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daß man über das Betragen der brittischen Minister und der Verbündeten viele Unwahrheiten und Verlåumdungen verbreitet habe, werde es sich aber zur Pflicht machen, sie zu widerlegen. Was den Zustand Frankreichs betreffe, so habe Englands Politik es nie mit sich gebracht, Frankreich Geseße vorschreiben zu wollen, was es zu thun habe; allein das Haus könne nicht von ihm erwarten, daß er seine Pflicht so weit vergessen sollte, daß er ihm schon jeķt den Gang enthüllte, den der Prinz Regent, gemeinschaftlich mit seinen Bundsgenossen, bey den außerordentlichen Umständen, worin sich Frankreich befinde, zu beobachten sich entschließen würde.

Ausländische Angelegenheiten.

Am 20. März machte Hr. Whitbread feine lang ane gekündigte Motion über Lord Castlereaghs Sendung zum Wiener Kongreß.- Nachdem er den Verdiensten des edeln Lords Gerechtigkeit widerfahren lassen, die Hoffnun gen, die seine Abreise erregte, und das Erstaunen, vor Beendigung seiner Geschäfte, durch einen andern (Lord Wellington) abgelöst zu sehen, geschildert hatte, versicherte er, daß seine Anklage nicht des Lords Person betreffe, sondern einzig auf die Urkunden sich beziehe, die über Sachsen, Genua und Polen durch die Zeitungen bekannt geworden

wåren.

„Wenn diese Urkunden, fuhr Hr. Whitbread fort, die so großen Schatten auf das Betragen der Verbündeten werfen, nicht ácht sind, so möge der edle Lord sie für unächt erklären; sind sie aber åcht, so möge er seine Stimme mit per unsrigen vereinigen, um gegen jede Mitwirkung unsers Landes zu solchen Maßregeln zu protestiren. Die Verbündeten haben sich in der Erklärung von Frankfurt (Dec. 1813), im Manifest nach Aufhebung der Unters handlungen von Chatillon, in den Aufrufen ihrer Generale als die Retter von Europa, als die Vertheidiger seiner Unahängigkeit angekündigt im Siege und auf den Höhen von Montmartre has ben sie eine preiswürdige Mäßigung gezeigt, und in Paris haben

fle einen Frieden geschloffen, der (mit Ausnahme der Bewilligung des Sklavenhandels) die Zustimmung der ganzen Welt hatte. Zuerst muß ich fragen: sind jenem Frieden geheime Artikel beyge fügt, die dem Hause unbekannt blieben? In diesem Falle wäre desselben Genehmigung des Pariser Traktats erschlichen worden denn man kann nicht genehmigen, was man nicht ganz kennt. Ueberhaupt find alle geheimen Artikel immer nur Deckmantel und Quelle von Hinterlist und Verderbtheit; dies war der Fall bey den geheimen Artikeln des Tilsiter Friedens, die den Vorwand zur Expedition nach Kopenhagen gaben. Es heißt die Völker bes trügen, wenn man ihnen die Anlåsse verhüllt, durch die sie in Krieg gezogen werden könnten. Vorzüglich aber ist man diesem Hause Wahrheit sauldig. Che der Lord England verließ, sagte er zu vielen edeln Genuesern und Polen, die ihres Vaterlanges wes gen besorgt waren: „Genua sey ein unabhängiger Staat, und Polens Theilung sey der Same zu allem Unglück Europa's gewes fen." Lord Bentink sagte in feinen Aufrufen in Hinsicht Ges. nua's daffelbe. Der Kanzler der Schaßkammer hat in des Lords Abwesenheit versichert, daß Lord Castlereagh zu Polens Theis. lung und Sachsens Uebertragung seinen Namen nicht herleihen könne. Nun muß ich fragen, ist jene bekannte Note Talleyrands an den Fürsten von Metternich vom 10. Dec., worin er sich über das Betragen und die Absichten der Mächte beschwert, dcht? Ist sie es, so möge der edle Lord sich und die verbündeten Mächte vertheidigen gegen die Beschuldigungen, als wären sie von den Grundsäßen abgewichen, die sie vor Bonaparte's Abdans kung verkündigten. Der edle Lord hat ja gesagt, daß er zwar vom Kongres abgereist sev, ohne einen Vertrag abgeschlossen zu haben; daß aber alle große Angelegenheiten berichtigt, und alle, großen Mächte zufrieden gestellt wåren. Darunter wird man gewiß auch Frankreich gezählt haben. Es fragt sich nun, hat Frankreichs Mis nister die Protokolle des Kongresses unterzeichnet, oder hat er das gegen protestirt? Die Schritte des edeln Lords in Wien scheis nen dem Charakter unsers Landes nicht angemessen. Wie konnte er Völker unter neue Herrschaft zwingen, die mit uns zur Abschütztelung von Bonaparte's Joche und zur Verbesserung ihrer Vers fassung gekämpft hatten? Wie konnte er in Uebereinstimmung mit Mächten, die kurz zuvor mit jener Riesen-Gewalt, die nun ge stürzt ist, im Bunde standen, einer von diesen Mächten gerade diez selben Entschädigungen zuerkennen, die sie sich früher in ihrem Vers

trage mit Bonaparte gegen Rußland ausbedungen hatte?

