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mit Herrn Professor Felix Stoerk in Göttingen darin übereinstimme, dafs eine Kontrolle erforderlich sei, nur halte ich sie nicht wie dieser für unmöglich oder gefahrbringend; sie müfste schon wegen der Kompliciertheit des Rüstungsbegriffes international organisiert sein und das Recht haben, die sofortige Abstellung jeder Verletzung der Rüstungsstillstandsvereinbarung zu verlangen und im Falle des Widerstandes den betreffenden Staat als vertragsbrüchig zu erklären, also zu brandmarken und all dies müfste sich wegen Gefahr am Verzuge sehr rasch vollziehen.

Ich führte weiter aus, dafs auch in fernerer Zukunft nicht von einer proportionalen Abrüstung, wie sie z. B. auch dem Völkerrechtslehrer Grafen Komarowsky vorschwebt, sondern nur von percentueller Abrüstung die Rede sein könnte, und trat für den Fall des Beschlusses eines Rüstungsstillstandes auch für die Brachlegung militärischer Erfindungen durch vertragsmässige Entziehung des Gesetzesschutzes, und jeder Einträglichkeit und zur Sicherung der befugten Kontrolle einerseits und Abschaffung des gefährlichen Spionagesystems andererseits — für vollständige Öffentlichkeit des Rüstungswesens ein, indem ich besonders auf die Erklärungen des französischen Kriegsministers de Freycinet in der Kammersitzung vom 11. März 1899 hinwies, worin er den Wert der wenigen überhaupt noch existierenden militärischen Geheimnisse äusserst gering anschlägt, so dafs die Aufrechthaltung des militärischen Geheimnisses ohnehin nur noch als eine Fiction erscheint.

Wenn ich jene Studie mit den Worten schlofs: „Ich kann nicht glauben, dafs ein so gewaltiger Apparat aufgeboten wird, um nur eine Flickarbeit zu erzielen, wie etwa die Ausschliefsung von unterseeischen Torpedos; ich glaube vielmehr die Hoffnungen mafsvoller Anhänger der Friedensbewegung werden. durch die Ergebnisse des Diplomatenkongresses nicht enttäuscht, sondern überflügelt werden," so glaube ich, dafs die Thatsachen glücklicherweise diese Hoffnung mehr ratificierten, wie den Skeptizismus mancher grofsen Autorität, deren Äufserungen z. B. in der Berliner Wissenschaftlichen Korrespondenz" veröffentlicht wurden und von denen ich folgende hier anführe:

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Mommsen soll sich geäufsert haben: Mir erscheint die Friedenskonferenz als Druckfehler in der Weltgeschichte und über solche schreibt man keine Kommentare."

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Kuno Fischer: Von den drei theologischen Tugenden: Glaube, Hoffnung und Liebe sind, was die Friedenskonferenz betrifft die beiden ersten in mir erloschen."

Ob sie das noch aufrecht halten?

II.

Die Haager Konferenz, ihre Beschlüsse und deren Tragweite.

Mitten in diesem Kampfe der Meinungen erhielt am 18. Mai 1899, einem wirklich welthistorischen Datum, die Konferenz selbst das Wort.

Ihre Eröffnung wurde einbegleitet von den wärmsten Wünschen der Staatsoberhäupter zu ihrem Gelingen, von denen besonders zwei an den Zar zu seinem mit dem Eröffnungstage zusammenfallenden Geburtstage hervorzuheben sind.

W. Mac Kinley telegraphierte: „An diesem Tage von grofser Vorbedeutung sende ich meine herzlichsten Glückwünsche zur Eröffnung der Konferenz im Haag, welcher der erleuchteten, hochherzigen Initiative Euerer Majestät entsprungen ist."

Kaiser Wilhelm II. fügte seinem alljährlichen Trinkspruch anlässlich des Geburtsfestes des Zars Worte hinzu, die tiefen Eindruck machten und angesichts der gegen die deutschen Delegierten Freiherrn von Stengel und Dr. Zorn aus dem Friedenslager gerichteteten meiner Ansicht nach zu weitgehenden Prefs fehde auch machen sollten: „Mein Wunsch geht dahin, dafs es Baron Staal und dem Grafen Münster gelinge, auf dem Boden der altbewährten Tradition, die mein Haus mit Seiner Majestät und das deutsche mit dem russischen Volke verbindet, gemäfs den vom Kaiser und mir an beide Herren ergangenen übereinstimmenden Befehlen die Konferenz so zu führen, dafs der Erfolg Seine Majestät befriedigen werde."

