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Grunde. Um so anerkennenswerther war die Bereitwilligkeit des Herrn Besitzers, seine Schätze der Bibliothek des Börsenvereins abzutreten und so vor möglicher Zersplitterung, vielleicht vor späterem Untergang zu sichern.

Der Charakter dieser Sammlungen ist vorwiegend ein ikonographischer, durch Anschauung unmittelbar wirkender und belehrender. Den Haupttheil bildet die Sammlung von Blättern zur Vorgeschichte der Buchdruckerkunst, ferner Portraits, Autographen von Buchhändlern und Buchdruckern, Signete, Druckproben berühmter und wichtiger Buchdrucker und andere Personalien. Es ist von besonderer Wichtigkeit, dass die Autographen, vor Allem die aus älterer Zeit, nicht blos Werth als solche haben, sondern sich auch durch ihren Inhalt auszeichnen, dass sie, z. B. Briefe von Theod. Anshelm, Joh. Grieninger, Luc. Cranach, Theod. de Bry, Chr. Plantin, Just. Lipsius u. And., zugleich interessante Aufschlüsse über Geschäftsverhältnisse bieten. Neben der historischen Hauptabtheilung, welche ebenfalls sehr werthvolle Signete enthält, geht noch eine interessante besondere Sammlung von mehr als tausend älteren und neueren deutschen und ausländischen Buchdrucker- und Buchhändlerzeichen her, zum Theil von bedeutendem Kunstwerthe. Hieran schliessen sich kleinere Sammlungen, betreffend Bibliothekwesen, Bibliothekare und Bibliophilen, Zeitungswesen, Illustrationsmethoden, Technik des Buchdrucks, Buchbindekunst (hierbei eine grössere Anzahl systematisch und chronologisch geordneter und in Carton eingelassener Buchdecken, sowie Abbildungen von Einbänden), Papierfabrication (mit einer von Professor Treviranus in Bonn zusammengebrachten kleinen Collection asiatischer Papiere) und Wasserzeichen und endlich eine ansehnliche Sammlung ältererer und neuerer Bibliothekzeichen, unter diesen Arbeiten bedeutender älterer Meister, als z. B. Albr. Dürer, Hans Schäuffelin, Luc. Cranach, Virgil Solis, Jost Amman, Beheim u. And. Eine letzte Abtheilung wird durch werthvolle Antiquitäten gebildet: Medaillen, ein Siegel Gutenberg's, ein Petschaft des B. de Jode, verschiedene Gildenpfennige, Trinkhumpen aus Buchbinderinnungen, eine messingene Prägerolle, gestochen von Virgil Solis, einen Prägestock, verschiedene ältere Holzstöcke, eine Archivtafel und einen für Herrn Lempertz seiner Zeit angefertigten Gypsabguss von Mentel's Grabstein in Strassburg, jetzt um so werthvoller, nachdem das Original bei dem Bombardement im J. 1870 zu Grunde gegangen ist.

(Eine kleinere Ausstellung ausgewählter Stücke aus den Sammlungen des Börsenvereins wurde für Buchhändler in der

Ostermesse 1877 auf Veranlassung des Vorstandes veranstaltet.)

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Durch diese Erwerbungen, verbunden mit kleineren Zuwendungen, welche verschiedenen Gönnern der Bibliothek zu verdanken waren, hatte die aus so kleinen Anfängen hervorgegangene Bibliothek nun einen ganz andern Charakter angenommen. Eine Scheidung in zwei verschiedene Theile ergab sich von selbst. Die eine Abtheilung hatte Alles zu bilden, was hauptsächlich seines Inhalts wegen vorhanden war: Bücher, Zeitschriften etc. die eigentliche Bibliothek. Der andern hatten alle diejenigen Gegenstände zuzufallen, welche zur Illustration der Geschichte des Buches dienen, Blattsammlungen zur Geschichte der Schrift, des Schreibstoffs, der verschiedenen Vervielfältigungsverfahren, des Bucheinbandes, zur Geschichte des Buchhandels und seiner einzelnen Vertreter (Portraits, Autographen, Signete, biographische Schriftchen ohne selbstständigen Titel, neuere Verlagskataloge, Circulare etc.) sowie zu der der Rechtsverhältnisse des Buchs und des Buchhandels, soweit sie nicht in die eigentliche Bibliothek einzuordnen waren; hierüber als Proben Büchereinbände, Druckproben nebst grössern, auch kostbareren Werken, sofern sie nur als typographische Denkmäler in Betracht kommen, u. dgl. m. Diese Andeutungen können hier um so eher genügen, da s. Z. ein selbstständiges Verzeichniss dieser Sammlungen gedruckt werden wird.

