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Die in den Konsulargerichtsbezirken geltenden Strafgesete der Landesregierungen bleiben außer Anwendung, insofern nicht durch Staatsverträge oder Herkommen etwas Anderes bestimmt ist.

Der Konsul ist befugt, für seinen Gerichtsbezirk oder einen Theil desselben polizeiliche Vorschriften mit verbindlicher Kraft für die seiner Gerichtsbarkeit unterworfenen Personen zu erlassen und die Nichtbefolgung derselben mit Geldstrafen bis zum Betrage von einhundertfünfzig Mark zu bedrohen. Diese Vorschriften sind sofort in Abschrift dem Reichskanzler mitzutheilen.

Der Reichskanzler ist befugt, die von dem Konsul erlassenen polizeilichen Vorschriften aufzuheben.

Die Verkündung der polizeilichen Vorschriften sowie die Verkündung der Aufhebung derselben erfolgt in der für konsularische Bekanntmachungen ortsüblichen Weise, jedenfalls durch Anheftung an die Gerichtstafel.

§. 5.

Die Konsulargerichtsbarkeit wird durch den Konsul (§. 2 des Gesetzes, betreffend die Organisation der Bundeskonsulate, vom 8. November 1867-BundesGesezbl. S. 137 ) und durch das Konsulargericht ausgeübt.

Der Konsul ist zur Ausübung der Gerichtsbarkeit befugt, wenn er dazu von dem Reichskanzler ermächtigt ist.

Der Reichskanzler kann neben dem Konsul, sowie an Stelle desselben einem anderen Beamten die Befugnisse des Konsuls bei Ausübung der Gerichtsbarkeit übertragen.

S. 6.

Das Konsulargericht besteht aus dem Konsul als Vorsitzenden und zwei Beisigern, insoweit dieses Geseß nicht die Zuziehung von vier Beisizern vorschreibt. Den Beisißern steht ein unbeschränktes Stimmrecht zu.

S. 7.

Der Konsul ernennt für die Dauer eines jeden Jahres aus den achtbaren Gerichtseingesessenen oder in Ermangelung solcher aus sonstigen achtbaren Einwohnern seines Bezirks vier Beisitzer und mindestens zwei Stellvertreter.

S. 8.

Die Beeidigung der Beisiter erfolgt bei ihrer ersten Dienstleistung in öffentlicher Sizung. Sie gilt für die Dauer des Geschäftsjahres. Der Vorsißende richtet an die zu Beeidigenden die Worte: Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, die Pflichten eines Beisigers des deutschen Konsulargerichts getreulich zu erfüllen und Ihre Stimme nach bestem Wissen und Gewissen abzugeben."

Die Beisißer leisten den Eid, indem Jeder einzeln, unter Erhebung der rechten Hand, die Worte spricht: "Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe."

Ist ein Beisitzer Mitglied einer Religionsgesellschaft, welcher das Gesetz den Gebrauch gewisser Betheuerungsformeln an Stelle des Eides gestattet, so wird die Abgabe einer Erklärung unter der Betheuerungsformel dieser Religionsgesellschaft der Eidesleistung gleich geachtet. Ueber die Beeidigung wird ein Protokoll aufgenommen.

S. 9.

Ist die Zuziehung von vier Beisißern in den Fällen, in welchen sie durch dieses Gesez vorgeschrieben ist, nicht ausführbar, so genügt die Zuziehung von zwei Beisigern.

Ist in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Zuziehung von zwei Beisigern nicht ausführbar, so tritt an die Stelle des Konsulargerichts der Konsul.

Die Gründe, aus welchen die Zuziehung von Beisigern nicht ausführbar war, müssen in dem Sizungsprotokoll bemerkt werden.

S. 10.

Der Konsul hat die Personen zu bestimmen, welche die Verrichtungen der Gerichtsschreiber und der Gerichtsvollzieher (Zustellungs- und Vollstreckungsbeamten) auszuüben haben. Sofern diese Personen nicht bereits den Diensteid als Konsulatsbeamte abgelegt haben, sind sie vor ihrem Amtsantritte auf die Erfüllung der Obliegenheiten des ihnen übertragenen Amtes eidlich zu verpflichten. Das Verzeichniß der Gerichtsvollzieher ist in der für konsularische Bekanntmachungen ortsüblichen Weise, jedenfalls durch Anheftung an die Gerichtstafel bekannt zu machen.

