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wird, d. h. wenn die angegebenen Fahrzeuge zwölf oder noch mehr Stunden nöthig hatten, um die angeführte Truppenmasse von 12,000 Mann überzuseßen.

3) Aufstellung von fliegenden Brücken.

Die obigen Erörterungen zeigen, daß auch ohne zusammenhängende Brücke eine ansehnliche Heeresabtheilung in gewisser Zeit über den Strom gefeßt werden kann; sie zeigen aber auch die Unmöglichkeit, Pferde und Geschüße auf das andere Ufer zu schaffen, wenn man nur kleine Fahrzeuge zur Verfügung hat, und sie lassen die Schwierigkeit und den großen Zeitaufwand erkennen, wenn größere Schiffsgefäffe dazu verwendet werden sollen.

Hundert Zufälligkeiten können die kümmerliche Verbindung aufheben, welche die hin- und hergehenden Fahrzeuge unterhalten, die übergeseßten Truppen sind von dem Heer abgeschnitten, fast gänzlich vereinzelt. Erst die Herstellung der zusammenhängenden Brücke hebt diese Vereinzelung auf; aber sie kann am Oberrhein verhältnißmäßig sehr lange währen.

Bei dem Uebergang, welchen die französische Oberrhein-Armee im Jahr 1796 vollzog, wurde die Schiffbrücke erst 16 Stunden nach dem Abgang der ersten Einschiffung angefangen und 15 Stunden später vollendet; im Jahr 1797 begannen die Franzofen die Aufstellung der Schiffbrücke erst 13 Stunden nach dem Ueberseßen der Vortruppen; bei jenem Uebergang war demnach die Brücke erst 32, bei diesem 18 Stunden gangbar, nachdem die ersten Abtheilungen des französischen Heeres die deutschen Ufer betreten hatten. Wenn nun auch bei dem Uebergang von 1796 mehrere kleine Schiffbrücken über Rheinarme nicht mit militärischen Pontons hergestellt wurden; wenn heutzutage die Brückenzüge zweckmäßiger construirt und die Pontoniere viel besser eingeübt sind, als sie vor fünfzig Jahren waren, wird, abgesehen von allen übrigen Schwierigkeiten und zufälligen Hindernissen, die Herstellung einer Schiffbrücke bei ernster Gelegenheit auch heute noch nicht so schnell zu Stande gebracht werden. können, als man es bei Schauübungen zu sehen gewohnt ist1, und

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* Vom Jahre 1832 an haben die französischen Pontoniere öfters bei Kehl eine Schiffbrücke über den Rhein geschlagen. Der Rhein hat hier bei höherem Wasser

bei jeder gewaltsamen Ueberschreitung des deutsch-französischen Rheins werden sich Schwierigkeiten einstellen, welche den Zeits aufwand des ganzen Geschäftes auf verschiedene Weise und besonders auch dadurch vergrößern, daß erst geraume Zeit nach der ersten Landung am feindlichen Ufer die Schiffbrücke in den Hauptstrom eingefahren werden kann.

Um nun den gefährlichsten Zeitraum zu verkürzen, hat man von jeher auf Anstalten gedacht, welche eine schnellere Verstärfung der übergegangenen Truppen sichern und besonders das Heranbringen von Reiterei und Geschüßen vor Herstellung der Schiffbrücke erleichtern. Bei den angeführten Rheinübergängen haben die Franzosen fliegende Brücken verwendet, und diese haben dem Zweck sehr gut entsprochen.

Die fliegenden Brücken nehmen, wir haben es oben (Abschn. XVII. 8.) nachgewiesen, eine bedeutende Ladung auf; sie sind besonders zum Uebersehen der Pferde, Geschüße und Fuhrwerke geeignet, deren Aufstellung auf dem Brückenboden nicht den Schwierigkeiten unterliegt und nicht den Zeitaufwand verursacht, welche das Ein- und Ausschiffen innerhalb Bord gewöhnlicher Fahrzeuge so störend und unangenehm machen. Ist in einem nahen, der Brückenstelle zu Berg liegenden Altrhein alles gehörig vorbereitet, so kann, unmittelbar nach dem Abgang der ersten Einschiffungen, das Giertau geankert und die Brücke kann an dieses angehängt und in den Strom gebracht werden, sobald die Vorhut sich der Uferstelle, an welcher sie anlegen soll, bemächtigt hat.

