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der bey allen Gelegenheiten Beweise eines großen Muths and tiefer Einsicht gegeben hatte. #)

Der Kaiser war eben im Kremlin mit Truppen:Mustes. rung beschäftigt, als er diese unerwartete Nachricht bekam. Er gerieth in Wuth, und schrie in seinem Zornausbruch, es fey eine Berråtheren, eine Infamie; man habe den König von Neapel zum Troß aller Kriegs-Gefeße angegriffen; nur Barbaren könnten so alle Verträge verlegen. **) Sogleich ward die Parade aufgehoben, alle Friedens: Hoffnung entzogen, und denselben Abend noch der Befehl zum Abmarsch ge= geben. Alle Korps sollten Moskau verlassen, und sich auf die Heerstraße von Kaluga begeben. - Man hoffte, daß man nach der Ukraine gehen würde, um unter einem mildern Himmel weniger verheerte und weit fruchtbarere Gegenden zu suchen. Aber solche, die besser unterrichtet schienen, vers sicherten, daß unsre Bewegung gegen Kaluga nur ein solches

*) Auch bey diesem Treffen, so wie bey allen Erzählungen von Waffenthaten verliert der Verfasser die Unparteylichkeit, die ihn bey seinen politischen und philantropischen Bemerkungen® sonst so rühmlich auszeichnet. Es ist doch wohl selbst aus dem Stückwerk, das er über dieses Treffen liefert, nicht zu vers kennen, daß hier die Kavallerie des Königs von Neapel nach dem trivialen französischen Kriegs- Ausdruck eine Frottée bes fam, übrigens unbeschadet ihrer Tapferkeit. A. d. leb.

**) Die Wahrheit ist, daß nie ein Waffenstillstand zwischen, beyz den Armeen bestund, nur hatten Miloradowitsch's Vora posten denen des Königs von Neapel ihre Wünsche und die Hoffnungen, daß der Friede abgeschlossen werden würde, mits getheilt. Alle diese Vorspiegelungen machten uns irre, und veranlassten unsre Generale zu glauben, daß man die Rücks kunft des nach Petersburg abgefertigten Kouriers erwarte. Dieser Kourier sollte den 20. Oct. eintreffen. Die Ruffen überfielen uns den 18., daher der Anlaß zu dem Vorgeben, als hätten sie uns drey Tage vor Verfluß des Waffenstillstands angegriffen. Anm. d. Verf.

Manoeuvre sey, um dem Feind unser Rückzugs: Vorhaben auf Smolensk und Bitepsk zu verbergen.

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Wer den Ausmarsch der französischen Armee aus Mos: fau nicht gesehen hat, kann sich nur einen sehr schwachen Bez griff von dem Zustand der griechischen und römischen Heere im Augenblid, da sie die Ruinen von Troja und Karthago verliessen, machen. Das Unsrige gab die treue Wiederholung eben der Auftritte, die Virgil und Titus Livins fo eindrucksvoll schildern. Drey: bis vierfache Wagen-Reiben, mit der unermesslichen Beute beladen, die unsre Soldaten den Flammen entrissen hatten, erstreckten sich auf mehrere Meilen weit. Moskowitische Bauern, zu unsern Be dienten umwandelt, stellten uns die Sclaven dar, die die Ale ten in ihrem Gefolge sleppten. Andre, die Weiber, Kins der oder Mädchen mit sich nahmen, erinnerten an die Krieger, denen weibliche Gefangene zu Theil geworden waren. Mehrere mit Trophäen beladene Proviant-Wagen, worun ter sich die aus den Gewölben des Palasts der Czaare entnom= menen türkischen und persischen Fahnen, besonders aber bas berühmte Kreuz des heiligen Iwans befanden, schloffen rühmlich den Marsch einer Armee, die, ohne die Unvorsich tigkeit ihres Anführers, *) einst stolz gewesen wäre, bey nahe die Gränze Europa's erreicht, und den Völkern Asiens den Donner eben des Erzes, das an Herkules Säulen wiederhallte, hören gelassen zu haben. !!!

Da man sehr svåt fortgekommen war, so hatten wir ein flectes, nur eine Stunde von Moskau entferntes, Dorf zur Lagerstelle. Die Reiterei der italienischen Garde, die bis jezt noch immer zu Charopowo geblieben war, brach den folgenden Tag (19. Detbr.) von da auf, und vereinigte sich zu Batutinka mit uns, ohnfern des Schlosses Troitskoe, wo Napoleon sein Hauptquartier hatte. Fast die ganze Ar

*) Gott sey Dank!

mee fand sich auf diesem Punkte versammelt, mit Ausnahme der Reiterei, die voraus war, und der in Moskau, um unfern Marsch zu schließen, zurückgebliebenen ́jungen Garde. Auch empfand man viele Schwierigkeiten wegen der Nahrung, doch konnte man noch bivouacquiren, und die Wagen, die jeder Offizier mit sich führte, lieferten Vorrath.

