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Die Großmächte. Die Militairmächte.

Die Verbindung der acht Mächte hat nach der Beendigung des Wiener 13 Congresses eine weiter dauernde Wirkung nicht geübt, dagegen haben die fünf Großmächte als natürliche Verbündete gemeinsam wichtige völkerrechtliche Fragen 1) der Neuzeit geordnet und ihre Thätigkeit den europäischen Staaten gegenüber läßt sich wenigstens einem völkerrechtlichen Tribunale vergleichen.

Unter ihnen sind als enger mit einander verbunden die s. g. drei Militairmächte, Preußen, Desterreich, Rußland hervorgetreten: die persönliche Freundschaft der Monarchen, die räumliche Lage der Staaten, namentlich die gemeinsame Betheiligung an dem Besize der polnischen Provinzen, sowie die bis vor Kurzem gleiche innere Staatsverfassung sind hierauf gewiß von Einfluß gewesen. 2)

Staatenbündnisse.

Eine in fich organisirte Verbindung bilden die Staatenbündnisse, welche 14 eine Vertretung und Anerkennung im völkerrechtlichen Verkehr beanspruchen. Dahin gehört der in Wien zu Stande gekommene deutsche Bund, welcher nach dem Aufhören der Union hier allein in Betracht kommt. Freilich ist die Darstellung der rechtlichen Verhältnisse der deutschen Bundesstaaten einer besonderen Disziplin, dem deutschen Bundesrechte zu überweisen, weshalb nur die speciellen Beziehungen Preußens im deutschen Bunde hervorzuheben sind, womit wir eine Erinnerung an Preußens Stellung im deutschen Reiche verbinden.

Preußen im deutschen Reiche.

Zur Zeit des Bestandes des heiligen Römischen Reiches war der König 15 von Preußen nicht bloß als Kurfürst von Brandenburg und Reichs-ErzKämmerer) beim Kurfürstencollegium betheiligt, sondern er hatte auch zahl

1) Einige dieser Fragen werden weiter unten berührt.

2) Troß der ausgesprochenen Verschiedenheit der Principien, ist man doch schließlich zu einer Entscheidung gekommen. Congresse zu Aachen, Troppau, Laibach, Verona; die grie dische Angelegenheit. — Die Europäische Pentarchie und die darüber erschienenen Streitschriften. De Pradt, l'Europe après le congrès d'Aix-la-Chapelle. Paris 1819. Chateaubriand, le congrès de Verone. Paris 1838.

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3) In der zweiten Abtheilung des Buches sind die Grundgeseze des deutschen Bundes und die seiner Beschlüsse zusammengestellt, welche auch auf preußische Verhältnisse einen Einfluß üben oder geübt haben.

4) Daher führte Preußen den Scepter im Wappen; Kurfürst Friedrich II. nahm ihn 1466 in sein Wappen auf, bei der Neubildung desselben (1817) wurde er fortgelassen. Gleich den sächsischen Kurschwertern hat er sich bis in die neueste Zeit als Zeichen des Porcellans der Königl. Manufactur erhalten. Neuerdings scheint er wieder in Gebrauch zu kommen: Königliches Privateigenthum wird gezeichnet mit einem Wappen, dessen Mittelschild den preußischen schwarzen Adler, dessen quadrirtes Hauptschild den Kurscepter, den brandenburgischen Adler, den nürnbergischen Löwen und die hohenzollernschen Farben zeigt.

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reiche Stimmen im Fürstencollegium 1), selbst in den fränkischen und westphälischen Grafenkollegien 2). Thatsächlich war Brandenburg auch das Haupt der Evangelischen in Deutschland, seit Kur-Sachsen zur katholischen Kirche zurückgekehrt war, obgleich diesem das Directorium des Corpus Evangelicorum auf dem Reichstage verblieb. Nach Auflösung des deutschen Reiches bildete die Mehrzahl der deutschen Fürsten unter Napoleons Protectorate den Rheinbund, dem Preußen nicht beitrat. Für kurze Zeit nur bestand ein durch die Noth der Umstände gebotener Anschluß an Frankreich; das mit Rußland zu Kalisch geschlossene Bündniß eröffnete die Verbindung der europäischen Staaten gegen Frankreichs Oberherrschaft 3). Den blutigen Kämpfen folgte der Frieden; eins seiner Resultate war die deutsche Bundes - Acte vom 8. Juni 1815.

Preußen im deutschen Bunde.

