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und Forderungen, die im Frankfurter Archiv nicht eingetragen sind, oder Verfügungen und Befehle, die hier verschwunden sind. So ist z. B. die wichtige Bücher-Taxe, mit welcher in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts der deutsche Buchhandel heimgesucht werden sollte, in vielen Schriftstücken erwähnt, indessen in keinem der von mir bisher besuchten Archive aufbewahrt. Sie muß sich in Wien finden. Ich weiß noch nicht, ob ich in diesem Jahre dahin gelangen werde, aber über das Jahr 1882 hinaus kann ich meinen Besuch in Wien nicht verschieben.

Ich hoffe nämlich im nächsten Jahre an die Ausarbeitung des ersten Bandes meines Werkes denken zu können. Aber je weiter ich in meinen Studien fortschreite, desto mehr drängt sich mir die Ueberzeugung auf, daß es mir nicht möglich sein wird, die große Aufgabe ganz allein zu bewältigen, und daß ich der Hülfe tüchtiger Mitarbeiter bedarf. Ich habe mich deshalb auch im vergangenen Jahre nach neuen bewährten helfenden Kräften umgethan. Für die unmittelbar auf die Erfindung der Buchdruckerkunst folgende Zeit hat mir Herr Dr. A. van der Linde in Wiesbaden, der be= rühmte Verfasser des „Gutenberg", seine Beihülfe zugesagt, während Herr Dr. W. Lewis, Professor an der hiesigen Universität, so freundlich war, mir seine Beihülfe für die Abschnitte über das Recht der Presse und Unrecht des Nachdrucks zuzusagen. Da ich mit diesen Herren in meiner Auffassung der betreffenden Fragen ganz übereinstimme, während ihre Arbeit sich dem Ton des Ganzen einordnet, so kann das spätere Werk durch diese Arbeitstheilung nur gewinnen.

Schließlich möchte ich mir erlauben, Ihnen noch einen Wunsch ans Herz zu legen, dessen Erfüllung meiner Arbeit in hohem Grade zu Gute kommen würde. Er betrifft die Fortseßung der Auszüge aus den Meß-Katalogen bis auf die Gegenwart. Ich kann nicht dankbar genug anerkennen, welch sichern Führer und starken Anhalt mir der Schwetschke'sche Codex Nundinarius bietet (1564 bis 1846). Wäre es nun nicht angezeigt, wenn er mit dem Jahre 1870, als dem äußern Abschluß unserer wiedergewonnenen politischen Einheit schlösse, damit man aus ihm das statistische Facit der bisherigen buchhändlerischen Entwicklung ziehen kann? Für die Jahre 1847 und 1848 habe ich, an Schwetschke mich anschließend, die Auszüge aus den betreffenden Katalogen anfertigen

lassen; die Bearbeitung aller Jahrgänge aber übersteigt die Kräfte eines Einzelnen.

Natürlich stelle ich diese beiden Jahrgänge zur unbedingten Verfügung des Börsenvereins. Es käme also nur noch auf die Zeit von 1849-1870 incl., also im Ganzen auf 22 Jahre, an. Ich kann Ihnen einen ganz vortrefflich geeigneten Bearbeiter empfehlen, falls nicht von dem Fortseter des Schwetschke'schen Werkes bereits Vorarbeiten gemacht sein sollten, die seine Bevorzugung wünschenswerth erscheinen lassen.

Wie dem nun auch sein möge, ich bitte Sie dringend, diese Angelegenheit in Erwägung zu ziehen und ihrer Förderung vielleicht ein halbes Heft des Archivs zu widmen, oder den Coder im ursprünglichen Format als eine Beilage zu einer der nächsten Nummern des alsdann nur in halber Stärke erscheinenden Archivs herauszugeben*).

Berlin, 15. März 1881.

Friedrich Kapp.

