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wobei jeder Gesandte den in seiner Landessprache abgefaßten Tert unterzeichnet1).

Quelle ¤.

Die Quellen, aus denen die Terte der Staatsverträge zu schöpfen sind, zerfallen in officielle und ihnen gleich zu achtende, und nicht officielle. Zu den. erstern gehören die Mylius'sche Edicten-Sammlung, die Gesez-Sammlung, die Amtsblätter, die Ministerialblätter, das Handelsarchiv, die Staatszeitungen und die namentlich in früherer Zeit üblichen Staatsschriften, zu denen seit Einführung der constitutionellen Staatsform die den Kammern seitens der Ministerien vorgelegten Denkschriften gekommen sind 2). Die andern sind theils einzelne Schriften geschichtlichen oder politischen Inhaltes, namentlich auch die Zeitungen, theils Urkundensammlungen. Von den Geschichtsschreibern ist vorzugsweise Pauli zu nennen, auf andere wird bei Besprechung einzelner Verträge hingewiesen werden. Von den allgemeinen Urkundensammlungen kommen hier in Betracht vie Werke von Dumont und Rousset, von Lünig, Schmauß, Wenck, Martens und seinen Fortseßern. Spe, ciell auf Preußen beziehen sich die Regesten von Raumer), so wie sein Codex diplomaticus Brandenburgensis, die Arbeiten von Oelrichs, Gerfen und Niedel. Specialsammlungen über einzelne Materien werden an den betreffenden Orten angegeben werden; eine Sammlung im Sinne des vorliegenden Buches ist noch nicht vorhanden ).

Hülfswissenschaften.

Zur Würdigung der einzelnen Verträge ist es nöthig, sie in dem Zusammenhange zu betrachten, in dem sie sowohl mit der allgemeinen politischen

aux Grand-Vizirs ont été écrites en langue latine, mais du depuis on a commencé à écrire à la Porte Ottomane en françois, parceque le Sieur de Dietz assure, que les Turcs entendent encore moins la langue latine que la françoise et qu'ils se font tout traduire. Das diesseitige Eremplar des Vertrags mit der Türkei vom 22. März 1761 ist in italienischer Sprache abgefaßt, welche man wohl noch heutigen Tages als die Verkehrssprache der Levante ansehen kann.

1) Beim Abdrucke der Verträge habe ich stets den französischen oder deutschen Originaltert oder officielle Uebersehung gegeben mit einziger Ausnahme des eben erwähnten Vertrags mit der Türkei vom Jahre 1761.

2) Die Titel der bezeichneten Werke sind in der voraufgehenden Erklärung der gebrauchten Abkürzungen näher angegeben.

3) Regesta historiae Brandenburgensis. Chronologisch geordnete Auszüge aus allen Chroniken und Urkunden zur Geschichte der Mark Brandenburg von Georg Wilhelm von Raumer. I. Band bis 1200. Berlin 1836. 4. Leider scheint diese verdienstliche Arbeit nicht fortgeführt zu werden.

4) Verzeichnisse von Specialsammlungen für einzelne Länder findet man in dem von Ompteda-Kampß'schen Werke über Litteratur des Völkerrechts, bei Mirus II., S. 95. Martens Manuel diplomatique, S. 584. Für Preußen pflegt nur die Sammlung der Staatsschriften des Grafen Herzberg angeführt zu werden: sie beschränkt sich auf den Zeitraum von 1756-1790.

Lage des Staates überhaupt als auch mit den speciellen Verhältnissen stehen, in welchen zur Zeit des Abschlusses beziehungsweise gegenwärtig die einzelnen darin behandelten Fragen sich befunden haben oder noch befinden. So bieten sich die Geschichte und die Statistik in ihrem weitesten Umfange als vorzügliche Hilfsmittel bei dem Eingehen in einzelne Verträge dar '). Außerdem berühren sie in größerer oder geringerer Ausdehnung das vaterländische Staatsrecht 2), die Staatsverwaltung, überhaupt das practische Gebiet der Staatswissenschaften: namentlich ergänzen sie das Völkerrecht), durch welches sie hinwiederum erläutert werden. Die Kenntniß dieser Disciplinen ist daher wesentlich förderlich bei dem Studium der Preußischen Staatsverträge. Zum Verständniß der Originalterte ist die Bekanntschaft mit der deutschen Sprache, auch in ihrer ältern Gestalt, so wie mit dem Lateinischen, Italienischen und Französischen erforderlich. 1)

Principien.

