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Schon 1496 (24. Januar) hatte der Obere Bund mit Karl VIII. von Frankreich ein Bündnis geschlossen, das sich an dasjenige der Eidgenossen von Zürich, Luzern, Uri, Nidwalden, Zug, Glarus, Freiburg und Solothurn vom 1. November 1495 anlehnte; aber die beiden andern Bünde hielten sich nicht nur von der Verbindung mit Frankreich fern, sondern gingen sogar ohne den dritten am 27. October 1500 eine zwanzigjährige Vereinigung mit dem römischen König Maximilian ein, welcher hinwieder der französisch gesinnte Obere Bund fern blieb 1). Infolge dieser ablehnenden Haltung der Mehrheit der Bünde gegenüber Frankreich sahen sich in den Jahren 1500 und 1501 die Eidgenossen wiederholt veranlasst, von Unterstützung der Feinde des Königs abzumahnen2). Als sie dann aber 1503 selbst gegen ihn zu Felde zogen, angerufen von den drei Ländern, erging auch an die Bündner eine Aufforderung; sie leisteten ihr Folge und wurden in den Frieden von Arona eingeschlossen 3).

Während jedoch die Eidgenossen kurz nachher die Mailänder Capitel mit dem französischen König erneuerten, hielten sich die Bündner immer noch fern; erst allmählich änderten sie ihre Stel

1) In den eidgenössischen Abschieden (III 2, S. 18 k, 11. März 1500) ist allerdings die Rede davon, dass eine Botschaft in Chur darauf dringen solle, dass die III Bünde die angenommene Einigung mit dem König von Frankreich halten und seinen Widerwärtigen keine Gunst oder Hilfe thun möchten; sonst aber ist von einem solchen Bündnis absolut nichts bekannt. Man darf deshalb wohl an jene nur von dem Obern Bund eingegangene Verbindung denken und hat somit in dem Document, das bei C. Jecklin, Urkunden zur Staatsgeschichte Graubündens, II. Heft, S. 67 f. mitgeteilt ist, die von Oechsli, a. a. O., S. 83 Anm. 5, vermisste Urkunde zu sehen; gerade das ungleiche Verhalten der Bünde gegen Oesterreich scheint auch für diese Annahme zu sprechen.

2) Vgl. E. A. III 2, S. 14 k (20. Febr. 1500); S. 18 k (11. März 1500); S. 125 w (Juni 1501); S. 138 b (6. Sept. 1501).

3) Auch Ansprachen, « so min gnädiger Herr von Chur

die von den pünden in Curwal

desglichen

an die küniglich Majestät vermeinen zu haben, wurden zu gütlichem Austrag in Aussicht genommen; vgl. E. A. III 2, S. 1305 ff. besonders S. 1306 und dazu S. 215 (10. April 1503).

lung. Im März 1507 wurde berichtet, sie seien ungehalten, dass man ihnen für den französischen Dienst keine Mannschaft auferlegt habe, und Ende Mai 1509 war das Gerücht verbreitet, dass sie um eine Vereinung mit Frankreich oder mit den Venedigern angegangen würden 1). Die Tagsatzung, welche sich inzwischen ganz von Frankreich abgewendet hatte, forderte darum die Graubündner schriftlich auf, sich in nichts einzulassen, sondern zu gemeinsamer Beratung Boten nach Luzern zu senden. Jedoch die Mahnung fand kein Gehör: an den Verhandlungen, die im Juni und Juli in Luzern gepflogen wurden, nahmen die Bündner nicht teil, sondern traten um die gleiche Zeit in eine Vereinung mit Frankreich 2); dies erregte so sehr den Unwillen der Verbündeten, dass zu Anfang des nächsten Jahres in Schwyz beschlossen wurde zu beraten, ob man durch Boten oder schriftlich die Bünde von der Vereinung abmahnen oder gar sie veranlassen solle, das Bündnis (mit den eidgenössischen Orten) aufzugeben; der Bote von Zürich sollte zu dieser Beratung auf den nächsten Tag ihren (d. h. den Bündner) Bundesbrief mitbringen. Als aber im Mai eine Gesandtschaft der III Bünde deren Vorgehen auf der Tagsatzung rechtfertigte mit dem Hinweis darauf. dass der heilige Stuhl, das römische Reich, die Eidgenossen und alle früheren Bündnisse in der Vereinung vorbehalten seien und dass sie allzeit Leib und Gut zu den Eidgenossen setzen wollten, da fiel die Antwort recht glimpflich aus: man hätte sich von ihnen dieser Sünderung nicht versehen (die Eidgenossen standen nämlich jetzt mit dem Papst in Bündnis), wolle aber ihr Anbringen in den Abschied nehmen, und von einer Lösung des Bundesverhältnisses war nicht mehr die Rede, sicherlich weil

