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7) Folgt aus der Natur des Besißes. Vgl. auch Martens, Dr. d. g. II, 1, 38. [G. Was das Verhältniß der Küste zum Hinterlande betrifft, so giebt Occupation einer herrenlosen Küste das Recht zur Besißergreifung des leßteren, so weit es noch nicht von Anderen beseßt ist. Die Behauptung der Verein. Staaten gegen England (1828), daß bloße Occupation der Mündung eines Flusses genüge, um den Besiz des ganzen Hinterlandes zu sichern, ist unhaltbar und im Widerspruch mit ihrer eigenen früheren Praxis. (Hall § 32.) Vgl. auch den Streit zwischen Spanien und Verein. Staaten bei Abtretung Louisiana's 1803 und die Oregonfrage. (Hall § 33).]

Verfügungen über das Staatseigenthum.

71. Die rechtlich möglichen Verfügungen über einzelne Gegenstände des Staatscigenthumes sind im Allgemeinen dieselben, wie über Privateigenthum und Vermögensrechte. Zu den bemerkenswertheren gehört, nächst den eigentlichen Veräußerungen (§ 72):

I. Die Constituirung einer bleibenden Rente zu Gunsten eines auswärtigen Staates oder sonstigen völkerrechtlichen Subjectes 1). Eine derartige Rente haftet in Ermangelung anderer Bestimmungen an der ganzen Substanz der belasteten fruchttragenden 2) Sache und erlischt nur mit dem gänzlichen Untergange oder mit der Unmöglichkeit, eine Rente daraus ferner zu gewinnen; bei theilweisem Untergange verhältnißmäßig 3) bis zur Wiederherstelluug des Ganzen.

II. Die Bestellung eines Lebens zu Gunsten Auswärtiger 1). In wie weit dergleichen zulässig sei, bestimmt die Verfassung jedes Staates; ebenso entscheidet sein eigenes Lehnrecht über die durch Verleihung entstehenden Rechtsverhältnisse, ausgenommen bei Lehnen in fremden Territorien (feuda extra curtem), wo das lehnsherrliche Recht den dortigen Gesezen und Observanzen unterworfen ist 4).

III. Die Bestellung eines Pfand- oder Hypothekenrechtes, selbst einer Antichrese an einem Theile, ja an dem Ganzen des Staatsgebietes zur Selbstausübung der Hoheitsgewalt von Seiten des Gläubigers. Pfandschaften dieser Art waren vormals nicht selten und dem gemeinen Recht unterworfen; noch jezt dauern einige derselben fort 5). Ueblicher sind indessen gegenwärtig specielle Hypothekenbestellungen an einzelnen Staatsgütern, Renten und Einkünften zu Gunsten der Staatsgläubiger, wobei, wenn sie privat= rechtliche Wirksamkeit haben sollen, die Geseze des Landes zu beobachten sind. Außerdem wird jedoch überhaupt jede Schuld, die für ein gewisses Land oder einen Theil desselben ausdrücklich oder durch

cine nüßliche Verwendung contrahirt worden ist, als auf dem Ganzen oder beziehungsweise auf dem Theile hypothekarisch haftend, „,dette hypothéquée" im diplomatischen Sprachgebrauch, behandelt, obwohl dadurch nur die bleibende Verbindlichkeit des Staates in seiner Gesammtheit oder seinem Theile, nicht aber eine privatrechtliche Hypothek ausgedrückt werden soll®).

Ob die Staatsregierung für die Schulden des Staates auch das Privatvermögen der Unterthanen gültig verpfänden könne, ist cine Frage des inneren Staatsrechtes, der Regel nach aber nur für Fälle der Noth zu bejahen 7).

1) Vielfache Renten-Constituirungen enthielt der Reichsdeputations-Hauptschluß von 1803, bestätigt in dieser Hinsicht durch die Rheinische und Deutsche Bundesacte. S. des Verf. Sonderrechte der souv. u. mediat. Häuser Deutschlands. Berlin 1871 § 90.

2) Nur an einer solchen ist eine Rentenbestellung zulässig. Vgl. Multz, de censib. Altdorf 1659. th. 11 u. 13. Martini, de j. censuum. Colon. 1660. IV. n. 1. Grusemann, de censu reserv. Rinteln 1705. § 12.

