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Schweden gewonnen, so gab Schweden selbst Ursache zu Be sorgnissen, wozu die Lehre seines neuesten Staatsrechts über Königswechsel und Thronerbenwahl führte. Der Schluß des Jahrs 1814 sah auf den europäischen Thronen nur ange stammte Könige, da das Haus Neapel noch nicht anerkannt, und bereits in die geheime Acht des Mißtrauens genommen war. Um diese Zeit erschien eine Erklärung des abgetretenen Königs von Schweden, welche auch in die badische Zeitung

30. Jan. 1815 aufgenommen wurde:,,daß er niemals im Namen seines Sohnes dem Thron entsagt, auch dazu kein Recht habe."Diese Erklärung konnte kaum nach Schwe den gelangt seyn, als am 13. Dec. der Reichstag auf den 27. Febr. zusammenberufen wurde, dem der Kronprinz auf eine Dankadresse folgende Antwort (Allgem. Zeit. No. 118.) ertheilte der Unwille, den ihr empfunden habt, als ihr die Angriffe laset, die gegen eure Freyheit und eure Unab hängigkeit gemacht worden, würde, wenn es möglich wäre, meine hohe Achtung gegen Euch und meine gänzliche Ergebenheit für die Nation noch vermehren. Stark durch die Rechte, die ihr mir gegeben habt werde ich mit Ruhe diejenigen erwarten, die so rechtmäßige Ansprüche uns streitig machen wollten und die ganze Kraft meiner Seele und den Muth, den mir Gott gegeben, aufbieten zur Vertheidigung eurer und meiner Rechte." Zugleich ward, wegen der erwähnten Erklärung, das Vermögen, welches der König Gustas Adolph dort von seiner Mutter her noch in Anspruch zu nehmen hat, mit Beschlag gelegt (Allgem. Zeit. No. 118.). In dem Staatshaushalt war Leben und Kraft durch den reichen Zufluß englischer Hülfgelder, und weil die Freundschaft Englands der Schifffahrt größern Schuß verlieh, als die kost: barste eigne Flotte gewähren könnte. Indeß konnten doch die Spuren der frühern Erschöpfung der Geldkräfte nicht vertilgt, noch weniger aber die schweren Bedingungen, worunter der nordische Himmel die Betriebsamkeit gefangen hält, fortge.

schafft

schafft werden. In der Schilderung, welche der Kronprinz von seiner Verwaltung 4m 7. Jan. 1812 machte, erscheint noch immer das als Hauptsache, wovon in der Vorzeit gute Könige benannt und der Kornreichen Andenken gesegnet wurde. Die Verbindung mit Norwegen macht die Sorge für die Sicherung des Brotbedarfs des Reichs noch wichtiger als zuvor, da sich nun in dem fruchtbarsten Jahre nicht mehr hoffen lässt, daß ihn der eigne Boden liefere. Aus diesem Grunde, und wegen der bisherigen Handels: Verhältnisse Norwegens wird man sich vor der Verwicklung in einen neuen Seekrieg fürchten, indeß der kriegerische Geist beyder Völker an einem Landkriege freudig Antheil nimmt, der zwar Menschen kostet, an denen man nicht reich ist, aber auch für hohe und Niedere einen reicheren Erwerb gibt, als ihn der treuste Arbeitfleiß im Innern nicht zu verschaffen vermag; wie die ses auch in dem größten Theile der Schweiz der Fall ist.

Die Gewaltgröße Rußlands ist nun allen Augen ente hüllt. Die europäische Staatsordnung, welche es mit asïa tischen Sitten seit einem Jahrhundert vertauscht hat, ketter es unauflösbar an das Verhängniß Europas, wenn man auch noch das umgekehrte Verhältniß anzunehmen Bedenken trågt. Man mag auf der Landkarte die Fortschritte messen, die es in Europa gemacht hat, man mag im Geist die Verbandmittel betrachten, wodurch es so viele europäische Völkerschaften in fich vereingt und an sich gewöhnt hat, man mag endlich das Getriebe der neuesten Staatskunst, welche es in seinen auswärtigen Verhältnissen in Bewegung seßt, erwägen; in Allem erkennt man den riesenhaften Gang eines Reichs, das seit Peter dem Großen nie einen Schritt zurücktrat, und woraus es keine Rückkehr gab. Nachdem es seine Noz maden: Völker in Asien unter den Gehorsam der europäischen Kriegskunst gebracht hat, die von allen Künsten vielleicht die einzige ist, welche in Hochasten einheimisch werden kann, har es seine Kriege hauptsächlich auf ihre Kosten führen, und sein Europ. Annalen. 12tes Stück. 1815.

