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Artikel XXXV.

Der Bund hat als Gesammtmacht das Recht, Krieg, Frieden, Bündnisse und andere Verträge zu beschliessen. Nach dem im zweiten Artikel der Bundesacte ausgesprochenen Zwecke des Bundes übt derselbe aber diese Rechte nur zu seiner Selbstvertheidigung, zur Erhaltung der Selbstständigkeit und äussern Sicherheit Deutschlands, und der Unabhängige keit und Unverlegbarkeit der einzelnen Bundesstaaten aus.

Artikel XXXVI.

Da in dem eilften Artikel der Bundesacte alle Mitglieder des Bundes sich verbindlich gemacht haben, sowohl ganz Deutschland, als jeden einzelnen Bundesstaat gegen jeden Angriff in Schuß zu nehmen, und sich gegenseitig ihre sämmtlichen unter dem Bunde bes griffenen Besitzungen zu garantiren, so kann kein einzelner Bundesstaat von Auswärtigen verleßt werden, ohne daß die Verlegung zugleich und in demselben Maase die Gesammtheit des Bundes treffe.

Dagegen sind die einzelnen Bundesstaaten verpflichtet, von ihrer Seite weder Anlaß zu dergleichen Verletzungen zu geben, noch auswärtigen Staaten solche zuzufügn. Sollte von Seiten eines fremden Staates über eine von einem Mitgliede des Bundes ihm widerfahrne Verlegung bei der Bundesversammlung Beschwerde geführt, und diese gegrún det befunden werden, so liegt der Bundesversammlung ob, das Bundesglied, welches die Beschwerde veranlaßt hat, zur schleunigen und genügenden Abhülfe aufzufordern, und mit dieser Aufforderung; nach Befinden der Umstände, Maasregeln, wodurch weitern friede: störenden Folgen zur rechten Zeit vorgebeugt werde, zu verbinden.

Artikel XXXVII.

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Wenn ein Bundesstaat, bei einer zwischen ihm und einer auswärtigen Macht ents standenen Irrung, die Dazwischenkunft des Bundes anruft, so hat die Bundesversammlung den Ursprung solcher Irrung und das wahre Sachverhältniß sorgfältig zu prüfen. Ergiebt sich aus dieser Prüfung, daß dem Bundesstaate das Recht nicht zur Seite steht, so hat die Bundesversammlung denselben von Fortsetzung des Streites ernstlich abzumahnen und die begehrte Dazwischenkunft zu verweigern, auch erforderlichen Falls zur Erhaltung des Friedensstandes geeignete Mittel anzuwenden. Ergiebt sich das Gegentheil, so ist die Bundesversammlung verpflichtet, dem verlegten Bundesstaate ihre wirksamste Verwendung und Vertretung angedeihen zu lassen, und solche so weit auszudehnen, als nöthig ist, damit demselben volle Sicherheit und angemessene Genugthuung zu Theil werde. Artikel XXXVIII.

Wenn aus der Anzeige eines Bundesstaats, oder aus andern zuverlässigen Angaben, Grund zu der Besorgniß geschöpft wird, daß ein einzelner Bundesstaat, oder die Ge

sammtheit des Bundes, von einem feindlichen Angriffe bedroht sey, so muß die Bundesversammlung sofort die Frage, ob die Gefahr eines solchen Angriffes wirklich vor: handen ist, in Berathung nehmen, und darüber in der kürzest möglichen Zeit einen Ausz spruch thun. Wird die Gefahr anerkannt, so muß, gleichzeitig mit diesem Ausspruche, wegen der in solchem Falle unverzüglich in Wirksamkeit zu sehenden Vertheidigungs- Maasregeln, ein Beschluß gefaßt werden. Beides, jener Ausspruch und dieser Beschluß, ers geht von der engern Versammlung, die dabei nach der in ihr geltenden absoluten Stimmens mehrheit verfährt.

Artikel XXXIX.

Wenn das Bundesgebiet von einer auswärtigen Macht feindlich überfallen wird, tritt sofort der Stand des Krieges ein, und es muß in diesem Falle, was auch ferner von der Bundesversammlung beschlossen werden mag, ohne weitern Verzug zu den erforderlichen Vertheidigungs- Maasregeln geschritten werden.

Artikel XL.

Sieht sich der Bund zu einer förmlichen Kriegserklärung genöthigt, so kann solche nur in der vollen Versammlung nach der für dieselbe vorgeschriebenen Stimmenmehrheit von zwei Drittheilen beschlossen werden.

Artikel XII.

