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men, *) vermochte es endlich über sich, dem Willen der fünf Mächte sich zu fügen. Schon am 6. April hatte er sich vorläufig, in zwei schriftlichen Noten, zur Eins willigung in die an ihn begehrten TerritorialAbtretun gen bereit erklärt, wenn man ihm gewisse, sogleich namentlich angezeigte Bedingungen zugestehen wolle. Verschiedene von diesen wurden, mehr oder weniger eingeräumt, und so kam es endlich mit ihm zum Ab, schluß. Das Opfer war groß und schmerzhaft, aber es mußte gebracht seyn. Die fünf Mächte waren uner schütterlich in ihrem Willen. Die Rüstungen wider Buonaparte waren ungeheuer, und schienen einen günstigen Erfolg zu verbürgen. Ein solches konnte, wenn der König jezt nicht eingewilligt hätte, für ihn noch schlimmere Folgen herbeiführen. Alles wohl und reif erwogen, war das Sicherste, sich in den Willen der Mächte zu ergeben, um noch zu retten, was für jeßt zu retten möglich, aber sehr wahrschein lich ganz verloren war, wenn der König bei seinem Widerspruch noch länger beharrete. Siegte Buonaparte, was wenigstens nicht unmöglich war, so konnte ohne dem Alles wieder gut gemacht werden. Betrachtungen dieser Art, und ihm von mehreren Seiten wiederholt gemachte, dringende Vorstellungen mochten es seyn, durch welche der König endlich sich überwältigt und dahin gebracht fah, durch einen mit Preussen zu Wien am 18. Mai geschlossenen Friedens Vertrag in die verlangten Territorial Abtretungen förmlich einzuwilligen, auch seinen Rechten auf das Herzogs thum Warschau feierlich zu entfagen.

*) Er kam nach Larenburg bei Wien, am 2. Mai.

Wir können diese Uebersicht der langwierigsten und wichtigsten Congreßunterhandlung, um welche bis zu ihrem Ende fast alle Verhandlungen wie um eine Achse sich zu drehen schienen, nicht schliessen ohne eine Bemerkung, welche vielleicht allgemeiner gefühlt als deutlich erkannt ward. Was allgemein in ganz Europa ungern geschen war, die lange Verzös gerung des Congresses durch die Unterhandlung über Sachsen und Polen, ward die Rettung von Europa. Durch sie und seinen festen Glauben an einen in Güte nicht zu beseitigenden Zwist unter den grösseren Mächten, ward Buonaparte verleitet, gerade zur Unzeit für ihn, mit seinem politischen Wageftück loszubrechen, Europa war noch versammelt. Es konnten die wirks samsten Gegenmittel augenblicklich verabredet, und in der kürzesten Zeitfrist an den Ort der Gefahr gebracht werden. Dazu wäre aufs Wenigste die vierfache Zeit nöthig gewesen, wenn allenthalben erst von Hause aus, die Abrede unter allen grösseren und kleineren Mächten hätte geschehen müssen; ein Verzug, während dessen die Macht des Abentheurers sich, vielleicht auf immer, wieder befestigt hätte. Auch ward seine Nebereitung das kräftigste Mittel, den Congreß zum Ziel zu führen. Denn die gemeinsame Gefahr bewirkte, oder beschleunigte die Vereinigung der groffen Mächte über die wichtigsten CongreßGegenstände, und es kam wenigstens zu mehrfacher Uebereinkunft, deren Abschluß, ohne jenen Fall aus den Wolken des politischen Hims mels, wahrscheinlich so bald noch nicht und ganz anders, vielleicht zu Wien noch gar nicht, statt gehabt hätte.

Das Wichtigste, was und wie, während und nach der Unterhandlung über Sachsen und Polen, auf dem Congreß verhandelt ward, besteht in Folgendem :

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In Absicht auf die Sitzungen der CongreßBes vollmächtigten, unterschied man europäische Anges legenheiten überhaupt, und teutsche insbesondere. Im Gegensah der ersten, verstand man unter den legs ten solche, für welche Bevollmächtigte teutscher Staaten eigene Sigungen hielten. Die fogenannten europäischen Sißungen waren von zweifacher Art: Für gewisse Angelegenheiten verfammelten sich bloß die Bevollmächtigten der fünf Mächte, das heißt, Dests reich, Rußland, England, Frankreich, Preussen. Für andere Angelegenheiten, hielten die Bevollmächtigten derjenigen acht Mächte Conferenzen, welche den pariser Frieden vom 3. Mai 1814 unterzeichnet hats ten, oder ihm beigetreten waren, das heißt, Oestreich, Rußland, England, Preussen, Frankreich, Spanien, Portugal, Schweden.

