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der Oberst v. Kellersperg in Turin übergab, das preußische 1863 durch einen Feldjäger in Kassel übermittelte.]

4) [G. In den Verein. Staaten ist es Norm, daß kein Gesandter das Recht hat, sich unmittelbar an den Präsidenten zu wenden (Wheaton ed. Dana § 215 Note 122).]

5) Dieses Wort ist erst in neuerer Zeit in die diplomatische französische Sprache aufgenommen worden. Unzweifelhaft ist der Gebrauch dieses Wortes ein befugter, da er schon in dem mittelalterlichen Latein einen officiellen Auffay über stattgehabte Verhandlungen und Erklärungen bedeutete, ebenso wie das Wort registratura, registratio.

240.

Congresse 1).

Als beliebteste Form zur Verhandlung auswärtiger Staatsangelegenheiten von höherem Interesse hat sich in neuester Zeit die Verhandlung auf sogenannten Congressen ergeben, an welchen die betheiligten Souveräne entweder in Person oder aber durch besondere Abgeordnete theilnehmen 2). Es gehört dazu keine Vielheit von Souveränen, sondern es kann auch schon unter zweien allein zu einem Congresse kommen 3).

In älterer Zeit kannte man vornehmlich nur Friedenscongresse zum Zwecke einer Pacification und daneben persönliche Zusammenfünfte der Souveräne, leztere jedoch mehr zu persönlichen Besprechungen und Entschließungen oder zu blos particulären Vertragsabschlüssen. Das gegenwärtige Jahrhundert hat zuerst das Beispiel von Congressen und Gesammtverhandlungen dabei ergeben, mit dem Zwecke, einen bereits eingetretenen Friedenszustand zu befestigen, weiter auszuführen, oder drohende Gefahren abzuwenden, überhaupt über Verhältnisse von allgemeiner Wichtigkeit gemeinschaftliche Beschlüsse zu fassen 4). Ohne die Anwesenheit von Souveränen hat man die Congresse bloßer Abgeordneten auch wohl nur durch Conferenzen“ bezeichnet 5).

"

Veranlassung zu dem Zusammentreten eines Congresses oder einer Ministerial-Conferenz kann im Allgemeinen jede Macht geben®). Man verständigt sich in präliminären Verhandlungen oder Verträgen über Zweck 7), Ort ) und Form. Dritte Mächte können eine Theilnahme in der Regel nicht als Recht fordern, sondern nur Maßregeln gegen etwaige präjudicirliche Richtungen ergreifen.

Die Congreßverhandlungen selbst beginnen mit Auswechselung der Vollmachten ) und mit der Einrichtung eines bestimmten Geschäftsganges, z. B. durch Bildung einer besonderen Kanzlei und

einzelner Comités oder Bureaus. Die Leitung der gemeinschaftlichen Verhandlungen wird entweder einem angenommenen Vermittler überlassen, oder es wird ein eigener Vorsitzender gewählt 10), oder, wie beim Wiener Congresse, ein leitendes Conseil constituirt. Neben den gemeinschaftlichen Congreßverhandlungen 11) können demnächst auch Particularverhandlungen unter einzelnen Betheiligten stattfinden 12). Die Resultate der Conferenzen werden in Protokollen niedergelegt, welche von den Theilnehmern nach vorheriger genauer Kenntnißnahme unterzeichnet werden. Alle Vereinbarungen13) endlich, so weit sie mit dem gemeinsamen Zwecke des Congresses in Verbindung stehen, werden in einen gemeinschaftlichen Act zusammengefaßt 14).

1) [G. Pradier-Fodéré, Cours de droit dipl. II, ch. 14. 15. Bluntschli, Staatswörterb. V, S. 662 von Berner. Bluntschli, V. R. 12. Calvo, Dr. Int. II, 1. 17 sect. 2. v. Martens, V. R. I, Kap. § 52. Droysen, Ein historischer Beitrag zu der Lehre von den Congressen. 1869. W. Zaleski, Die völkerrechtl. Bedeutung der Congresse. 1874. Twiss, Le congrès de Vienne et la conférence de Berlin. 1885.]

2) [G. Congresse sind Organe der internationalen Staatengemeinschaft, welche in ihnen den Ausdruck der Solidarität ihrer Interessen findet. Wie früher die internationale Natur der Kirche sich in den Concilien darstellte, auf denen auch die Staaten vertreten waren, so versammelt die Politik, seit die Autorität des Kaisertums gebrochen war, die Vertreter der Staaten zur Regelung der wichtigen weltlichen Angelegenheiten, welche die Gesammtheit betreffen.]