Zugleich stellte sich die Nothwendigkeit heraus, das bis dahin nur als Nebenamt verwaltete Bibliothekariat in ein ständiges zu verwandeln. Dies geschah vom 1. October 1876 ab. In Folge dessen erliess der Vorstand des Börsenvereins im November desselben Jahres ein neues „Reglement für die Benutzung der Bibliothek", wonach diese nun an den Vormittagen aller Wochentage geöffnet war.

Während des Sommers des Jahres 1878 wurde durch einen abermaligen Umbau das jetzige, im südlichen Flügel der Buchhändlerbörse befindliche Bibliotheklocal hergestellt und so vorläufig dem Bedürfnisse nach Raum und Ruhe abgeholfen.

Nachdem endlich in Folge des wachsenden Umfangs und der zunehmenden Bedeutung der Bibliothek und ihrer Sammlungen im November 1879 ein besonderer Ausschuss für die Bibliothek creirt worden war, stellte letzterer eine unter dem 2. Januar 1880 veröffentlichte neue Bibliotheks - Ordnung" auf. Dieselbe enthält als hauptsächlichste Änderung (eine längst gewünschte und schon früher mehrfach von dem Bibliothekar beantragte) die Bestimmung einer Erweiterung der Benutzung der Bibliothek, indem das Recht

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zur Entleihung von Büchern allerdings den Mitgliedern des Börsenvereins ohne Weiteres vorbehalten blieb, ausserdem aber bestimmt wurde, dass Buchhändler, welche dem Börsenverein nicht angehören, unter Bürgschaft ihres Leipziger Commissionärs oder eines Mitgliedes des Börsenvereins, Gehilfen nur unter Bürgschaft ihres Principals, bez. des Leipziger Commissionärs desselben Bücher entleihen können. Nichtbuchhändlern ist die Benutzung der Bibliothek und ihrer Sammlungen im Expeditionslocale gestattet; zu einer Verleihung von Büchern an dieselben ist jedoch die Genehmigung des Ausschusses erforderlich. Die Ausleihung von grössern und kostbaren Werken, von Seltenheiten, Handschriftlichem und Bestandtheilen der Sammlungen erfolgt nur bei bestimmt nachgewiesenen wissenschaftlichen oder gewerblichen Zwecken und unter specieller Genehmigung des Ausschusses. Für die Benutzung der Bibliothek und ihrer Sammlungen im Expeditionslocale wurde die Zeit an jedem Wochentage von 10 bis 12 Uhr Vormittags mit Ausschluss einer Ferienzeit vom 15. Juni bis 15. Juli bestimmt.

Inzwischen hatte sich das Bedürfniss immer fühlbarer gemacht, einen neuen, den nunmehrigen Gesammtbestand zunächst der eigentlichen Bibliothek verzeichnenden Katalog zu drucken, um durch Kenntnissgabe des Vorhandenen die Benutzung zu erleichtern. Nachdem dann die Bewilligung der erforderlichen Kosten durch Vorstand und Generalversammlung erfolgt war, konnte nach sorgfältigen Vorbereitungen der Druck des gegenwärtigen Katalogs beginnen, der alles bei Beginn der Drucklegung Vorhandene aufführt und ausserdem alle späteren Zugänge enthält, soweit solche immer bis zu Beginn des Satzes des betreffenden Bogens eingegangen waren. Die erste Ablieferung von Manuscript an Druckerei erfolgte Ende Februar 1884 und es enthalten demnach die späteren Bogen immer mehr neue Accessionen, als die

ersten.

die

Die natur- und sachgemässe Gliederung in zwei Theile: eigentliche Bibliothek und sonstige Sammlungen, musste auch für den Katalog massgebend sein, so dass das Verzeichniss der Sammlungen erst nach Erledigung des Bücherkatalogs zu einem besonderen Theile des ganzen Katalogs gestaltet werden wird. Diese Gliederung ist auch der Grund davon, dass manche kleinere Drucksachen, welche in dem Kataloge von 1869 und 1870 aufzuführen waren, zu einer Zeit also, wo die spätere Erweiterung noch nicht vorauszusehen war, jetzt ihres geringeren Umfangs wegen und weil sie keine selbstständigen Titel haben, in die Blattsammlungen

haben verwiesen werden müssen und aus diesem Grunde nun hier zu vermissen sind.

Bei der Aufnahme der Titel war bibliographische Genauigkeit selbstverständliche Bedingung. Ohne Zweifel kann es noch weiter gehende Wünsche und Ansichten geben; so könnte man die Angabe der Verlagsfirmen neben den Verlagsorten vermissen, könnte man vielleicht Bezeichnung des Umfangs nach Seiten- oder Bogenzahlen, oder auch eine präcisere Bezeichnung der Grösse wünschen denn die übliche Formatbezeichnung ist ja immerhin ungenau Gross-Quart kann grösser sein als Folio, Lexikon-Octav grösser als Quart u. s. w. aber es schien doch am besten, sich zu beschränken und bei dem bewährten Hergebrachten zu bleiben. Der den Plan der Bibliothek überhaupt genau umschreibende Grundgedanke des Katalogs ist von dem Vorsitzenden des Ausschusses für die Bibliothek, Herrn Dr. Kirchhoff, entworfen und von dem Ausschusse adoptirt worden. Nach diesem von Herrn Dr. Kirchhoff von Anfang an festgehaltenen Plane ist der Rahmen der Bibliothek, wie er in dem Katalog zum Ausdruck kommt,

die Geschichte des Buches und der Manipulationen mit demselben als materiellem Object.