3) Dafür hat sich vorzüglich Pius V. in einer Bulle von 1569 entschieden: ,,Census omnes in futurum creandos re in totum vel pro parte peremta, aut infructuosa in totum vel pro parte effecta, volumus ad ratum perire." Magn. Bullar. Rom. t. II, p. 295. Vgl. Ge. Franzke, Var. resolut. IV, n. 9. Multz 1. c. th. 69. Jedoch ist dieser, wiewohl in der Billigkeit gegründete Say keineswegs allgemein_zugestanden oder ein allgemeines Recht geworden. S. selbst Centius, S. Rotae Rom. decizion. ad tract. de censib. Lugd. 1658. dec. I. Martini 1. c. cap. VIII, n. 224 sqq. Zoll, de censu reserv. Rint. 1705. § 21. 4) [G. Diese ganze Frage hat heute nur antiquarisches Interesse.]

5) Z. B. die merkwürdige Schwedische Verpfändung von Wismar an Mecklen= burg im J. 1803. Martens, Rec. VIII, 54. Scheinbar ward auch 1768 Corsica von Genua an Frankreich pfandweise gegeben. Martens, Rec. VIII, 1, 229.

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6) Unwiderleglich bewiesen von D. Haas, Ueber das Repartitions-Princip der Staatsschulden. Bonn 1831, von § 24 an. Ob aber der Reichsdeputations-Hauptschluß von 1803, besonders § 80, danach zu erklären sei, ist eine andere Frage. S. darüber Leonhardi, Austrägalverf. II, 161. 314. 405. Zur Beantwortung der Frage ob eine Schuld auf ein gewisses Land contrahirt sei? vgl. v. Leonhardi a. a. O. I, S. 640 und Emminghaus, Corp. iur. germ. acad. p. 930.

7) Groot III, 20, 7. de Neumann in Wolffsf., de pact. et contract. Princ. I, 3, 86.

Verlust des Staatseigenthums.

72. Das völkerrechtliche Eigenthum an Sachen hört auf
I. an solchen Sachen, die sich blos vorübergehend darin be-
fanden (§ 67) und nicht occupirt oder doch ihrer natürlichen
Freiheit wieder überlassen worden sind, mit dem Heraus-
treten aus dem Territorium;

Heffter, Völkerrecht. 8. Ausg.

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II. in Ansehung des Staatsgebietes oder einzelner Theile davon a. durch eine nicht vindicirte Abschwemmung, so lange die Zurückbringung noch möglich war (II. § 69 avulsio); b. durch Dereliction 1) und unvordenklichen Besitzverlust (§ 12);

c. durch freiwillige, verfassungsmäßig erlaubte 2), oder im Wege des Krieges herbeigeführte Abtretung des bisherigen Herrscher- oder Eigenthumsrechtes an einen Anderen.

Solcher Veränderungen ungeachtet bestehen regelmäßig alle auf dem abgetretenen Staatseigenthum haftenden Verbindlichkeiten unter dem neuen Erwerber fort (§ 25), da Niemand mehr Rechte an einer Sache auf einen Anderen zu übertragen vermag, als ihm selbst daran gebühren, und kein wohlerworbenes Recht Dritter durch anderseitigen Willen aufgehoben werden kann 3). Erstreckt sich die Veräußerung nur auf einen Theil, so werden die Lasten des Ganzen in Ermangelung anderer Bestimmungen verhältnißmäßig auf den einzelnen Theilen verbleiben ), mit Ausnahme der objectiv untheilbaren, wozu indeß Hypotheken im diplomatischen Sinne des Wortes (§ 71 a. E.) nicht gerechnet werden können.

So lange übrigens das Staatseigenthumsrecht nicht verloren ist, kann es gegen jeden, selbst in gutem Glauben befindlichen Besizer verfolgt werden, ohne daß diesem wiedererstattet zu werden braucht, was er für die Erwerbung der Sache gegeben hat 5). Da= gegen sind ihm die nüßlichen Verwendungen, welche nicht aus der Sache selbst genommen sind, zu vergüten und auch die vor der Rückforderung bezogenen Früchte zu belassen, wenn es an dem eigentlich Berechtigten gelegen hat, sein Recht an der Sache schon früher zu vindiciren ). Besondere Rücksichten treten indeß bei kriegsrechtlichen Erwerbungen ein.

