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zu rechnen, welche in dem dem Eingang der Bucht zunächst gelegenen Theile von einem Üfer zum anderen da gezogen gedacht wird, wo die Oeffnung zuerst nicht mehr als 10 Seemeilen beträgt. Der gegenwärtige Artikel soll die den Fischerfahrzeugen bei der Schiffahrt und beim Ankern in den Küstengewässern eingeräumte freie Bewegung in keiner Weise beschränken, nur haben sich dieselben hierbei genau nach den von den Uferstaaten erlassenen besonderen polizeilichen Vorschriften zu richten. Artikel 3. Unter der in dem vorigen Artikel erwähnten „Seemeile“ ist der 60. Theil eines Breitengrades zu verstehen. (Deutsches R.-G.-Bl. 1884, N. 11 S. 25.)

III. Innerhalb des Staatsgebiets (einschließlich der Eigenmeere) (II 1. Seite 73) kann der Staat als sein Interesse erkennen und mit den ihm geeignet scheinenden Mitteln fördern was er will (uneingeschränkte Geltendmachung der Souveränetät auf der Basis der Gebietshoheit); dasselbe gilt als Norm1) auch in Bezug auf die Küstengewässer (II 2 S. 74), allein auf diesem Gebiete ist die Territorialhoheit rechtlich durch das internationale Verkehrsinteresse und thatsächlich durch den Zweck der Küste einerseits und das sich mit der Entfernung vom Lande proportional vermindernde Interesse des Einzelstaats eingeschränkt, so daß sich die verwaltende Thätigkeit der Staaten mindert, wenn sie auch keineswegs ausgeschlossen ist. Eine solche Minderung der staatlichen Verwaltungsthätigkeit ist an sich noch kein Grund auf eine Einschränkung der Territorialhoheit oder der Souveränetät überhaupt zu schließen; der Staat kann und wird, wenn das Interesse der Bethätigung fehlt, auf die Ausübung einer Thätigkeit verzichten, dies ist sogar auch schon in Bezug auf Eigenmeere der Fall. 2)

IV. Meerengen, welche sich zwischen zwei offenen Meeren, diese verbindend, befinden, sind, gleichviel wie breit sie sind und wessen Territorialgewalt die Ufer derselben unterliegen, als Theile der offenen Meere, mithin als frei, der Interessengemeinschaft der Staaten dienend, anzusehen. ) Ist eines der beiden verbundenen Meere oder sind beide Eigenmeere, so ist die Meerenge, wenn beide Eigenmeere desselben Staates sind, selbst gleichfalls Territorialgewässer, andernfalls Küstengewässer. 1)

3)

1) Vgl. in Bezug auf die Fischerei § 296 a des Strafgesetzbuchs. Anm. zu § 19 IV S. 67 und s. auch vorige Seite, Vertrag vom 6. Mai 1882.

2) S. v. Martens-Bergbohm a. a. O. Bd. I S. 383. Die Literatur und die staatliche Gesetzgebung in Bezug auf diese ganze Frage s. Felix Störk, XI. Stück in v. Holzendorff, Handbuch des Völkerrechts.

3) Dieses gilt z. B. von der Magelhaenstraße (v Holzendorff a. a. C.), von der Straße von Gibraltar, vom Sund (Sundzoll aufgehoben 1857), und, wenn auch beschränkt oder bestritten, vom Bosporus und den Dardanellen (s. F. v. Martens, Anm. zu § 101).

4) Diese Grundsäge sind bestritten und namentlich durch den Grundsaß von der Herrschaft der Kanonen oder der Weite von 2 X 3 Seemeilen angefochten. S. v. Martens (Bergbohm) I § 101.

III. Abschnitt.

Die Entstehung, Aenderung und Aufhebung völkerrechtlicher Befugnisse.

§ 22.

Die völkerrechtlichen Befugnisse sind, wie die privatrechtlichen und die staatsrechtlichen Befugnisse, Interessen, welche durch das objektive Recht, hier also durch das Völkerrecht in dem oben § 1 erörterten Sinne, geschüßt sind; der Schuß ist ein Rechtsschuh, d. h. er besteht in Geboten und Verboten, welche an die Subjekte des Völkerrechts gerichtet sind; das Prinzip dieses Schußes ist die Herstellung und Erhaltung der Interessengemeinschaft; diese selbst aber liegt sowohl im Interesse der einzelnen Staaten als ihrer Gesammtheit.

