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sichtlich der rechten menschlichen Weise der Kriegführung vorfinden, soll nicht geleugnet werden ).

Für Bürger- und Partheikriege treten schließlich die internationalen Kriegsregeln erst mit dem im § 114 bezeichneten Zeitpunkt in Kraft.

1) Vgl. Liv. II, 12. XXXI, 30:,,esse enim quaedam belli iura, quae ut facere ita pati sit fas." Polyb. V, 9. 11: oi τov лоhéμov vóμoi zaì tà τούτου δίκαια.

an.

2) Die einzelnen Momente sind hervorgehoben bei Ward, Enquiry von chap. X Schon Polybius hatte davon bereits eine edlere Ansicht. V, 11. [G. Zwischen dem Mittelalter (vgl. § 6 Note 11) und der Neuzeit liegt die traurige Periode des 30 jährigen Krieges und der Raubzüge Ludwig's XIV. gegen Holland und die Pfalz, in denen Plünderung das Ziel, Brand und Mord die Mittel des Krieges geworden schienen. Rückfälle in die Barbarei sind freilich auch in neueren Zeiten nicht ausgeschlossen, drohte doch der Herzog von Grammont im Beginn des Krieges von 1870 dem Badischen Gesandten, man werde Niemand schonen, „pas mêmes les femmes".]

3) So Portalis in seiner Rede bei Installation des Conseil des prises am 14. Flor. J. VIII: „Le droit de la guerre est fondé sur ce qu'un peuple pour l'intérêt de sa conversation ou pour le soin de sa défense veut, peut, ou doit faire violence à un autre peuple. C'est le rapport des choses et non des personnes, qui constitue la guerre; elle est une relation d'Etat à Etat, et non d'individu à individu. Entre deux ou plusieurs nations belligérantes, les particuliers dont ces nations se composent, ne sont ennemis que par accident: ils ne le sont point comme hommes, ils ne le sont même pas comme citoyens; ils le sont uniquement comme soldats." leberein= stimmend äußerte sich auch Talleyrand in einer Depesche an Napoleon v. 20. Nov. 1806: G. deren Grundsäßen freilich die Kriegführung seines Gebieters nur wenig entsprach]

„Trois siècles de civilisation ont donné à l'Europe un droit des gens que, selon l'expression d'un écrivain illustre, la nature humaine ne saurait assez reconnaître.

Ce droit est fondé sur le principe, que les nations doivent se faire: dans la paix le plus de bien, et dans la guerre le moins de mal qu'il est possible.

D'après la maxime que la guerre n'est point une relation d'homme à homme, mais une relation d'Etat à Etat, dans laquelle les particuliers ne sont ennemis qu'accidentellement, non point comme hommes, non pas même comme membres ou sujets de l'Etat, mais uniquement comme ses défenseurs, le droit des gens ne permet pas que le droit de guerre, et le droit de conquête qui en dérive s'étendent aux citoyens paisibles et sans armes, aux habitations et aux propriétés privées, aux marchandises du commerce, aux magasins qui les renferment, aux chariots qui les transportent, aux bâtiments non armés qui les voiturent sur les rivières ou sur les mers, en un mot à la personne et aux biens des particuliers.

Ce droit né de la civilisation en a favorisé les progrès. C'est à lui que l'Europe a été redevable du maintien et de l'accroissement de prospérité, au milieu même des guerres fréquentes qui l'ont divisée etc." (Moniteur univ. du 5. Déc. 1806.) Vgl. § 113 Note 4.

4) [G. Die Ueberschreitung einer Manier kann nicht als Barbarei gelten, nicht einmal die Nichtachtung einer Sitte, sondern nur die Ueberschreitung des Rechtes,

das durch die gemeinsame Ueberzeugung feststeht. Der Ausdruck Kriegsmanier ist wenig glücklich.]

5) Groot III. 1, 19, 18, 4. Bynkershoek, Quaest. I, 3. Montague Bernard, Laws of war. (Oxford essays) 1856. Instructions for the government of armies of the Un. St. in the field. 1862. Graham, Military ends and moral means. Morin, Les lois relatives à la guerre selon le droit des gens moderne. 1874. Rüstow, Kriegspolitik und Kriegsgebrauch. 1876. Manuel de la guerre publié pour l'Institut de droit intern. 1881. J. Guelle, La guerre continentale et les personnes. 1881.

