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[G. In Folge freiwilliger oder unfreiwilliger Rückkehr des Ausgewanderten.] *) [G. So fern ihm nicht das Rechtsmittel der Option gewährt wird. § 182.]

Politische Natur des Unterthan-Verhältnisses in Bezug auf völkerrechtliche Beziehungen.

60. Das Unterthan Verhältniß besteht wesentlich in der unbedingten Unterwerfung unter den Willen des Staates, dem man angehört, und in der Erfüllung der einzelnen darin begründeten Verpflichtungen. Demgemäß und wegen der damit verbundenen Collisionen kann man persönlicher Unterthan mehrerer Staaten zugleich (sujet mixte) nur durch Duldung derselben sein 1). Jeder Staat kann eine derartige Duplicität verbieten, oder auch die Aufgebung des ausländischen Unterthan- Verhältnisses fordern oder in Wahl stellen.

So lange nun das Unterthan-Verhältniß besteht, kommen der heimathlichen Staatsgewalt folgende Befugnisse in internationaler Beziehung zu:

a. Die Befugniß, ja Verpflichtung, selbst den einzelnen Unterthan bei gerechten Ansprüchen an ausländische Staaten oder gegen deren Angehörige, so wie in seiner rechtmäßigen Vertheidigung gegen ausländische Angriffe auf völkerrechtlichem Wege zu unterstüßen, auch seine Vertretung zu übernehmen und eine etwaige Rechtsverlegung zu beseitigen. (Ius protectionis civilis.)2)

b. Jeder Staat kann seine im Auslande befindlichen Unterthanen nach seinem Ermessen zurückrufen (ius avocandi), ohne daß er jedoch zur Bewirkung der Rückkehr ein Vindicationsrecht gegen den ausländischen Staat oder in demselben hat, oder auf sonstige Unterstützung desselben hierbei Anspruch machen darf 3).

c. Ein Unterthan bleibt auch noch im Auslande dem Heimathlande unterworfen, so lange er nicht von demselben entlassen ist. Der thatsächliche Eintritt in einen fremden Staat, selbst die Aufnahme in denselben schließt jene Abhängigkeit, so weit sie sich noch geltend machen läßt, nicht aus 1). Den Unzuträglichkeiten hierbei kann nur durch Einvernehmen der Staaten unter einander vorgebeugt werden ), für dritte Staaten wird freilich in vorkommenden Fällen der legte status quo maßgebend sein.

Auf ausländisches Grund-Eigenthum kann sich die Hoheitsgewalt des heimathlichen Staates nicht erstrecken ®).

d. Kein Unterthan kann sich unter den Schuß einer fremden Macht begeben oder dieselbe als Richter gegen seinen vaterländischen Staat anrufen, wofern nicht ein solches Recht verfassungsmäßig bestehen sollte. Blos freundschaftliche Intercessionen dürfen sich fremde Mächte für den auswärtigen Unterthan einer anderen erlauben 7).

1) Zouch, de i. fecial. II, 2, 13 leugnete diesen Saß ganz und gar. Jedoch ist dies zu weit gegangen. Alles hängt von dem Willen der Einzelstaaten ab. Schon das Staatsrecht der alten Welt war hierin verschieden. Cic. pro Balb. 12: ,,Sed nos (Romani) non possumus et huius esse civitatis et cuiusvis praeterea; ceteris omnibus concessum est." Phillimore IV, ch. 2 ff. Hall p. 236. Stoert 1. c. S. 630 ff.

[G. Wenn man auch nicht absolut leugnen kann, daß ein Staat den Unterthanen eines anderen das Bürgerrecht verleihen kann, ohne die Aufgabe des angestammten Verhältnisses desselben zu verlangen, so ist dies doch eine Ausnahme, die sich auf ein verliehenes Ehrenbürgerrecht beschränken wird. Principiell hat sicher Zouch Recht, weil in der Unterthanenschaft die Treupflicht liegt, die man nicht gegen zwei verschiedene Staaten beobachten kann. (So auch Phillimore I, 445: as a general proposition a man can only have one allegiance.) Deshalb fordert stets der aufnehmende Staat Aufgabe des bisherigen Unterthan: Verhältnisses. Als 1848 Lord Brougham sich in Frankreich naturalisiren lassen wollte, schrieb ihm der damalige Justizminister Crémieur: „La France n'admet pas de partage, pour devenir français, il faut cesser d'être Anglais. Si la France vous adopte pour l'un des ses enfants, vous n'êtes plus Lord Brougham, vous devenez le citoyen Brougham."]

2) Vgl. Klüber, Oeffentl. R. § 173 a. Art. 3 der D. Reichsverf.: „Dem Auslande gegenüber haben alle Deutschen gleichmäßig Anspruch auf den Schuß des Reiches. Phillimore II, 3. Die Anlässe und Mittel s. unten § 102, 110.