1) [G. Die Besißaufgabe bedarf einer ausdrücklichen Erklärung nicht, sie ist auch anzunehmen, wenn ein Staat seine Besizrechte lange nicht ausgeübt und ohne Widerspruch geduldet hat, daß ein anderer an seine Stelle trat. Aber eine kurze Unterbrechung des Besizes, sei sie freiwillig oder erzwungen, ist nicht im Sinne der Dereliction aufzufassen. (Fall der Delagoa-Bucht zwischen England und Portugal, der 1875 durch Schiedsspruch geschlichtet ward, der Insel Santa Lucia im 17. Jahrh. zwischen England und Frankreich (Hall § 33).]

2) [G. Das Recht der Abtretung unterliegt den staatsrechtlichen Bestimmungen der einzelnen Staaten, aber obwohl die Auffassung früherer Zeiten, wonach über die Völker nach Willkür verfügt ward, keinen Boden mehr hat, so kann man doch nicht

mit Calvo (§ 219) behaupten, daß, um die Abtretung gültig zu machen, die Bewohner des abgetretenen Gebietes derselben zustimmen müßten. Danach könnte ein Staat, der einen anderen ungerecht angegriffen hat, aber geschlagen ist, keinen Gebietsverlust erleiden, wenn die resp. Bewohner widersprächen. Man kann aus politischen Gründen eine Abtretung von einem Plebiscit begleiten lassen, aber eine solche ist ohne dasselbe völkerrechtlich ebenso gültig.]

3) L. 31. § 1 D. de V. S. L. 11. D. de j. fisc.: id enim bonorum cujusque esse intelligitur, quod aeri alieno superest."

4) Vgl. das Aufträgalurtheil des Oberappellationsgerichts zu Celle wegen der Rheinpfälzer Staatsobligationen in v. Leonhardi, Austrägalverf. S. 550. Ferner das Urtheil des Oberappellationsgerichtes zu Jena ebendaf. S. 888. 897. [G. Der Fall der Neutralität von Chablais und Faucigny bei der Abtretung Savoyen's an Frankreich 1860 § 145 N. 2.]

5) Wir vereinigen uns im Allgemeinen mit Groot II, 10, 1. Pufendorf IV, 13. Besiz giebt ein Recht noch nicht in ausschließender Weise.

6) Denn hier hat das Stillschweigen des Berechtigten den Besißstand des Anderen gutgeheißen; er kann die demgemäß vollzogenen Handlungen nicht anfechten.

Eigenthumsunfähige Sachen; insbesondere das Meer.

73. Zu den des Privateigenthumes unfähigen Sachen gehört anerkanntermaßen der Luftzug und das frei fließende Wasser, namentlich das Meer, indem eine ausschließliche dauernde Besizergreifung wenigstens für Einzelne unter die Unmöglichkeiten zu rechnen ist. Wegen gleichmäßiger Wichtigkeit für alle Menschen schreibt man daher auch allen ein gleichmäßiges Recht der freien Benußung daran zu, so daß nur der augenblicklich sie Nugende für jezt jeden Anderen von dem Genusse desselben Theiles ausschließt 1). Minder ausge= macht ist, ob nicht ein Staatseigenthum an jenen Sachen, vorzüglich am Meere oder an einzelnen Theilen desselben zulässig und je zuweilen erlangt worden sei 2). Das romanisirende Mittelalter legte solches, wenn auch nur theoretisch, dem Römischen Kaiser bei 3). Venedig betrachtete sich als Herrin des Adriatischen, Genua als Herrin des Ligurischen Meeres 4); Spanien und Portugal recla= mirten ein Eigenthum an den von ihnen entdeckten Meeren 5); Dänemark an dem Baltischen Meere und an der Nordsee 6); Großbritannien die Souveränetät über die vier, die Britischen Inseln umschließenden Meere (the narrow seas), ohne daß jedoch die Grenzen dieser Prätension jemals nach allen Seiten genau bestimmt worden sind 7). Alle diese Ansprüche sind bestritten und in neuerer Zeit nicht mehr ernstlich behauptet. Nur das Recht auf Flaggengruß ist von Großbritannien noch in seinen sogenannten Engmeeren

bis in die neucre Zeit reclamirt worden ), was jedoch nicht als vollkommenes Zeichen des Eigenthumes gelten kann o).