[G. Der Unterschied des Seekrieges vom Landkriege geht auf die Mittel wie die Gegenstände des Angriffs. Was die ersteren betrifft, so fehlen in dem Seefrieg die sog. relativen Mittel des Landkriegs, d. h. solche, die an sich militärisch indifferent sind und nur für eine bestimmte kriegerische Action Wichtigkeit gewinnen, wie Straßen, Brücken, Eisenbahnen, Telegraphen; alle Mittel des Seekrieges: die Flotte, die Küstenbefestigungen mit ihrer gesammten Ausrüstung und die kämpfende Mannschaft sind absolute, d. h. lediglich zum Angriff auf den Feind und zum eigenen Schuß bestimmte Streitkräfte. Der durchgreifendste Unterschied vom Landkrieg aber liegt in den Gegenständen des Angriffs. Während in ersterem nur die Zerstörung oder Wegnahme feindlichen Privateigenthums gerechtfertigt ist, welche durch den Kriegszweck der Besiegung des Gegners gefordert wird, richtet sich noch heute der Seefrieg ebenso sehr gegen das schwimmende feindliche Eigenthum und den Handel der Privaten wie gegen die feindlichen Streitkräfte.

7) Vgl. § 139 Note 2.

8) Vgl. in Bezug auf den Krieg von 1870/1871: Adolf Trendelenburg, Lücken im Völkerrecht. Leipz. 1870. M. G. Rolin-Jacquemyns, La guerre actuelle. (Revue de Dr. intern. t. II., p. 653 ff.) [G. Eine Abstellung oder Verbesserung dieses Uebelstandes ist zu erwarten einerseits von genauen Jüstructionen an die Truppen bei Beginn des Krieges, wie die angeführten Amerikanischen von 1862, mehr noch von Collectiv - Verträgen, wie die Pariser Declaration von 1856, die Genfer und die Petersburger Convention. Die Brüsseler Conferenz scheiterte leider, weil sie nicht genügend vorbereitet war und in Manchem zu weit griff.]

Anfang des Krieges.

120. Ehe zu wirklichen Feindseligkeiten geschritten wird, muß, wenn bisher ein gegenseitiger freundschaftlicher Verkehr bestand, dem Gegner, welchen man mit Krieg überziehen will, eine Kriegserklärung gemacht werden 1). Es würde keine Treue und Glauben unter den Nationen stattfinden, sondern ein System der Isolirung und Furcht Play greifen, wenn eine unerwartete Kriegsüberziehung in jedem Augenblicke befürchtet werden müßte. Das Alterthum beobachtete dabei besonders feierliche Formen ); der ritterliche Geist des späteren Mittelalters hielt dergleichen ebenfalls für erforderlich 3); die Gewohnheit feierlicher Kriegserklärung dauerte bis in das achtzehnte Jahrhundert. Seit der zweiten Hälfte desselben aber hat man sich von bestimmten Formen mehr und mehr entbunden. Man begnügt sich, jeden diplomatischen Verkehr mit dem Gegner abzu

brechen 4) und auf einem der Publicität nicht entzogenen Wege, z. B. durch sog. Kriegsmanifeste, die Absicht einer Kriegsunternehmung zu erklären, oder sofort zu einer solchen factisch zu schreiten, ohne eine unmittelbare Benachrichtigung des Gegners noch für nöthig zu halten, wiewohl sie immer etwas Geziemendes sein wird. Gewiß bedarf es nach der Natur der Sache keiner näheren Erklärung bei Vertheidigungskriegen wider einen bestimmt schon erklärten oder doch wahrscheinlichen Angriff des Gegners. Recht und Billigkeit fordert nur, daß eine plößliche Schilderhebung nicht etwa gegen Privatpersonen und deren Eigenthum, sowie gegen Dritte, namentlich gegen Neutrale, gemißbraucht werde, um sich dadurch Vortheile anzueignen, welche das Bestehen eines legalen Kriegszustandes dem Kriegführenden darbietet. In dieser Hinsicht kann sich, ohne Treuc und Glauben zu verlezen, kein Staat entbrechen, bestimmte Erklärungen, Bekanntmachungen und Fristen stattfinden zu lassen und dadurch den Betheiligten Gelegenheit zu geben, sich und das Ihrige gegen einen unvorhergesehenen Verlust zu sichern. Die Staatenpraxis hat sich freilich nicht immer auf diesem Wege ge= halten, und mit wenigem Erfolge hat man schon öfter die Aneignung solcher Vortheile bei dem plöglichen Anfange der Feindseligkeiten ohne vorherige Ankündigung derselben als illegal angefochten 5). In der That ist sie Raub. Specielle Anwendungen dieses Princips werden weiterhin vorkommen (§ 139).