3) [G. Diese Ansicht, die auch Berner theilt, ist zu bestreiten; wenngleich der Begriff des Congresses nicht von der Zahl der Theilnehmer abhängt, so sezt derselbe doch stets eine Mehrzahl derselben voraus, man nennt niemals die Begegnung zweier Souveräne oder Bevollmächtigten einen Congreß.]

4) [G. Diese Behauptung H's. ist nicht richtig, die Jdee eines weltlichen Staatencongresses gewann Ausdruck, als es sich nach dem 30 jährigen Kriege darum handelte, dem festländischen Europa den Frieden wiederzugeben. Die Reihe der Congresse begann mit dem von Münster und Osnabrück, an den sich dann, entsprechend den Kämpfen um das europäische Gleichgewicht, als die wichtigsten die der Pyrenäen (1659), von Aachen (1663), von Nymwegen (1676—79), von Ryswick (1697), von Utrecht (1712-13), von Soissons (1728), von Aachen (1748), von Teschen (1779) anschlossen. Alle diese verfolgten das Ziel, das H. angiebt; so sagte Cardinal Fleury in der ersten Sißung des Congresses von Soissons:,,Le but qu'on s'y propose est d'aplanir tous les intérêts qui sont en contestation et d'écarter tout ce qui pourrait tendre à une rupture." Der Wiener Congreß ist unzweifelhaft durch die Größe der Interessen, welche dort zum Austrag kamen, der wichtigste seit dem westphälischen Frieden, indeß, wenn derselbe auch Europa Ruhe gegeben hat und für einzelne völkerrechtliche Fragen, wie die Flußschifffahrt und den Rang diplomatischer Agenten, gemeinsame Grundlagen schuf, so rechtfertigt die Art, mit der man dort in der Vertheilung der Staatsgebiete und ihrer Bevölkerung verfuhr, schwerlich die Behauptung von Twiß:,,Le congrès de Vienne a inauguré une ère nouvelle dans l'histoire du droit public européen en proclamant le principe que les états de l'Europe ont, envers la communauté des états des devoirs auxquels leurs intérêts particuliers doivent être subordonnés" (p. 3). Von einer solchen Tendenz ist in den Acten des Congresses nichts zu finden,

vielmehr ist in demselben eher ein Rückschritt gegen den Pariser Frieden v. 30. Mai 1814 zu finden, dort erklärten die Mächte im Eingang ihren Entschluß,,de mettre fin aux longues agitations de l'Europe et aux malheurs des peuples, par une paix solide, fondée sur une juste répartition de forces entre les puissances", in Wien schlossen England, Frankreich und Oesterreich ein geheimes Bündniß gegen Rußland und Preußen, und die Verfügung über die Länder und ihre „Seelen“ war höchst willkürlich. Die späteren Congresse von Troppau, Laybach und Verona trieben vollends das System der unberechtigten Intervention der Großmächte in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten auf die Spize, so daß die Congresse überhaupt in Mißcredit kamen. Dies war der Grund, daß seit dem Congreß von Verona nur zwei stattgefunden haben, der von Paris (1856) und der von Berlin (1878), welche die frühere und richtigere Jdee der internationalen Aufgabe der Congresse wieder mehr zur Geltung brachten.]

