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der Revolution wie von der Wissenschaft unternommen worden, und ist auf beiden Wegen von jeher an einer Grenze stehen geblieben, welche gewissermaßen in der physiologischen Beschaffenheit des Geschlechts sich darstellt und auf dieser Seite in dunkle und noch wenig sicher erkannte Regionen sich verliert.

Der Haushalt der untern Volksklassen ist ein ebenso abgeschlossener Begriff, nicht bloß geboten durch die Schranke ihrer politischen und socialen Stellung, sondern auch durch den Horis zont aller ihrer geistigen und materiellen Bedürfnisse, als es der Haushalt der in Genüssen und Bildung bevorzugten Reichen ist. Wenn die Einzelwirthschaft überhaupt der nothwendig bedingte Bruchtheil der Gesammtwirthschaft eines Volkes ist, so wirken auch in ihr die Hebel, in denen alle Trennungen der Gesellschaft sich bewegen, auf eine unendlich individualisirende Weise fort und geben der Gruppirung der Lebensverhältnisse ihren pittoresken Ausdruck, aber auch ihren scharfen Abstich von Licht und Schatten. Wie die Gemeinde den Staat in sich tragen und entwickeln muß, und in ihrer innersten Organisation immer auf denselben Principien steht, auf denen das ganze Staatswesen sich aufgebaut hat: so vollbringt sich auch in dem Wirthschaftsbetrieb jeder einzelnen Familie das Maß der materiellen und geistigen Dekonomie, das in der ganzen Gesellschaft waltet, und in allen seinen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten doch auf die Herstellung eines gewissen Gleichgewichts im Ganzen und Großen berechnet scheint.

Dieses Gleichgewicht, das die spekulative Philosophie in der Idee einer prästabilirten Harmonie des Weltalls zu erkennen gestrebt hat, vermag dem Leidenden und Entbehrenden freilich nicht als Genuß zu gut zu kommen, und wurde vom Socialismus und Communismus, die darüber auch mit allen auf das Jenseits gerichteten Tröstungen des Christenthums gebrochen haben, nur in einer radikalen Umwälzung und Austilgung aller bisher bestandenen gesellschaftlichen und menschlichen Zustände herzustellen gesucht. Socialismus und Communismus, welche wesentlich das System einer alle natürlichen und geistigen Unterschiede durcheinanderwerfenden Gleichmacherei sind, wollten stets nur eine phantastische Herrlichkeit aufbauen, die kaum zu einer Spanne Wirklichkeit auszureichen vermochte. Besonders aber war

diesen Systemen, sowohl in ihrem widerspruchsvollen principiellen Ausbau als in ihren unglücklichen Anwendungen, welche sie, wie im Anfang der französischen Februarrepublik, auf die Wirklichkeit gefunden, der Vorwurf zu machen, daß sie das Volk vernichteten, indem sie es in einer unterschiedslosen, jede Individualität aufhebenden Masse durcheinander kneten wollten.

Es ist dieß die eigentliche Schlußkritik, welche, auf so viele vorliegende Thatsachen gestüßt, mit allen socialistischen und communistischen Bestrebungen abgerechnet hat und uns mit denselben abgefunden seyn läßt, wie viel berechtigtes Leid der Gesellschaft und wie viel großes, zum Theil tiefsinniges Verständniß für dasselbe wir auch darin anzuerkennen haben.

Socialismus und Communismus werden zwar immer noch in neuen Verkleidungen und Erfindungen als Momente revolutionärer Epochen und gesellschaftlicher Auflösungen sich einfinden, aber sie sind jedesmal auch schon Symptome einer inneren Verendung der Revolution und helfen den Umschlag derselben zu ihrer Selbstvernichtung fördern. Die systematischen Maschinerien, welche Socialismus und Communismus ausgespannt haben, um die Rechte namentlich der untern Volksklassen zu sichern und zu befriedigen, lassen das Volk an sich selbst sterben. Es verliert in dieser mechanischen Gebundenheit und Nivellirung, in der es vor Arbeits- und Nahrungslosigkeit und sogar vor Zufall und Schicksal selbst bewahrt werden soll, zugleich die natürliche und schöpferische Freiheit seiner Bewegung, ohne die ein Volk kein Volk ist und durch die es allein den førterzeugenden Naturfern der Gesellschaft in sich bewahrt. Wenn das an den socialistisch-communistischen Block angeschlossene Volk die Fähigkeit der Leiden verliert, so genießt es auch seine Freuden und seine Rechte nur als Stallfütterung, und verlernt es, im Gebrauch seiner Kräfte den Kampf um höhere ideelle Güter des Daseyns zu sehen.

