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Hilfe herbeigezogen hatte. Die systematische Ordnung und Zusammenstellung der Titel hatte Herr Dr. Kirchhoff die Güte zu übernehmen. Es war dies um so dankbarer anzuerkennen, da derselbe, geschäftlich und durch nicht zu umgehende Annahme einer Vertrauensstellung vollständig in Anspruch genommen, sich schon mit Schluss des Jahres 1868 gezwungen gesehen hatte, seine Stellung als Bibliothekar aufzugeben und damit seine directe Thätigkeit im Interesse der Bibliothek einzustellen. Zu seinem Nachfolger wurde durch den Vorstand des Börsenvereins der Unterzeichnete ernannt.

Zur Ostermesse 1869 wurde der erste selbstständig gedruckte „Katalog der Bibliothek des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler" ausgegeben, eingeleitet durch ein Vorwort des Herrn Dr. Kirchhoff und begleitet von einer auf Veranlassung des Vorstandes des Börsenvereins von dem neuen Bibliothekar verfassten besonderen Zusammenfassung derjenigen Wünsche und Bitten, welche im Interesse einer gedeihlichen Weiterentwicklung der Bibliothek dem Buchhandel zu dauernder Beherzigung zu empfehlen waren.

Der Katalog ist nach einem, wie schon angedeutet, von Herrn Dr. Albr. Kirchhoff aufgestellten System geordnet und zerfällt in folgende Hauptabtheilungen: Buchhandel, Literarisches Recht, Technik der Hülfsgewerbe, Bücherkunde. Den Schluss macht ein alphabetisches Register. An Unterabtheilungen finden sich neunundzwanzig, die wieder in weitere speciellere Capitel zerfallen. Auf 140 Octavseiten sind 1709 selbstständige Nummern verzeichnet.

Wenn man in Berücksichtigung zieht, dass diese Vermehrung in dem kurzen Zeitraum von wenig über sieben Jahren möglich gewesen ist, während der dazu verwendbare Betrag nur gering war, so muss man die Entwicklung der Bibliothek als eine günstige bezeichnen. Im Anfange war der Etat sehr schwach: 100 Thaler (300 Mark) jährlich; später wurde derselbe auf 200 Thaler (600 Mark) und erst seit einigen Jahren auf 2000 Mark jährlich, für Anschaffungen und Einbände, erhöht. Hierdurch erklärt sich das stärkere Wachsthum in neuerer Zeit. Da diese Summe natürlich nicht immer ausreichen konnte, waren grössere und wichtigere Ausgaben nur in Folge gelegentlicher Extraverwilligungen des Vorstandes des Börsenvereins möglich; solche wurden erforderlichenfalls gewährt, um grössere Beträge für Einbände verwenden zu können, ferner beispielsweise zu Erwerbung eines Druckes von Joh. Fust, dann gelegentlich der im Jahre 1873 abgehaltenen Versteigerung der von Sergius Sobolowski in Moskau gesammelten Bücherschätze, denen u. A. Van Praet's kostbarer auf Pergament

gedruckter Katalog der Pergamentdrucke entstammt, sowie in neuester Zeit behufs Erwerbung der von G. van Hasselt in Arnheim mit Rücksicht auf Wasserzeichen gesammelten, zu den Blattsammlungen gehörenden, Papierproben.

Zugleich mit der Ausgabe des Katalogs veröffentlichte der Vorstand des Börsenvereins ein (erstes),,Reglement für die Benutzung der Bibliothek des Börsenvereins", wonach dieselbe jedem Mitgliede des Börsenvereins zustand. Die Bibliothek war von da an jeden Donnerstag und, falls auf diesen ein Feiertag fiel, an dem vorhergehenden Wochentage Abends von 7 bis 8 Uhr geöffnet, während welcher Zeit es jedem Berechtigten gestattet war, die dem Bibliothekar zur Hand befindlichen Werke einzusehen. Hierneben enthielt das Reglement noch die erforderlichen Bestimmungen über Art und Frist der Ausleihung.

So war denn also die Bibliothek, zunächst allerdings ausschliesslich für Mitglieder des Börsenvereins, eröffnet. Die erste Ausleihung (vorher hatte die Bibliothek noch definitiv nach dem Kataloge geordnet und aufgestellt werden, hatten die bisher noch ungebunden vorhandenen Bücher eingebunden werden müssen) fand am 3. Juni 1869 statt. Die Benutzung gestaltete sich gleich im ersten Jahre so lebhaft, dass es sich deutlich zeigte, wie durch Eröffnung der Bibliothek einem wirklichen Bedürfnisse abgeholfen worden war.

Jetzt zeigten sich auch erst deutlicher die Lücken, die zunächst ausgefüllt werden mussten. Der Vorstand des Börsenvereins stellte die zur Erlangung des Anzuschaffenden erforderlichen Mittel zur Verfügung, auch die Opferwilligkeit einer grossen Anzahl von Verlegern war so gross, dass bereits vor Ablauf eines Jahres der Druck eines Nachtrags zu dem Hauptkataloge beginnen konnte.

