, denselben vielmehr als erloschen betrachten und behandeln wird.

Jndes will Se. Majestät der König mit dem Erlöschen des bisherigen Bundes nicht zugleich die nationalen Grundlagen, auf denen der Bund auferbaut gewesen, als zerstört betrachten.

Preußen hält vielmehr an diesen Grundlagen und an der über die vorübergehenden Formen erhabenen Einheit der deutschen Nation fest und sieht es als eine unabweisliche Pflicht der deutschen Staaten an, für die lettere den ange= messenen Ausdruck zu finden.

Die Königl. Regierung legt ihrerseits die Grundzüge einer neuen, den Zeitverhältnissen entsprechenden Einigung hiermit noch vor und erklärt

1 vom 11. Juni 1866 (23. Sihung) auf Mobilmachung des 1., 2., 3., 7., 8., 9. und 10. Armeecorps des Bundesheeres. Der Antrag wurde mit 9 Stimmen (Österreich, Bayern, Sachsen, Württemberg, Hannover, Großh. Hessen, Kurhessen, Nassau, Liechtenstein, Reuß 2c.) gegen 6 angenommen (S.-Weimar und die thür. Herzogt., Oldenburg-Anhalt-Schwarzburg, Mecklenburg, die freien Städte außer Frankfurt, Luxemburg und Baden). 2 Vgl. Quellenbuch S. 438, 4. Abschnitt.

1

sich bereit, auf den durch eine solche Reform modifizierten Grundlagen einen neuen Bund mit denjenigen deutschen Regierungen zu schließen, welche ihr dazu die Hand reichen wollen.

Der Gesandte vollzieht die Befehle seiner Allerhöchsten Regierung, indem er seine bisherige Thätigkeit hiermit nunmehr für beendet erklärt.

271.

König Wilhelms Aufruf „An Mein Volk".

18. Juni 1866.

(Hahn, Kaiser Wilhelms Gedenkbuch, S. 204 ff.)

In dem Augenblicke, wo Preußens Heer zu einem entscheidenden Kampfe auszieht, drängt es Mich, zu Meinem Volke, zu den Söhnen und Enkeln der tapfern Väter zu reden, zu denen vor einem halben Jahrhundert Mein in Gott ruhender Vater unvergessene Worte sprach. ,,Das Vaterland ist in Gefahr!"

Österreich und ein großer Teil Deutschlands steht gegen dasselbe in Waffen.

Nur wenige Jahre sind es her, seit Jch aus freiem Entschlusse und ohne früherer Unbill zu gedenken, dem Kaiser von Österreich die Bundeshand reichte, als es galt, ein deutsches Land von fremder Herrschaft zu befreien. Aus dem gemeinschaftlich vergossenen Blute, hoffte Jch, würde eine Waffenbrüderschaft erblühen, die zu fester, auf gegenseitiger Achtung und Anerkennung beruhender Bundesgenossenschaft und mit ihr zu all dem gemeinsamen Wirken führen würde, aus welchem Deutschlands innere Wohlfahrt und äußere Bedeutung als Frucht hervorgehen sollte. Aber meine Hoffnung ist getäuscht worden. Österreich will nicht vergessen, daß seine Fürsten einst Deutschland beherrschten; in dem jüngeren, aber kräftig sich entwickelnden Preußen will es keinen natürlichen Bundesgenossen, sondern nur einen feindlichen Nebenbuhler erkennen. Preußen so meint es muß in allen seinen Bestrebungen bekämpft werden, weil, was Preußen frommt, Österreich schade. Die alte unselige Eifersucht ist in hellen Flammen wieder aufgelodert: Preußen soll geschwächt, vernichtet, entehrt werden. Ihm gegenüber gelten keine Verträge mehr, gegen Preußen werden deutsche Bundesfürsten nicht bloß aufgerufen, sondern zum Bundesbruch verleitet. Wohin wir in Deutschland schauen, sind wir von Feinden umgeben, deren Kampfgeschrei ist: „Erniedrigung Preußens!"

Aber in Meinem Volke lebt der Geist von 1813. Wer wird uns einen Fuß breit preußischen Bodens rauben, wenn wir ernstlich entschlossen sind, die Errungenschaften unserer Väter zu wahren; wenn König und Volk, durch die Gefahren des Vaterlandes fester als je geeint, an die Ehre desselben Gut und Blut zu sehen, für ihre höchste und heiligste Aufgabe halten. In sorglicher Voraussicht dessen, was nun eingetreten

ist, habe ich seit Jahren es für die erste Pflicht Meines Königl. Amtes erkennen müssen, Preußens streitbares Volk für eine starke Machtentwickelung vorzubereiten. Befriedigt und zuversichtlich wird mit Mir jeder Preuße auf die Waffenmacht blicken, die unsere Grenzen deckt. Mit seinem Könige an der Spitze wird sich Preußens Volk ein wahres Volk in Waffen fühlen! Unsere Gegner täuschen sich, wenn sie wähnen, Preußen sei durch innere Streitigkeiten*) gelähmt. Dem Feinde gegenüber ist es einig und stark, dem Feinde gegenüber gleicht sich aus, was sich entgegenstand, um demnächst im Glück und Unglück vereint zu bleiben.

Ich habe alles gethan, um Preußen die Lasten und Opfer eines Krieges zu ersparen, das weiß Mein Volk, das weiß Gott, der die Herzen prüft. Bis zum letzten Augenblicke habe Jch in Gemeinschaft mit Frankreich, England und Rußland die Wege für eine gütliche Ausgleichung gesucht und offen gehalten. Österreich hat nicht gewollt, und andere deutsche Staaten haben sich offen auf seine Seite gestellt. So sei es denn! Nicht Mein ist die Schuld, wenn Mein Volk schweren Kampf kämpfen und vielleicht harte Bedrängnis wird erdulden müssen; aber es ist uns keine Wahl mehr geblieben! Wir müssen fechten um unsere Existenz, wir müssen in einen Kampf auf Leben und Tod gehen gegen diejenigen, die das Preußen des großen Kurfürsten, des großen Friedrich, das Preußen, wie es aus den Freiheitskriegen hervorgegangen ist, von der Stufe herabstoßen wollen, auf die seiner Fürsten Geist und Kraft, seines Volkes Tapferkeit, Hingebung und Gesittung es emporgehoben haben.

Flehen wir den Allmächtigen, den Lenker der Geschicke der Völker, den Lenker der Schlachten an, daß Er unsere Waffen segne!

Verleiht uns Gott den Sieg, dann werden wir auch stark genug sein, das lose Band, welches die deutschen Lande mehr dem Namen, als der That nach zusammenhielt, und welches jetzt durch diejenigen zerrissen ist, die das Recht und die Macht des nationalen Geistes fürchten in anderer Gestalt fester und heilvoller zu erneuen.

Gott mit uns!

Berlin, den 18. Juni 1866.

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Wilhelm.

272.

Aus einem Briefe des Grafen Bismarck an seine Gemahlin nach der Schlacht bei Königgräß.

1866.

(Hahn, Fürst Bismarck, I, 474.)

Hohenmauth, Montag 9. Juli.

Uns geht es gut; wenn wir nicht übertrieben in unseren An

sprüchen sind und nicht glauben, die Welt erobert zu haben, so werden

*) Verfassungskonflikt.

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