Hieraus ergeben sich als Consequenz folgende Unterabtheilungen: die Schrift,

der Stoff,

die (materielle) Herstellung des Buchs,

der Handel mit dem Buche,

die Rechtsverhältnisse des Buchs und des Verkehrs
mit demselben,

die Annalen (Verzeichnung) des Buchs,
der Schutz (die Bewahrung) desselben.

Dieses System, dessen weitere Ausführung aus dem Inhalts-Verzeichnisse ersichtlich ist, soll auch für die der Bibliothek parallel laufenden Sammlungen in Anwendung kommen.

Dass eine Fachbibliothek nicht mechanisch nach einem herkömmlichen Schema an verschiedenen bibliographischen Systemen ist ja kein Mangel geordnet werden darf, dass jede begrenzte Fachbibliothek der Natur ihres Gegenstandes nach eine andre Behandlung, ein andres System verlangt, wenn man rationell verfahren will, ist wohl nicht erst zu beweisen. Sollte eine Begründung dieser Behauptung nöthig sein, so könnte darauf hingewiesen werden, dass auch anderswo, wo man, wie z. B. in Frankreich oder in Belgien, rigorös auf das herkömmliche Schema hält, der gleiche Gedanke hervorgetreten ist. Beispielsweise spricht sich

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hierüber der Adjunct der Stadtbibliothek von Antwerpen, Alphons
Goovaerts, in dem Vorwort des von ihm redigirten Katalogs der
Bibliothek Van der Straelen-Moons-van Lerius', eines Sammlers
von Schriften zur Geschichte Antwerpens, aus, für dessen Classi-
fication er ein besonderes System angenommen hat. Er habe es,
sagt er, immer unangenehm empfunden, dass man für die ver-
schiedenartigsten Bibliotheken immer nur ein einziges System in
Anwendung gebracht habe. In gewissen Fällen habe derjenige,
der einen Katalog anfertige, die Pflicht, die Intentionen des Samm-
lers zu ergründen, zu erforschen, welchen Plan der Besitzer bei
Anlage seiner Bibliothek verfolgt habe. Auf diese Art werde er
einen Specialkatalog herstellen, der Späteren, die sich mit dem
gleichen Gegenstande beschäftigen würden, als Rathgeber dienen
könne.. Beispielsweise fingen die Kataloge in der Regel mit Theo-
logie an und hier wieder unabänderlich mit Bibelausgaben. Das
wäre ja ganz gut für Sammlungen, welche sich speciell auf Theo-
logie bezögen, vor Allem für Bücherliebhaber, welche eine Samm-
lung von Bibelausgaben anlegen wollten. Wenn aber der Sammler
nur solche Bibeln besässe, die ihn speciell interessirten, sei es
wegen Seltenheit der Ausgabe, sei es, weil sie mit der Biblio-
graphie seines Landes oder seiner Vaterstadt zusammenhingen, so
wäre es nicht zu rechtfertigen, den Katalog einer werthvollen
Bibliothek mit einer Abtheilung der Literatur zu beginnen, für
welche der Sammler sich nur nebenbei interessirt habe und die
für ihn nie das Hauptobject gewesen sei.

Hauptprincip war möglichste Specialisirung, um Verwandtes
mit Verwandtem zusammenzubringen und so eine leichtere Über-
sicht, ein deutlicheres Bild zu erzielen.

Die Einordnung der Titel in die gegebenen Abtheilungen
und Unterabtheilungen hatte natürlich nach dem Inhalt, nicht
nach dem bisweilen irreführenden oder ungenauen Titel zu er-
folgen. Als besonders bezeichnende Beispiele von solchen irrefüh-
'renden Titeln führe ich an: A. G. Preuschen's Grundriss der typo-
metrischen Geschichte: das Buch hat mit Typometrie durchaus
nichts zu thun, gehört also auch nicht unter die Abtheilung:
Maassverhältnisse der Buchstaben, sondern bespricht den von dem
Verfasser erfundenen Landkartensatz; die Buchschriften des Mittel-
alters (von A. Auer), eine Schrift, die scheinbar unter Geschichte
der Schrift zu bringen gewesen wäre, in Wirklichkeit aber sich
auf die von Auer nachgeschnittenen Schriften bezieht und damit
unter Geschichte des Schriftschnittes gehört; Imm. Kant's Schrift
über die Buchmacherey, eine reine Streitschrift gegen Frdr. Nicolai,

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