Und wohl nicht ohne Spitze gegen die bezeichnenderweise besonders von englischer Seite wider die Intentionen Deutschlands geschürten Angriffe schrieb gleich darauf die „Nowoje Wremja", die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" sei das erste westeuropäische Organ, welches die Haager Konferenz aufs wärmste begrüfse; der Ton lasse auf die ganz bestimmte Absicht der deutschen Regierung schliefsen, das Werk zu fördern.

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Es mag sein, dafs die gegen die russischen Rüstungsbeschränkungsvorschläge von deutschen militärischen Delegierten gehaltenen Reden richtig veröffentlicht wurden, allein dieser Teil der russischen Initiative hatte von vornherein aus anderen teilweise schon angedeuteten und noch näher zu erörternden Gründen keine Aussicht auf Annahme.

So lange aber nicht authentisch nachgewiesen wird, dass die deutschen Fachmänner in der Frage des Schiedsgerichtes und zwar auf der Konferenz selbst in dem lähmenden Sinne einzuwirken gesucht haben, der ihnen von mancher vielleicht nicht immer aus lauterer Quelle schöpfender Seite zur Last gelegt wird, so lange ist es wohl gerecht und billig, mit seinem Urteile zurückzuhalten und die obigen Versicherungen zu beachten.*)

Hauptsächlich folgende Umstände waren dem Erfolge der Konferenz abträglich:

1. Die Dreyfussaffaire, deren Ausbeutung nach allen Richtungen hin sich die Presse weit mehr angelegen sein liefs, als die der Konferenzberatungen.

2. Die Geheimhaltung eines grofsen Teiles dieser Beratungen anderseits, gegen welche ja gerade Deutschland, schon um sich gegen ungerechtfertigte Anklagen zu verteidigen leider vergeblich angekämpft hat und die insbesondere auch den Nachteil mit sich brachte, dafs von auswärts keinerlei

*) Die Richtigkeit dieser meiner viel früher niedergeschriebenen Auffassung wird meiner Ansicht nach vollkommen bestätigt durch die am 1. März 1900 vom Grafen Bülow im deutschen Reichstage infolge Interpellation des Sozialdemokraten H. Gradnauer abgegebenen offiziellen Erklärungen über die Haltung des deutschen Reiches auf der Konferenz. Anm. des Verfassers.

Vorschläge an die Herren am grünen Tisch gelangen konnten und so die Mitarbeit der ganzen Welt an dem grofsen, die Welt so sehr angehenden Werke unterbunden war.

3. Besonders für die Frage des Rüstungsstillstandes die latenten sich auch auf der Konferenz fortspinnenden grofsen Interessenrivalitäten der Mächte, die kolonialen Bestrebungen, namentlich die zur Exploitierung Chinas, die Weltteilungsfrage, wie sie Graf Bülow später rund heraus nannte, ferner wie Professor Bar in Göttingen mit Recht hervorhebt, eine Nationaleitelkeit und ein Rassenhafs wie niemals im 17, oder 18. Jahrhundert oder auch in den ersten zwei Dritteln unseres Jahrhunderts" und endlich die immerhin beträchtlichen Gefahren, welche sich namentlich für die parlamentarischen, überhaupt aber für die civilisierten Staaten gegenüber den uncivilisierten oder weniger civilisierten und parlamentslosen Staaten aus einer voreiligen Hemmung der Rüstungen ergeben konnten und die natürlich von den verantwortlichen Delegierten gegenüber den offenbar nicht genügend vorbereiteten russischen Vorschlägen wohl überlegt werden mussten.

4. Auch die erbitterten revolutionsschwangeren Kämpfe in Belgien zwischen den Klerikalen einerseits und den vereinigten Liberalen und Sozialisten andererseits.

5. Ganz besonders selbstverständlich das Akutwerden des Transvaalkonfliktes während der Dauer der Konferenz - welcher wie ein Hohn auf dieselbe wirkte. Nicht gerade ermutigend konnte es auch sein, dafs das russische Militärblatt „Raswedschik" eben damals eine sofortige Erhöhung der Präsenzstärke forderte; Russland müsse sich angesichts der Möglichkeit eines Rüstungsstillstandes beeilen, ohne auch nur eine Minute zu verlieren (!) schon jetzt auf den Armeevoranschlag offiziell alle neuen Truppen zu setzen, deren Einstellung für die nächsten 5 Jahre geplant ist.

Umso höher ist es aber anzuschlagen, ein umso leuchtenderes Symptom für die thatsächliche Reife der Cedanken und der Zeit für die Gedanken ist es, dafs unter solchen Auspicien, der Haager Kongress so grofse Resultate zeitigte Allerdings sei auch einiger günstiger Zwischenfälle gedacht.

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