Staatsverträge sind ihrer Natur nach mehr oder minder offene Ausdrücke 8 der von einer Regierung angenommenen Politik. Es liegt nicht in der Aufgabe dieses Werkes, in den verschiedenen Staatsverträgen die politischen Principien der preußischen Staatsregierung aufzusuchen; dies wäre vielleicht das Thema der besondern Geschichte der preußischen Diplomatie. Allein auf drei überall hervortretende Grundsäße der preußischen Politik gestatten wir uns hier hinzuweisen: in den einzelnen Staatsverträgen selbst wird man dafür die zahlreichsten Beläge finden.

1) Nach dem Zwecke der vorliegenden Arbeit muß davon abgesehen werden, die Verträge mit umfassenden historischen Einleitungen oder mit kritischen Erläuterungen zu begleiten; dagegen ist an einzelnen Stellen auf die bezügliche Litteratur hingewiesen worden zum Dienste derer, welche auf eine Specialität näher eingehen wollen. Als wichtige vaterländische Geschichtswerke sind hier nur zu nennen: Geschichte des preußischen Staates von Gustav Adolf Harold Stenzel. Bd. I–IV. (bis 1756). Hamburg 1830-1851. Manso, Geschichte des preuß. Staates vom Frieden zu Hubertsburg bis zur zweiten Pariser Abkunft. Drei Bånde. 3. Ausgabe. Leipzig 1839. Menzel, Zwanzig Jahre Preußischer Geschichte 1786-1806. Berlin 1849. Neun Bücher Preußischer Geschichte von Leopold Ranke. Drei Bände. Berlin 1848, gehen bis Friedrich II. einschließlich.

2) Bei dem Preußischen Staatsrechte ist auf Simon hingewiesen worden, der ein reiches Material zwar nicht verarbeitet, doch aber zusammengetragen hat. Von den Darstellern des deutschen Staatsrechtes sind der gründliche, litteratur- und notizenreiche Klüber, der geschmeidige Maurenbrecher und der Meinungen sammelnde Zachariả neben einander zu Citaten benußt worden.

3) Außer den ältern Werken über dasselbe ist vorzugsweise auf Klübers Völkerrecht, Ausgabe von Morstadt, auf Heffters saubere Arbeit, hie und da auf Oppenheims Raisonnements Bezug genommen.

4) Zu den bekannten Beispielen, welche zur Achtsamkeit auf die Ausdrucksweise mahnen (der Pyrenäische Friede, Heffter S. 388. Not. 3., der Art. 5. des Pariser Friedens vom 30. Mai 1814, das jusqu'à la mer enthaltend, Klübers Staatsr. §. 571.) findet sich auch in den Preußischen Staatsverträgen ein kleiner Beitrag. In dem Art. 15. der KartelConvention mit Rußland vom 17/29. März 1830 lauten die Worte des französischen Tertes: ou qui sont accusés ou prévenus d'en avoir commis un (sc. délit criminel)" in dem deutschen „oder eines solchen angeschuldigt oder verdächtig sind“,

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In dem völferrechtlichen Verkehre bringt Preußen die zuvorkommendste Reciprocität zur Anwendung ohne engherzige Berechnung '). Dabei ist seine Politik eine wesentlich deutsche 2). Und obgleich der höchste Inhaber der Staatsgewalt einer bestimmten Confession zugethan ist, so hat doch keine Regierung die preußische in der thatsächlichen Gleichstellung der christlichen Glaubensbekenntnisse übertroffen 3).

Eintheilung des Stoffes.