Nachdem übrigens unter den Hauptparteien der Kriegszustand eingetreten ist, so tritt er auch für Bundesgenossen mit den § 117 gemachten Unterscheidungen ein, sobald dieselben anfangen, ihrer Bundespflicht zu genügen ").

1) [G. Il faut un fait solennel qui constate indubitablement l'état de guerre et le rende public (Calvo III § 1663). Die Form derselben, welche wohl von der Entscheidung über Krieg und Frieden zu trennen ist_und_stets vom Staatsoberhaupt ausgeht, ist nicht wesentlich. Man kann in unsern Tagen nicht auf die Gebräuche des Mittelalters zurückgehen mit den feierlich überbrachten lettres de deffyance. Es ist nicht einmal nöthig, die Kriegserklärung an die feindliche Regierung zu richten, wie es 1870 der Französische Geschäftsträger in Berlin durch Note v. 19. Juli that („En conséquence le gouvt. de S. M. Imp. se considère, dès-à-présent, comme étant en état de guerre avec la Prusse"), ein Kriegsmanifest genügt. Sie kann auch bedingt durch ein Ultimatum erfolgen (z. B. Lesterreich an Sardinien 1859), und die Feindseligkeiten können dann sofort nach Verwerfung der Forderung eröffnet werden, aber welche auch die Form sein mag, die Erklärung selbst kann nicht entbehrt werden. Sie ist schon deshalb nöthig, um das Datum des Kriegsanfangs festzustellen, welcher für die Unterthanen der Kriegführenden wie für die Neutralen bestimmte Verbindlichkeiten mit sich bringt,

Heffter, Völkerrecht. 8. Ausg.

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hiernach z. B. ist die Gültigkeit eines Handelsgeschäftes zwischen Unterthanen von Kriegführenden zu beurtheilen. Zu sagen, daß der Krieg mit der ersten feindseligen Handlung beginne, ist schon deshalb unrichtig, weil von Krieg nicht die Rede ist, so lange nicht der Gegner_darauf gleichfalls mit Feindseligkeiten antwortet. Richtig ist es freilich, daß im 17. u. 18. Jahrh. Kriege vielfach ohne Erklärung begannen, daß Kaperbriefe vor derselben ausgegeben wurden und selbst Seeschlachten und Invasionen stattfanden. Hall p. 345 u. 46 giebt eine Aufzählung der Fälle, giebt aber zu, daß alle Autoritäten außer Bynkershoek (Quaest. Jur. Publ. I c. 2) die Erklärung für nothwendig hielten. Und alle diese Ausführungen beweisen nichts als eine Reihe früherer Gewaltthätigkeiten und widerlegen in keiner Weise die angeführten Gründe der Nothwendigkeit einer Kriegserklärung. Das Englische Admiralitätsgericht hat die Irregularität der Praxis selbst anerkannt, indem es im Kriege zwischen England und Schweden von 1812 anerkannte, daß, da keine Kriegserklärung des ersteren gegen leßteres ergangen sei, der Handel Englischer Unterthanen mit Schweden nicht verboten sei. Heute hält England wie alle anderen Staaten die Kriegserklärung für nothwendig, die jedesmal in der London Gazette veröffentlicht wird, und der einzige neuere Krieg, der ohne solche begonnen ward, ist wohl der der Verein. Staaten gegen Mexico 1846.]

2) [G. Der Grundsaß „Oportet ut bellum publice decretum sit“ geht durch das ganze Alterthum. Herod. VII, 9. Thuk. I, 29. 131; VI, 50; VII, 3. Plut. Pyrrh. 26. Pausan. VI, 3.]

Die Römische Sage leitete ihn von den Aequicolern ab. Liv. I, 32. L. 118 D. de V. 5: „Hostes hi sunt qui nobis aut quibus nos publice bellum decrevimus. Caeteri latrones aut praedones sunt."

3) Bei Privatfehden wie bei öffentlichen Kriegen. Ward, Enquiry II, 207 f. [G. Selbst Ungläubigen gegenüber wird dies beobachtet. Kaiser Friedrich I. kündigte Saladin den Krieg an. Si quis treugam datam ante diffidentiam frangeret, statim interficeretur (Ducange). Die goldene Bulle XVII, De diffidacionibus schreibt § 2 vor, die literae diffidacionis drei Tage vor Beginn der Feindseligkeiten zu schicken.