[G. Aus dem Wohnrechte des Staatsangehörigen folgt, daß der Staat dasselbe wohl beschränken, aber nie aufheben kann, die Verbannung wie sie in mehreren Fällen vom Code Nap. und durch das Deutsche Kirchendienergeseß von 1874 statuirt wird, ist völkerrechtswidrig, denn in der Ausweisung liegt nothwendig die Zuweisung des Betreffenden nach einem anderen Staat, während kein Staat verpflichtet ist Fremde aufzunehmen; daß nach jenem Geseß dem Betr. vorgängig die Staatsangehörigkeit aberkannt wird, ist dabei irrelevant, denn damit wird er noch nicht Angehöriger eines andern Staates, der ihn aufzunehmen verpflichtet wäre, irgend einem Staatsverbande aber muß Jeder angehören. § 63, I. England's Protest 1871 gegen die Zusendung von Communards. Deshalb auch die Vereinbarungen über die Heimathlosen, d. h. solche, deren Staatsangehörigkeit bestritten ist, um den gegenseitigen Zuschub solcher zu vermeiden. Gothaer Convention v. 15. Juni 1851. Was den Schuß betrifft, so ist zu bemerken, daß der Reisende, der sich auf ein fremdes Staatsgebiet begiebt, sich dessen Rechtsordnung zu unterwerfen hat. Wird er durch Privatpersonen dort verlegt, so hat er den Schüß der Polizei und Gerichte anzurufen, der Heimathsstaat hat sich nicht einzumischen, wenn_nicht_Rechtsverweigerung vorliegt. Ebenso wird er den Behörden des Aufenthaltsstaates verantwortlich für seinerseitige Verlegung der Geseße. Calvo § 362 tadelt mit Recht die Englische Regierung, für den Capitän Mac Donald 1861 Partei ergriffen zu haben, der sich unverzeihlich) benommen, und die beleidigende Rede Palmerston's. Es war seltsam, daß Lord Russell sich dabei auf den Rang des Betr. als Capitän der Garden berief, was dessen Schuld eher zu erhöhen geeignet war. Die Anmaßung, die England auch sonst geübt (Don Pacifico), fand gebührende Zurückweisung Seitens Preußens. Der Schuß hinsichtlich

der Staatsangehörigen als Gläubiger fremder Staaten gegen solche ist discretionär, grundsäßlich muß Jeder zusehen, wem er sein Geld leiht (Dep. Palmerston's vom Jan. 1848); anders stellt sich die Frage bei Rechtsverweigerung oder Betrug.]

3) Folgt aus dem allgemeinen Weltbürgerrecht (G. das zu leugnen ist]. Daher braucht nicht einmal die Bekanntmachung der Avocatorien in einem fremden Lande gestattet zu werden.

4) Theilweis abweichende Ansichten s. bei Bar, S. 84 ff. Bluntschli, Mod. V. R. Say 370 ff. Ausführlich ist der Gegenstand erörtert in W. B. Lawrence, Commentaire sur Wheaton, III, p. 183. Folleville, Traité théorique et pratique de la naturalisation. 1880.

[G. Das entgegengeseßte Princip, welches durch jedes ausdrückliche oder durch concludente Thatsachen bewiesene Eintreten in einen fremden Staatsverband die bisherige Staatsangehörigkeit aufhören läßt, bricht sich immer mehr Bahn. Der Code civil § 18 formulirt dies klar so: La qualité de Français se perd: 1. par la naturalisation acquise en pays étranger; 2. par l'acceptation non autorisée de fonctions publiques, conférées par un gouvernement étranger; 3. par tout établissement en pays étranger sans esprit de retour (wozu eben Handelsniederlassungen nicht gehören). Dies Princip haben angenommen: Italien, Belgien, Niederlande, Spanien, Portugal, Griechenland, Rumänien, Türkei, Brasilien, Mexico. Im Wesentlichen auch England durch Acte von 1870. (Cutler, the law of naturalisation as amended by the Naturalisation acts of 1870. London 1871.) Desterreich, Rußland, Dänemark, Schweden-Norwegen gehen weiter und anerkennen bloße Auswanderung als Expatriation, fassen aber den Begriff derselben verschieden. Nur Deutschland behauptet noch die Fortdauer der Staatsangehörigkeit auch nach vollzogenem Nebertritt in einen fremden Staatsverband, so lange der Betreffende nicht daraus entlassen. Es hat dies Princip aus dem Preuß. Gesetz von 1812 im Reichsgesetz von 1870 angenommen, wonach ohne Consens erst nach 10 jähriger Abwesenheit die Präsumtion eintritt, daß der Betreffende sein UnterthanVerhältniß aufgeben wollte, er muß also bei seiner Auswanderung willensfähig sein, und die Präsumtion wird entkräftet, sobald er sich während dieser Frist als Deutscher gerirt. Bis Ablauf derfelben behält er seine nationalen Rechte und Pflichten. Vgl. § 140 des R.-St.-G.-B. Die Verein. Staaten behaupteten, wie früher England, daß ein im Ausland naturalisirter Amerikaner nicht aufhöre ihr Bürger zu sein, und erklärten doch durch Acte von 1790, daß jeder weiße Freie, der zwei Jahre in ihrem Gebiete gewohnt habe und seine frühere Nationalität ausdrücklich aufgebe, zum Bürgereid zugelassen werden solle. Eine Acte vom Juli 1868 sagt allerdings, daß die Expatriation nicht gehindert werden soll, aber nicht worin die Expatriation besteht; der Staatssecretär Fish erklärte 1873, eine solche bestehe, wenn der betreffende ,,permanently withdraws his person from the natural jurisdiction" (U. St. Dipl. Corr. 1873 p. 250), ob dies der Fall, sei individuell zu entscheiden.]