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europäisches Fußvolk schonen können. Diese Art des Krieg= führens kann kein andrer europäischer Staat nachahmen, und selbst bey überlegnen Kräften wird das Verhältniß dadurch ungleich, daß es auf den russischen Haushalt keinen Einfluß hat, ob die Kosaken am Don und Ural ihr Kriegs-Handwerk treiben, oder am Rhein und der Seine; wogegen die Reite rei, welche ihnen entgegengestellt werden soll, in andern Staaten die Arbeitpferde und die Steuerkräfte des Landes in Anspruch nimmt. Rußland ist, nach der Errichtung seines Königreichs Polen, bis zu den Gränzen vorgerückt, welche Tacitus als Abmarkung zwischen Deutschland und Sarma: tien angibt, und Stammverwandte der Russen ziehen sich noch jezt bis zur Donau, wo zu Herodot's Zeit Scythien endete. Die Kriegskunst hat das Eigenthümliche, daß sie mit erstaunlichem Erfolg geübt werden kann, wenn auch nur Wenige in dem Besiß ihrer Wissenschaft sind, und so hat sich Rußland weit eher den erften Kriegsmächten gleichstellen, als einem einzigen Dorfe die deutsche Dorfverfassung geben kön nen. Wie sehr seine Küstenländer an der Offee von dem übrigen Europa abhängig sind, zeigte sich, nicht ganz unbes denklich, in der Sperrzeit; hier hat auch nur das Fallen seis nes Papiergeldes Wirkung; im Innern, wo man nichts. braucht, als was man selbst bereitet, oder wenigstens weit mehr verkauft als kauft, hat das Paviergeld nur wohlthätige Folgen, wenn sein Fallen keine Steuer-Erhöhung veranlafst. In Geldverlegenheit ist der Staat selbst dann nicht gekome men, als die Hauptstadt preisgegeben ward, vielweniger nachher. Eine Anleihe von 10 Millionen, welche in Holland 1815 eröffnet seyn soll, halb auf holländische, halb auf englische Rechnung, würde eigentlich nur eine Abrechnung mit diesen beyden Staaten und die Tilgung russischer Schulden durch Uebertragung seyn. Auch scheint die Meinung nicht ganz gegründet, daß, wegen des Mißverhältnisses zwischen der Einwohners und Meilenzahl, der Aufenthalt des Heeres

im Auslande dem innern Haushalt nachtheiliger, als in an: dern Ländern sey; denn Rußland ist nicht deswegen so dünn bevölkert, weil es viele Menschen verbraucht, sondern weil wenige anwachsen, und wenige, wegen der dortigen Vertheilung des Grundeigenthums und Vermögens, anwachsen köns neu. Weit leichter lässt sich die Meinung vertheidigen, daß man den Aufenthalt der Heere im Auslande als ein wirksames Bildungmittel betrachte, da man fast um dieselbe Zeit anfing, Linienschiffe zu den englischen Flotten, und Hülftruppen zu den dstreichischen Heeren stoßen zu laffen; freylich mit der sehr verschiednen Folge, daß die ruffische Flotte endlich in England bewahrt, und daß ein Theil von Oestreich durch Rußland erobert wurde. Anch find die Vorgänge bekannt genug, welche es rathsam machen, die rohen Naturkräfte lieber nach außen, als nach innen, toben zu laffen. Wie viel Gutes im Innern geschehen sey, ist in Rußlands glorreicher Selbstaufopferung" von einer geschickten Hand zusammenges stellt; was sich dagegen von Petersburg Trübes und Misfäl liges sagen lässt, hat Christian Müller nicht verschwier gen, so daß Hr. v. Kozebue sogar meinte, der Pariser Friede werde nicht zu Stande kommen, weil dieses Buch zu Mainz gedruckt sey.

Die hohe Pforte steht zwar auf europäischem Grund und Boden, ist aber deßungeachtet eine asiatisce Anstalt, die mit den europäischen Staaten nichts gemein hat; weder in gutem noch bösem Sinn. Bey dem gemeinen Mann in Destreich heißt sie nur der gute Nachbar, und das hat seine guten Gründe, weswegen auch alle Theilung-Vorschläge über fie von der Hand gewiesen sind, wenn sie gleich von einer et was machtigern Stimme, als des Herrn Doktor Lips zu Erlangen *), unterstüßt wurden. Die Pforte verkennt indeß

*) Der Wiener Kongreß, oder was muß geschehen, um Deutsch land von seinem Untergang zu retten, und das Interesse aller

nicht, daß ihre Lage immer mißlicher wird, und hat von Neuem das europäische Kriegs- und Steuerwesen nachzuahmen gesucht, welchen Versuch der Kaiser Selim mit dem Tode büßte, und der auch jest nicht glücken kann. Der Geist, welchen Mahomed in seine Staatsordnung legte, macht die Völker unüberwindlich, wenn ihre Machthaber ihn wal ten und wirken zu lassen verstehen; ohne ihn gehören sie dem, welcher zuerst kommt, und können sich am wenigsten durch ausländische Handhaben, wozu sie weder Geschick noch Vorrichtungen haben, retten. In dem jeßigen Augenblick ge wohnen sich die Griechen nach und nach an Oestreich; die Inseln an England; man ahnet Ereignisse, ohne sich einen bestimmten Grund geben zu können. Er liegt in den Ge: müthern.

Frankreichs Haushalt war durch mehr als 20 gefahrvolle Jahre dem Kriege angebildet. Frühe Ehe und Hausvaters schaft blieb das einzige Mittel, sich den Aushebungen zu ent= ziehen, nachdem der Ankauf von Stellvertretern Kosten ers forderte, welche die Wenigsten aufzubringen vermochten. Immer wiederkehrende Aushebungen, oder dreyfache Mens scenernten in einem Jahr, wie man es fürchterlich schon ges nannt hat, erleichterten die Gründung neuer Hauswesen für die Zurückbleibenden, øder erleichterten, um das Bild zu vers folgen, das Aufkommen der jungen Saat. Die Männer fiez len, im Felde, und die Jünglinge traten zu Haus an ihre Stelle. In den bürgerlichen Unruhen verschwanden die groffen Grundeigenthümer, durch Geseße oder Ankauf (fast-cine Million Verträge wurden über den Ankauf von Nationals. Gütern geschlossen) vertheilte sie ihr Erbe unter ihren Hinters sassen und Tagelöhnern. Die eigenthumlose Menge verrins gerte sich. Aus allem diesem erklärt sich, wie, trok des

Fürsten und Nationen daselbst zu vereinen? Erlangen bey
Heyder 1814.

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