4) Daß die Zurückberufung der Gesandten den Anfang des Krieges an sich darstelle, kann nicht behauptet werden, die diplomatischen Beziehungen werden oft abgebrochen und können es lange bleiben, ohne daß Feindseligkeiten daraus folgen. In Verträgen ist jedoch dieser Moment mehrmals für entscheidend erklärt worden. [G. So in dem Vertrage zwischen England und Portugal zu Rio de Janeiro v. 15. Febr. 1815. S'il survenait un malentendu, une cessation d'amitié ou une rupture entre les deux couronnes, la rupture ne serait censée d'exister qu'après le rappel ou le départ de leurs agents diplomatiques respectifs", wo übrigens noch von Krieg nicht die Rede ist.

5) Daß die Fälle, wo man sich jeder Anzeige enthoben hat, noch kein Recht aller oder einzelner Völker begründen können, ist klar.

[G. England 1755, 1758, 1793, 1812; am ungerechtfertigtsten war die Behauptung Pitt's, daß die Wirkungen des Krieges rechtlich mit dem ersten Angriff begönnen (1761), da England französische Schiffe genommen, während es diplomatisch Frankreich seiner friedlichen Absichten versicherte. Nur im Bürgerkrieg findet der Natur der Sache nach keine Kriegserklärung statt, da der eine Theil sich stets erst organisirt, der andere denselben nicht als Kriegführenden, sondern als Rebellen betrachtet und daher auch seine Prisen als Seeraub bezeichnen wird. Indeß haben dies z. B. die Verein. Staaten, welche es hinsichtlich der Conföderirten zu thun drohten, nicht durchgeführt, und so verführen auch Neutrale Aufständischen gegenüber, welche sich als organisirte Kriegsmacht zeigten, z. B. die Verein. Staaten in dem Bürgerkrieg zwischen Mexico und Texas 1835. (Twiss II, 72.)]

6) Vgl. Groot III, 3, 9. Vattel III, § 102.

Maßregeln vor oder bei Anfang des Krieges.

121. Maßregeln, welche der Eröffnung eines vollständigen Kriegszustandes, d. h. eines solchen Zustandes, wo die Integrität und Selbständigkeit eines Staates mit Waffengewalt bedroht wird, noch vorangehen können, ohne selbst schon einen Kriegsanfang nothwendig darzustellen, sind ein Embargo und die Verhängung einer Blokade (§ 112). Beide bestehen vorerst nur in einer Beschlagnahme, welche aber, wofern die Maßregel selbst durch schon zuvor cristirende Gründe gerechtfertigt war, nach wirklich eröffnetem Kriege in eine Aneignung der in Beschlag genommenen und ihr nach Kriegsrecht unterworfenen Sachen verwandelt werden kann 1).

Fernere Maßregeln sind:

die Erlassung von Manifesten, worin die Ursachen des Krieges öffentlich dargelegt werden; nebenbei auch wohl die Verbreitung besonderer Rechtsausführungen zur Beglaubigung der wesentlichen Thatsachen und Grundsätze. Die Würde der Staaten gebietet hierbei gemessene Haltung, insbesondere eine zurückhaltende Schonung der Persönlichkeit des Feindes; die Thatsachen allein müssen sprechen.

Sodann:

die Erlassung von Abberufungspatenten an die im feindlichen Lande befindlichen Unterthanen 2);

die Erlassung von Martialgesehen 3), Untersagung eines jeden oder doch bestimmten Verkehrs mit dem Feinde;

eine Benachrichtigung der neutralen Mächte von dem bevorstehenden oder schon eingetretenen Kriegszustande;

endlich auch wohl

Austreibung der feindlichen Unterthanen aus dem diesseitigen Gebiete zur Vermeidung der etwaigen Nachtheile, welche aus dem ungestörten Verweilen feindlicher Staatsangehörigen entspringen könnten 4).

Alle diese Maßregeln sind jedoch dem politischen Ermessen der einzelnen kriegführenden Theile ganz allein überlassen.

1) In dieser Weise wurden auch bei der Blokade von Vera-Cruz 1838 die von dem Französischen Geschwader weggenommenen navires Mexicains zuerst als séquestrés pendant le cours du blocus und dann als capturés à la suite de la déclaration de guerre betrachtet. Man stellte aber nachher in der Convention

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