Als ganz Europa voll Jubel über Bonaparte's Niederlage war, als zwey verbündete Herrscher hier in diesem Lande mit Entzücken und dem ihren Verdiensten gebührenden Lob. empfangen wurden, und jeder Engländer vergaß, daß einst auch sie mit Frankreichs Kaiser gegen dies Land verbündet waren wer hätte da an die Verlåugs nung der Grundsäße gedacht, deren Aufstellung zu so großem Jus bel Anlaß gab? Wenn etwas den Riesen wieder hinauffeßen kann, so ist es die Annahme solcher Grundsäße, die seine Macht gegrüns det. Ich klage demnach den edeln Lord und die Verbündeten an, daß sie die Lehre vergaßen, die aus Napóleons Schicksal hers vorgeht: Justitiam moniti et non temnere divos. Doch alle Ers fahrung scheint verloren. Weder Finnland kam an Schweden zuz rúc, noch Norwegen an Dänemark. Rußlands Monarch soll wea gen Polen in Verlegenheit gewesen seyn, aber der Tagsbefehl, den der Großfürst Konstantin in Warschau erließ, beweiset, daß er in keiner war, und dessen Aeußerung gegen einen vorzüglichen Kongreßminister: (vielleicht gegen den edeln Lord selbst?),,Er habe 500,000 Mann in Polen stehen,“ lässt vollends keinen Zweifel über dessen Entschluß übrig, den gordischen Knoten zu zerhauen, wenn er ihn nicht lösen könne. Wir erinnern uns noch Alle, daß die Minister auf die Anfrage wegen des Aufrufs, den der Fürst Repnin in Dresden erließ, antworteten:,,Die Beseßung Sachs fens durch die Preußen könne nur einstweilig seyn; die wirkliche Uebertragung Sachsens an Preußen sey schon deswegen unmögs „lich, weil damals der Kongreß noch nicht eröffnet gewesen.“ Es ist nun an dem edeln Lord, sich zu verantworten, ob er diese Ues bertragung anfangs genehmigte, ob er nach erhaltenen Gegenbefehlen von hier aus durch eine Note dagegen protestirte ? Möge der Kongreß in Hinsicht Sachsens was immer für eine Ers klärung erlassen haben, er hatte kein moralisches Recht, über jenes Land zu entscheiden, und es ist empörend, die Ansprüche der Fürs ften nach der Zahl der Seelen, die sie beherrschten, auszumessen, ohne auf Recht und Gerechtigkeit Rücksicht zu nehmen. Wenn Monarchen nicht auf den Gang des menschlichen Geistes achten, wie Kaiser Alexander zu Paris sagte, wenn sie nicht mit der ausgebildeten Beurtheilungskraft ihrer Unterthanen gleichen Schritt halten, so wird ein Tag der Vergeltung kommen. (Hier ging Hr. Whitbread über Sachsens Betragen in's Einzelne, fragte, wie Mächte, die sich früher im gleichen Falle, wie Sachsen, befuns