Teutsche Sigungen hielten Anfangs (Oct. und Nov.) bloß die Bevollmächtigten von Oestreich, Preuss sen, Baiern, Hannover und Wirtemberg. Gegen das Ende des Congresses (Mai und Jun.) geschah es von den Bevollmächtigten Deßtreichs, Preuffens und aller teutschen Könige, souverainen Fürsten und freien Städte, mit Ausnahme von Wirtemberg und Baden, welche sich dabei nicht vertreten liessen. Die Fürsten von Isenburg und Leyen waren ausgeschlossen, weil die verbündeten Mächte ihnen wegen ihres Verhaltens zu Frankreich keine Verzeihung gegeben hatten.

Ausser den europäischen und teutschen Sißungen, wurden noch CommissionsSitzungen gehalten.

Zum Präsidenten des Congresses ward der Fürst von Metternich, erster Bevollmächtigter von Oestreich, einmüthig erbeten, in der Sigung der Bes vollmächtigten der acht Mächte vom 30. October. Der

Fürst nahm in der Sigung des folgenden Tages, mit Erlaubniß des Kaisers, diese ehrenvolle Stelle an. Einstimmig, wie die Wahl, war das Urtheil, daß er durch Würde, Klugheit, Mäßigung und Wohlwollen, das in ihn gefeßte Vertrauen gerechtfertigt habe.

Zu Führung der Protocolle, für die so ge: nannten europäischen Sißungen der acht und der fünf Mächte, für die teutschen Sizungen, für die Sihuns gen der verschiedenen CongreßCommissionen, wurden verschiedene GeneralSecretäre erwählt, Männer von bewährter Einsicht, für jede Art von Sigungen Einer. Dieser allein führte das Protocoll, wovon nachs her jeder Theil, von welchem in der Sißung einer oder mehrere Bevollmächtigte erschienen waren, bes glaubigte Abschrift erhalten konnte. Nicht in den Sit, zungen selbst, sondern erst nachher, wurden die meisten dieser Protocolle förmlich aufgefeßt, dann aber, ge wöhnlich erst in der folgenden Sißung, den gegenwärtig gewesenen Bevollmächtigten zur Genehmigung und Uns terschrift vorgelegt. Aus diesër Verfahrungsweise erklärt sich, warum einzelne Abstimmungen in der Regel nicht von den Bevollmächtigten selbst zu Protocoll dictirt wurden, oder werden konnten, und warum der Inhalt der Protocolle die Verhandlungen sehr oft nicht so sehr im Einzelnen darstellt, wie hie und da nach besons dern Gründen gewünscht ward.

Die CommissionsSigungen waren so verschieden, als die CongreßCommissionen. Eine Prälimis när Commission, für Prüfung der Vollmach; ten aller an den Congreß abgeordneten Personen, ward, etroas spät, am 30. October beschlossen, in der Sigung der Bevollmächtigten der acht Mächte, welche den pariser Frieden unterzeichnet haben. Es

wurden sofort, durch das Loos, drei Bevollmächtigte dieser Minister dazu ernannt, ein russischer, ein groß britannischer, ein preussischer. Dem Congreß und dem gesammten Publicum ward von der Ernennung und Bestimmung dieser Commission Nachricht gegeben, durch die schon erwähnte Kundmachung vom 1. No: vember.

Fürst Talleyrand hatte, durch eine Note vom 5. October, erklärt, der erste geheime Artikel des pariser Friedens ermächtige jene acht Mächte bloß, sich als eine Commission darzustellen, die nicht zu entschei den, sondern nur die Fragen vorzubereiten habe, welche der Entscheidung des Congresses vorzulegen seyen. Diesem gemäß, schlug derselbe Mis nister, in einem Schreiben an Lord Castlereagh vom 5. October, vor, daß die Bevollmächtigten der acht Mächte blos eine (allgemeine) Commission für Vorschläge bilden möchten, welche dem Congreß zu machen seyen (comité de propositions), und daß die: felben Minister zu Vorbereitung der Arbeiten, besondere Commissionen ernennen möchten. Der erste Theil dieses Vorschlags fand keinen Eingang, wohl aber der zweite. Ihm zufolge wurden nach und nach verschiedene Haupt Commissionen, Ausschüsse oder Comité's niedergefeßt, denen die Vorbereitung bestimmter CongreßAngelegenheiten übertragen wurde. Es waren folgende.

Von dem Comité für Errichtung und Verfassung des teutschen Bundes, welches die fünf teuts schen Mächte Oestreich, Preussen, Baiern, Han nover und Wirtemberg — für sich selbst errichtet hatten, che noch die Prüfung der Vollmachten festgeseßt, ge: schweige denn erfolgt war, von seiner erfolglosen Thät

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