S. 11.

Der Konsul hat die Personen, welche zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft zuzulassen sind, zu bestimmen. Die Zulassung ist widerruflich.

Gegen die Verfügung des Konsuls, durch welche der Antrag einer Person auf Zulassung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft abgelehnt oder die Zulassung zurückgenommen wird, findet Beschwerde an den Reichskanzler statt.

Das Verzeichniß der zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft_zugelassenen Personen ist in der für konsularische Bekanntmachungen ortsüblichen Weise, jedenfalls durch Anheftung an die Gerichtstafel bekannt zu machen.

S. 12.

Soweit dieses Gesetz nicht abweichende Vorschriften enthält, ist für die durch das Gerichtsverfassungsgesetz und die Konkursordnung den Amtsgerichten zugewiefenen Sachen der Konsul, für die den Schöffengerichten, sowie für die den Landgerichten in erster Instanz zugewiesenen Sachen das Konsulargericht zuständig.

In den zu der streitigen Gerichtsbarkeit nicht gehörenden Angelegenheiten, welche in den im §. 3 Absatz 1 bezeichneten preußischen Landestheilen in erster Instanz zur Zuständigkeit der Amtsgerichte oder der Landgerichte gehören, ist der Konsul zuständig.

S. 13.

Die Vorschriften der Titel 13 bis 16 des Gerichtsverfassungsgeseßes finden auf die Ausübung der streitigen Gerichtsbarkeit mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß die im §. 183 vorgesehene Frist zwei Wochen beträgt.

II. Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und
in Konkurssachen.

S. 14.

Auf bürgerliche Rechtsstreitigkeiten und auf Konkurssachen finden die Civilprozeßordnung und die Konkursordnung nebst ihren Einführungsgeseßen, sowie die landesgeseßlichen Vorschriften, welche für die im §. 3 Absag 1 bezeichneten preußischen Landestheile zur Ausführung jener Reichsgeseße erlassen oder neben denselben in Geltung sind, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen entsprechende Anwendung.

S. 15.

Das Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vor dem Konful sowie vor dem Konsulargerichte regelt sich nach den Bestimmungen der Civilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten mit der Maßgabe, daß auch die Vorschriften der §§. 313 bis 319 der Civilprozeßordnung Anwendung finden.

S. 16.

In den vor das Konsulargericht gehörenden Sachen nehmen die Beifizer nur an der mündlichen Verhandlung sowie an den im Laufe oder auf Grund derselben ergehenden Entscheidungen Theil.

S. 17.

Die Verrichtungen der Staatsanwaltschaft werden in Ehesachen im Falle des §. 585, sowie in Entmündigungssachen in den Fällen der SS. 607, 620 Absah 4, 624 Absatz 3, 626 Absah 3 der Civilprozeßordnung vom Konsul einer der zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft zugelassenen Personen oder in Ermangelung solcher einem anderen achtbaren Gerichtseingesessenen übertragen.

Im Uebrigen findet eine Mitwirkung der Staatsanwaltschaft nicht statt.

S. 18.

In den zur Zuständigkeit des Konsuls gehörenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (§. 12 Absah 1) finden, sofern der Werth des Streitgegenstandes die Summe von dreihundert Mark nicht übersteigt, Rechtsmittel nicht statt.

Im Uebrigen ist in den vor dem Konsul oder dem Konsulargerichte verhandelten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten sowie in Konkurssachen zur Verhand

lung und Entscheidung über die Rechtsmittel der Beschwerde und der Berufung das Reichsgericht zuständig.

Gegen die Entscheidungen des Reichsgerichts findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt.

S. 19.

Die Vorschrift des §. 540 Absatz 3 der Civilprozeßordnung findet keine Anwendung, wenn die angegriffene Verfügung vom Konsul erlassen ist.

