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liche Abtheilung bezeichnet. Gebietshoheit ist somit die Souveränetät auf ein be= stimmtes Land oder Gewässer angewendet, das Recht, über dasselbe mit Ausschlußz dritter Staaten und ihrer Angehörigen zu verfügen.]

2) In Deutschland finden sich deren mehrere. S. Heffter, Beitr. zum Deutschen Staats- und Fürstenr. I, S. 289 f. In Frankreich gehörte vormals das Fürstenthum Bar in diese Kategorie. Vgl. Merlin, Rép. univ. m. Bar.

*) Und zwar bald pro indiviso, bald pro partibus divisis. Beispiele fanden sich sonst mehrere als jezt, da solche Verhältnisse stets ihren Nachtheil haben. Ein getheiltes Miteigenthum hatte z. B. Preußen und Lippe an Lippstadt. [G. Ein noch bestehendes Condominat ist die Enclave Moresnet zwischen Preußischem und Belgischem Gebiet, das constituirt ward, als Preußzen und die Niederlande sich nicht über die Auslegung des Grenzvertrags v. 31. Mai 1815 einigen konnten. Es umfaßt 330 Heft. mit 2676 Einw., hat eine internationale Verwaltung, indem ein Preußischer und ein Belgischer Commissar den Maire und den Gemeinderath ernennen, darf nicht von Truppen beider Theile besetzt werden und genießt Zollfreiheit. Als vorübergehendes Condominat ist in neuerer Zeit das Oesterreich's und Preußen's über Schleswig-Holstein zu nennen, in Bosnien übt grundsäglich Desterreich keine Souveränetät.]

4) Erörterungen über das Verhältniß der Nationalität zum Staatsgebiet haben mit Montesquieu vorzüglich begonnen. Unter den neueren vgl. Ideen über das politische Gleichgewicht. Leipz. 1814. C. IV. R. v. Mohl, Politik I, 333 f. G. Cagodan, la Nationalité au point de vue des rapports internationaux. 1879. Renan, Qu'est ce qu'une nation? 1882. Neuere Italienische Schrift= steller wie Mamiani (D'un nuovo diritto Europeo) haben das Nationalitätsprincip auf die Spize getrieben. Renan dagegen, der mit Recht Nachdruck auf die gemeinsame Vergangenheit als „élément constitutif“ einer Nation legt, unterschäßt die Gemeinsamkeit der Abstammung und Sprache.]

Grenzen des Staatsgebiets.

66. Die Grenzen eines Territoriums oder die Staatsgrenzen1) find theils physische, theils intellectuelle. Zu jenen ge= hören allein freie Meere, unübersteigbare Berge, Steppen, Sandbänke, so fern sie nicht rings von demselben Gebiet umschlossen sind 2); die intellectuellen Grenzen bestehen in blos gedachten Linien 3), welche aber meist durch äußere Zeichen, wenigstens punktweise, kenntlich gemacht werden, z. B. durch Pfähle, Erdhaufen, Gräben, befestigte Tonnen, Dämme u. dergl. Sie beruhen theils auf ausdrücklichen Verträgen mit den Grenznachbarn, theils auf unvordenklichem unangefochtenen Besit. Zweifelhafte Grenzen geben Veranlassung zu Grenz-Commissionen und Grenzverträgen 1); ist die wahre Grenze nicht mehr zu ermitteln, so muß das zweifelhafte Gebiet entweder getheilt oder in gemeinschaftlichem Besiß behalten werden, oder man erklärt es für neutral bis zur ferneren Entscheidung 5). Bei Grenzflüssen ist die Mittellinie derselben die eigentliche Grenze, wofern nicht andere Bestimmungen dieserhalb

getroffen sind ®). Verändert der Fluß von selbst seinen Lauf, so bleibt es dennoch bei der bisherigen Grenzlinic in dem alten Flusse. Wegen der Rechte, welche der nun von dem neuen Flußbett ausgeschlossene Nachbarstaat auf die Benuzung des Flusses, namentlich in Betreff der Schifffahrt hatte, werden wegen Veränderung der Umstände nach Beschaffenheit derselben neue Regulirungen nöthig 7). Von Landseen an den Staatsgrenzen gilt Aehnliches, ganz wie nach Civilrecht ). Grenzt ein Staat an das offene Meer, so finden die weiterhin (§ 73) folgenden Grundfäße Anwendung.