Das Volk ist derjenige negative Bestandtheil der menschlichen Gesellschaft, der außerhalb der Berechtigungen des Besizes und Standes stehen geblieben ist und, nicht getragen von diesen, seine bevorzugte Gemeinschaft organisirenden Banden, sich darauf angewiesen steht, auf lauter vereinzelten und bloßgestellten Punkten um die tägliche Eristenz zu kämpfen, wodurch es sich als

diese dunkel wogende Majorität von Arbeitenden und Leidenden in der Gesellschaft darstellt. Das Volk, das keinen Besiß und feinen Stand. an sich hat, kann diese Vortheile nur durch die Aubereitschaft seiner Hände ersehen, mit denen es in den unaufhörlichen Krieg des Erwerbes geht, der seine Cristenz nie sicher stellt, aber auch nie zu Grunde gehen läßt. Diese auf den Bivouac der Gesellschaft hinausgewiesene Masse, die vor den Schranken aller Stände sich umherbewegt, und an den Grenzen alles Besiges auf- und niederschweift, ist ein durch seine Leiden und seine Kraftaufwände stets unruhiges, und ohne Aussicht auf einen Friedensschluß kämpfendes Element der Gesellschaft. Aber in dieser mühevollen Beweglichkeit durchzieht es mit der Frische eines Naturprocesses den gesammten Gesellschaftsorganismus, den es zu Zeiten gefährden und umwerfen zu können scheint, . der aber auch seinerseits die Aufgabe hat, sich mit jenem Element immer von neuem wieder zu vermitteln, es in seine Drganisation mehr und mehr hereinzuziehen und dadurch für sich selbst und seine von Zeit zu Zeit wankenden Grundlagen eine Erfrischung und Erneuerung aus der Natursubstanz jenes preisgegebenen Volkswesens zu gewinnen.

Nur in diesem Sinne kann sich uns hier, wo von den nationalökonomischen und socialen Lebensstellungen des Volkes die Rede seyn soll, der Volksbegriff selbst darstellen. Der historische Begriff des Volkes ist ein pcfitiver und allumfassender, weil es in ihm auf den schaffenden und handelnden Volksgeist selbst ankommt, in dem alle Stände gemeinschaftlich untertauchen und auf dessen Grunde sie die lebensfähigen Träger eines Nationalganzen sind. Der nationalökonomische Begriff des Volkes ist ein negativer, denn es vollbringt sich nach dieser Seite hin auf eine unabweisliche und verhängnißvolle Art die Zerseßung der Genüsse und Berechtigungen, von denen die bestehende Gesellschaft getheilt wird. Diese Zersezung, welche dem Genuß die Entbehrung, dem Behagen den Mangel gegenübergestellt hat, muß man jedenfalls als eine Thatsache an den uns umgebenden Zuständen, und als das eigentliche Lineament, durch welches den sogenannten untern Volksklassen ihr Charakter aufgedrückt worden, anerkennen. Die metaphysische Frage, ob die Welt nicht anders hätte geschaffen werden können und ob

sie ursprünglich die Nothwendigkeit dieser Theilung in Genuß und Entbehrung in sich schließt, soll mit unsern Untersuchungen ebenso wenig etwas zu schaffen haben als die Politik, in deren Systemen und Kämpfen es sich um die staatlichen Berechtigungen des Volkes und um Antheil oder Ausschließung bei den in der Staatsgemeinschaft ausgeübten Rechten handelt. Sollte an der Harmonie der Welt etwas verpfuscht seyn, so kann sie nicht durch die Pfuscher selbst wieder umgeschaffen und in ihre göttliche Ursprünglichkeit zurückgebildet werden. Die Auflösung des Staats in die Urpotenzen der Gesellschaft mag ein kühner Gedanke der Socialisten gewesen seyn, aber Garantien für Glück und Freiheit waren auf diesem Wege nicht ersichtlich, auf dem die Wirklichkeit der Menschennatur selbst Widerstand geleistet hätte, und wo die noch unentdeckten Gefeße der weltökonomischen Harmonie doch einen dunkeln und unverdaulichen Rest übrig gelassen haben würden. Politische Rechte müssen aber in den Gründen der Staatsgemeinschaft selbst wurzeln, in der sie ausgeübt werden sollen, und sie könnten für uns hier nur insofern in Betracht kommen, als ihre Entziehung oder Verkümmerung darauf hingewirkt, auch die materiellen Leiden des Volkes zu erhöhen und die Schranken, in denen es die Genußfähigkeit seines Daseyns einschließen muß, noch enger zu ziehen.