") [G. Der Unterschied von Congreß und Conferenz ist allerdings fließend, wie Bluntschli (12, 1) sagt, hat aber nichts mit der Anwesenheit der Souveräne zu thun, wie auch er annimmt; auf dem Rastatter Congreß war keiner derselben, auf dem Pariser 1856 und dem Berliner 1878 nur der Landessouverän, wie denn auch. Bluntschli seine eigene Definition auflöst, indem er hinzuseßt: „Der Congreß kann sogar ohne Fürsten, lediglich aus Bevollmächtigten der Staaten zusammentreten." Ebenso wenig ist es richtig, daß auf Congressen nur beschlußfähige Personen zusammentreten. Die Bevollmächtigten der Congresse von Paris und Berlin bedurften für die Ergebnisse ihrer Berathungen ebensowohl der Gutheißung ihrer Souveräne. Auch kann man nicht sagen, daß Conferenzen nur bestimmt sind, die Regelung internationaler Fragen vorzubereiten; hier und da ist dies der Fall gewesen, z. B. bei den Wiener Conferenzen von 1855, durchgängig aber keineswegs. Die Londoner Conferenzen 1831-33 haben die Selbständigkeit Belgiens durchgeführt, die Genfer Convention (1864) wie die Petersburger (1868) sind von den conferirenden Staaten so gut zum Abschluß gebracht wie 1885 die Congoacte. Man kann nur im Allge= meinen sagen: eine Conferenz betrifft in der Regel eine einzelne zu ordnende Frage, ein Congreß eine Mehrheit solcher, die in ihrer Gesammtheit einen Abschlußz erhalten, welcher einen geschichtlichen Abschnitt bezeichnet, so spricht man im Gegensah vom Pariser oder Berliner Congreß von Conferenzen über die Donauschifffahrt, die griechische Grenzfrage, die Revision des Pariser Vertrages hinsichtlich des Schwarzen Meeres von 1871 u. s. w. Ganz durchgreifend ist auch dieser Unterschied nicht beobachtet, so heißt es im Eingang des Welt-Post-Vereins-Vertrags vom 1. Juni 1878:,,Les soussignés plénipotentiaires des gouvernements des pays cidessus énumérés, s'étant réunis en Congrès à Paris", und Art. 19 bestimmt für die Zukunft: ,,Des congrès de plénipotentiaires des pays contractants ou de simples conférences administratives, selon l'importance des questions à résoudre sont réunis suivant le cas. Toutefois, un congrès doit avoir lieu, au moins tous les cinq ans."]

*) [G. Sowohl eine oder mehrere der interessirten Mächte, wie eine dritte vermittelnde, wie z. B. die Wiener Conferenzen von 1855 von Oesterreich vorgeschlagen wurden. Mit Recht bemerkt v. Martens (1. c. S. 227), daß die Gerechtig= keit die Zulassung jedes betheiligten Staates erfordert, während bei der candiotischen Conferenz 1869 Griechenland nicht vertreten war. Noch weniger zu rechtfertigen war es, daß 1876-77 Bevollmächtigte der Großmächte in der eigenen Hauptstadt der Türkei ohne Betheiligung derselben zusammentraten, um über innere Reformen in Bulgarien und Bosnien zu berathschlagen, welche noch dazu durch Art. 9 des Pariser Friedens von 1856 als ausschließlich innere Angelegenheit der Pforte erklärt waren. Den Berliner Congreß_trifft dieser Vorwurf nicht, da Rumänien, Serbien und Montenegro damals noch nicht souverän waren und Griechenland nicht unmittelbar betheiligt war. Dagegen war es eine augenscheinliche Verlegung dieses Grundsazes, daß die Londoner Conferenz über die Donauschifffahrt von 1883 den souveränen Uterstaat Rumänien nicht als gleichberechtigten Theilnehmer zuließ.] ) (G. So wurde der Pariser Congreß von 1856 erst durch die Annahme der

von Oesterreich und den Westmächten vereinbarten 5 Punkte Seitens Rußland's möglich, der Berliner durch Abschlußz des vorläufigen Abkommens England's und Rußland's v. 5. Mai 1878. England lehnte das Congreßproject Napoleon's III. vom Nov. 1862 ab, das bezweckte alle schwebenden Fragen zu regeln, weil es an einer Basis fehle, nahm aber im April 1863 selbst eine Conferenz über die schleswigholst. Frage ohne Basis an.]

*) [G. Die Wahl desselben ist nicht ohne Bedeutung, in so fern der Ort der Berathung einem der Mitglieder ein natürliches Uebergewicht geben kann, wie es 1856 bei dem Pariser Congreß mit Frankreich der Fall war.]

) [G. durch welche sich die Congreßmitglieder ihren Collegen gegenüber legiti miren und wodurch der Congreß constituirt ist, da seine Natur eine besondere Beglaubigung bei dem Souverän des Aufenthaltsstaates ausschließt.]

10) [G. Herkömmlich der erste Vertreter des Staates, auf dessen Gebiet die Versammlung tagt. So Graf Buol auf den Wiener Conferenzen von 1855, Graf Walewski auf dem Pariser Congreß, Fürst Bismarck auf dem Berliner und bei der Congo-Conferenz. Ausnahmen bei der Brüsseler Conferenz von 1874 über das Kriegsrecht, wo der belgische Vertreter zu Gunsten des russischen verzichtete, dessen Regierung die Berufung veranlaßt, und auf der von Konstantinopel 1876–77, wo aber die Pforte nicht theilnahm und der russische Gesandte als Alterspräsident des dortigen diplomatischen Corps die Berathungen leitete.]

