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heimtanzley des Königs entworfen werden, im Gegentheil war es unstreitig bey dieser Gelegenheit,, wenn jemals der Fall, eine aus allen Klassen gewåhlte Anzahl durch ihre Tas lente in verdientem Unsehen stehender Personen zu versama meln, die dem König durch eine so schmeichelhafte Ernennung allein schon zugethan werden mussten; in dieser Versamma lung, deren beschränkte Gliederzahl keine Besorgniffe errea gen konnte, die aber dod zahlreid genug war, um böswillia ger Auslegung zuvorzukommen, durfte der Kinig fic robniei cheln, jenen Wechseltausch des Zutrauens und der Einfichten zu finden, worauf alle Kraft der repräsentativen Regierung beruht, und ohne welche die Verfassungen nur Solingen find, die zu ungleichen Zwecken gebraucht werden. Hier wäre, vor den Augen der Nation, die Staatsurkunde entworfen wors den, welche die Gewalt des Monarchen und die Rechte der Kammern feftreßen sollte. Weit entfernt, in diesem Zeitpunkte an die Herstellung der königlichen Garde (maison militaire) zu denken, die, zu Befriedigung weniger veral: teter Ehrgeiziger, die Eitelkeit der Armee aufreizen musste, war es vielmehr der Fall, die Leibwache Bonaparte's um fich zu sammeln, und von den Bajonetten der Tyranney umringt, dem erstaunten Frankreich reinen Vater zu zeigen. 3d weiß Alles, was kleine Geister, deren Begriffe in den Klugheitkreis gew Shnlicher Hofleute gebannt sind, dagegen einwenden können; aber die Lage des Konigs war von folder Art, daß gewShnliche Mittel nicht ausreichten. Gefahren, denen man nicht die offene Stirne bietet, wird man nicht leicht ausweichen. Hier musste man ihnen entgegengehen, offene Redlidbeit musste den Muth bewähren, und Zuversicht musste Sicherheit geben. In den Verhältnissen, unter des nen der König zum Thron gelangte, musste er fein erstes Res gierungjahr wie einen jener gewagten, aber doch glänzenden, Feldzüge betrachten, welche den Krieg endigen, und über Gegenwart und Zukunft entscheiden. Siegen oder sterben

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ist ein wahrhaft königlicher Gedanke, der sich zur Erhabenheit steigert, wenn man sich, um den Sieg zu erringen, keiner andern Waffen, außer denen der Weisheit, der Gerechtige tigkeit, der Güte und Redlichkeit bedienen will.

Ein zweyter Mißgriff, welcher die ersten Verhandlun: gen der Regierung bezeichnete, und der an ihrer kurzen Dauer wesentliche Schuld trågt, war die Umwandlung der proviso: rischen Regierung in das Ministerium des Königs. Ein Mann von großem Rufe, welcher in der Rückkehr des KSnigs, neben dem Glück seines Vaterlands, eine ganz einzige Gelegenheit wahrnahm, die Bergeffengeit großer Verirrun: gen sich zu verdienen; dieser Mann, dureh das Zutrauen der Souverains berufen, die verschiednen Personen zu bezeich: nen, aus denen jene einstwellige Regierung gebildet werden follte', glaubte nur zweyerley Leute wählen zu rollen, theils pormalige konstitutionelle, deren Grundtåke jenen, so die Sieger zu Tage legten, und denen er auch selbst huldigte, verwandt waren, theils dann folche, die durch irgend ein großes, von der abgetretenen Regierung erlittenes, Unrecht erbittert waren. Allein die Ankunft des Monarøen hatte die Stellungen wesentlich verandert. Sener Gruppe aus der konstituirenden Versammlung knüpften sich die merkwürdiga ften Erinnerungen der Revolution an; indem man sie an der Spiße der Regierung behielt, wurden die Farben eines Ges måhldes neu aufgefrischt, das nicht schnell genug vollends ausgeldscht werden konnte. Es ziemt sich nicht, dasselbe in solcher Nähe des Königs zu lassen, und, die Wahrheit zu ge: stehen, mit Ausnahme dessen, der die Gruppe gewählt hatte, und eines Einzigen darin, deffen Talente noc vollends der Rolle, die er spielen wollte, lange nicht entsprachen, befaß keiner der Uebrigen fattramen Ruf und Ansehen, um das Zutrauen eines Fürften zu begründen, der in jedem seiner Scritte und seiner Erinnerungen einen entschiednen Charak: ter ausdrücken musste. Die Nachtheile des eingeschlagenen

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Beges wurden bald sichtbar. Mit Ausnahme des Ministes riums der auswärtigen Angelegenheiten, wohin Einsicht und Würde alsbald zurückkehrte, nahm man in allen übrigen nur Systemgeist und einen schwankenden, unfidern Solens drian wahr, dem anders nichts als das eigensüchtige Streben nach Einfluß und persönlicher Benußung der Umstände die Wage bielten. Die zusammenwirkende Eintracht der Minis ster ist inzwischen bey der repräsentativen Regierungform vol. sends von der höchsten Wichtigkeit, weil fie fich vereinzelt nur als Sekretårs (commis) betrachten, und durch zusam menwirkende Absicht und hat allein eine wirklice Kraft ers halten können. Hier aber legte sich der National Charakter um so unverhüllter zu Tage, als es in den Personen der er: ften Staatsbeamten geschah, und nichts konnte gleich von An: fang deutlicher parthun, wie wenig die neue Regierungform jenem sich aneigne. Jeder Minister fing damit an, sich zu vereinzeln, feinen Kollegen entgegenzuarbeiten und sie anzus fowårzen, und wenn zufällig Einer dem Undern sich näherte, To war die Anschließung fteto nur für den Augenblick auf Pris vatvortheile berechnet, und nicht durch Staats:Interessen be ftimmt. Der König hatte den Ministern, die ihm darge

reicht wurden, zwey andere hinzugefügt; aber der eine, auf ) feinen Wirkungkreis berøränkt, sprach nur von Nadsicht und