Durch die deutsche Bundesacte vereinigten sich die souverainen Fürsten und freien Städte Deutschlands zu einem beständigen Bunde, dem deutschen Bunde, dessen Organisation die beiden Grundverträge, die schon erwähnte Bundesacte vom 8. Juni 1815 und die f. g. Wiener Schlußacte vom 15. Mai/8. Juni 1820, näher bestimmen.

Preußen gehört zu denjenigen Staaten des Bundes 4), welche neben den eigentlichen Bundesländern auch noch bundesfreies Gebiet besigen, indem es ursprünglich dem Bunde nur mit seinen gesammten, vormals zum deutschen Reiche gehörigen, Besizungen beitrat, nach der Erklärung vom 4. Mai 1818 5) namentlich mit den Provinzen Pommern, Brandenburg, Schlesien, Sachsen, Cleve-Berg und Niederrhein. 1848/1849 wurden indessen auch die Provinzen Ost- und West-Preußen, das Königreich Preußen im engeren Sinne und der überwiegend deutsche Theil der Provinz Posen (Demarkationslinie) in den deutschen Bund aufgenommen; die Angelegenheit wartet wohl noch einer erneuten Prüfung und Ordnung ").

Rechte.

Das Organ des deutschen Bundes, die Bundesversammlung, der Bundestag in Frankfurt a. M., besteht aus den Bevollmächtigten der betheiligten Staaten und bildet nach Verschiedenheit der zur Berathung vorliegenden

1) Die lezten Festsetzungen hierüber enthält der §. 32. des Reichsdeputations-Hauptschlusses vom 25. Februar 1803.

2) Moser, Grundriß der Staatsverfassung des teutschen Reichs IV. 12. §§. 5. 6. 3) Preußens Bemühungen für das Zustandekommen einer Einheit weisen Klüber's Akten, besonders Band II. nach. Das Wiedererscheinen Napoleons beschleunigte bekanntlich den Abschluß.

4) Außerdem Desterreich, die Niederlande, Dänemark, früher auch England wegen. Hannover.

5) Protokolle der D. B.-V. 1818. §. 105.

6) Stenographischer Bericht der Verhandlungen der zweiten Kammer 1849 50 S. 1821 ff. und 2643 ff.; von Voigts-Rheß, Denkschrift über die politische Stellung der Provinz Posen. Berlin 1849.

Gegenstände entweder das Plenum mit neun und sechzig Stimmen, wovon Preußen vier zustehen, oder den engeren Rath mit siebzehn Stimmen, von denen Preußen eine führt. Der letztere faßt seine Beschlüsse nach einfacher Stimmenmehrheit, im ersteren sind zwei Drittheile der Stimmen zum Zustandekommen eines Majoritätsbeschlusses nöthig. Indessen beschränkt der Kreis der Gegenstände, über welche die Bundesversammlung in dieser Weise beschließen kann, sich lediglich auf die Fälle, wo bereits feststehende allgemeine Grundsäße in Anwendung oder beschlossene Geseze und Einrichtungen zur Ausführung zu bringen sind. Außerdem aber, also bei den an sich wichtigsten Fällen 1), ist zu jedem Beschlusse Stimmeneinhelligkeit erforderlich. Erwägt man ferner, daß die einzelnen Bevollmächtigten am Bundestage von ihren Committenten unbedingt abhängig und an deren Instruktionen gebunden sind 2) und daß die Bundesbeschlüsse erst durch die Publikation seitens der Staatsregierung für die Unterthanen gesetzliche Kraft erhalten, so muß man diese f. g. Bundesbeschlüsse ihrem innern Wesen nach durchaus als Verträge ansehen, weshalb sie auch in der zweiten Abtheilung dieses Buches ihren Plaß gefunden haben 3).

Leistungen.

Zu dem Bundesheere von zehn Armeecorps stellt Preußen das vierte, 18 fünfte und sechste, sechs Divisionen. In der Bundesfestung Luremburg besteht die Garnison zu zwei Drittheilen aus preußischen, zu einem Drittheile aus niederländischen Truppen, Gouverneur und Commandant werden von Preußen ernannt).

Die Besazung der Bundesfeftung Mainz wird im Frieden durch ein Bataillon großherzoglich hessischer und durch eine gleiche Zahl preußischer und österreichischer Truppen, im Kriege aus einem Drittel preußischer, einem Drittel österreichischer und einem Drittel gemischter Bundestruppen gebildet). Der Gouverneur und der Commandant werden von fünf zu fünf Jahren abwechselnd von Oesterreich und Preußen ernannt, so daß, wenn Desterreich

1) Artikel 7. der Bundesakte, Art. 10-15. 64. der Schlußakte. Man darf vielleicht unterscheiden zwischen der legislativen und administrativen Thätigkeit der Bundesversammlung: zur ersteren gehört Stimmeneinhelligkeit, zur andern genügt Stimmenmehrheit.