Der in der engern Versammlung gefaßte Beschluß über die Wirklichkeit der Gefahr eines feindlichen Angriffes verbindet sämmtliche Bundesstaaten zur Theilnahme an den vom Bundestage nothwendig erachteten Vertheidigungs- Maasregeln. Gleicherweise verbindet die in der vollen Versammlung ausgesprochene Kriegserklärung sämmtliche Bundesstaaten zur unmittelbaren Theilnahme an dem gemeinschaftlichen Kriege.

Artikel XLII.

Wenn die Vorfrage, ob Gefahr vorhanden ist, durch die Stimmenmehrheit verneinend entschieden wird, so bleibt nichts desto weniger denjenigen Bundesstaaten, welche von der Wirklichkeit der Gefahr überzeugt sind, unbenommen, gemeinschaftliche VertheidigungsMaasregeln unter einander zu verabreden.

Artikel XLIII.

Wenn in einem Falle, wo es die Gefahr und Beschüßung einzelner Bundesstaaten gilt, einer der streitenden Theile auf die förmliche Vermittelung des Bundes anträgt, so wird derselbe, in so fern er es der Lage der Sachen und seiner Stellung angemessen findet, unter vorausgeseßter Einwilligung des andern Theils, diese Vermittelung übernehmen; jedoch darf dadurch der Beschluß wegen der zur Sicherheit des Bundesgebiets zu ergreifenden Ver

theidigungs- Maasregeln nicht aufgehalten werden, noch in der Ausführung der berei schlossenen ein Stillstand oder eine Verzögerung eintreten.

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Bei ausgebrochenem Kriege steht jedem Bundesstaate frei, zur gemeinsamen V digung eine grössere Macht zu stellen, als sein Bundes-Contingent betrågt; es kann in dieser Hinsicht keine Forderung an den Bund statt finden.

Artikel XLV.

Wenn in einem Kriege zwischen auswärtigen Mächten oder in andern Fällen hältnisse eintreten, welche die Besorgniß einer Verlegung der Neutralität des Bu gebietes veranlassen, so hat die Bundesversammlung ohne Verzug im engern Rathe di Behauptung dieser Neutralitát erforderlichen Maasregeln zu beschliessen.

Artikel XLVI.

Beginnt ein Bundesstaat, der zugleich ausserhalb des Bundesgebietes Besitzungen in seiner Eigenschaft als Europäische Macht einen Krieg, so bleibt ein solcher, die Ver nisse und Verpflichtungen des Bundes nicht berührender Krieg dem Bunde ganz frem

Artikel XLVII.

In den Fällen, wo ein solcher Bundesstaat in seinen ausser dem Bunde beleg Besizungen bedroht oder angegriffen wird, tritt für den Bund die Verpflichtung zi meinschaftlichen Vertheidigungs- Maasregeln, oder zur Theilnahme und Hülfsleistung ni so fern ein, als derselbe, nach vorgängiger Berathung durch Stimmenmehrheit in der er Versammlung, Gefahr für das Bundesgebiet erkennt. Im leztern Falle finder Vorschriften der vorhergehenden Artikel ihre gleichmäßige Anwendung.

Artikel XLVIII.

Die Bestimmung der Bundesacte, vermöge welcher, nach einmal erklärtem Bundesk kein Mitglied des Bundes einseitige Unterhandlungen mit dem Feinde eingehen, noch seitig Waffenstillstand oder Frieden schliessen darf, ist für sämmtliche Bundesstaaten mögen ausserhalb des Bundes Besihungen haben oder nicht, gleich verbindlich.

Artikel XLIX.

Wenn von Seiten des Bundes Unterhandlungen über Abschluß des Friedens oder Waffenstillstandes statt finden, so hat die Bundesversammlung zu specieller Leitung selben einen Ausschuß zu bestellen, zu dem Unterhandlungs-Geschäft selbst aber eigene vollmächtigte zu ernennen, und mit gehörigen Instructionen zu versehen. Die Ann und Bestätigung eines Friedensvertrags kann nur in der vollen Versammlung geschehen.

Artikel Li

In Bezug auf die auswärtigen Verhältnisse überhaupt liegt der Bundesversammlung ob: 1) Als Organ der Gesammtheit des Bundes für die Aufrechthaltung friedlicher und freundschaftlicher Verhältnisse mit den auswärtigen Staaten Sorge zu tragen;

2) Die von fremden Mächten bei dem Bunde beglaubigten Gesandten anzunehmen, und, wenn es nöthig befunden werden sollte, im Namen des Bundes Gesandte an fremde Mächte abzuordnen;

3) In eintretenden Fällen Unterhandlungen für die Gesammtheit des Bundes zu führen, und Verträge für denselben abzuschliessen;

4) Auf Verlangen einzelner Bundesregierungen, für dieselben die Verwendung des Bundes bei fremden Regierungen, und, in gleicher Art, auf Verlangen fremder Staaten, die Dazwischenkunft des Bundes bei einzelnen Bundesgliedern eintreten zu lassen.