5) Nordamerikanische Verträge mit Deutschen Staaten: Conventions_regulating Nationality. 1868. Vgl. darüber Westlake in der Rev. Internat. I, 102 ff.

[G. Diese Verträge machten allerdings langjährigen Streitigkeiten ein Ende, die daraus entstanden, daß die Verein. Staaten ihre naturalisirten Bürger zu schüßen beanspruchten, auch wenn sie nicht von ihrem Heimathsstaat entlassen waren und in dessen Machtbereich kamen. Die Verträge erklären, daß ein fünfjähriger Aufenthalt, verbunden mit der Gewinnung des Amerikanischen Bürgerrechts von Deutschland als Beweis der Amerikanischen Staatsangehörigkeit angesehen werden foll. Aus diesen vereinzelt stehenden Verträgen aber ein allgemeines Princip zu construiren, wie Buntschli (372) thut, ist durchaus willkürlich, um so mehr, als diese Bestimmung lediglich ein Auskunftsmittel war den Streit zu beendigen. Eine rationelle Lösung ist dieselbe schon deshalb nicht, weil Amerika nicht das Gleiche anerkennt, sie liegt in der Annahme des Französischen Grundsaßes.]

6) So können z. B. die auswärtigen Immobilien eines Unterthans von seinem heimathlichen Staat nicht besteuert werden. In der älteren Zeit wurde bei Ver

mögenssteuern dies nicht immer beobachtet. 1544 § 45. Mynsinger, Cent. obss. V, 22. Natürlich könnte durch Verträge und Observanz System noch Fortbestand erlangt haben.

Man s. den Deutschen R.-A. von Klock, de contribution. c. XIII. unter einzelnen Staaten jenes ältere

7) Vgl. hierüber die schon zuvor angeführte Abh. Fr. C. v. Moser's in s. kl. Schriften VI, 287.

III. Rechtsverhältnisse der Ausländer überhaupt.

61. Unterthanen eines Staates stehen an und für sich in keiner Abhängigkeit von fremder Staatsgewalt und können auch durch dieselbe keine politischen oder staatsbürgerlichen Rechte in ihrem eigenen oder einem dritten Staat ohne deren Zustimmung erwerben 1).

Eine Abhängigkeit von fremden Staaten tritt freilich ein, wenn ein Ausländer in dem Bereiche derselben Rechte erwerben oder ge= nicßen will; insbesondere wegen seines dortigen Grundbesizes 2); endlich wenn er ein fremdes Staatsgebiet betritt (§ 62).

In Betreff des ersten Punktes steht es zwar in der Macht jedes Staates, die Bedingungen zu bestimmen, unter welchen den Ausländern ein rechtlicher Verkehr in seinem Bereich gestattet sein solle, vornehmlich auch sie von politischen und staatsbürgerlichen Befugnissen auszuschließen; es sollte jedoch, wenn sich ein Staat einmal dem Verkehr mit fremden Nationen öffnet, nie den Angegehörigen derselben der Genuß des Privatrechtes (§ 59) auf gleichem Fuße mit den eigenen Unterthanen, bei völliger Gleichheit der Verhältnisse, versagt werden 3), und eine Zurückschung derselben gegen die einheimischen Bürger nur dann Play greifen, wenn die auswärtige Nation selbst ein System der Ungleichheit befolgt.