2) Art. 8. der Schlußakte.

3). Diese Auffassung wird bestätigt durch die Einsicht der Protokolle über das Zustandekommen dieser Beschlüsse. Uebrigens hat der Bundestag einen sehr erheblichen Theil seiner Beschlüsse nicht producirt, sondern er hat die ibm fertig vorgelegten Resultate anderweiter Berathungen nur durch das formelle Hinzutreten seiner Zustimmung zu s. g. Bundesbeschlüssen erhoben. In diese Kategorie gehört namentlich auch die Wiener Schlußakte, welche, unterm 15. Mai 1820 auf den Ministerialconferenzen in Wien vereinbart, in der Sißung des Bundestages vom 8. Juni desselben Jahres durch Plenarbeschluß angenommen wurde. Protokolle d. d. B.-V. IX. 9.

4) Verträge vom 31. Mai 1815, 8. November 1816, 12. März 1817, Frankfurter Territorial-Receß vom 20. Juli 1819. Art. 35-37.

5) Vertrag vom 30. Juni 1817, Frankfurter Territorial-Receß Art. 15. 16. 20-23. 38.

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den Gouverneur bestellt, Preußen den Commandeur bestimmt. Die Artilleriedirektion gebührt Oesterreich, die Geniedirektion Preußen.

Bei Geldumlagen zu Bundeszwecken trägt Preußen nach der Matrikel von 1842 zu 30,000 FI. 7905 Fl. 7 Kr. bei 1).

1848.

Die Stürme des Jahres 1848 warfen den in der öffentlichen Meinung nicht eben beliebten Bundestag 2) über den Haufen; das Vorparlament, die frankfurter National-Versammlung drängten ihn in den Hintergrund, und unterm 12. Juni 1848 schloß die Bundesversammlung auch formell ihre Thätigkeit, indem sie Namens der deutschen Regierungen die Ausübung ihrer Befugnisse und Verpflichtungen an die provisorische Centralgewalt, den Erzherzog Reichsverweser, übertrug 3). Als die frankfurter Versammlung sich auflöste, ohne daß das hohe Ziel ihres Zusammentritts erreicht war1), versuchte Preußen durch Bildung des Dreikönigsbündnisses vom 26. Mai 1849, der Union), nach Abtritt der beiden mitbetheiligten Königreiche, eine kräftigere Verbindung Deutschlands herbeizuführen), während Oesterreich mit seinen Verbündeten die Wiederbelebung des Bundestages, der versuchsweise als ein fait accompli etablirt werden sollte, anstrebte. Mitten inne stand die an Stelle des Reichsverwesers getretene neue provisorische Bundes-Centralcommission). Fast schien es, als würde diese Concurrenz, welche in dem hessischen Verfassungsstreite collidirte, zum Kampfe auf dem Schlachtfelde führen; allein durch die Olmüßer Convention zwischen Preußen und Oesterreich wurde der Streit der Diplomatie überwiesen. Die Dresdner Konferenzen wurden gehalten; ihre Resultate sind nicht öffentlich geworden, doch das Eine steht fest: im Mai dieses Jahres ist der Bundestag in Frankfurt wiederum in der alten Weise zusammengetreten®).

1) Desterreich 9430 Fl. 33 Kr., Lichtenstein 5 Fl. 31 Kr. Nach dem Beitritte der Provinzen Posen und Preußen wird sich allerdings das Zahlenverhältniß ändern.

2) Eine scharfe Kritik desselben in den Erläuterungen zu den Vorlagen der Regierung über die deutschen Verfassungsangelegenheiten. Sigung der 2. Kammer vom 25. August 1849. 3) Zachariä (in Göttingen), die Rechtswidrigkeit der versuchten Reactivirung der im Jahre 1848 aufgehobenen deutschen Bundesversammlung. Göttingen 1850.

4) Die deutsche National-Versammlung von R. Haym. Berlin, 1850. Jürgens, zur Geschichte des deutschen Verfassungswerkes 1848-1849. Braunschweig, 1850.

5) Aktenstücke, betreffend das Bündniß vom 26. Mai und die deutsche VerfassungsAngelegenheit. Berlin, 1849. Fol. (Amtlich.) Dr. W. Adolf Schmidt, Preußens deutsche Politik. Die drei Fürstenbünde 1785, 1806, 1849. Berlin. Desselben Geschichte der preußisch-deutschen Unionsbestrebungen seit der Zeit Friedrichs des Großen. Berlin, 1851.

