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den Arm der weltlichen Behörden zur Aufrechthaltung der gesetzlichen Ordnung in Anspruch zu nehmen.

§. 42. Um in Angelegenheiten bezüglich welcher die Interessen aller Superintendenzen des einen oder des anderen Bekenntnisses wahrzunehmen sind, unter ihnen die Verständigung oder ihr Zusammenwirken zu ermöglichen, hat eine Generalconferenz der sämmtlichen Superintendenzen des einen oder des anderen Bekenntnisses, jede abgesondert, stattzufinden. Sie ist ein nur periodisch aus gesetzlich bestimmten Vertretern der Superintendenzen gebildetes Organ. Die General conferenzen dürfen niemals in die Befugnisse der Synoden noch in die Autonomie der Superintendenzen eingreifen.

§. 43. Jedes der beiden Bekenntnisse kann abgesondert alle sechs Jahre eine Synode halten. Die von der Synode zu entwerfenden Kirchengesetze bedürfen Unserer landesfürstlichen Bestätigung. Die Generalsynoden werden mit Abänderung der gegentheiligen Bestimmung im §. 4 des 26. Artikels vom Jahr 1791 ohne Gegenwart landesfürstlicher Commissäre abgehalten.

§. 44. Die Synoden werden vom Ministerium für Cultus und Unterricht auf Grundlage der von der bezüglichen Generalconferenz gestellten Anträge im Wege der Superintendenzen einberufen, nachdem über den Zeitpunkt und den Ort ihres Zusammentritts unter Vorlegung jener Anträge Unsere Genehmigung eingeholt und erlangt worden ist.

§. 45. Damit die in den §§. 2, 5 und 6 aufgeführten kirchlichen Organe die ihnen zugewiesenen Angelegenheiten mit der nöthigen Unbefangenheit und Ruhe berathen können, sind deren Sitzungen nicht öffentlich abzuhalten. Nur zu den Senioralund Superintendentialconventen können Personen, welche nicht zu den Mitgliedern dieser Versammlungen gehören nach festzustellenden näheren Bestimmungen als stille Zuhörer zugelassen werden.

§. 46. Die Protokolle der im §. 2 dieses Patents aufgeführten kirchlichen Organe sind mit einer solchen Vollständigkeit abzufassen, dass sie die genaue Einsicht sowohl in den Berathungsgegenstand als auch in die Gründe der gefassten Beschlüsse gewähren. Die nichtgerichtlichen Protokolle der Generalconferenzen, sowie jene der Superintendentialconvente sind behufs der Ausübung des landesfürstlichen Oberaufsichtsrechts vor ihrer Bekanntmachung und Zusendung an die Gemeinden im Wege der politischen Landesstelle Unserm Mini

sterium für Cultus und Unterricht zur Einsicht vorzulegen, welches die gefassten Beschlüsse im Fall einer Gesetzwidrigkeit oder eines Competenzübergriffes zu sistiren berufen ist.

§. 47. Die Senioren werden durch sämmtliche Gemeinden ihres Sprengels mit absoluter Stimmenmehrheit aus der Zahl der selbstständigen Pfarrer des Seniorats frei gewählt.

§. 48. Die erledigte Stelle des Superintendenten und der Superintendentialvicare kann nur durch freie Wahl sämmtlicher Pfarrgemeinden des Superintentialsprengels besetzt werden. Die Wähler sind bei Abgabe ihrer Stimmen weder auf die Superintendenz, noch auf das Kronland beschränkt.

§. 49. Die Wahl der Pfarrer und Lehrer ist vor deren Einführung in das Amt der politischen Landesstelle anzuzeigen. Wenn von der letztern binnen 30 Tagen keine Einwendung erhoben wird, so ist der Gewählte sofort in das Amt und die damit verbundenen Bezüge einzuführen.

§. 50. Zu Inspectoren (Curatoren) der Gemeinden, Seniorate und Superintendenzen können nur solche Männer gewählt werden, welche ihren ordentlichen Wohnsitz in der betreffenden Ortsgemeinde, in dem Seniorate oder innerhalb der Superintendenz haben.

§. 51. Die Wahl der Superintendenten und Superintendentialinspectoren (Curatoren) unterliegt Unserer landesfürstlichen Bestätigung. Alle hier Genannten können erst nach erfolgter Bestätigung als solche publicirt und in ihr Amt eingeführt werden.