Die Interessengemeinschaft als solche, als Völkergenossenschaft oder Völkerrechtsgenossenschaft entbehrt der greifbaren juristischen Persönlichkeit; zwar ist es eine häufige zu allen Zeiten völkerrechtlicher Doktrinen beliebte Redewendung, von den Interessen der Völkergenossenschaft, von ihren Rechten, von der Verlegung der Rechte der Interessengemeinschaft zu sprechen und ganz gewiß gibt es auch eine Verlegung der Interessengemeinschaft der Völker wie es eine Verlegung der Geseze der Aesthetik und der Sittlichkeit gibt; aber juristischen Gehalt hat der eine Interessenverlegung konstatierende Sag so wenig, als die Konstatierung der zulegt gedachten Verlegung.

Denn Inhaber der wegen der Interessengemeinschaft geschüßten Interessen sind juristisch betrachtet nur die wahren und einzigen Subjekte des Völkerrechts, die Staaten; diese sind gewissermaßen die amtlichen, die juristischen Vertreter der idealen Völkergemeinschaft und der Interessen dieser legteren; in diesem Sinne werden die Staaten durch das Völkerrecht mit Rechtsansprüchen ausgestattet, zu diesem Ende mit denjenigen Rechtspflichten belastet, welche um der Interessengemeinschaft willen bestehen und erfüllt werden müssen. Die Staaten erhalten daher durch das Völkerrecht Befugnisse, die sie zwar als eigene Rechte geltend machen können und geltend machen, die sie aber nicht um ihretwillen, sondern um des Gemeinwesens willen erhalten haben; und wie die Staaten demnach die Funktionäre und Usufruktuare der kein Rechtssubjekt bildenden Gemeinschaft der Völker sind, so sind die einer

völkerrechtlich besonders charakteristischen Stellung sich erfreuenden Personen, wie die Staatshäupter und die Gesandten, die Funktionäre und Usufruktuare der vom Völkerrecht mit den betreffenden völkerrechtlichen Privilegien zunächst bedachten Staaten. Nicht der deutsche Gesandte in Persien hat Anspruch auf Exemption, sondern das Deutsche Reich hat Anspruch darauf, daß sein Gesandter auch in Persien exempt sei; ein analoges Verhältniß findet sich im Staatsrecht; die Amtsrechte der Beamten und Offiziere sind dem zielmäßig geschüßten Interesse nach Amtsrechte des Staats; 1) aber man spricht in legterem Falle doch von Rechten der Beamten und kann in ersterem Falle mit wirklicher Berechtigung von Rechten und von Interessen der völkerrechtlich berechtigten Staaten sprechen, denn was im Interesse der Gemeinschaft liegt und geschüßt wird, das liegt schließlich auch im Interesse des

Einzelnen.

Die Staaten erhalten völkerrechtliche Berechtigungen ganz in derselben Weise wie die Privaten privatrechtliche: das objektive Recht anerkennt (mittels Gebot oder Verbot oder beiden), daß ein bestimmtes Interesse geschüßt (ein Rechtsgut) sei, diese Anerkennung oder das Interesse, welches anerkannt wird, knüpft sich an ein bestimmtes Subjekt auf Grund eines bestimmten Thatbestandes, einer sogenannten juristischen Thatsache. (Vgl. Gareis, Rechtsencyclopädie § 15 S. 60 ff.)

Die juristischen Thatsachen, auf Grund deren das Völkerrecht den Subjekten (Staaten) Befugnisse einräumt, Rechtsansprüche, denen andererseits Rechtspflichten 2) der Staaten gegenüberstehen, sind wie die juristischen Thatsachen des Privatrechts entweder

a. Naturereignisse oder

b. Willenshandlungen.

Zu a. Elementare Ereignisse können z. B. Staatsgebiete vergrößern oder verkleinern, ebenso auf die Bevölkerung einwirken, Thatbestände erzeugen und verändern; zu diesen Vorgängen ist auch der Ablauf der Zeit zu rechnen, insoferne die Zeit thatsächliche Veränderungen bewirkt, nicht aber ist im Völkerrecht dem Zeitablauf an sich juristische Bedeutung beigelegt (vgl. anders Privatrecht, s. Gareis, Rechtsencyclopädie § 15 III. S. 61 und § 18 V. 4. S. 73): es gibt im Völkerrecht keine kraft

1) Vgl. Laband, Staatsrecht des Deutschen Reichs I S. 570 ff. — Garcis, Allg. Staatsrecht, § 3 II, § 63 a. E. in Marquardsen's Handbuch des öffentl. Rechts.