Dieser erste Nachtrag, der am 1. Juli 1870 ausgegeben wurde, ist nach demselben Systeme, wie der Hauptkatalog, geordnet, und verzeichnet auf 82 Seiten die Zugänge vom 1. Juli 1868 (Abschluss des Hauptkatalogs) bis zum 31. März 1870, zusammen 975 Nummern.

Ein zweiter Nachtrag ist nicht gedruckt worden; denn ehe sich der dazu nöthige Stoff angesammelt hatte, trat ein für die Bibliothek so wichtiges Ereigniss ein, dass von einem Weiterverfolgen des bisherigen Weges abzusehen war.

Vorerst ist noch zu bemerken, dass im zweiten Vierteljahre von 1873 endlich den unleidlichen Zuständen in dem bisherigen Bibliotheklocale dadurch wieder auf einige Zeit ein Ende gemacht ward, dass die Bibliothek in den Parterresaal der Buchhändler

börse übergeführt wurde und dass auch die Bücherschränke zum Theil vergrössert, zum Theil vermehrt wurden.

In demselben Jahre wurde der Bibliothek durch den Vorstand des Börsenvereins die von diesem und der Deutschen Reichspostverwaltung für die Wiener Weltausstellung zusammengebrachte Collection von Zeitungen und Zeitschriften als Eigenthum überwiesen, welche in je einer Nummer von ziemlich gleichem Datum den grössten Theil der damaligen deutschen periodischen Presse umfasst. Hieran schloss sich zu gleicher Zeit eine Reihenfolge deutsch-amerikanischer Zeitungen, welche Herr Ernst Steiger in New-York gesammelt hatte und der Bibliothek verehrte. (Diese besonders für eine spätere Zeit höchst werthvollen und interessanten Objecte gehören zu den Blattsammlungen und konnten daher in gegenwärtigem Kataloge keinen Platz finden.)

Gelegentlich der funfzigjährigen Jubelfeier des Börsenvereins, Ostermesse 1875, veranstaltete der Vereins-Vorstand eine historische Ausstellung, welche durch einzelne hervorragende oder charakteristische Proben die Entwicklung der Bücherherstellung und des Buchhandels, insbesondere des deutschen, vom 15. Jahrhundert bis in das erste Drittel des 19. Jahrhunderts, veranschaulichen sollte. Das Material zu dieser Ausstellung war den Beständen der Bibliothek des Börsenvereins entnommen, vermehrt aus den Schätzen der Leipziger Universitäts- und der Stadtbibliothek, wie einiger Privatbibliotheken. Nicht am mindesten interessant und werthvoll aber waren diejenigen Bestandtheile der Ausstellung, welche die Herren Dr. Albr. Kirchhoff in Leipzig und Heinr. Lempertz sen. in Köln aus ihren Privatsammlungen dargeboten hatten.

In Folge dieser Ausstellung entschloss sich Herr Dr. Albr. Kirchhoff, seine ganze, umfangreiche und werthvolle buchhändlerische Bibliothek, sowie seine übrigen kostbaren Sammlungen der Bibliothek des Börsenvereins als Geschenk zur Verfügung zu stellen. Was zunächst die Büchersammlung betrifft (die bei dieser Gelegenheit in die Bibliothek übergegangenen Schriften beliefen sich auf weit über 1000 Nummern; ihnen hat Herr Dr. Kirchhoff noch später und bis in die neueste Zeit so manche werthvolle Ergänzung folgen lassen), so bot diese in einer langen Reihe von Jahren mit liebevoller Sorgfalt, eingehendster Sachkenntniss und nicht unbeträchtlichen Kosten zusammengebrachte Sammlung eine solche Fülle von Büchern und grösseren und kleineren Schriften, meist der so selten gewordenen älteren Literatur angehörend, in vielen Fällen wahre Kostbarkeiten, dass dadurch die Bibliothek auf einmal eine Vollständigkeit erreichte, wie sie, wenn überhaupt,

nur durch langjähriges Hinzusammeln zu erreichen gewesen wäre. Denn gerade die betreffende Literatur verschwindet mehr und mehr und ist unter Umständen gar nicht zu beschaffen. Von vielen seien nur beispielsweise erwähnt: der Elsevir'sche Katalog von 1681 (unbeschnittenes Exemplar), die Plantin'schen und Voegelinschen Verlagskataloge, Joh. Eberlin's Schrift:,,Mich wundert das kein gelt ihm land ist". Es war ein selbstverständlicher Ausdruck der Dankbarkeit, wenn die Bestandtheile dieser Bücherschenkung durch zweckentsprechende Bezeichnung für alle Zeiten kenntlich gemacht wurden.

