Page images
PDF
EPUB

Hoffnung, auf diesem Wege auch nur eine vorläu fige Uebereinstimmung zu erlangen; und doch hatte Rußland seine Absicht, die allgemeine Annahme des von Preussen, Oestreich und Hannover, in zwölf Arti: keln vorgelegten Entwurfs einer teutschen Bundes: berfassung nachdrücklich zu befördern, offen zu erkennen gegeben *). So lösete sich das Comité stillschweigend auf, welches sich selbst gebildet hatte.

Nicht ohne laute Mißbilligung der übrigen vermuthlichen Mitglieder des künftigen Bundes, hatte diese Vereinigung fünf teutscher Höfe statt gehabt. Die Bevollmächtigten neun und zwanzig teutscher unabhän: giger Fürsten, und freier Städte schlossen eine Art von Gegenvereinigung, welcher nachher noch sechs andere Fürsten beitraten. Sie und Baden, welches die Aufnahme in das Comité vergebens nach: gesucht hatte **), so auch Heffen, widersprachen lebhaft die Befugniß dieses Ausschusses, über die Bundesangelegenheit eingreifende Vorberathschlagung zu pflegen, und durch vorläufige Bestimmungen ihrem Urtheil und Willen vorzugreifen ***).

*) Note des Hrn. Grafen Nesselrode, an die Herren Fürsten von Metternich und Hardenberg, vom 11. Dec. 1814; in den Acten des wiener Congresses, Bd. I, Heft 1, S. 61 ff.

[ocr errors]

Acten des
Beschluß
S. 78 f.

**) Durch eine Note vom 15. Oct. 1814. wiener Congresses, Bd. I. Heft 2, S. 58. des Comité's auf diese Note, ebendas. Bd. II, ***) Man s. die Note der 29 vereinigten Fürsten und Städte, vom 16. Nov. 1814; ebendas. Heft 1, S. 72. Badi: sche Note von demselben Tage; ebendas. S. 97. Hefi fische Note vom 6. Nov. 1814; ebendas. Bd. IV, 6. 45. Merkwürdige Note des fürstl. oranicns und nassauischen Bevollmächtigten, Frhn. v. Gagern, vom 13. Jan. 1815, ebend. Bd. I, Heft 2, S. 63 74.

Der erste November rückte endlich heran, öffents lich bestimmt für förmliche Eröffnung des Cons gresses, und erschnt wenigstens von Allen, die nicht in die Unterhandlung über Sachsen und Polen vers flochten, oder von dem Gang derselben nicht genau unterrichtet waren. Was erfolgte unter dem Datum von diesem Tage? Eine Bekanntmachung der Bevollmächtigten der acht Mächte, beschlossen in ihrer Sigung vom 30. October, datirt vom 1. November. Diese Bevollmächtigten erklärten darin: sie hätten sich vereinigt, einander wechselseitig ihre Vollmachten mitzutheilen, und solche bei der wiener Hof und Staats Canzlei niederzulegen. Damit man aber auf authen: tische Weise zur Kenntniß der von den übrigen Hös fen beauftragten Personen gelange, würden Alle, die mit Vollmachten zum Congreß versehen seyen, aufgefordert, dieselben an demselben Ort zu überreis chen. Die Verification der Vollmachten werde durch eine, aus drei bevollmächtigten Ministern beste: hende Commission vollzogen werden. Nach Beens digung dieses Geschäftes, würden sie, die Minister der acht Höfe, die Maasregeln in Vorschlag brins gen, die sie für die zweckmäßigsten halten würden, um den fernern Geschäft gang zu bestimmen.

In dieser leßten Hinsicht berathschlagten am & wei, ten November die Bevollmächtigten der acht Mächte, der Unterzeichner des pariser Friedens (Puissances signataires du traité de Paris), über die Grundfäße, nach welchen die Geschäfte auf dem Congreß zu behandeln seyen; insbesondere über Vertheilung der Arbeiten, und über die Zusammenkünfte der Bevollmächtigten, welche sich mit den verschiedenen Gegenständen der CongreßUnterhandlungen zu beschäf.

tigen hätten. In dieser Sißung ward bloß münd, liche Abrede genommeu, ohne ein eigenes Protocoll darüber zu verfaffen. Die Sigungen der Bevollmäch tigten der acht Mächte bliebeu nun ausgeseßt bis zu dem 13. November, wo man anfieng mit der Vereis nigung Genua's mit Piemont sich zu beschäftigen; ein Gegenstand, mit welchem man hoffen konnte fertig zu werden, und fertig ward, ohne dabei durch das Haupt. hinderniß des Congresses gestört zu werden.

