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das Beyspiel dieser seltenen Tugenden, so wie jenes einer hohen Frömmigkeit, die in Gott den Leiter aller menschlichen Schicksale kennt. Die Franzosen fahen in diesen erhabenen Feyern nur glänzende Feste. Die einstweiligen Führer des leichtsinnigen Volks waren nur beschäftigt, die Vergessenheit begangener Verbrechen sattsam bekräftigen zu lassen; alle Parteyen hoben wieder kühn ihre Häupter empor; Ungewißheit blieb allein nur für die Anhånger der rechtmäßigen Ge walt übrig; Vorurtheile bestunden gegen diese Leßteren allein nur, und begünstigt wurden hingegen alle Arten von Interes sen. Als Niemand etwas zu fürchten und die Rånkesucht Vieles zu hoffen hatte, da entstund der, von einem solchen Areopag befremdliche, für Frankreich verderbliche, Gedanke der repräsentativen Regierung.

Was konnten die Bourbons in einem fo entscheidenden Zeitpunkt, nach so lange hoffnunglos gebliebenem Unglück thun, was sollten sie thun? Sie mussten, ich sage es kechin, ausschlagen. Ihre Würde, die Klugheit, die Politik mussten sie bewegen, auszuschlagen, und durch be harrlichen Ausschlag alles das zu erhalten, was durch Zustimmung ihnen verloren ging. Die Mächte waren zu weit vorgerückt, um zurücktreten zu können; die Ungewißheit, welche durch jene Weigerung in alle Verhältnisse überging, håtte sie über die Gefahr, der Nation allzuviel einzuräumen, schnell aufgeklärt. Obgleich die Besiegung und Demüthis gung Bonaparte's befriedigender für sie seyn musste als sein Tod, so konnte der Gedanke, ihm die Krone zurück zu geben, doch unmöglich bey ihnen Eingang finden. Sein Sohn und eine Regentin, die in Frankreich nur schuldigen, ehrgeizigen oder furchtsamen Menschen gefallen konnten, håte ten in die Wagschale von Europa eine zu große Ungleichheit gebracht, als daß die Mehrheit der Mächte ihre Einwilligung dazu geben durfte. Noch weniger war denkbar, daß sie sich zu der Immoralitåt erniedrigen könnten, den Thron einem

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General oder einem glücklichen Abenteurer, wie Bernas dotte, anzubieten, dessen Daseyn nur ein bedauerliches Denkmal ihrer frühern Schonung bleibt. Die Herstellung der Republik wäre die Losung des Aufstandes unter allen Trup-pen und der allgemeinen europäischen Staats-Umwälzung ge= worden. Es blieb ihnen demnach aus allen Hinsichten der Staatsklugheit, der Vorsicht, des Ruhms, der Tugend und der Achtung für ihre eigne Würde endlich anders nichts übrig, als die tönigliche Krone Frankreichs einfach und unbedingt an ihre rechtmäßigen Eigenthümer zu übergeben, und diese durch Abordnung oder auch persönlich, dort, wo sie in Britannien sich aufhielten, aufzufordern und zu beschwdren, daß sie durch ihren Beytritt dem großen und ritterlichen Werk der Verbündeten das Siegel aufdrückten.

Die Bourbons urtheilten anders; thre BestimmungGründe liegen außer dem Gebiete der Geschichte, die sie zwar immerhin entschuldigen wird. Bemerkenswerth hingegen ist, daß sie schlimme Rathgeber hatten; daß vom Augenblick an, wo die politische Bahn sich ihnen wieder öffnete, sie ihr Zu trauen an Personen schenkten, die so schwierigen Umstånden keineswegs gewachsen, weder Frankreich noch die Franzosen kannten, und die kleinlichen Umtriebe (l'intrigue), worin fie sich stark glaubten, und durch die allein sie sich wichtig zu machen wussten, der gerechten und offnen Gewalt vorzos gen, welche der König, durch wunderbare Schicksale an die Spike der Kräfte von ganz Europa gestellt,-håtte ergreifen follen. So geschah es, daß dieser Fürst die Stelle des ges wählten Haupts der repräsentativen Regierung annahm, welche die Kaiser und die Könige ihm, aus Auftrag der konstitutionellen Partey, anboten. Von diesem Augenblick be ginnt eine lange Reihe Mißgriffe und Fehler, die sich um so genauer aufzuzählen gesinnt bin, als sie einen vollständigen Inbegriff von Lehren für die Zukunft enthalten, und von denen ich auch um so mehr unbedenklicher sprechen kann,

weil sie alle Privatpersonen nur zum Ruhme gereichen würz den, indem sie nur aus einer unerschöpflichen Quelle von Güte und Redlichkeit hervorgingen. Die Schwierigkeiten und die Gefahren, welche innerhalb zehn Monaten sich um den Thron håuften, werden für alle Zukunft solchen Fürsten zur Lehre dienen, die weise genug sind, ihren Lehrmeister und Rathgeber in der Geschichte zu suchen; sie werden darin mit unvertilgbaren Schriftzeichen die große Wahrheit verzeichnet finden, daß, wenn nur Wenigen aus ihnen die Ereignisse zu leiten vergönnt ist, Alle hingegen sich solche zu Nußen zu machen berufen sind.