6) Der Verwaltungsrath trat am 18. Juni 1849 in Thätigkeit: auch das provisorische Schiedsgericht trat um dieselbe Zeit in Erfurt zusammen.

7) Uebereinkunft zwischen Preußen und Oesterreich vom 30. September 1849 in den amtlichen Aktenstücken zur deutschen Frage. (I. Provisorische Bundes-Commission. II. Verhandlungen mit den dem Bündnisse vom 26. Mai nicht beigetretenen Regierungen. III. Verhandlungen des Verwaltungsrathes.) Berlin, 1849.

8) Zwei positive Resultate sind uns von dem frankfurter Parlamente und der Union geblieben: die allgemeine deutsche Wechselordnung vom 26. November 1848 welche durch

II. Verträge über Fragen des Völkerrechts.

Die heilige Allianz.

Unter dem 26. Auguft/14. Septbr. 1815 erließen die verbündeten Monarchen 20 Preußens, Desterreichs und Rußlands von Paris aus jene Erklärung, die unter dem Namen der heiligen Allianz bekannt ist. Sie unterscheidet sich nach Form und Inhalt wesentlich von den sonst üblichen Verträgen und Allianzen. Die Fürsten selbst haben sie unterzeichnet und geloben darin, sich unter einander als Brüder zu betrachten, ihren Völkern aber Väter zu sein. Die Länder Preußen, Desterreich und Rußland, drei Zweige Einer großen Familie, werden von ihnen regiert im Auftrage des Höchsten, dem allein das chriftliche Volk gehört. Das Christenthum wird für sie die einzige Richtschnur ihren Völkern und den auswärtigen Staaten gegenüber sein ). Alle europäischen Regierungen, mit Ausnahme des Pabstes und des Sultans, wurden eingeladen, diesem Vertrage beizutreten 2).

Obgleich die Monarchen diese Erklärung als eine vertragsmäßige auffaßten 3), und der Inhalt derselben, wenn seine allgemeine Fassung der bestimmten, unbestrittenen Firirung fähig wäre, einen großen Einfluß auf die gesammte Gestaltung des Völkerverkehrs geübt haben würde, so hat doch die heilige Allianz, welche der Aachener Congreß wiederholte, solche Wirkungen nicht gehabt. Nach der neueren Sprachweise dürfte sie als ein Glaubensbekenntniß der höchsten politischen Marimen oder aber als ein Gelübde1) der hohen Stifter zu bezeichnen sein, das zwar historische Bedeutung, nicht aber praktische völkerrechtliche Wirksamkeit hat 5).

das Gesez vom 4. Februar 1850 in Preußen eingeführt ist, und der bis jest sämmtliche sächsische Staaten, Hannover, Württemberg, Hessen, Braunschweig, Mecklenburg, Nassau, Oldenburg, Schwarzburg, Waldeck, Reuß, Lippe-Detmold und die freien Städte beigetreten find, Handelsarchiv 1850. S. 1. und die Erklärung der zur Union gehörenden Regierungen vom 6. Septbr. 1850 über die Außerkursseßung von Papiergeld. Ein lehrreicher Fingerzeig für Politiker, auf welchem Felde es dankbare Arbeit giebt.

1) Litteratur bei Klüber Vr. §. 146.

2) Sie traten mit Ausnahme Englands sämmtlich bei: der Prinz-Regent lehnte den Beitritt allein aus dem formellen Grunde ab, weil die Akte vom 26. September 1815 von den Souverainen unmittelbar geschlossen und gezeichnet sei, während die englische Verfassung verlange, daß die Verträge durch einen verantwortlichen Minister unterzeichnet werden. Cussy III. 202.

3) Es heißt: Les trois monarques contractans. Heffter rechnet die h. Allianz zu den Freundschaftsbündnissen.

4) So Lancizolle über Königthum und Landstände in Preußen (Berlin 1846.) S. 82. 5) Die Urkunde der h. Allianz ist in der Gesez-Sammlung, die die Documente jener Zeit ziemlich vollständig giebt, nicht abgedruckt: es ist dies hier geschehen, weil sie mehr genannt als gekannt wird, und man so geneigt ist, ihr möglichst viel Uebles nachzusagen, namentlich bemüht man sich, in ihr die Grundlage einer Reihe späterer illiberaler Maßregeln zu finden, während aus der Zeit ihres Erlasses und von ihren Stiftern die Verordnung über die zu bildende Repräsentation des Volkes in Preußen und die erste Verfassung für das neugebildete Königreich Polen herrühren. Da fie völkerrechtliche Principien wenigstens ausspricht, war sie hier zu erwähnen.

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