Von allem Grunde entblößt erscheint eine Gerichtsbarkeit über Ausländer, welche sich gar nicht einmal in dem Gebiete des fremden Staates befinden oder kein Vermögen daselbst besigen, woran die dasselbe betreffenden Ansprüche in Vollzug gesezt werden könnten1), während kein Staat sein richterliches Amt einem Fremden wider einen anderen Fremden versagen sollte, wenn ein Anspruch des ersteren an den letteren dadurch auf demselben Wege realisirt werden könnte, wie es gegen den eigenen Unterthan zulässig sein würde 5). Es kann endlich in Privat-Angelegenheiten ausländischer Unterthanen alsdann kein unbedingtes Entscheidungsrecht ausgeübt

werden, wenn dabei ein internationales Rechtsverhältniß ihres heimathlichen Staates selbst in Frage kommt und dieser auf politischem Wege intervenirt, der Streit folglich aufhört, ein privatrechtlicher zu sein ®).

In wie fern Verträge einer Staatsregierung mit auswärtigen Unterthanen nach völkerrechtlichen Grundsäßen zu beurtheilen sind, wird unten (§ 82) erwogen werden.

1) Folgt aus der Unabhängigkeit der Staatsgewalten. S. schon oben § 35 Note 1. Daher haben auch Erfindungspatente eines Staates in einem anderen keine ausschließende Kraft. Foelix, Dr. internat. II, 9, 6.

[G. oder demselben gleichgeachteter Realberechtigungen, weswegen er in Gerichtsbarkeit, Polizei und Besteuerung unter der lex rei sitae steht, früher Forensen genannt.]

3) Ueber den Grundsaß ist man gewiß längst im Allgemeinen einverstanden. [G. Für die heutigen Verhältnisse ist das altdeutsche System des personalen Rechtes, nach dem Jeder unter dem Rechte seines Stammes stand, mit Ausnahme der muselmännischen und heidnischen Staaten, ebenso unhaltbar geworden, wie die rechtlich geminderte Stellung der Fremden früherer Zeiten in allem, was nicht staatsbürgerliche Befugnisse betrifft. Der Fremde bleibt als dem Staatsverband Nichtangehöriger Gast, genießt aber den Schuß der Geseße des Aufenthaltsstaates, unbedingt was seine Rechtssicherheit und die Strafrechtspflege betrifft, und steht, was das Privatrecht betrifft, den Einheimischen gleich mit wenigen Beschränkungen, welche Gesezgebung und Verträge immer mehr vermindern. Das Abzugsrecht bei Erbschaften und Vermächtnissen gehört der Vergangenheit an. Die Gleichstellung in bürgerl. Rechten ist allerdings verschieden normirt, je nachdem die Gesetzgebung sie nur unter Voraussetzung der Gegenseitigkeit gewährt (Preußen, Allg. Landr. Einl. § 41-43. Desterr. bürgerl. Gesezb. § 33. Code civil. art. 11), oder unbedingt wie das Holländ. Gesez von 1838 Art. 9, das Italien. Gefeßb. 1. I Art. 3. Drei der Verein. Staaten fordern für die Erwerbung von Grundbesitz Amerikanisches Bürgerrecht, neun andere die declaration of intention, auch in einigen Schweizer Cantonen bestehen noch Beschränkungen, in England seit 1870 nicht mehr.]

4) Gleichwohl ist in Frankreich dies System adoptirt durch Art. 14 des C. N. Es verstößt gegen das Princip: daß Niemand seinem natürlichen Richter entzogen werden soll; gegen das Princip: actor rei forum sequitur, und extra territorium ius dicenti impune non paretur. S. darüber und über das System anderer Staaten Foelix II, 2, 2, 3. Ueber das Verhalten der Deutschen Staaten dem Französischen bürgerlichen Geseßb. Art. 14 gegenüber vgl. Kappler, Jurist. Promptuar., W.: Ausländer. S. 88 f. Ausg. 2.

5) Auch hier befolgt die Französische Rechtsbildung ein sehr abweichendes Princip von dem anderer Staaten. S. Foelix II, 2, 2, 2. Gerechtfertigt wird das Obige durch die weltbürgerliche Stellung des Individuums, welche zu keiner Zeit rechtlos gelassen werden kann. Nur sind principale Statutsklagen unter Ausländern_auszuschließen, weil der Status eines Menschen wesentlich den vaterländischen_Staat betrifft und sich nur hier in Ausführung bringen läßt. Alle anderen Ansprüche an die Person hingegen sind beweglich und vollziehbar mit der Person. Wegen Immobiliarklagen ist kein Zweifel.

6) Zuerst kam dies in Frage zwischen Großbritannien und Preußen wegen der von Englischen Kapern gegen Preußische Unterthanen gemachten Prisen. S. darüber Ch. de Martens, Causes célèbres t. II, p. 1-88. Martens, Völkerrecht § 95. Klüber, Droit des gens. § 58.

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