*) Anm. d. Red. Die Historische Commission des Börsenvereins hat diesen Wunsch des Herrn Dr. Kapp zu dem ihrigen gemacht und seine Durchführung bei dem Vorstande beantragt.

Buchdruck und Buchhandel in Brandenburg-Preußen, namentlich in Berlin, in den Jahren 1540-1740.

Von

Friedrich Kapp.

Die beiden ersten Jahrhunderte des brandenburg-preußischen Buchdrucks und Buchhandels sind gerade so klein und ärmlich wie die Anfänge des brandenburgisch-preußischen Staates. Sie unterscheiden sich höchstens dadurch von dessen Entwicklung, daß sie nichts von der innern Frische und treibenden Kraft in sich haben, welche Kurfürstenthum und Königthum in verhältnißmäßig kurzer Zeit zu ihrer hervorragenden politischen Stellung erhoben. Erst als Friedrich der Große seine Schlachten schlug, trat Preußen in die geistige Bewegung des Jahrhunderts ein und nahm Theil am wissenschaftlichen Leben des deutschen Volkes. Der Buchhändler Friedrich Nicolai bezeichnet den Anfangspunkt des Erwachens selbstständiger literarischer Thätigkeit. Einzelne ihm voraufgehende bedeutende Männer bestätigen als Ausnahme nur die Regel und finden keinen gedeihlichen Boden in dem unfruchtbaren Sande der Marken.

Wer mit der Noth und Sorge des äußern Lebens kämpfen muß, der hat natürlich weder Sinn noch Verständniß für die höheren Aufgaben des Daseins. Der Gränzer verläßt sich auf sein Gewehr und prüft, da er stets auf feindliche Angriffe gefaßt sein muß, ob das Pulver auf der Pfanne trocken sei. Ein sicheres Auge und eine feste Hand gelten ihm mehr als alle Gelehrsamkeit und alles Wissen. Buchstabiren und Lesen kann ihm nichts helfen, aber stets sein Ziel zu treffen, das ist seine erste Aufgabe, seine höchste Leistung. In dieser Lage befand sich Brandenburg-Preußen von Anfang seiner Geschichte an bis zum Ende des siebenjährigen Krieges. Die Buchdruckerkunst hatte sich schon über die damals

civilisirte Welt verbreitet, als die Kurfürsten Johann und Joachim I. von Hohenzollern sich noch mit ihren Raubrittern und Junkern herumzuschlagen hatten. Hussitenraubzüge, Reformationskriege, vor allen der schreckliche dreißigjährige machten fast das ganze Land vielfach zur Einöde, dänische, polnische und schwedische Kriege, der spanische und der österreichische Erbfolgekrieg ließen das erschöpfte Volk kaum zum Aufathmen kommen und den armen, ohnehin rohen Adel immer mehr verwildern. Wo sollten da Ruhe und Sammlung, wo Freude und Genuß sich entwickeln, wo sollte da geistiges Leben eine freundliche Stätte finden? In einem solchen Staate konnte nur die körperliche Kraft und der wilde Schlachtenmuth etwas gelten, während die Bildung als unnüßes Gepäck verächtlich bei Seite geschoben wurde. Die armselige Hütte des hülflosen Bürgers oder Bauern war kaum nothdürftig wieder geflickt, als schon ein neuer Einfall, ein neuer Raubzug sie wieder zu zerstören drohte oder gar zerstörte. Die Leute hungerten sich durchs Leben und waren froh, wenn sie Bibel und Gesangbuch fürs Haus, den Katechismus und ein paar dürftige Schulbücher für ihre Kinder anschaffen konnten. Es ist bezeichnend noch für das erste Viertel des vorigen Jahrhunderts, daß der alte Dessauer seinen fünften Sohn und Liebling, den Prinzen Moriß, der später auch preußischer Generalfeldmarschall wurde, ohne allen Unterricht aufwachsen und nicht einmal Lesen und Schreiben lehren ließ, denn ein General, meinte er, könne auch ohne diese Federfuchsereien Schlachten gewinnen.