1) Ulpian bemerkte bereits (1. 13. § 7 D. de iniur.) „,et quidem mare commune omnium est et litora sicuti aër. Usurpatum tamen et hoc est, tametsi nullo iure, ut quis prohiberi possit ante aedes meas vel praetorium meum piscari; quare si quis prohibeatur, adhuc iniuriarum agi potest." Gegen Jeden findet eine Injurienklage, d. h. im Allgemeinen wegen Unrechtes statt, der den Anderen an einem schon angefangenen Gebrauche einer solchen res communis hindert. Qui prior venit, potior iure. Vgl. Klüber, Dr. d. g. § 47. [G. Dieser privatrechtliche Grundsay ist freilich nicht auf das Küstengewässer zu übertragen.]

2) Grotius, mare liberum, 1609. Selden, mare clausum, 1635. Neue Ausg. engl. von Gent. Lond. 1863. Dagegen Bynkershoek, De dominio maris, 1702. Quaest. T. P.; vorzüglich v. Cancrin, Abhdl. von dem Wasserrechte. Halle 1789. Klüber § 130. Wheaton, Intern. L. I, 4, § 10 u. Histoire des progrès, p. 99 sqq. (I, p. 198. 2). Ortolan, Règles internat. 4. éd. 1864, 105 sqq. Hautefeuille, des droits des nations neutres. 3. éd. Paris 1868. I, titre 1. B. D. H. Tellegen, disp. de iure in mare, inpr. proximum. Groning. 1847. v. Martens S. 97. F Stoerk, Das offene Meer in v. Holzend. Handb. II, S. 483 ff. Gessner, Droit des neutres sur mer. 2 éd. 1876. p. 15 sqq Perels, Das internat. Seerecht. 1882. § 4.

3) Vermöge des: Ego quidem mundi dominus in 1. 9 D. de lege Rhodia. In der alten römischen Kaiserzeit konnte sich dieses publicistische Eigenthum wesentlich nur auf das Mittelländische Meer beziehen. Vgl. Fr. Guil. Pestel, de dominio maris mediterr. Rinteln 1764.

4) Vgl. Tellegen p. 9.

5) Hiergegen war die Schrift von H. Groot, mare liberum (zuerst Leyden 1609) gerichtet, womit die publicistische Erörterung der Frage begann.

") Martens, Causes célèbres. I, 359 sqq.

7) Wheaton, progr. p. 101 (I, 200). Phillimore I, 218. Das Hauptwerk über die älteren Prätensionen ist: Jo. Borough, Imperium maris Britannici. London 1686. Wie ist es dazu gekommen? darüber vgl. Tellegen, § 36 sqq. [G. Elisabeth hatte selbst dem Spanischen Gesandten, der sich über Drake's Zug in die Amerikanischen Gewässer beschwerte, erwidert, daß der Ocean feinem Volke unterworfen sei, aber Albericus Gentilis machte in seiner Advocatio Hispanica ausschließliche Grundsäße geltend für die sog. Narrow seas, und Karl I. forderte von den Generalstaaten die Bestrafung Groot's wegen seines mare liberum, den dann Selden u. A. zu widerlegen suchten. 1821 sprach ein Ukas Rußland die Gebietshoheit zu über das Meer von der Behringsstraße bis zum 51. Breitengrade, was aber dem Protest England's und der Verein. Staaten gegenüber aufgegeben werden mußte.]

8) Wheaton, Intern. L. 1. c. § 9. Edinburgh Review XI, p. 17 sqq. 9) Hautefeuille I, p. 19.

[G. Der nur durch Cromwell von den Holländern im Frieden von Westminster erzwungene Flaggengruß, den Frankreich nie anerkannt, ist längst aufgegeben.]

Das Meeres-Eigenthum überhaupt1).

74. Bleibt man bei den natürlichen Verhältnissen der Menschen untereinander und zu den Kräften der leblosen Schöpfung stehen,

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