Gnade, und anstatt fich Gehorsam zu verfdaffen, und ftrens, ges Recht zu üben, unterhandelte er mit den Souldigen, und schloß mit den Uebelgesinnten Vertråge; dem andern ges någte es, den Charakter seines Herrn zu kennen, und in .den Mißhelligkeiten seiner Kollegen das sicherste und schnellste Mittel zu finden, um zu der Algewalt zu gelangen, deren Glanz und Verantwortlichkeit er zu fürchten sich das Ansehen gab, ohne darum die Huldigungen auszufolagen, die sich in Frankreich mehr und früher als anderswo um fie fammeln. Welchen Eindruck musste eine solche Organisation auf die Einwohner einer königligen Hauptstadt, wie Paris ift, her:

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vorbringen, deren Neugier und Leichtsinn allenthalben nur Sdauspiele und Vergnügungen fieht, die Restauration nur als ein neues Ereigniß betrachtete, und wo es von Freunden der Verwirrung und Beförderern der Unruhen, die aus dies Ten Nußen zu ziehen hoffen, wimmelt. Alle Geheimniffe der frühern Revolution lagen denen ießt offen zu Tage, die von ihnen nicht Zeugen gewesen waren, noch sich Auffølüsse darüber hatten geben lassen. Die wiederholten Fehler ihrer Urheber fowol als ihrer Opfer reichten ihnen den Schlüffel zu lösung jedes Zweifels; die Ohnmacht der Regierung und des Königs scheinbare Gleichgültigkeit bestürzten vollends die Freunde der Ordnung und des Friedens, indem sie den nas hen Untergang der neuen Monarchie nur allzugewiß verküns digten.

Das aktive Publikum theilte sich in Verdiente und Pra: tendenten, die nad Verfluß von ein Paar Monaten eine Gesammtmaffe von Mißvergnügten bildeten, weil der Hof, welder feinerseits fie in Leute theilte, die gercont werben mussten, und in solche, die man unbedenklich vernachlässigen könnte, hauptsächlich anfangs weder alle diejenigen gewinnen tonnte, vor denen er Smeu trug, noch allen denen Stills fchweigen aufzulegen vermochte, die er ihrem Sdickfal zu ůberlaffen gesinnt war. Es bildete fich demnach ein Syftem der Langmuth, das, während es alle Stimmen gewinnen und allen Widerwillen überwinden wollte, in der hat nur das Mißvergnügen der Einen und den Uebermuth der Andern vera mehrte, und vollends den Beweis leistete, wie viel Unan, nehmliøkeit und Verbruß fich der König ersparen konnte, wenn er entsôieden, und vom Tag seiner Ankunft an gefors dert hätte, daß Jeder, im Verhältnisse feiner Ansprüche und Remte, an den nothwendigen Opfern Theil nehme, zu denen er felbft mit ro vorleuchtendem Beyfpiel voranging. Das Sdloß der Juillerien sab einem Bienenkorbe gleich, wo nes ben den Arbeitbienen in buntem Gemische Wespen, Hora

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nifsen, Somaroßerfliegen und Geschmeiß aller Art Zutritt fanden. Die Königs: Mårder, dem Beil entgangen, fåums ten nidt, unter der Hand fich für Stellen und Gehalte zu bewerben. Sie fanden, nachdem sie Gnade erhalten håta ten, fey die Erhaltung von Gnaben nicht eben etwas fo Sons derbares, daß fie darauf freywillig verzichten sollten, und man muß gestehen, daß ihre Berechnung, zwar allerdings unverschämt, aber keineswegs ganz unvernünftig war. Die Meiften empfingen mehr, als ihr Unterhalt erfordert håtte, und diese Sowäche ward die Stüße von mannichfachen Ana sprachen, welche Andere geltend zu maden sich berechtigt hielo ten. Die neuen Großen wollten fich verkaufen, das will ras gen, fie verlangten Alles,'und wollten sich wichtig genug maa chen, damit ihnen nichts tonne abgeschlagen werden. Die Alten glaubten, unerträglich gutherzig, ihnen gehöre Alles, von Rechtswegen, und die Opfer, die der enig bråchte, tónnen für sie weder Beyspiel nod Regel fenn; sie sprachen nur von Ersaß und Rückgabe. Der kleine Adel, der Pro, virzial-Adel, verlangte anfangs Brot und Unterhalt, die man ihm souldig war, hernach aber Belohnung seiner Treue und Entschädigung für die unüberlegte Auswanderung. Die große Mehrheit dieser zahlreichen und geschwäßigen Klaffe forderte laut, der König rolle son allen seinen feye-lider Verheißungen gerade jene, welche allein einigen Eindrudojes macht hatte, die verheißene Garantie des Verkaufs der Nas tionalgüter, berleßen. Ihre Befißer, die anfänglich flir. übel erworbnes, obgleich seither als Erbgut, Aussteuer u. T. w. rechtmäßig geworbenes Eigenthum besorgt gewesen was ren, hatten inzwischen Zeit gehabt, fich gegen Angriffe und Ansprüche in Vertheidigungstand zu reßen. Diese Franzosen alle, die so entschlossen waren, fich einander nichts zu vergefren und nichts zu vergeben, folgten jedoch insgesammt nur einer Fahne; es war dieselbe allerdings nicht jene ihres Rs: nigs, es war diejenige der Selbstfucht, welche nie einseben

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