§. 52. Allen Eidesformeln der Lehrer, Diener und Beamten der Kirche ohne Unterschied ist die Verpflichtung einzuschalten Uns und Unserm Haus unverbrüchliche Treue zu wahren, und in dem ihnen übertragenen Amt die genaueste Befolgung und Aufrechthaltung der Gesetze vor Augen zu haben.

§. 53. Die Superintendenzen beider Bekenntnisse erhalten jährlich Unterstützungspauschale aus dem Staatsschatz. Diese Unterstützungspauschale sind zu verwenden:

a) zur Verabfolgung jährlicher Functionszulagen an die Superintendenten;

b) zur Verabfolgung jährlicher Functionszulagen an die Senioren;

c) zur Unterstützung armer Pfarreien und Volksschulen über Verfügung des Cultusministeriums.

Eine besondere Verordnung wird die nähere Modalität der Ausführung festsetzen.

§. 54. Zum Vollzug der in gesetzlicher Weise von evangelischen Gemeinden und kirchlichen Behörden getroffenen Verfügungen und nach ordnungsmässigem Vorgang gefällten Erkenntnisse, sowie zur Eintreibung der den Dienern und Beamten der Kirche und Schule gebührenden Einkünfte, und solcher Umlagen, welche zur Erhaltung evangelischer CultusUnterrichts- und Wohlthätigkeitsanstalten mit Genehmigung der Landesstelle auferlegt werden, kann der Schutz und Beistand der weltlichen Behörden in Anspruch genommen werden. Die weltlichen Behörden haben im Fall der Verweigerung dieses Beistandes ihre Gründe in gehöriger Vollständigkeit dem Requirenten ohne Verzug schriftlich zuzustellen, wogegen demselben das Recht der Beschwerdeführung bei der höhern politischen Behörde im Wege der vorgesetzten Kirchenbehörde des Senioralconsistoriums oder Superintendentialconsistoriums

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§. 55. Die kirchliche Ordnung der Evangelischen beider Bekenntnisse, auf welche sich der Gesetzartikel 26 vom Jahr 1791 bezieht, erhält ihre definitive Gestaltung auf dem Wege der kirchlichen Gesetzgebung. Für so lange bis diese Regelung erfolgt sein wird, haben hierüber provisorische Bestimmungen, zu deren Erlassung Wir gleichzeitig Unsern Minister für Cultus und Unterricht ermächtigen, in Unserm Königreich Ungarn, Croatien und Slavonien, in der Woiwodschaft Serbien mit dem Temeser Banat und in der Militärgränze in Wirksamkeit zu treten. Mit der Durchführung dieser Bestimmungen erlischt zugleich die in Folge Unserer Entschliessung vom 21. Jun. 1854 von Unserm Minister für Cultus und Unterricht unterm 3 Jul. 1854 erlassene Verordnung.

§. 56. Wir erklären es für die Aufgabe der nächsten Synoden des einen wie des anderen Bekenntnisses Uns, mit Benützung der inzwischen über die vorläufig getroffene Einrichtung gewonnenen Erfahrungen und unter Beachtung der Anordnungen dieses Unsers Patents, die zur Feststellung und weitern Entwicklung der kirchlichen Ordnung für geeignet erachteten Vorlagen zu machen.

§. 57. Die Grundlagen der staatsrechtlichen Stellung der Evangelischen beider Bekenntnisse in Unserm Königreich Ungarn, sowie in der Woiwodschaft Serbien und dem Temeser Banat, wie

sie in den Gesetzartikeln 26 vom Jahr 1791 und 3 vom Jahr 1844 festgestellt wurden, bleiben durch dieses Patent nicht nur unberührt, sondern Wir finden dieselben vielmehr hiemit neuerdings zu bestätigen, und unter Aufhebung der Bestimmung des §. 14 des bezogenen Artikels 26 vom Jahr 1791, durch welche die Evangelischen beider Bekenntnisse aus Unserm Königreich Croatien und Slavonien, mit Ausnahme der daselbst schon damals bestandenen Gemeinden, ausgeschlossen wurden, zu genehmigen dass in Beziehung auf deren Ansiedlung in diesen Ländern sowie in Unserer Militärgränze, und auf ihre bürgerlichen und kirchlichen Rechte die obigen in Unserm Königreich geltenden Gesetze in ihrem vollen Umfang Anwendung zu finden haben.