2) Die nothwendige Existenz von Recht gegen Pflicht und umgekehrt, Gareis, Rechtsencyclopädie, §§ 5, 15.

objektiven Rechts allein eintretende, sondern nur eine paktierte Verjährung.1) Mit anderen Worten: irgend ein Zeitablauf ist weder Erwerbs- noch Verlustgrund von Rechten für sich allein; wohl aber können die Staaten dahin übereinkommen, daß 1. eine völkerrechtliche Rechtsausübung an eine bestimmte Frist gebunden sei, nach deren Nichteinhaltung das Recht nicht mehr ausgeübt werden kann (entsprechend der geseglichen Befristung") 2) und daß 2. eine in dem Geseße eines einzelnen kontrahierenden Staates vorgesehene Verjährung maßgebend sein soll für eine darauf bezügliche völkerrechtliche Befugniß.3)

Zu b. Die Willenshandlungen, „völkerrechtliche Akte“, sind entweder einseitige oder zweiseitige. Zu den einseitigen gehören: Besißergreifungen (Okkupation), Kriegserklärung und Kriegsmaßregeln, Staatsakte, welche eine Interessenverlegung eines anderen Staates in sich schließen.

Die zweiseitigen rechterzeugenden Willenshandlungen sind die völkerrechtlichen Verträge, s. unten §§ 72-75.

Wie im Privatrecht wird auch im Völkerrecht von einem originären und von einem derivativen Erwerbe von Rechten gesprochen.

Der Besiz erfreut sich auch im Völkerrecht eines gewissen Schußes: man kann einen solchen in dem Verbot des gewaltsamen Ueberfalls zur Friedenszeit, in der Bedeutung des status quo bei Kriegsverträgen u. dgl. erblicken.

§ 23.

Die Rechtsgrundlagen der völkerrechtlichen Befugniffe.

Die Rechtsgrundlagen der Befugnisse der Staaten im Verkehr unter einander, m. a. W. die Faktoren, durch welche die hier in Frage kommenden Interessen der Staaten gegenüber anderen Staaten zu Rechtsinteressen erhoben und mit Rechtsschuß umgeben werden, sind entweder

a. die souveränen Rechtsquellen selbst oder

b. die völkerrechtlichen Verträge.

a. Ersterenfalls kommen den Staaten völkerrechtliche Befugnisse ipso jure zu, indem das nothwendige Recht (s. oben § 9 A. 1 S. 29 ff.)

1) Bestritten. Es wird auch ein Erwerb durch unvordenkliche Zeir im Völkerrecht angenommen, i. v. Bulmerinca, Völkerrecht in Marquardsen's Handbuch, § 19.

2) Siehe Grawein, Verjährung und gesetzliche Befristung. Theil I. 1880.
3) Vgl. v. Bulmerincq in Marquardsen's Handbuch, Völkerrecht, § 20.

oder das Gewohnheitsrecht (s. oben § 9 A. 2 S. 31) ohue Weiteres, d. h. ohne ein- oder zweiseitige auf einen Rechtserwerb gerichtete Thätigkeit des Staats ein Recht zutheilt; solcher Art sind die Grundrechte der Staaten (§§ 24-28, §§ 69-71); die völkerrechtlichen Rechte der Staatshäupter (§§ 29—33) und der Magistraturen (§§ 34-52), und einzelne auf die internationale Stellung der Staatsangehörigen bezüglichen Rechte (vgl. § 53 ff.).

b. Andernfalls ist der völkerrechtliche Vertrag, jener ergiebige aus zweiseitigen Willenserklärungen bestehende völkerrechtliche Akt die Quelle von völkerrechtlichen Befugnissen, da die souveränen Quellen des Völkerrechts (s. unter a.) ihm, wie oben § 9 B. 1 S. 32 erörtert wurde, die Fähigkeit beilegen, bindende Norm (konventionelles Recht) zu sein resp. zu schaffen. Hiervon §§ 72—75, s. auch zahlreiche in den §§ 53 ff. erörterte Rechtsverhältnisse.

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