Bei den Lehrern des Völkerrechtes findet man verschiedene Versuche einer Eintheilung der Staatsverträge 1); ohne hier die Eintheilung theoretisch begründen zu wollen, ordnen wir das in Betracht kommende Material nach zwei Rubriken, indem wir unterscheiden: Verträge zur unmittelbaren Erreichung, zur Ordnung positiver einzelner Angelegenheiten, im Gegensage von Verträgen allgemein politischen Inhaltes, sei es nun daß dieser Inhalt an sich ein allgemeiner ist oder daß die darin erledigte specielle Frage eine allgemeinere, völkerrechtliche Bedeutung hat. Die leßtern werden den erstern in der Darstellung voraufgehen.

1) Dies Princip beweist fast jeder Vertrag, bei verschiedenen Gelegenheiten ist es auch geseßlich ausgesprochen worden. S. die Cabinetsordres vom 11. April und 20. Juni 1822, 28. Decbr. 1836, §. 38. der Verordnung vom 11. Juni 1837 über den Schuß gegen den Nachdruck.

2) Auf weltgeschichtliche Thatsachen aufmerksam zu machen, erachte ich für überflüffig. Aber daneben hat auch die Preußische Regierung in der innern Verwaltung das zur Wahrheit werden lassen, was es mit den übrigen deutschen Regierungen den Unterthanen der deutschen Bundesstaaten versprochen hat. Beispielsweise sichert der Art. 18. der deutschen Bundesacte den lehtern die Freiheit der Auswanderung und des Erwerbes von Grundeigenthum innerhalb der Bundesstaaten zu. Diese Bestimmungen kommen in Preußen zur unbedingtesten Anwendung: dagegen wird in einem angrenzenden deutschen Königreiche der Civilbefiz des Grundeigenthums von der Beibringung der gestatteten Niederlassung in der Gemeinde und der damit erworbenen Staatsangehörigkeit abhängig gemacht, während Auswanderern der Auswanderungsconsens verweigert wird, so lange sie Grundeigenthum im Staate besigen. 3) Zu derselben Zeit, wo der römische Stuhl die liberalitas und clementia des Königs von Preußen gegen die Unterthanen katholischen Glaubens rühmte, durften die Protestanten in Wien sich nicht der Glocken zum kirchlichen Gebrauche bedienen. Pauli sagt von Kurfürst Joachim II.: „Er drückte nicht die Lutheraner, da er noch ein Papist war. Er kränkte nicht die Papisten, da er lutherisch geworden." Hierin liegt das Princip der preußischen Regierung in Glaubenssachen. Wenn auch die Wirkungen desselben sich zunächst auf das innere Staatsrecht beziehen, so sind sie doch auch für die Verhältnisse zum Auslande von hoher Wichtigkeit.

4) Heffter S. 138.

Erste Abtheilung.

Uebersicht der Materien.

Erster Abschnitt.

Politische Verträge überhaupt.

I. Bündnisse.

Allgemeine Friedens- und Freundschafts-Verträge.

Der Verkehr unter den civilisirten Völkern der Erde findet in dem 10 Völkerrechte schon seine allgemeine Regeln: er wird durch dasselbe gesichert, auch ohne daß zwischen den verkehrenden Nationen darüber besondere Verträge geschlossen sind. Indessen bestehen zwischen den meisten Staaten ausdrückliche Versicherungen des Friedens und der Freundschaft 1), sei es nun, daß die Wiederherstellung des wirklich gestörten guten Einverständnisses, sei es, daß der Eintritt eines Staates in den Völkerverkehr überhaupt 2) oder die ersten diplomatischen Berührungen mit einem einzelnen Staate dazu eine Veranlassung gegeben haben. Dabei finden nicht selten Verabredungen über die Gewährung gegenseitiger Vortheile Statt: diese und andere specielle Festseßungen übertreffen für den vorliegenden Zweck die allgemeinen Zusagen bei Weitem an Wichtigkeit; sie sind die Hauptsache, bei ihrer Erwähnung wird auf jene mit hingewiesen werden.

Seit den großen Bewegungen der Freiheitskriege ist Preußen nur mit Dänemark in den Fall gekommen, sich an einem wirklichen Friedensschlusse zu betheiligen. Die Sache gehört als schwebende noch der Tagesgeschichte an: die bezüglichen Dokumente werden in der zweiten Abtheilung dieses Buches nachgewiesen werden 3).