11) [G. Diese sind mündlich, bestimmte Anträge und Erklärungen der einzelnen Theilnehmer werden indeß meist schriftlich eingereicht, wie dieselben auch besondere Vota zu Protokoll geben können.]

12) [G. 3. B. auf dem Pariser Congreß zwischen Rußland und der Türkei über die Verhältnisse des Schwarzen Meeres. Der Specialvertrag, zu dem solche Unterhandlungen führen, wird meist als integrirender Bestandtheil des Gesammtvertrages angesehen.]

13) G. Die Beschlüsse können, da alle Theilnehmer gleichberechtigt sind, nur mit Einstimmigkeit gefaßt werden. Kann eine Einigung über einen Punkt der Berathung nicht erzielt werden, so scheidet derselbe aus dem anzustrebenden Vertrage aus, und betrifft dieser Mangel wesentliche Punkte, so ist die Berathung als ge= scheitert zu betrachten. So gingen die Congresse von_Cambray (1721–25), von Soissons (1729), von Breda (1747), von Rastatt (1799), von Châtillon (1814), die Wiener Conferenzen von 1855, die Londoner über Schleswig-Holstein von 1864 ohne Ergebniß auseinander.]

14) G. Dieser General-Vertrag wird selbstverständlich von allen Bevollmächtigten unterzeichnet. Die Pläne der Theoretiker, einen allgemeinen Staatencongreß als höchste streitschlichtende Behörde einzuseßen, haben nichts mit dem praktischen V. R. zu schaffen. Die Befürworter derselben übersehen neben anderen unüberwindlichen Schwierigkeiten, daß, wie die Reihe der ohne Ergebniß verlaufenen Congresse und Conferenzen beweist, diese nur dann Erfolg haben, wenn vollendete Thatsachen oder Uebereinkommen der Nächstbetheiligten eine Frage der Hauptsache nach spruchreif gemacht haben und es sich nur darum handelt, hieraus die internationalen Consequenzen zu ziehen.]

Dritter Abschnitt.

Besondere Anstalten für den Rechts- und socialen Verkehr der Staaten und Völker.

Die Confulu1).

241. Eine der ältesten Institutionen des heutigen europäischen Völkerverkehres im Interesse des Handels ist die jetzt allgemein so= genannte Consularinstitution, wenn sie auch in ihrer ersten Entstehung nicht überall unter jenem Namen vorkommt. Dieselbe fällt in die Zeit, wo der Handel sich selbst eine Existenz verschaffen, ja erkämpfen mußte, und er nur Schuß fand entweder in einer städtischen Corporation, von welcher er ausging, oder in der Begründung selbständiger Niederlassungen im Auslande, wo es ihm gelang, Raum zu gewinnen, endlich auch, wiewohl erst später, in dem Schuße der sich mehr und mehr entwickelnden heimatlichen Staatsgewalt. Eins der ersten Bedürfnisse, wofür gesorgt werden mußte, war dann nach seiner Consolidirung an einem Orte die Gewinnung einer Jurisdiction, und zwar nicht blos für die Handelsgeschäfte unter den Angehörigen derselben Heimat und mit den Fremden, sondern auch in anderen Beziehungen, worin der Handelsbetrieb, so wie die Niederlassung an einem bestimmten Orte verflechten kann, um gegen etwaige Willkür und Eigenmacht gesichert zu sein. Wie es nun schon im zwölften Jahrhundert, vornehmlich am Mittelländischen Meere in blühenden abendländischen Handelsstädten, Lokalobrigkeiten unter dem Namen der Consules mit Gerichtsbarkeit in Handelssachen gab, so wurden weiterhin auch im Orient, in Folge der Kreuzzüge, zum Theil selbst noch früher, dergleichen richterliche Beamte unter verschiedenen Namen bei den Griechen und in den christlichen Reichen, welche in Syrien gegründet waren, für die dorthin handeltreibenden Nationen und Städte cingesezt), was indessen mit dem dreizehnten Jahrhundert aufhörte. Dabei galt im Allgemeinen das damals überhaupt herrschende System der Nationalität des Rechtes, indem Jeder regelmäßig nach seinem angeborenen Rechte behandelt wurde3). — Als der Orient dem Islam

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