S. 20.

Das Rechtsmittel der Berufung wird bei dem Konsul eingelegt. Die Einlegung erfolgt durch Einreichung der Berufungsschrift. Auf die Einlegung findet die Vorschrift des §. 74 Absah 1 der Civilprozeßordnung keine Anwendung. Der Konsul hat eine Abschrift der Berufungsschrift der Gegenpartei von Amtswegen in Gemäßheit des §. 164 der Civilprozeßordnung zustellen zu lassen und die Prozeßakten dem Berufungsgerichte zu übersenden.

Das letztere hat den Termin zur mündlichen Verhandlung von Amtswegen zu bestimmen und den Parteien bekannt zu machen.

Die Bekanntmachung des Termins erfolgt an den für die Berufungsinstanz bestellten und dem Reichsgerichte durch Vermittelung des Konsuls oder durch die Partei selbst rechtzeitig benannten Prozeßbevollmächtigten oder Zustellungsbevollmächtigten, in Ermangelung eines solchen an die Partei selbst.

Die Fristbestimmungen in den SS. 481, 484 der Civilprozeßordnung bemessen sich nach dem Zeitpunkte der Bekanntmachung des Termins an den Berufungsbeklagten.

III. Verfahren in Straffachen.

S. 21.

Auf Strafsachen finden die Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Einführungsgesetzes zu derselben nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen entsprechende Anwendung.

S. 22.

Der Konsul übt die Verrichtungen des Amtsrichters und des Vorsitzenden der Strafkammer aus.

S. 23.

Auf die Zuziehung der Beisißer findet die Vorschrift des §. 30 des Gerichtsverfassungsgeseßes entsprechende Anwendung.

S. 24.

Eine Mitwirkung der Staatsanwaltschaft findet nicht statt.

Die Zustellungen, die Vollstreckung von Beschlüssen und Verfügungen sowie die Strafvollstreckung werden durch den Konsul veranlaßt.

S. 25.

Soweit nach der Strafprozeßordnung die Staatsanwaltschaft wegen einer gerichtlich strafbaren und verfolgbaren Handlung einzuschreiten hat, ist der Konsul hierzu von Amtswegen verpflichtet. Er hat insbesondere die der Staatsanwaltschaft im vorbereitenden Verfahren obliegenden Ermittelungen anzustellen.

S. 26.

Eine Voruntersuchung findet nicht statt.

Die Bestimmungen des §. 126 der Strafprozeßordnung bleiben außer Anwendung. Die Beeidigung eines Zeugen im vorbereitenden Verfahren ist auch aus den im §. 65 Absag 2 der Strafprozeßordnung bezeichneten Gründen zulässig.

S. 27.

An die Stelle der öffentlichen Klage tritt in den Fällen, in welchen nicht sofort das Hauptverfahren eröffnet wird, die Verfügung des Konsuls über die Einleitung des Strafverfahrens gegen den Beschuldigten. Diese Verfügung hat die dem Angeschuldigten zur Last gelegte That unter Hervorhebung ihrer gesezlichen Merkmale und des anzuwendenden Strafgesetzes zu bezeichnen.

Der Beschluß, durch welchen das Hauptverfahren eröffnet wird, hat auch die Beweismittel anzugeben.

§. 28.

In der Hauptverhandlung sind vier Beisißer zuzuziehen, wenn der Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verbrechen oder ein Vergehen zum Gegenstande hat, welches weder zur Zuständigkeit der Schöffengerichte, noch zu den in den SS. 74, 75 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Handlungen gehört.

§. 29.

Den Umfang der Beweisaufnahme bestimmt das Gericht, ohne hierbei durch Anträge, Verzichte oder frühere Beschlüsse gebunden zu sein.

§. 30.

In das Protokoll über die Hauptverhandlung sind die wesentlichen Ergeb nisse der Vernehmungen aufzunehmen.

S. 31.

Ist die strafbare Handlung ein zur Zuständigkeit des Reichsgerichts oder der Schwurgerichte gehöriges Verbrechen, so hat der Konsul die zur Straf verfolgung erforderlichen Sicherheitsmaßregeln zu treffen, sowie die Untersuchungs,

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