Am deutsch-französischen Rhein ist die Strömung nirgend

stand eine Breite von 1270 Fuß. Die Brücken wurden aber, besonders im Oktober 1832, bei einem Wasserstande geschlagen, der so niedrig war, daß die Kiesbänke vor der Commissionsinsel als festes Ufer betrachtet und benützt werden konnten, und daß zwischen diesen und dem linken Ufer die Breite des Bettes nur 670 Fuß betrug. Ueber diesen Hauptarm brachten 491 Pontoniere die fliegende Brücke in 1,5 und die Schiffbrücke in 2,5 Stunden zu Stande, die Zeit von dem Augen. blick angerechnet, wo die Pontons, aus dem kleinen Rhein ausgegangen, an der Uebergangsstelle angekommen waren. Der Verfasser, welcher Gelegenheit hatte, diese Manöver zu sehen, muß der Gewandtheit und der Thätigkeit der französischen Pontoniere, sowie der Intelligenz ihrer Offiziere die verdiente Anerkennung zollen; aber er hat sich dennoch überzeugt, daß diese Uebungen durchaus keinen Maßstab für die Dauer des Geschäftes bei einem ernsthaften Uebergang bilden.

se schwach, daß das Steuerruder unwirksam oder das Gieren der Fahrzeuge unmöglich wäre. Es gibt sehr wenige Stellen, an welchen eine fliegende Brücke nicht aufgestellt und in Thätigkeit gesezt werden könnte; wohl aber möchte die Gestaltung der Ufer manchmal Anstände bereiten. Sind diese hoch und steil, so ist das Aufsteigen, besonders für Pferde und Fuhrwerke schwierig, sind sie niedrig und flach, so kann die gierende Brücke sie nicht erreichen. Diese Schwierigkeiten bestehen für alle größeren Fahrzeuge und sind nicht besonders hoch anzuschlagen. Denn eine steile Erdböschung ist in kurzer Zeit abgestochen und eine Landungsbrücke ist im tiefen Wasser mit geeigneten Fahrzeugen, im seichten mit Holz, im Nothfall mit Senkfaschinen sehr schnell hergestellt. Das Hinderniß kann nicht unvorgesehen eintreten, man kann die Arbeiten vorbereiten, das Material ist vorhanden, und noch we nigen fehlt es an Armen.

Um die Wirkung dieses Uebergangsmittels zu schägen, nehmen wir an, es solle die Breisacher fliegende Brücke bei einem gewaltsamen Uebergange benügt werden. Ist diese Brücke in einem geeigneten Rheinarme aufgestellt worden, und hat man sie unmittelbar nach Abgang der Vorhut in den Strom gebracht, und man nimmt an, daß die Aufstellung zwei Stunden erfordert, so wird sie erst drei Stunden nach der Landung der Vortruppen ihren ersten Transport an das andere Ufer bringen. Geht nun Fußvolk über, so wird sie für eine Fahrt nicht mehr als eine Viertelstunde verwenden und demnach in einer Stunde 1600 Mann überseßen. Da nun aber die freigehenden Fahrzeuge nach drei Stunden schon eine bedeutende Masse Fußvolks an das Land gebracht haben und dieselbe immerfort verstärken, so wird man die fliegende Brücke vorzüglich verwenden, um Reis terei und Artillerie an das andere Ufer zu schaffen. Wenn die Anfahrten zu der fliegenden Brücke auch ganz bequem find, so wird doch die Aufstellung dieser Waffen auf ihrem Getecke eine größere Zeit erfordern, als wenn Fußvolk übergesezt würde. Nehmen wir uun an, daß zu einer Fahrt nur 20 Minuten erfordert werden, so kann die fliegende Brücke in einer Stunde nicht mehr als 120 Reiter ober 8 Geschüße mit Bedienungsmannschaft und Bespannung überseßen. Natürlicher Weise kann man die Waffengattungen, welche mit der fliegenden Brücke übergesegt

werden sollen, nach den Umständen vertheilen. Nehmen wir an, man halte für nöthig, außer der Reiterei nach und nach zwölf Geschüße an das andere Ufer zu bringen, so wird die fliegende Brücke

8 Stunden nach der ersten Landung 450 Pferde und 12 Geschüße

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zu den Truppen an das andere Ufer gebracht haben. Dieß ist

aber schon eine sehr große Leistung.

4) Die Schiffleute und Führer der übergesezten Truppenabthei lungen.