1) E. A. III 2, S. 365b, vgl. S. 369 f (10. April 1507); S. 63 g (31. Mai 1509)

2) E. A. III 2, Beil. 14 B, S. 1327 ff. (Cremona, 24. Juni 1509). Die Verhandlungen in Luzern s. ebenda S. 464, 466, 169 (13. und 27. Juni. 24 Juli 1509).

3) E. A. III 2, S. 474 e (13. Jan. 1510).

man sich der Bedeutung der Bünde für die Eidgenossenschaft wohl bewusst war und ihnen ihre Teilnahme am Schwabenkrieg noch immer hoch anrechnete 1).

Wie unleidlich jedoch dieser Zustand war, dass die Bundesverwandten in feindlichen Heeren standen, das trat bald genug zu Tage. Schon zu Anfang Juni wurden die Bündner aufgefordert, die Ihrigen aus Mailand heimzurufen, und Ende Juli erging die Mahnung, sie sollten ihre Knechte nicht dem König zulaufen lassen «wider unser zeichen», sondern getreues Aufsehen üben. Zwei Monate später warben gleichzeitig der Papst und Frankreich in Graubünden, weshalb die Tagsatzung Boten abordnete, um die Bundesgenossen zu ermahnen, dass sie uns diesmal keinen Auflauf machen». Bald darauf sah man sich genötigt, Einsprache zu erheben, weil in Chur und sonst in Bünden eidgenössische Knechte für den Dienst des Königs von Frankreich angeworben wurden ). Im Januar 1511 richteten die Eidgenossen an Graubünden eine dringende Mahnung, die Absendung von Knechten zum französischen Heere doch zu unterlassen aus Rücksicht auf die Verbindung der Eidgenossen mit dem Papste und auf die schlimmen Folgen, die eintreten könnten, wenn letzterer kraft dieses Bündnisses Zuzug begehre; jedoch sowohl diese, wie spätere Vorstellungen blieben fruchtlos 3). Erst im November 1511 begannen die Bündner von der gefährlichen Lage sich ernstlich Rechenschaft zu geben; eine Botschaft eröffnete in ihrem Namen der Tagsatzung, man befürchte für das an französisches und kaiserliches Gebiet grenzende, ohnehin durch Teurung heimgesuchte Land, wenn der Krieg ausbrechen sollte, schlimme Folgen

1) E. A. III 2, S. 487 a (13. Mai 1510); man vergleiche die Äusserung, welche später bei Anlass anderer Misshelligkeiten mit den Bündnern gethan wurde, ebenda S. 602 a (8. März 1512).

) E. A. III 2, S. 489 c (3. Juni 1510); S. 497 g (31. Juli); S. 513 k (30. Sept.); S. 5151 (29. Oct.); S. 522b und 525 a (2. und 16. Dec.). 4) Ebenda S. 551e (21. Jan. 1511); S. 563 e (20. Mai); S. 578g (24. Aug.); S. 580 e (9. Sept.).

und biete sich deshalb zur Vermittlung zwischen den Eidgenossen und dem französischen König an; gefalle das nicht, so möge doch auf die Ihrigen, die noch in französischen Diensten stünden, Rücksicht genommen werden; im übrigen wollten sie allweg Leib und Gut zu den Eidgenossen setzen1). Dass diese Versicherungen nicht leere Worte, sondern aufrichtig gemeint waren, zeigte sich jetzt; denn beim Pavierfeldzug lösten die Graubündner unter Berufung auf ihr älteres Bündnis mit den VII Orten die französische Vereinigung und zogen mit ihren Bundesgenossen gegen Frankreich in den Kampf2).