1) v. Holzendorff § 47. v. Martens § 39. Calvo I, § 255. Hall p. 114. [G. Jedes Staatsgebiet muß feste Grenzen haben, Nomaden bilden keinen Staat, nichts schädigt gutes Einvernehmen zwischen Staaten mehr als streitige Grenzen. Nur durch völlige Einverleibung eines Gebietes in das andere erlöschen die Grenzen zwischen ihnen ipso jure, nicht durch Personalunion. Die Grenzen zwischen Gliedern eines Bundesstaates sind nur staatsrechtlich, nicht völkerrechtlich.]

2) [G. Daher arcifines, fines arcendis hostibus idoneos. Was die Gebirge betrifft, so ist ihre Grenzqualität sehr relativ, die Pyrenäen sind gewiß die natürliche Grenze Frankreich's und Spanien's, die Alpen sind so wenig natürliche Grenzen der Schweiz als einer Nationalität, die früheren Staaten Italien's haben sich nicht nach den Apenninen gebildet.] Flüsse sind keine natürlichen Grenzen. Sie find vielmehr recht eigentlich die inneren Adern eines jeden Landes. Ist ein Flußufer zur Grenze gemacht, so kann schwerlich der Fluß selbst noch zur Hälfte dazu ge= rechnet werden. Und ebenso wenig, wenn ein Fluß ganz einem Lande zugestanden ist, auch noch das jenseitige Ufer. [G. Mit der Theorie der natürlichen Grenzen ist überhaupt großer Mißbrauch getrieben. Holland hat sicherlich keine solchen, ebenso wenig die Schweiz, und haben doch ihr Gebiet behauptet. Selbstverständlich sind auch wirklich natürliche Grenzen nicht unabänderlich. Meere und Wüsten können zurückgedrängt werden.]

3) [G. Sie werden demgemäß nach Längen- und Breitengraden, so wie nach Entfernung von Flüssen, Dörfern u. s. w. bestimmt.]

4) [G. Daher die Wichtigkeit genauer, von beiden Contrahenten anerkannter Karten. Die Unkenntniß des Georgia-Archipels ist den Engländern in der St. JuanFrage theuer zu stehen gekommen (vgl. Berlin arbitration. Papers relating to the treaty of Washington. 1872), die Streitigkeiten über die TürkischGriechische Grenze von 1882 waren die Folgen der ungenauen Fassung des Protokolls von Konstantinopel von 1880.]

5) So ist es der Fall mit dem an der Grenze Rheinpreußen's und Belgien's gelegenen Grubendistrict Moresnet (§ 65 Note 3). [G. Eigenthümlich ist die Bestimmung des Art. 4 des Grenzvertrags v. 18. März 1845 zwischen Marocco und Frankreich, wonach die Sahara betr. bestimmt wird, daß dort beide Theile,,exerceront de la manière qu'ils l'entendront toute la plénitude de leurs droits sur leurs sujets respectifs", selbst au moment où ces derniers seraient mêlés avec ceux de l'autre état." (Martens N. R. G. VIII, p. 146.]

6) Groot II, 3. 18. Vattel I, 22. 266. Zuweilen ist der Thalweg zur Grenze genommen, wie auf dem Rhein und 1809 zwischen Rußland und Schweden. G. Nicht zuweilen, sondern stets, wo nicht das Gegentheil vereinbart ist, bei Höhenzügen ist im Zweifel die Wasserscheide Grenze.]

Groot II, 3. 17. Vattel a. a. D. § 270.

*) [G. Dies dürfte nur bei ganz schmalen Seen ausführbar sein, bei großen,

wie dem Bodensee, finden wir deshalb schon von Alters her Vereinbarungen der Nachbarn. Buder, de dominio maris suevici. 1742.]

Bedeutung des Staatsgebietes.

67. Von Allem, was sich in, unter und auf dem Staatsgebiete befindet oder ereignet, gilt die Vermuthung, daß es auch der dortigen Staatsgewalt unterworfen sei. Quicquid est in territorio, est etiam de territorio 1). Die Staatsgrenze ist aber auch die Hoheitsgrenze, welche die einzelne Staatsgewalt durch ihre Regierungsacte nicht überschreiten kann 2) und in welche von auswärtigen Gewalten nicht herübergegriffen werden darf (§ 20), sollte sich darin auch Einiges befinden, was zur Zeit noch nie speciell in Besitz genommen war ). Was auf der Grenzlinic selbst sich befindet oder begiebt, gehört den zusammengrenzenden Staaten gemeinschaftlich an 4). Ausnahmen von der Ausschließlichkeit des Territorialprincips entstehen nur durch die Rechte der Exterritorialität (§ 42), in Folge von Staatsservituten (§ 43) [G. und anderweitige freiwillige Beschränkungen 5)].

