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>>Sie geneigt ihn zu setzen? halten Sie ihn für einen >>Zeitgenossen des römischen Kaisers Caracalla? oder » glauben Sie etwa gar nicht an einen persönlichen, einen historischen Ossian? . . . und, was denken Sie dann >>von seinem-Uebersetzer, dem James Macpherson? scheint » dieser Ihnen ein dichterischer Genius, oder nur ein >> geistloser Sammler? oder erklären Sie ihn am Ende auch für einen Schwindler? oder sagen Sie gar: das >>ist mir Alles einerlei, ob ächt oder nicht ächt; so wie >>er ist, hab' ich ihn lieb gewonnen; ja, ich schwärme >>für meinen Ossian, und Macpherson, der uns diesen >>Dichterhimmel erschlossen hat, gilt mir für einen ver>>dienstvollen Mann!<<

So mochte da und dort, in den schöngeistigen Cirkeln der 60er und 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts die Begeisterung für den schottischen Barden, für den nordischen Homer sich kundgeben. Indessen wurde nicht allein die grosse Menge der schwärmerisch-sentimentalen Gemüther, in jener allgemeinen Sturm- und Drangperiode, von solchem Ossian-Schwindel erfasst; nein, auch die Koryphäen dieses Zeitalters, Dichter und Denker ersten Ranges, wie jenseits, so auch diesseits des Kanals, begeisterten sich an der süssen Harfe des königlichen Sängers, lauschten mit Wonne der lieblichen Stimme der Vorzeit<<.

In England selbst waren es zunächst Macpherson's Freunde und Gönner, wie Blair, Home, Carlyle, David Hume, John Shmith und andere Mitglieder des literarischen Vereins zu Edinburgh *), die theils durch Subscription, theils durch persönliche Theilnahme bei Aufsuchung und Entzifferung der in einer wenig zugänglichen Sprache geschriebenen Manuscripte dem genannten Herausgeber bei der weitern Verfolgung seines Unternehmens kräftigen Vorschub leisteten, sich des Mannes auch wacker

*) Vrgl. das vielfach benützte Schriftchen von Talvj, p. 15, worüber mehr im II. Theil, desgl. Anhang Nro. 8.

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annahmen, als von anderer Seite die Authenticität der ganzen Sammlung angefochten ward.

In Deutschland um von der nicht minder stürmischen Aufnahme Ossian's auf dem übrigen Continent hier zu schweigen *) in Deutschland, wohin zunächst die oben erwähnten Fragmente gelangten (übersetzt von Wittenberg in Hamburg 1764) und woselbst der inzwischen vollständig erschienene Ossian von dem gelehrten Michael Denis **) sogar in deutsche Hexameter übertragen wurde (Wien 1768) hier, in Deutschland, waren es vorzugsweise Goethe und Herder, die ihrer und ihrer Landsleute hochgehobener Stimmung einen beredten Ausdruck verliehen. So lässt sich Goethe in seinem Werther, im 2. Buch, folgendermassen vernehmen***) :

>> Ossian hat in meinem Herzen den Homer ver»drängt. Welch eine Welt, in die der Herrliche mich >>führt! Zu wandern über die Heide, umsaus't vom Sturm>>winde, der in dampfenden Nebeln die Geister der Väter, >>im dämmernden Lichte des Mondes hinführt. Zu hören »vom Gebirge her, im Gebrülle des Waldstroms, halb >>verwehtes Aechzen der Geister aus ihren Höhlen, und >>die Wehklagen des zu Tode sich jammernden Mädchens, >>um die vier moosbedeckten, grasbewachsenen Steine » des Edelgefallnen, ihres Geliebten. Wenn ich ihn dann >>finde, den wandelnden grauen Barden, der auf der >>weiten Heide die Fusstapfen seiner Väter sucht und >>ach ihre Grabsteine findet, und dann jammernd nach »dem lieben Sterne des Abends hinblickt, der sich in's →rollende Meer verbirgt, und die Zeiten der Vergangen>>heit in des Helden Seele lebendig werden, da noch der >>freundliche Strahl den Gefahren der Tapferen leuchtete, »und der Mond ihr bekränztes, siegrückkehrendes Schiff

*) Vrgl. Talvj, p. 3.

**) Vrgl. Anhang Nr. 1.

***) Göthe, Band 14, Seite 100. (Cotta 1856.) Vrgl. Anhang Nro. 2.

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beschien. Wenn ich den tiefen Kummer auf seiner »Stirn lese, den letzten, verlassnen Herrlichen in aller »Ermattung dem Grabe zuwanken sehe, wie er immer >>neue, schmerzlichglühende Freuden in der kraftlosen »Gegenwart der Schatten seiner Abgeschiedenen einsaugt, >>und nach der kalten Erde, dem hohen, wehenden Grase >>niedersieht, und ausruft: Der Wanderer wird kommen, >kommen, der mich kannte in meiner Schönheit, und fragen: Wo ist der Sänger, Fingal's trefflicher Sohn? »Sein Fusstritt geht über mein Grab hin, und er fragt »vergebens nach mir auf der Erde. O Freund! ich >>möchte gleich einem edlen Waffenträger das Schwert >>ziehn, meinen Fürsten von der zückenden Qual des >> langsam absterbenden Lebens auf einmal befreien, und >>dem befreiten Halbgott meine Seele nachsenden.<«<

So der überschwängliche Werther.