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ben, ein so hartes Urtheil über selbiges fällen könnten; behaup tete, daß weder der König noch das Volk anders handeln können, als sie handelten; lobte des Königs Standhaftigkeit, und tadelte die gewaltsamen Maßregeln, wodurch man das sächsische Volk abs halten wolle, seine Gesinnung zu äußern, besonders jene gegen zwey Generale, die gegen den gemeinschaftlichen Feind tapfer ges fochten hatten, aber, als sie Adressen gegen die Abseßung ihres rechtmäßigen Königs nach Wien sendeten, auf die Festung geschickt wurden. Er verglich dies Betragen mit den Grundsäßen des Vers trags zu Chaumont; freylich damals wären die Verbündeten kränke lich und folglich fromm gewesen; seitdem sie sich vollkommen wohl befanden, wären sie auch nicht länger mehr fromm.) Rücksichtlich Italiens seye im Pariser Frieden ausgemacht worden, daß Oestreich alle seine vorigen Besizungen in Italien zurückerhalten sollte. Es hat demzufolge auch Venedig beseßt, obgleich Venedig keine alts dstreichische Besißung sey. Schon For hat in seiner Rede von 1809 (die man wohl eine divinæ Philippicam famæ nennen könns te) von dem Lüneviller Frieden gesagt, daß der Raub Frankreichs kein Recht für Oestreich gründen solle noch könne. Man habe die von dem Grafen Bellegarde mit dem Vicekönig, dessen Wahls spruch und Handlungsweise von jeher,, Treue und Ehre" ges wesen, eingegangenen Verpflichtungen nicht gehalten, während man Mürat in seinem Besiße anerkannte, Kaiser Alexander ihm darüber schrieb, und der edle Lord seine Zustimmung dazu gab. Jeßt, heißt es, hat man auch Mürat bedeutet, er solle vom Throne steigen. Die Genueser sind getäuscht worden, wenn Lord Bentinks Aufrufe åcht sind. Sie kamen fünf Tage nach ihrem Erscheinen zur Kenntniß des edeln Lords, der ihnen nicht widersprach; die Genueser überließen sich der Freude, mit dem 1. Jan. ihre alte Verfassung wieder aufleben zu sehen; aber einige Tage vorher kommt Befehl an General Dalrymple, sie an Sardinien auszuliefern. Wie kann der edle Lord sich darüber rechtfertigen? Lord Bentink verläugnen, nüßt zu nichts, denn die Ehre unsers Landes ist zu tief in diese Sache verwickelt. (Hier las Hr. Whitbread die Abschrift eines Briefs von Lord Castlereagh aus Wien, 20. Dec. 1814, worin der Lord anfangs seine Bereitwilligs keit, den Wünschen der Genueser zu willfahren, darthut, unb mir der Phrase schließt, daß man ihnen nicht willfahren könnte, ohne das ganze für Italien angenommene System zu schwächen, upd, zu gefährden.) Ich weiß nicht, ob dieser Brief ursprünglich

Englisch oder Französisch geschrieben war; im leßtern Fall würde er tournures de langage enthalten haben, die freylich in der Uebers fehung verloren gehen mussten; ich vermuthe fäst Leßteres, denn unter vielen Wundern der gegenwärtigen Zeit erzählt man sich auch, daß der edle Lord eine drey Stunden lange Rede französ fisch auf dem Kongresse gehalten! (Gelächter.) Aber gewiß ist, daß eine solche Zweyzüngigkeit — die Wünsche eines Volks erstlich anzuerkennen, und sie sodann doch zu vereiteln, jedes heilige und ehrliche Gefühl im Männe verleßt. Und wenn man nur bey derAuslieferung mit jener Schonung zu Werke gegangen wåre, mit der Napoleon Ligurien Frankreich einverleibte, wo Doge und Senat von Genua nach Paris kamen, dieselbe zu verlangen, und Napoleon den Doge noch einmal nach Genua zurückschickte, um sich der Gesinnung zu vergewissern." (Hierauf ging Hr. Whits bread auf den Sklavenhandel über, dessen Beybehaltung in Frankreich, troz der dagegen ausgesprochenen Gesinnungen des russischen Kaisers, man einzig dem edeln Lord Schuld gåbe; er hoffe, der Lord werde auf dem Kongreffe den Fehler gutgemacht haben; der zweyte Artikel des Vertrages mit Ferdinand VII. gåbe zu dessen Abschaffung in Spanien wenig Hoffnung. Die Wies dererscheinung Bonaparte's gab Hr. Whitbread dem Bes tragen der vereinigten Mächte Schuld, dem persönlichen Charaks ter Ludwigs XVIII. ertheilte er großes Lob; er fragte, ob Bos naparte's Erklärung aus Bourgoing åcht, und die darin anges führten Thatsachen wahr wären, und schloß mit der Motion zu einer Adresse an den Prinzen Regenten:,,er möchte dem Hause „über die Erfolge des Kongresses von Wien und andre Gegenstån,,de alle sachgemäßen Aufklärungen ertheilen lassen.")

Lord Castlereagh erhob sich hierauf und sprach:,,Die ens ropäische Konföderation erklärte als ihren Zweck: ein System aufs zustellen, unter dem alle Völker friedlich leben könnten; wåre ihre Erklärung so zu verstehen, als wenn alle Staaten, die während des Revolutionskriegs untergegangen waren, wieder aufleben sollten, ohne Rücksicht, ob sie nicht auch die alten Gefahren für Caropa zurückführen könnten, so müsste ich mich schämen, daß England einem so blödsinnigen System (system of such imbecillity) beygetreten wåre. Die Frage ist, ob der Grundsaß, von welchem der Kongreß bey den Unterbandlungen ausging, fehlerhaft oder nicht war; und wenn er es nicht war: ob der Kongreß von ihm abgegangen, und somit das Zutrauen getäuscht habe, das

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