1) Die Wahrheit des Saßes ist unleugbar; Streit fann nur in concreto darüber obwalten, ob ein gewisses Territorium bereits ein abgeschlossenes sei. [G. Jede ausländische Person oder Sache, welche die Grenzen des Gebietes überschreitet, wird, wenn sie nicht ausnahmsweise exterritorial ist, so lange sie dort weilt, seiner Hoheit unterworfen, ohne daß damit ihre Zugehörigkeit zu einem andern Staate unterbrochen wird. Die Staatsgewalt ist somit berechtigt, Grundstücke Auswärtiger wie der Inländer zu expropriiren, Sklaven, die ihr Gebiet betreten, für frei zu erklären.] 2) Auch Erzadern, die in einem Staatsgebiet entdeckt und bebaut werden, dürfen nicht in ein fremdes Staatsgebiet ohne dortige Concession verfolgt werden. 3) 3. B. Steppen, Gletscher u. dergl. Vattel II, 7, 86 f.

4) Bei Grenzbäumen bestimmt sich nach Chrn. Aug. Menius, diss. de finib. territorii. Lips. 1740. § 20 das Eigenthum des Baumes zu Gunsten desjenigen Landes, auf dessen Seite sich allein eine Grenzmarke vorfindet.

5) [G. 3. B. Verpfändung von Staatseigenthum, Bestellung von Grundrenten u. s. w. Fraglich ist nur, wie weit solche Beschränkungen gehen können, ohne die Souveränetät selbst anzutasten, es ist offenbar, daß bei der Besetzung und Verwaltung Cypern's durch England (Vertrag v. 1. Juli 1878) und Bosnien's durch Oesterreich (Berliner Vertrag v. 1878 und Vertrag v. 21. April 1879) der Sultan über diese Provinzen nicht viel mehr als nuda proprietas besißt.]

Staatspertinenzien und Colonien.

68. Auswärtige Zubehörungen) eines Staates sind zunächst auswärtige Berechtigungen der Staatsgewalt, z. B. active Staatsservituten, Grundeigenthum, lehnsherrliche und nußbare Rechte

unter den schon früher angezeigten Rechtsverhältnissen (§ 43 u. 64). Die Pertinenzeigenschaft entsteht von selbst dadurch, daß die Staatsgewalt eines Landes als solche dergleichen Rechte erworben hat. Sodann: die Zubehörungen des Landes selbst, d. h. alle diejenigen Districte, welche, wenn auch außerhalb des hauptsächlichen Gebietszusammenhanges gelegen, ohne eigene Selbständigkeit unter derselben Verfassung und Regierung mit jenem stehen, und daher auch unter derselben Benennung mit begriffen werden; nicht minder die ausdrücklich incorporirten Lande (§ 20 I.). Sonst aber kann ein Land als solches ohne ausdrückliche Constituirung keine auswärtigen Zubehörungen haben; es folgt insbesondere nicht, daß, wenn einmal mit der Regierung eines gewissen Landes auswärtige Rechte und Besizungen in Verbindung gestanden haben, sie auch Pertinenzien des Landes seien und auf jeden Nachfolger im Besiz des lezteren übergehen müssen, wie die französische Reunionspraxis im siebzehnten Jahrhundert durchzusehen suchte 2). Nur was der Staatsgewalt oder dem Staatsoberhaupt als solchem, nicht für sich als Privatperson oder für seine Familie zugestanden hat, wird auf jeden Successor in der Staatsgewalt über den ganzen bisherigen Staat übergehen; bei einer nur theilweisen Succession wird es von der Natur und dem Inhalte des Successionstitels abhangen, welche Pertinenzien der noch theilweis fortdauernden bisherigen Staatsgewalt verbleiben oder der neuhinzutretenden zu Theil werden sollen. Im Zweifel würden sie in Gemeinschaft verbleiben müssen 3).