Am Schluß dieser Sigung legte noch der Fürst Metternich die Frage vor: «ob nicht zu einer (schon in der Erklärung vom 8. October erwähnten, und nachher in der Sißung vom 30. October von etlichen Bevoll mächtigten wieder vorgeschlagenen) allgemeinen Bersammlung aller Bevollmächtigten, welcher in diesem Augenblick Schwierigkeiten sich in den Weg legen könnten, nach Beendigung des Pro: tocolls über die Vorlegung der Vollmachten zu schreiten seyn möchte ?» Beschlossen ward hierauf: «es werde besser seyn, eine solche allgemeine Versammlung auf eine spätere Zeit hinaus zu seßen, da solche, in Betracht der dermaligen Lage der besondern Unterhandlungen, ohne Nußen seyn werde.» Zu keiner Zeit hatte sie statt.

Die meisten Uneingeweihten hielten sich auch durch die zweite Erklärung vom 1. November, in ihren Er, wartungen für getäuscht. Sie enthalte, meinten sie, mehr nicht als ein kleines Lebenszeichen des Congresses, das vier Wochen früher an seiner Stelle gewesen wäre; eine gewöhnliche Förmlichkeit, die eine öffentliche Er wähnung kanm verdient habe.—Unterdessen verlautete in dem Publicum immer mehr von der geheimen Ursache des ausweichenden Inhaltes der beiden ersten Bekanntmachungen des Congresses. Dieser Ursache

und ihrer allmählichen Entwickelung, gebührt hier vors zugsweise eine historische Darstellung, so einfach und treu, wie möglich.

Ueber Sachsen und Polen hatte ein Notens wechsel schon in der ersten Hälfte des Octobers begonnen. Er ward vier Monate langi fortgescht, bis in den Februar, bisweilen in ziemlich geräumigen Fristen. Meist zwischen Oestreich und Preussen, hatte dieser Schriftwechsel statt; doch erschienen mits unter auch schriftliche Erklärungen von russischer, englischer und französischer Seite. Zu Zeiten wurden eigene Sihungen, worin man jene Noten zum Theil überreichte, diesem Gegenstand gewidmet, von Bevollmächtigten der fünf Mächte, Destreich, Rußland, England, Frankreich und Preussen. Merks würdig vor andern schienen zu feyn die Sißungen vom 28. Jänner, 8. Februar, 7. und 12. März. In ver: fchiedenen jener Noten wurden statistische Rech nungen und Gegenrechnungen, über Territos rialGewinn und Verlust und über Entschädigungs, Plane, Alles nach Ländern und Seelenzahl, vorgelegt. So machten Preussen und Oestreich eines dem andern, und jedes sich selbst die Rechnung; auch von französi: scher Seite ward einmal Preussen sein Verlust und Ers fah in statistischer Uebersicht vorgerechnet.

Der Schleier des Geheimnisses deckte, in der Regel, diese Verhandlungen in demselben Verhältniß, in welchem die Neugier des Publicums gespannt war. Kaum, daß zu Zeiten die Kunde der einfachen That: sache, es sey eine Note von dieser oder jener Seite erschienen, oder eine Conferenz gewesen, sich unter die Neuigkeiten des Tages mischte. Entwischte anch hie und da, etwa nach einiger Zeit, eine Note, ganz oder

im Auszug, aus einem oder dem andern Tempel diplo matischer Mysterien, so geschah es doch eigentlich nur zu einer gewissen Classe des Publicums, und es hiengen dagegen die andern Noten und die Protocolle in jenen Tempeln fest, wie eingemanert. Das Meiste, was die öffentlichen Blätter über diese Verhandlungen lies ferten, war, wenn nicht unter der Hand auf Befehl eines Hofes mitgetheilt, entweder falsch, oder halbs wahr, oder entstellt. Besonders that sich hierin hervor ein periodisches Blatt, welches unter dem Titel: Wie ner CongreßChronik, zu Frankenthal bei Worms erschien.

Während der Unterhandlungen, schienen etliche Vorgänge sichtbare Unruhe zu erregen, weil man sich durch sie berechtigt glaubte, wenigstens auf der einen Seite einen schon festen Entschluß anzunehmen. Der russische General Gouverneur des Königs reichs Sachsen, Fürst Repnin, übergab am 8. November zu Dresden die oberste Verwaltung des Königreichs an Preussen. In einer Bekanntmachung erklärte er, es geschehe dieses in Folge einer zwischen Rußland und Preussen geschlossenen Uebereins kunft, welcher Oestreich und England beiges treten seyen. In einer Erklärung an die Landesber hörden sagte der Fürst unverholen, diese Uebergabe geschehe, «um dadurch die Verbindung Sachfens mit Preussen einzuleiten, welche nächstens auf eine noch förmlichere und feierlichere Weise werde bekannt gemacht werden, und beide Völker gleichsam zu vers binden. Der König von Preussen, als künftiger Landesherr, habe erklären lassen, daß er gesonnen sey, Sachsen nicht als eine Provinz seinen Staaten einzuverleiben, sondern mit denselben unter dem Namen

« PreviousContinue »