Etwas nüchterner, aber nicht minder hochbegeistert, offenbart Herder in einer Reihe von Briefen aus dem Jahre 1773 *) seine innige Freude über die Erscheinung Ossian's, als eines Dichters voll Hoheit und Unschuld, voll Einfalt und Seligkeit, voll ächter Empfindung« ; spricht aber zugleich auch seine bescheidenen Zweifel aus, ob wir namentlich in der Uebersetzung von Denis, in dem heroischen Hexameter nach Klopstock's Manier wohl den wahren Ossian, den schottischen Volklieder-, den ächten Natur-Dichter Ossian besitzen.

Währenddessen war in der Heimath des Dichters, in Schottland sowohl als namentlich in England, die Zweifelsucht einen starken Schritt weiter gegangen, indem sie nicht etwa bloss die Treue der Macpherson'schen Uebersetzung, sondern die Aechtheit der angeblichen »Originale« in hohem Grade verdächtigte. Kurz, es entspann sich daselbst ein Streit, der gegen

*) Herder, zur schönen Lit. und Kunst. Bd. 4. (Cotta 1861.) Stimmen der Völker in Liedern. I. Ossian. Man lese insbesondere die Briefe 4 und 5 und vrgl. Anhang Nro. 3.

seitig mit der grössten Leidenschaft geführt wurde, und bei dem der Urheber und Gegenstand des Zanks, Macpherson selbst, eine mehr als zweideutige Rolle spielte.

Die Streitfrage, als solche, aber wurde von zwei verschiedenen, principiell gesonderten Kriegslagern gar stürmisch ergriffen, hier von den Engländern *) als eine Controverse nicht frei von national-politischer Färbung, dort durch die Irländer als eine Prioritäts- und Eigenthums-Frage, ein zwiefacher Process also, einerseits geführt vom Standpunkt des Staatsrechts, andererseits als eine Frage über Mein und Dein, verfochten vor dem Stuhle des Civilrichters.

In England nämlich fasste man die, zuerst von schottischen Gelehrten, ja von Macpherson's eigenen Freunden, wie von David Hume, in der besten Absicht erhobenen Bedenken um so eifriger auf, als jede Regung des schottischen Nationalgefühls **) an und für sich schon in den Augen des britischen Volkes ein Aergerniss, um nicht zu sagen ein Verbrechen war, so dass die Glorie, die der schottische National-Heros um sich zu verbreiten begann, zum mindesten den englischen Nationalstolz in hohem Grade verletzte.

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Anders die Irländer, die Macpherson und seine Partei wegen Entfremdung von National-Eigenthum belangten, indem sie, und zwar wie wir in der Folge sehen werden mit Fug und Recht, den Helden Fingal sammt seinem Sohne Ossian, überhaupt die ganze FingalSage, als irisches Gut und irisches Blut reclamirten. Ja, nicht eher ruhten die zähen Irländer, als bis sie den Macpherson'schen Ossian seines ganzen Nimbus entkleidet, den König Fingal zu einem irischen Milizenführer, einem

*) Vrgl. Talvj, p. 3 und p. 23.

**) Vrgl. Friedr. Schlegel »Ueber nordische Dichtkunst im deutschen Museum, Wien 1812. Bd. I. p. 168 ff. Dazu Anhang Nro. 4.

riesigen Condottiere, Namens Fionna, seinen Sohn Oïsin zu einem Sänger und Feldhauptmann, den Dichter Macpherson aber zu einem frechen plagiarius, einem lügenhaften interpolator degradirt hatten *).

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Doch diesen Höhepunkt des Scandals sollte der Märtyrer Macpherson nicht mehr erleben. Er hatte bereits im Jahre 1796 das Zeitliche gesegnet, nachdem er, als geschickter Tactiker, der, bei möglichster Passivität von seiner Seite, die gegen ihn geführten Streiche durch den Patriotismus seiner Freunde abwehren liess, mit ziemlich heiler Haut davon gekommen war. Ja, er erfuhr sogar, seinen Widersachern zum Trotz, noch die wenig verdiente Genugthuung, dass, neben manchen bedeutenden Männern, die in der Heimath getreulich zu ihm hielten, auch der deutsche Herder noch im Jahr 1795 in einem Aufsatz in den Horen **) bei aller Unbefangenheit des Urtheils in Betreff der Aechtheit der Dichtung als Ganzes doch dem Dichter Macpherson persönlich seine Hochachtung aussprach: »Mag er«, sagt Herder, aus Handschriften oder aus lebendigen Ge»sängen geschöpft, mag er Alles der Tradition entnommen, oder Eigenes dazu gedichtet haben, gleichviel, er >>hat's gesammelt, er hat's geordnet, er hat's, mit einem >>Worte, gegeben. Er ist mindestens der Solon und >>Hipparch, der die Gesänge seines Volkes der Vergessen>>heit entzogen, sie der ganzen gebildeten Welt zugäng»lich gemacht, in ihnen einen reichen Schatz von Schönheiten und zarten Empfindungen niedergelegt hat. That >er dies unter der Maske Ossian's, so handelte er als >>kluger und bescheidener Mann, der, sich selbst zu sol>cher Schöpferkraft zu schwach fühlend, lieber Alles »seinem Ossian zuschrieb, als dass er sich auch nur mit >einer fremden Feder geschmückt hätte; kurz, Macpher

*) Talvj, p. 62. 66.

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**) Abgedruckt in Herder's Werken, Band 10. pag. 143 ff. (Cotta 1862.) Vrgl. Anhang Nr. 3.

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