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Die andre Abtheilung dieser Schenkung, eine Frucht jahrelanger geduldigster Arbeit und kenntnissvollen Sammeleifers, betraf zu einem Theile die Geschichte des Buchhandels und des Buchdrucks: Collectionen von Portraits von Buchhändlern und Buchdruckern und Verwandtes, kleine Schriften biographischen Inhalts, Autographen, Reliquien der buchhändlerischen Geschäftsführung, Medaillen, Signete u. s. f., Blattdrucke zur Geschichte der Censur etc. Ein andrer Theil dient zur speciellen Illustration der Geschichte des Buches als solchen: eine bedeutende Collection von Papierproben vom Anfange des 15. Jahrhunderts an bis in die neuere Zeit, mit Ursprungsnotizen versehen, und von Wasserzeichen; dann einige merkwürdige Drucke, aus alten, historisch wichtigen und berühmten Officinen hervorgegangen oder durch besonderen Schriftschnitt oder sonstige typographische Eigenthümlichkeiten ausgezeichnet; ferner Sammlungen zur Veranschaulichung der Entwicklung des typographischen Geschmacks: Titel, Alphabete und Initialen, Leisten, Bordüren, Culs de Lampe, Buchdruckerstöcke etc., weiter interessante ältere Büchereinbände und Buchdeckel und Proben der für Zwecke der Buchbinderei hergestellten bunten, farbigen und gepressten Papiere, endlich eine schöne Folge von Bibliothekzeichen und Aehnliches.

Eine unglaubliche Summe von Arbeit und eine fast unerschöpfliche Fundgrube für spätere Forschungen repräsentiren ferner die nur zum geringsten Theile oder noch gar nicht weiter benutzen handschriftlichen Collectaneen und Manuscripte des Herrn Dr. Kirchhoff, deren er sich ebenfalls nur kurze Zeit nachher zu Gunsten der Bibliothek entäusserte. Diese kurzen Andeutungen mögen genügen, ein, wenn auch unvollkommenes, Bild von der grossartigen Schenkung zu geben. Es sei nur noch erwähnt, dass alles Handschriftliche im gegenwärtigen Kataloge verzeichnet ist, während die Sammlungen in dem Verzeichnisse dieser mit aufzuführen sein werden.

Eine weitere hochbedeutsame Folge der historischen Ausstellung war die käufliche Erwerbung der Lempertz'schen Sammlungen, Eine Auswahl daraus hatte, wie erwähnt, der Ausstellung mit zur Zierde gereicht und den Wunsch rege gemacht, die Sammlungen in ihrer Gesammtheit, nach Ausscheidung nur weniger Gegenstände, welche für die Bibliothek weniger Interesse hatten, für diese zu gewinnen. In Folge einer unter dem 11. October 1875 durch die Herren Dr. A. Kirchhoff, F. List und A. Ulm an den Vorstand des Börsenvereins gerichteten Eingabe, welche, gestützt auf ein entgegenkommendes Anerbieten des Herrn Lempertz, die Erwerbung befürwortete, hatten die Herren Dr. Kirchhoff und List sich im Januar des Jahres 1876 nach Köln begeben, um das Ganze in Augenschein zu nehmen und über Schätzung und Ankauf persönlich mit dem Besitzer zu verhandeln. Der Erfolg war ein günstiger. Als Kaufpreis wurden 6000 Thaler (18 000 Mark) vereinbart und nachdem die ganze Sammlung noch einmal in der Ostermesse 1876 behufs genauerer Kenntnissnahme in Leipzig ausgestellt worden war, beschloss die General-Versammlung des Börsenvereins vom 14. Mai 1876 einstimmig den Ankauf.

Durch die Erwerbung der Lempertz'schen Sammlungen, welche sich derart neben die durch die Güte des Herrn Dr. Kirchhoff erlangten stellen, dass beide sich gegenseitig ergänzen (der verschiedene Wohnort der Sammler, im Norden und im Westen Deutschlands, kam natürlich in den Sammelresultaten zum Ausdruck), wurden die Collectionen des Börsenvereins auf einmal zu einer Specialsammlung ersten Ranges erhoben, wie sie wohl kaum noch sonstwo existiren dürfte.

Man kann getrost behaupten, dass ein Complex von Sammlungen, wie die Lempertz'schen, kaum je wieder zusammenzubringen sein würde. Die Stellung, welche er als Besitzer eines der bedeutendsten Antiquar- und Bücherauctions - Geschäfte einnahm und welche ihm ein umfangreiches Material durch die Hände gehen liess, sein Wohnort, in einer Gegend liegend, die eine Fundgrube älterer Büchervorräthe war, die Zeit seines sorgsamen und verständnissvollen Sammelns, wo die Aufmerksamkeit anderer Liebhaber noch nicht mit gleichem Eifer seinen Zielen sich zuwandte, Alles dies war ihm zur Erlangung eines solchen Resultates förderlich. Jetzt fliessen die Quellen, aus denen solche Sammlungen zu schöpfen sind, von Jahr zu Jahr spärlicher, die Fundgruben werden erschöpft, das noch vorhandene Material zersplittert sich in Liebhaberhänden, geht wohl gar seiner theilweisen Unscheinbarkeit und vermeinten Werthlosigkeit halber in der Vereinzelung zu

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