Colonien) aus einem Lande in cinem fremden Lande gestiftet, sind nicht sofort Zubehörungen des ersteren oder der dortigen Staatsgewalt. Werden sie durch auswandernde Unterthanen nach Aufgebung des Mutterlandes auf einem völlig freien, Niemandes Gewalt untergebenen Gebiete mit eigenen Kräften und Mitteln gegründet, so kann dadurch ein eigener Staat entstehen 5). Bleiben sie unter der Autorität und dauernden Botmäßigkeit des Heimathstaates, so stellen sie ein Zubehör desselben dar, welches von der heimathlichen Staatsgewalt seine eigene Verfassung erhält und regiert wird. Es kann aber auch eine Colonie unter der Botmäßigkeit eines auswärtigen Staates, wo die Niederlassung erfolgt, entstehen und verbleiben, während zugleich die Colonisten ihr heimathliches Bürgerrecht beibehalten und den Schuß des Mutterlandes genießen"). Die nähere Bestimmung des rechtlichen Verhältnisses

der Colonien macht besonders in Gegenden, wo noch keine ausgebildete Staatsgewalt organisirt ist, und dritten Staaten gegenüber manche Schwierigkeit 7). Der Besißstand wird hier oft die alleinige Entscheidungsnorm sein.

1) Sam. Stryk, de probatione pertinentiar. Frcf. Viadr. 1668. Henr. Engelbrecht, de reunione pertinentiarum. Helmst. 1715.

2) Auf Grund des Münsterischen Friedens von 1648. IX, 70.

3) Die Bestimmungen der Cessionsverträge haben schon oft Zweifel in dieser Beziehung erregt. Vorsichtiger Weise wird man hier jeden zu generellen Ausdruck lieber vermeiden.

1) [G. _Roscher, Colonien, Colonialpolitik und Auswanderung 3. Aufl. 1885. P. Leroy-Beaulieu. de la colonisation chez les peuples modernes. 3. éd. 1887. Geffcken in Schönberg's Handb. der pol. Oekonomie, 2. Aufl. II, S. 967 ff. v. Stengel, D. staats- u. völkerrechtl. Stellung der Deutschen Colonien 1886.]

5) [G. H. vermengt hier den Begriff der antiken Colonie in ihren mannigfachen Abstufungen mit dem der modernen. Der rechtliche Charakter der lezteren ist der einer vom Mutterlande räumlich getrennten, aber unter ihm stehenden und zu seinem Gebiet integrirend gehörenden Dependenz, staatsrechtlich sind die Colonien Ausland, in so fern die für das Mutterland erlassenen Geseze in ihnen nicht ohne ausdrückliche Bestimmungen gelten und nicht jeder dortige Eingeborne die Rechte eines Staatsangehörigen des Mutterlandes hat, aber völkerrechtlich sind sie untrennbarer Bestandtheil des lepteren, das jede fremde Herrschaft über sie ausschließt und jeden Angriff auf sie als Act der Feindseligkeit gegen es selbst betrachtet._Zwischen Colonien und Mutterland giebt es nur staatsrechtliche, nicht völkerrechtliche Beziehungen. Die ersteren können sehr verschieden abgestuft sein, Colonien können autokratisch vom Mutterlande regiert werden, wie Ostindien, oder sich der weitgehendsten Selbstregierung erfreuen, wie Canada und die Australischen Besißungen England's, aber lepteres allein vertritt sie völkerrechtlich nach Außzen; sobald eine Colonie dies Band bricht, wie die Nordamerikanischen und Spanischen, wird sie Staat. Es war daher ganz verfehlt, wenn der Abg. v. Gräveniz in der Debatte über die Deutschen Schußgebiete 1886 das Recht der Regierung, coloniale Fragen durch einfache Verordnungen zu regeln, aus Art. 7 der Reichsverfassung herleiten wollte, welche dem Kaiser die völkerrechtliche Vertretung des Reichs überträgt. Ebenso wenig hat es eine rechtliche Bedeutung, wenn man von einer Deutschen, Englischen, Italienischen Colonie in einem fremden Staate oder einer Stadt desselben spricht, selbst nicht in muselmännischen Staaten, wo die Europäer theilweise unter ihren Gefeßen und Beamten stehen, es fehlt das eigene Gebiet.]

) (G. H. führt kein Beispiel eines solchen Verhältnisses an, und es dürfte sich ein solches schwerlich finden. Die citirten Stellen von Groot und Vattel sprechen davon nicht. Leßterer sagt vielmehr: Lorsqu'une nation s'empare d'un pays éloigné et y établit une colonie, ce pays quoique séparé de l'établissement principal fait naturellement partie de l'état tout comme les anciennes possessions.]

7) So z. B. bei den Europäischen Colonien an der Westküste von Afrika. [G. Dem ist jeßt für die Zukunft vorgebeugt durch Art. 34 der Congo-Acte von 1885, wonach jede Macht eine Besizergreifung oder Protectorat in Afrika den Unterzeichnern der Acte anzuzeigen verpflichtet ist.]

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