Folgenden Tags sollte sich die Reiterei der königlichen Garde auf Charonowo richten, und ihr das ganze vierte Korps folgen., Aber im Augenblick des Aufbruchs wurde sie zurückgerufen, und erhielt vom Prinzen den Befehl, "auf der: felben Straße, wie gestern, fortzurücken. Die Pakra ward bey Gorki passirt; dieses schöne Dorf war verschwunden; der. Schutt der verbrannten Häuser hatte die Gewässer des Fluffes versolåmmt und schwarz gefärbt. Oberhalb befand sich bas sadne, jezt ganz verheerte, Schloß Krasnoe, aber noch bildete der edle Bau einen mahlerischen Abstich mit der rohen Ratur der Hügel, von denen es emporragt. An diesem Punkte machten wir hält; eine Stunde hernach verliessen wir die große Heerstraße, um einen Durchweg rechts zu sus chen, der uns nach Fominskoe brachte, woselbst sich General Broussier nebst unsrer Reiterei seit vier bis fünf Tagen im Angesicht des Feindes befand. Unser Marsch auf diesem wenig betretenen Weg war sehr mühsam, verschaffte uns aber jedoch den Vortheil, einige, wiewol verlassene, doch wenis ger als die auf der Hauptstraße zerstörte Dörfer anzutreffen. Man übernachtete zu Inatowo, wo sich ein Schloß auf ei ner Anhöhe befand, die die Gegend, durch die wir gekommen waren, beherrscht.

Wir verfolgten unsern Marsch immer in der Absicht, in den Weg von Charovowo zu treffen, was uns auch endlich bey dem Dorf Buikasowo gelang. Diese geographisce Umständlichkeit wird nicht überflüssig scheinen, da sie nothwendig ist, die Schwierigkeiten, die wir in unsern Operationen em: pfanden, fühlbar zu machen. Wir hatten nur unzureichende

Karten, marschierten ohne Wegweiser, und konnten unsern Dollmetschern nicht einmal die Namen der Dörfer aussprechen, die wir auf jenen Karten verzeichnet fanden. Endlich was ren wir so glücklich, einen Bauer zu entdecken, wir bemache tigten uns seiner, und behielten ihn zwey Tag über; aber er. war so dumm, daß er nichts als den Namen seines Dorfs kannte. Und doch war dieser Marsch sehr wichtig für den Kaiser, der mit dem Hauptbestand der Armee uns folgen sollte. Auch ließ mich der Prinz jeden Tag die Reisekarte zeichnen, und schickte sie an den General-Major.

Endlich, nachdem wir alle diese Schwierigkeiten übers wunden hatten, gelangten wir auf die alte Straße von Kas luga. Eine Stunde nachher erreichten wir Fominskoe. Die Division Broussier lagerte in der Nachbarschaft dieses Dorfs; die Reiterei, die sich vorwärts befand, musste dem Vicetonig folgen, der, ohne sich aufzuhalten, die Höhe auss auforschen ging, die die Kosaken inne hatten. Aber bey seis nem Anblick zogen sie sich zurück, und liessen so den Prinzen den Boden durchlaufen, wo wir uns zu schlagen gedachten.

Die Stellung von Fominskoe wåre in militärischer Rück, ficht vortheilhaft für die Russen gewesen, wenn sie sie hätten vertheidigen wollen. Mitten durch das von einem Hügel beherrschte Dorf fließt die Nara, die auf diesem Punkte durch eine Verengung des Thals einen kleinen See bildet, mit mo raftiger Umgränzung. Die ganze Armee musste durch diesen Paß ziehen, wo sich nur eine einzige, unzulänglich erachtete Brücke fand. Man behielt sie für die Wagen vor, und errichtete eine andre, ausdrücklich für die Infanterie bestimmte.

Diese Arbeit auszuführen, und einen Theil der Armee hinüberziehen zu lassen, erhielten wir einen Rafttag (22. Detbr.). In der Zwischenzeis marschierten die Polen unter Anführung des Prinzen Poniatowski auf Wereja, wo fich Hetmann Platow mit seinen Kosaken befand. Folgte Napoleon mit seiner gewöhnlichen Begleitung, augen=

blicklich war das Dorf mit Menschen, Wagen und Pferden. vollgepfropft. Doch, Dank der getroffenen klugen Maßreregeln, ging Alles ohne Verwirrung vorüber, was nicht ohs. ne Staunen geschah, denn erres Haufen *) hatten nie mehr Gepäck als wir.

Noch denselben Tag meldete Hauptmann Evrard, der th einer Sendung nach Charopowo geschickt worden war, daß er aus der Gegend von Moskau einen entfeglichen Knall gehört habe; wir erfuhren bald die Ursache, das Losbrennen der Mine, die den Kremlin in die Luft sørengte. Die Zer= ftörung dieser berühmten Citadelle und der schönen Gebäude, die sie enthielt, wurde durch die junge kaiserliche Garde, uns ter Anführung des Marschalls Mortier (Herzog von Tre: vifo), vollzogen. Dieser Marschall erhielt, im Begriff, Moskau zu verlassen, den ausdrücklichen Befehl, Alles zu sprengen, was die Flamme verschont hatte. So endete diese berühmte Stadt, von Tartaren **) begründet, von Franzos fen zerstört! Mit allen Glücksgaben überhäuft, in der Mitte des festen Landes gelegen, erfuhr sie nur allein durch die Leis denschaft des zu berühmten Insulaners Alles, was der Schickfals-Wechsel Kláågligstes erzeugen kann! Es wird bey dieser Veranlassung dem Geschichtschreiber nicht entgehen, daß der felbe Mann, der vorschüßte, er opfere uns zum Besten der Fortschritte der Kultur, sich in seinen Bülletins über den

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*) Ausdrücke Napoleons von den östreichischen Armeen in seinen Bulletins des Feldzugs von 1859. Anm. d. Verf. **) Bey den Franzosen sind und bleiben nun einmal die Russen Tartaren, so wie ohnedies die Kosaken. Unbegreiflich, daß selbst den Franzosen, die Nußland und Polen mehr als zuviel durchwandert haben, die Slavische Stammbrüderschaft der Russen und Polen, und ihre gänzliche Verschiedenheit von den Tartaren, die man ihre Stammfeinde nennen könnte, so ganz entging!

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