Mit dem Staat selbst wird aber jede sociale Reform Hand in Hand gehen müssen, und dann wird die Wirthschaftsreform der untern Volksklassen, welche die einzig noch übrig gebliebene praktische Seite des Socialismus ist, auch an den Gesezen, Einrichtungen und Hülfsquellen des Staats ihren unweigerlichen Antheil behaupten dürfen. Wenn der Socialismus, als das den Staat in die Gesellschaft auflösende Princip, zugleich das Volk als individuelles und nationales Gemeinwesen aufhebt und hinwegschwemmt, so muß man dagegen das Volk in seinen eigensten Zuständen und Gliederungen aufsuchen, um es zu erhalten und in aller seiner Lebens- und Genußfähigkeit neu zu entwickeln. Es ist eine Aufgabe der heutigen Zeit geblieben und mehr als je geworden, daß das Volk als Volk wieder erkannt und gepflegt werde, und zu diesem Ziel, das mit allen hohen Endzwecken des Staats und der Gesellschaft zusammenhängt, wird man nicht mehr durch idealistische Systeme und

Gedankenspiele, sondern lediglich durch eine unendlich praktische und realistische Beschäftigung mit den Bedürfnissen des Volkes, mit seiner Wirthschaft, seinem Hause, seinen Nahrungsmitteln, seinen Finanzen, seiner Bildung, seinem Unterricht, hingelangen können.

Die Wirthschaftsreform der untern Volksklassen, für welche in neuester Zeit manches Wesentliche unternommen und vorbereitet worden, muß in die bestehenden Zustände des Volkes hinabsteigen und an dieselben anknüpfen, nicht um sie mit einem einzigen radikalen Griff umzuwerfen und in einer ideellen und phantastischen Verklärung des Proletariats zu verflüchtigen, sondern um sie wahrhaft volksthümlich wiederzugebären, und in eine neue zur Höhe des allgemeinen Volksgeistes hinanschreitende Bildung eintreten zu lassen. Alle Zustände werden doch immer nur einer Verbesserung fähig seyn, und wenn diese Verbesserung aus der Anerkennung aller ideellen und sittlichen Berechtigung des Volkes und aus seinem eigensten Begriff heraus geschieht, so ist sie jedenfalls ein glückverheißenderes Werk, als die Verschüttung aller geistigen und realen Grundlagen des Volksdaseyns, um auf den Trümmern desselben eine noch nie dagewesene Herrlichkeit zu errichten. Mit dem plözlichen Aufbau neuer Herrlichkeiten wird es überhaupt immer seine besonderen Echwierigkeiten in der Welt haben, obwohl der Anlauf dazu sich einen Augenblick lang großartiger und idealer ausnimmt, als die rein praktische Hinüberführung des Volkes zu einer befriedigenden und würdigen Dekonomie und zu einem bloßen materiellen Gleichgewicht des Haushalts, mit dem zugleich seine geistige und sittliche Bestimmung gewahrt und gepflegt werden soll.

Es muß aber auch als ein neuer Anhauch historischer Werdekraft für die unteren Volksklassen erscheinen, wenn es den neuerdings auf verschiedenen Seiten begonnenen Bestrebungen gelingt, den wirthschaftlichen Einrichtungen des Volkes leichtere, schönere und auskömmlichere Formen zu geben. Die Erziehung des Menschengeschlechts muß heut auch eine materielle seyn, um eine ideelle, politische und religiöse werden zu können. In befriedigten materiellen Zuständen blüht die Volksidylle wieder in ihrer natürlichen Unschuld und Hoheit auf, und athmet

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