1) Sind solche Verträge auf Zeit geschlossen, so dauern nach ihrem Ablaufe die auf dem Völkerrechte beruhenden Beziehungen fort; ein Beispiel giebt Brasilien. Eine hübsche Deutung des Ausdrucks „ewig“ bei Verträgen – ewiger Friede — bei Mably, Droit public de l'Europe II. p. 560.

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2) Beispielsweise in neuerer Zeit Merico, Brasilien; namentlich das Leßtere hat eine Menge von Verträgen geschlossen, das beste Mittel, seine Selbstständigkeit formell zu constatiren. 3) Vergl. das den Kammern vorgelegte Promemoria des Ministeriums des Auswärtigen über die dänische Angelegenheit vom 8. September 1849.

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Allianzen.

Bündnisse, Allianzen zur Erreichung bestimmter Einzelzwecke haben ihrer Natur nach nur eine vorübergehende Bedeutung. 1) Meist entstehen sie bei drohendem oder ausgebrochenem Kriege und sind von der höchsten Wichtigkeit zur Zeit ihres thatsächlichen Bestehens; allein sie finden ihr natürliches Ende in der Erreichung oder Vereitelung des vorgesteckten Zieles, oft auch in der Lockerheit des Bandes, das bei der ersten Probe schon reißt, wie die Geschichte hinlänglich lehrt.

Obgleich nicht immer in der Paragraphenform von Verträgen abgefaßt, haben im Staats- und Völkerleben der Neuzeit die Allianzen eine hohe Bedeutung, welche auf der Gemeinsamkeit der Interessen der mächtigsten Staaten Europa's beruhen; zur Orientirung möge hier genannt sein: die Erhaltung des politischen Gleichgewichts in Europa 2) und der damit verknüpfte Bestand der Großmächte, sowie die Bekämpfung des revolutionairen Elementes, 3) welches Staaten zu zerstören, nicht aber dauernd zu bilden vermag. 4)

Die jüngsten Allianzen.

12 Bei dem Kampfe gegen Napoleon traten als alliirte Mächte in den Vordergrund Preußen, England, Oesterreich, Rußland, ihnen schlossen sich die meisten übrigen Staaten Europa's als Verbündete an. 5) Der erste Friede mit Frankreich vom 30. Mai 1814 wurde von ihnen unterzeichnet, Spanien, Schweden und Portugal traten ihm ausdrücklich bei. Der Diplomatie des bourbonischen Frankreich gelang es, an den demnächst in Wien Statt findenden Verhandlungen sich zu betheiligen; man weiß, mit welchem Erfolge. Als ordnende Gewalten lassen sich auf dem Wiener Congresse drei Staatengruppen unterscheiden: die fünf Großmächte, die acht Unterzeichner des ersten Pariser Friedens, die deutschen Staaten. 6) Die Beschlüsse der erstern, gewiß von dem bestimmendsten Einfluß auf die Verhandlungen der beiden legtern, sind als solche nicht vollständig zur öffentlichen Kenntniß gekommen, die Resultate des Congresses der acht Mächte enthält im Wesentlichen die Wiener Congreßacte und die Ausarbeitung 7) der deutschen Bundesakte schließt das Werk der Bevollmächtigten der deutschen Staaten.

1) Schuß und Truzbündnisse, Defensiv- und Offensiv-Allianzen, Garantie-, Subsidienverträge: eine Aufzählung (bis 1800) bei Martens Cours diplomatique.

2) Artikel XVI. des Vertrags von Chaumont.

3) Die Unbestimmtheit des Ausdrucks wird vielleicht durch den gewählten Zusah ge. milbert: sie liegt in der Sache.

4) Als Correlate kann man daneben auf den Besißstand und die Legitimität hinweisen. 5) Verträge mit Rußland, Kalisch 28. Januar 16. Febr. ; mit Rußland und Oesterreich, Töplig 9. September 1813; England, Chaumont 1. März/17. Februar 1814; Allianz mit Oesterreich, England, Rußland, Wien 25. März, Paris 20. November 1815.

6) Klüber, Acten VIII., 71.

7) Der Artikel 6. des Pariser Friedens vom 30. Mai 1814 bestimmt: die Staaten Deutschlands werden unabhängig und durch ein föderatives Band vereinigt sein.

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