§. 58. Unser Minister für Cultus und Unterricht ist mit der Vollziehung dieser Anordnungen im Einvernehmen mit den Ministern des Innern, der Justiz und der Finanzen, dann bezüglich der Militärgränze mit Unserm Armee - Obercommando beauftragt.

Gegeben etc., 1. Sept. 1859.

Franz Joseph.

Erzherzog Wilhelm, Feldmarschall-Lieutenant. Graf Rechberg. Graf Thun. Frhr. v. Bruck. Graf Nádasdy. Frhr. v. Hübner. Graf Goluchowski.

LIV.

Kaiserlich Oesterreichisches Patent vom 8. April 1861, betreffend die Regelung der Angelegenheiten der evangelischen Kirche augsburgischen und helvetischen Bekenntnisses und

ihrer staatsrechtlichen Beziehungen.

Wir Franz Joseph I., von Gottes Gnaden Kaiser von Oesterreich etc. etc.

finden in der Absicht, um Unseren evangelischen Unterthanen des augsburgischen und helvetischen Bekenntnisses in den nachbenannten Ländern, als: dem Erzherzogthume Oesterreich ob und unter der Enns, dem Herzogthume Salzburg, dem Herzogthume Steiermark, den Herzogthümern Kärnthen und Krain, der gefürsteten Grafschaft Görz und Gradisca, der Markgrafschaft Istrien und der Stadt Triest mit ihrem Gebiete, in der

gefürsteten Grafschaft Tirol und Vorarlberg, dem Königreiche Böhmen, der Markgrafschaft Mähren, dem Herzogthume Oberund Niederschlesien, den Königreichen Galizien und Lodomerien mit den Herzogthümern Auschwitz und Zator, dem Grossherzogthume Krakau und dem Herzogthume Bukowina, die ihnen bereits vordem insbesondere durch Unsere Entschliessung vom 26. December 1848 (Reichsgesetzblatt 1849, Ergänzungsband, Nr. 107), sowie in Unserem Patente vom 31. December 1851 (s. Reichsgesetzblatt, II. Stück, Nr. 3) zuerkannte und in Unserem Diplome vom 20. Oktober 1860 (Reichsgesetzblatt, LIV. Stück, Nr. 225) neuerdings zugesicherte prinzipielle Gleichheit vor dem Gesetze auch hinsichtlich der Beziehungen ihrer Kirche zum Staate in unzweifelhafter Weise zu gewährleisten, und um den Grundsatz der Gleichberechtigung aller anerkannten Confessionen nach sämmtlichen Richtungen des bürgerlichen und politischen Lebens bei Unseren protestantischen Unterthanen in den vorher benannten Ländern zur thatsächlichen vollen Geltung zu bringen, nach Anhörung Unseres Ministerrathes zu verordnen wie folgt:

§. 1. Die Evangelischen des augsburgischen und helvetischen Bekenntnisses sind berechtigt, ihre kirchlichen Angelegenheiten selbstständig zu ordnen, zu verwalten und zu leiten.

§. 2. Die volle Freiheit des evangelischen Glaubensbekenntnisses sowie das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsübung ist ihnen für immerwährende Zeiten von Uns zugesichert.

Es werden daher alle früher bestandenen Beschränkungen in Absicht auf die Begehung aller religiösen Feierlichkeiten, welche ihrer Glaubenslehre entsprechen, auf die Ausübung der Seelsorge, insoweit diese Beschränkungen noch in Uebung sein sollten, hiemit ausser Kraft und Wirksamkeit gesetzt und für null und nichtig erklärt.

Evangelische, welche keine eigene (Mutter- oder Tochter-) Gemeinde bilden, gehören zu der ihnen am nächsten liegenden Gemeinde ihres Bekenntnisses.

Ferner ist den Evangelischen der Bezug und Gebrauch evangelisch-religiöser und theologischer Bücher, insbesondere der heiligen Schrift oder der Bekenntnissschriften, unverwehrt.

§. 3. Die Vertretung und Verwaltung der evangelischen Kirche, sowohl augsburgischen als helvetischen Bekenntnisses, gliedert sich nach den vier Abstufungen:

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