Hatte Ludwig XVIII., durch Annahme irgend einer Verfassung, auf die Rechte feiner Geburt und seiner Krone verzichten zu sollen geglaubt, so musste er von nun an den Thron Ludwig XIV. vergessen. In tiefer Erniedrigung mag man nur mittelst einer völligen Offenheit und unbeding ten Redlichkeit sich neue Kraft erwerben, indem man sich in den Besiz des öffentlichen Vertrauens seßt, das uns jene auf dem gleichen Wege wieder verschaffen kann, die benut wurden, um uns darzuthun, daß wir sie nicht mehr besäßen. Es konnte dies auch das einzige Mittel seyn, um die Gèmüther zurückzuführen, und die Meinung eines Volks zu gewinnen, das durch den Anblick aller Laster der Ehrsucht von Langem her verderbt, die väterliche Beschäftigung eines guten Königs vor Augen haben und ihr täglicher Zeuge seyn musste, auf daß die Begriffe von Königthum und Tyranney sich in feinem Gemüth wieder trennen, und der Wahn zerstört werde, als könne auch die beste begründete Gewalt des Truges und der Arglist nicht entbehren?

Das dargebrachte Opfer einer ererbten und rechtmäßigen Gewalt konnte und sollte benußt werden, um dem König, welcher so vielfache aus jenem hervorgehende Opfer zu brins gen hatte, das Recht zu sichern, deren hinwieder von Andern zu fordern. Vom Augenblicke an, wo das Staats - Ober

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haupt einwilligte, nur ein unter gewissen Bedingungen er wählter Souverain zu seyn, mussten alle Prinzen feines Hau ses, alle Großen des Reichs, alle bevorrechteten Stånde ge meinsam mit ihm sich unter die Zeitumstånde biegen, und die Nation ihrerseits, gegen alle Rückwirkungen (réaction) ge: fichert, musste zum blinden Gehorsam der Geseze, die sie selbst sich gegeben zu haben schien, zurückkehren. Der kons ftitutionelle König durfte weder für sich noch für Andere weiter markten. Zuverlässig war ein so durchgreifender Ents schluß von vielen widrigen und sogar empörenden Folgen bes gleitet, aber um wahrhaft groß und nüßlich zu seyn, muß ein solcher unbedingt durchgeführt werden. Also keine weisse Kokarde mehr, keine blauen Ordensbånder, keine alten ro then Bånder. Die Ehrenlegion, durch Heinrichs IV. verehrtes Bild gereinigt, und eine der Erinnerung an die Restauration gewidmete Dekoration mussten hinreichen, um das Verdienst sowol als die Eitelkeit zu befriedigen, und die dreyfarbige Kokarde, die in den Augen der Nation das Zeis, chen ihres militärischen Ruhmes war, erhielt, vom Könige getragen, einen noch höhern Adel. Weil man den KönigsMördern verzeihen musste, oder richtiger gesagt, weil man verheißen hatte, Alles zu vergessen, so durfte man sich nicht freywillig der großen Talente mehrerer unter ihnen berauben; man durfte nicht glauben, wenn man sie heimlich zu Rathe zige, so würden sie den Schimpf ihrer öffentlichen Ausschlief= fung vergessen, man musste die sonderbar günstige Gelegen heit nicht versäumen, um alle Heerführer der feindlichen Armee für die eigene zu gewinnen. Nachdem man sich laut ers klärt hatte, daß man in den Anführern der Bonaparte's schen Armee die eigenen Stüßen erkenne, so mussten ihnen alsbald alle Ehrenstellen bey Hofe gedffret werden, und ans statt durch die Beschaffenheit der ihnen ertheilten Gunstbewil ligungen, sie gleichsam als Scheidunglinie zwischen Kaiserreich und Königthum aufzustellen, sollten sie vielmehr gebraucht

werden, um den Gegensaß beyder zu mindern. Von besons derer Wichtigkeit war es, den stolzen Trok vormaliger ·Großen zurückzuweisen, welche Erinnerungen, die ihnen allein übrig geblieben waren, kechin über alle geleistete Dienste je der Art, und über alle diesen zu Theil gewordene Belohnun gen hinauffeßten, und durch lächerlichen Ton und Manieren ein Mißvergnügen unterhielten, dessen Folgen einzig auf den König zurückfielen, der so völlig geeignet war, durch sein lies benswürdiges Betragen den Zeitgenossen zum Vorbild zu dienen, und von seinen Umgebungen verehrt zu werden. Wer fühlt es nicht, daß es starker Entschlüsse und eines sehr festen Charakters bedurfte, um immerdar zu vergessen, zu vergeben, zu bewilligen, Einhalt zu thun, um stets zu erheben, wofür man keine Achtung tragen konnte, und immer dar niederzuhalten, was man von Jugend an hochzuschåßen gewohnt war.

Der König verwarf jene unverschämte Verfassung, worin die Vortheile des Staats und der Krone den Vortheilen des Eigennußes und der Ehrsucht untergeordnet waren; er handelte hierin als König; aber seine gerechte Entrüstung durfte sich nicht mit der Rettung feiner Würde befriedigen. Er musste Zeit gewinnen, um über einen so wichtigen Gegenstand, als die Entwerfung einer Verfassung: Urkunde ist, nachzudenken; er musste Zeit haben, um den Charakter und die gegenwärtigen Bedürfnisse der Nation zu erforschen, ehe fie in den Debatten der Kammern sich ausspråchen; die nd thige Zeit, um die Vorsteher der Departements gehörig auszuwählen und zu ernennen, und um den Umfang und die Größe der Forderungen reiflich zu überlegen, die er an eine in ihren Hülfquellen, Einsichten, Grundsäßen und Neigungen erfchütterte Nation machen sollte. Die Urkunde, welche eine neue Grundlage alles persönlichen und Eigenthums - Rechts werden und darum alle Besorgnisse und alle Hoffnungen aufregen musste, durfte nicht durch etliche Vertraute in der Ge

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