Nach dem Feldzug aber behaupteten die III Bünde in Hinsicht auf ihre Eroberungen: Veltlin, Cläven und Bormio, wieder volle Selbständigkeit. Sie waren durchaus nicht gewillt, dieselben herauszugeben, wie von Mailand begehrt und selbst von den Eidgenossen ihnen zugemutet wurde. Darum traten sie auch der Vereinigung der XII Orte (ausser Luzern) mit Maximilian von Mailand nicht bei, und langwierige Verhandlungen zogen sich weit in das folgende Jahr hinein). Im Mai sollte eine solche zu endlicher gütlicher Verständigung stattfinden, weshalb die Anwälte beider Parteien auf diesen Tag nach Zürich beschieden waren; er nahm aber einen ganz andern Ausgang, als man erwartet haben mochte. Da die Nachricht eintraf, dass Mailand wieder von Frankreich bedroht werde, teilte man den Bündnern, statt sie zur Rückgabe des Veltlins zu veranlassen, 700 Mann für den Auszug ins Feld zu, und kurz nachher wurden sie aufgefordert, weitere 600 Mann bereit zu halten). Niemand dachte

1) E. A. III 2, S. 584 5 b (4. Nov. 1511).

2) Vgl. Oechsli, a. a. O.. S. 81 und E. A. III 2, S. 59ob: 617a: 619c; 623 c.

3) E. A. III 2, S. 611, Note zu i, Schluss (11. Aug. 1512); S. 648 9p und y (Schluss, 6. Sept.); S. 654 m (29. Sept.; die im gleichen Abschied S. 6531 erwähnte Vereinung vom nämlichen Datum s. S. 1352 ff.); S. 656 e (20. Oct.); S. 663 m (16. Nov.); S. 688 n (25. Febr. 1513); S. 699 e (1. Apr.): S. 706 d (18. Apr.).

4) E. A. III 2, S. 716 (18. Mai); S. 719s (6. Juni).

mehr daran, ihnen ihre Eroberungen abzusprechen. Erst als 1515 die Teilung des mailändischen Geldes erfolgte, kam die Angelegenheit wieder zur Sprache. Von den 4000 Dukaten, die von diesem Gelde noch übrig waren, sollten 1000 den Bündnern zukommen, falls sie Veltlin und Cläven (nicht an Mailand zurückgäben, sondern jetzt) in gemeyne teylung kommen“ liessen; andernfalls hatten sie nichts zu erwarten 1). Wieder begann man zu unterhandeln, und wieder brach der Krieg aus, ehe eine Verständigung erzielt war.

Bei den Friedensverhandlungen im Felde bot hierauf der französische König für Lowerz, Lucaris, Tum, Eschital und die Eroberungen der Bündner 300,000 Kronen, und in den Friedensartikeln wurde bestimmt: Veltlin und Cläven sollen wie Lowerz, Luggarus und Thumb zurückerstattet werden 2). Jedoch die Bündner verweigerten wie die Minderheit der eidgenössischen Orte die Annahme dieses Friedens, der darum keine Geltung erlangte. Durch die Zähigkeit der verwerfenden Orte sah sich die Majorität gezwungen, die Friedensartikel zu modifizieren. An den hierüber geführten Verhandlungen beteiligten sich die Bündner nicht; sie nahmen zunächst eine abwartende Stellung ein und erklärten im Mai 1516 ganz entschieden, sie seien entschlossen, die Landschaften nicht mehr aufzugeben 3).

Während die beiden eidgenössischen Parteien sich noch immer nicht einigen konnten, machte, wie es scheint, Trivulzio den Versuch, mit den III Bünden ein Sonderabkommen zu schliessen : jedoch der Gotteshausbund widersetzte sich, offenbar weil noch immer Rückgabe von Veltlin und läven gefordert wurde, und

1) E. A. III 2, S. 861 p (14. März 1515); S. 862 h (26. März); S. 8720 (29. Apr.); S. 879 e (23. Mai); S. 886 1 (12. Juni).

2) E. A. III 2, S. 910d (28. Aug. bis 9. Sept. 1515); S. 931i und S. 1400 (29. Oct.).

3) E. A. III 2, S. 936 f. (27. Nov.); S. 947 f, Note (12. Dec.); S. 948 f. b und d (24. Dec.); S. 950 f (14. Jan. 1516); S. 953h (30. Jan.); S. 956 i (12. Febr.); S. 959h (2. März); S. 961 a (11. März); S. 976 f. c, d (26. Mai).

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