Artikel LI.

Die Bundesversammlung ist ferner verpflichtet, die auf das Militärwesen des Bundes Bezug habenden organischen Einrichtungen, und die zur Sicherstellung seines Gebiets erforderlichen Vertheidigungs-Anstalten zu beschliessen.

Artikel LII.

Da zu Erreichung der Zwecke und Besorgung der Angelegenheiten des Bundes, von der Gesammtheit der Mitglieder Geldbeiträge zu leisten sind, so hat die Bundesversammlung 1) den Betrag der gewöhnlichen verfassungsmåsigen Ausgaben, so weit solches im Allgemeinen geschehen kann, festzusehen;

2) in vorkommenden Fällen die zur Ausführung besonderer, in Hinsicht auf an: erkannte Bundeszwecke gefaßten Beschlüsse erforderlichen ausserordentlichen Ausgaben und die zur Bestreitung derselben zu leistenden Beiträge zu bestimmen;

3) das matrikelmäsige Verhältniß, nach welchem von den Mitgliedern des Bundes beizutragen ist, festzusehen;

4) die Erhebung, Verwendung und Verrechnung der Beiträge anzuordnen und darüber die Aufsicht zu führen.

Artikel LIII.

Die durch die Bundesacte den einzelnen Bundesstaaten garantirte Unabhängigkeit schließt zwar im Allgemeinen jede Einwirkung des Bundes in die innere Staatseinrichtung und Staatsverwaltung aus. Da aber die Bundesglieder sich in dem zweiten Abschnitt der Bundesacte über einige besondere Bestimmungen vereinigt haben, welche sich theils auf Gewährleistung zugesicherter Rechte, theils auf bestimmte Verhältnisse der Unterthanen be: ziehen, so liegt der Bundesversammlung ob, die Erfüllung der durch diese Bestimmungen

übernommenen Verbindlichkeiten, wenn sich aus hinreichend begründeten Anzeigen der Bes theiligten ergiebt, daß solche nicht statt gefunden habe, zu bewirken. Die Anwendung der in Gemäßheit dieser Verbindlichkeiten getroffenen allgemeinen Anordnungen auf die einzelnen Fälle bleibt jedoch den Regierungen allein überlassen.

Artikel LIV.

Da nach dem Sinne des dreizehnten Artikels der Bundesacte, und den darüber ers folgten spätern Erklärungen, in allen Bundesstaaten landständische Verfassungen statt finden sollen, so hat die Bundesversammlung darüber zu wachen, daß diese Bestimmung in keinem Bundesstaat unerfüllt bleibe.

Artikel LV.

Den souverainen Fürsten der Bundesstaaten bleibt überlassen, diese innere LandesAngelegenheit, mit Berücksichtigung sowohl der früherhin geseßlich bestandenen ständischen Rechte, als der gegenwärtig obwaltenden Verhältnisse zu ordnen.

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Die in anerkannter Wirksamkeit bestehenden landständischen Verfassungen können nur auf verfassungsmäßigem Wege wieder abgeändert werden.

Artikel LVH.

Da der deutsche Bund, mit Ausnahme der freien Städte, aus souverainen Fürsten besteht, so muß, dem hierdurch gegebenen Grundbegriffe zufolge, die gesammte Staats gewalt in dem Oberhaupte des Staats vereinigt bleiben, und der Souverain kann durch eine landständische Verfassung nur in der Ausübung bestimmter Rechte an die Mitwirkung der Stände gebunden werden.

Artikel LVII.

Die im Bunde vereinten souverainen Fürsten dürfen durch keine landständische Ver fassung in der Erfüllung ihrer bundesmåsigen Verpflichtungen gehindert oder beschränkt

werden.

Artikel LIX.

Wo die Oeffentlichkeit landständischer Verhandlungen durch die Verfassung gestattet ist, muß durch die Geschäftsordnung dafür gesorgt werden, daß die geseßlichen Grenzen der freien Aeusserung, weder bei den Verhandlungen selbst, noch bei deren Bekanntma chung durch den Druck, auf eine die Ruhe des einzelnen Bundesstaats oder des gesammten Deutschlands gefährdende Weise überschritten werden.

Artikel LX.

Wenn von einem Bundesgliede die Garantie des Bundes für die in seinem Lande eingeführte landständische Verfassung nachgesucht wird, so ist die Bundesversammlung be Protok. d. d. Bundesvers. IX. Bd.

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