In den meisten Strecken des deutsch - französischen Rheins wird die Vorhut des Angreifers ihren Zweck nicht erreichen, wenn sie nicht von vertrauten Leuten geführt wird, welche den Strom und dessen Ufergelände in all deren kleinen Einzelheiten kennen. Ohne solche Führer ist nicht nur jede Truppenabtheis lung, sondern fast jegliches Fahrzeug gar vielen widerlichen Zufällen preisgegeben: dieses kann, je nach dem Wasserstand, auffißen oder weit abgetrieben werden, es kann in falsche Kanåle eingehen oder die Mündung des rechten nicht erreichen, in jedem Falle die Zeit und den bestimmten Landungsplaß verfehlen und vereinzelt an dem feindlichen Ufer anlegen; die ausgeseßte Mannschaft aber kann sich in dem zerrissenen Ufergelände verwickeln, von ihrer Abtheilung getrennt und in gänzlicher Vereinzelung überfallen und aufgehoben werden.

Treten solche Zufälle schon bei hellem Tage ein, so sind sie unvermeidlich bei dunkler Nacht und in dem trügerischen Lichte des dämmernden Morgens, welcher in jeder Zeit des Jahres die Rheinniederung häufig mit einer mehr oder weniger dichten Nebelschichte bedeckt. Jede Strecke, welche die Vorhut hinter sich läßt, ist derjenigen ähnlich, die sie betritt, und jede ist ihr unbekannt, die natürlichen Hindernisse ändern fortwährend die Richtung des Marsches. Diese wird unsicher, zuerst können einzelne Leute nicht weiter, und bald bleibt die ganze Truppe stecken; sie weiß, daß der Feind nahe ist, aber sie weiß nicht, ob er vor ihr oder hinter ihr steht. Ist es dem Soldaten auch bekannt, daß eine andere Abtheilung, vielleicht nicht

tausend Schritte von ihm, sich in gleicher Lage befindet, so fühlt er, daß keine der andern helfen kann, und er glaubt sich ausgesezt und verlassen. Dieser Zustand kann gefährlich werden, in jedem Fall ist er sehr unheimlich. Die Empfindung des Einzelnen theilt sich der Masse mit und steigert sich eben dadurch zu jener Aengstlichkeit, welche das Auffassungsvermögen aller Einne beirrt. In der Dunkelheit oder im dämmernden Morgennebel erscheinen dem ruhigen Menschen alle Gegenstände größer, als sie wirklich sind, kömmt aber die Aufregung hinzu, so werden Maß und Gestalt zum Unkenntlichen verzerrt. Jeder Busch wird zum Wald, jede Schlut zum See, jeder Gießen zum Strom, jeder vereinzelte Damm wird eine Höhe oder ein großes Vertheidigungswerk, und hinter jedem steht ein überlegener lauern, der Feind. Die besten Offiziere, wenn sie auf dem unbekannten schwierigen Boden selbst unsicher sind, können die unheimliche Aufregung ihrer Leute nicht bannen und sind darum keiner Zus fälligkeit Meister.

Das Rauschen des Wassers, das Rascheln im Gestrüpp und in den Büschen, ein Schrei, ein zufälliger Schuß, jedes kleine Vorkommniß ist hinreichend, um die Besorgniß zu steigern und wohl auch um Schrecken bei sonst tapferen Männern zu erregen, die den breiten tiefen Strom hinter sich wissen und rings um sich die ungesehenen Feinde vermuthen. '

Das volle Tageslicht wird nun freilich die Nebel und die unheimliche Empfindung theilweis verscheuchen; man wird die wahre Lage der Dinge, die Richtung und die Objekte des Angriffes erkennen; aber die Soldaten haben vielleicht doch schon den romantischen Schwung vorloren, mit dem sie die Schiffe bestiegen, und an die Stelle des freudigen Muthes oder der abenteurenden Waghalsigkeit ist, wenn nicht Besorgniß, doch die Art der Ueberlegung getreten, welche den raschen rücksichtslosen

'Wir hatten bei obiger Schilderung vorzüglich junge Truppen im Auge, welche, wie die deutschen, keine Kriegserfahrung haben. Die Darstellung paßt aber allerdings auch für alte, versuchte Leute; man denke nur an den „panischen“ Schreck der französischen Soldaten am Abend des 20. April 1797 bei Diersheim. Solche, welche sich, wie z. B. die französischen Truppen unserer Zeit, häufig in ähnlichen für den Einzelnen noch viel gefährlicheren Lagen befanden, werden das Abenteuer freilich mit größerer Ruhe bestehen.

Deutiche Vierteljahrsschrift, 1855 Heft 1. Nr. LXIX.

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