Erst nach Beendigung des siebenjährigen Krieges beginnt eine neue Aera. Hier soll zunächst die ihr voraufgehende Periode bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Großen geschildert werden, welche sich auf die ursprünglich brandenburgisch-preußischen Besigungen beschränkt und die später erworbenen, für den Buchhandel und Buchdruck wichtigen größeren Landschaften und Städte, wie Magdeburg und Stettin, ausschließt.

Vereinzelt kommt schon gegen Ende des fünfzehnten Jahrhunderts eine Druckerei in der Altmark vor, und zwar in Stendal. Joachim Westfael von dort hatte mehrere Jahre lang in Gemeinschaft mit Jacob Ravenstein in Magdeburg gedruckt, kehrte aber um 1487 in seine Geburtsstadt zurück und legte hier eine neue, bis 1489 bestehende Druckerei an, aus welcher 1488 der Sachsen

spiegel, ein undatirter Donat und eine Sammlung lateinischer Briefe hervorgingen. Auch das mit zahlreichen Holzschnitten gedruckte Marien- Psalterium, welches etwa 1494 im Kloster Zinna bei Jüterbogk gedruckt wurde, fand keine Nachfolger. Der erste Anlaß zur Errichtung einer ständigen Druckerei ergab sich dagegen zu Anfang des 16. Jahrhunderts in Frankfurt a. D., wo Kurfürst Joachim I. 1506 eine Universität gegründet hatte. Zwar war dort schon 1502 als Buchdrucker Martin Tretter aufgetreten, indessen weiß man, abgesehen von drei von ihm herausgegebenen Werken, nichts von ihm. Das erste heißt: „Das buchlen wird genat d' bawm der selen heil Vnd der Seligkeit". Am Ende: „Gedruckt vnd volendet yn der loblichen stat Franckfort an der Ader (sic!) durch Martinum tretter Do man zalt nach Christi vnßers lieben herren geburth. Tausendt. funffhundert zwei Jare". Diese 11⁄2 Bogen starke Schrift in 8o enthielt Sprüche des berühmten Kanzelredners Geiler v. Kaisersberg und war vom kurfürstlichen Rath Johannes Schrag herausgegeben. (Panzer, Annalen I, S. 257, N. 525.) Das zweite Werk ist eine lateinische Uebersetzung des eben genannten, 20 Blätter in 8° stark. Es erschien in demselben Jahr 1502 unter dem Titel: ,,Arbor salutis animae“ und zählt dreiundzwanzig alphabetisch geordnete Sprüche, welche der Berliner Präpositus Johannes Schiplig aus dem deutschen Text übersezt hatte. Das dritte Werk bildet einen starken Folioband, welcher mehrere Tractate des Magister Petrus Hispanus über Aristoteles bringt und von Professor Johann Lindholt 1504 herausgegeben ist*). Als Drucker von größerer Bedeutung dagegen bewährte sich Conrad Baumgarten aus Rotenberg oder Rotenburg, der sich 1502 zuerst in Olmüß niedergelassen hatte, 1503 nach Breslau gezogen war und 1507 nach Frankfurt sich gewandt zu haben scheint. Er druckte philosophische und humanistische Werke. Neben ihm wirkte der Professor der Mathematik Ambrosius Lacher aus Meersburg, der 1506 in seiner Privatdruckerei den Euclid herstellte und eine Arithmetik, sowie einen Auszug aus der Musica Boethii herausgab. Auf sie folgte Johann Hanau, von welchem 1509 ein Martial, 1512 ein Horaz herrühren und Huttens Querelae gegen die Loeße in Greifswald, sowie verschiedene Humaniora bis 1516 gedruckt wurden. Frankfurt erhielt übrigens erst

*) Aus einem Vortrage des Herrn Prorector Schwarze in Frankfurt a. D. vom 19. März 1878 (Frankfurter Patriotisches Wochenblatt 1878, Nr. 38).

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