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zusammenfloss und zunächst für diese in Anspruch genommen wurde. Jedoch den Ueberschuss konnte der Eigentümer entweder in Natura beziehen oder in Gestalt gewisser Bezüge, die er sich vorbehielt, oder in der Form von Zinsen und Diensten, die er dem Geistlichen, dem er mit der Kirche mehr als das zinsfreie Mindesteinkommen von einer Hafe lieh, bei der Leihe auflegte. So waren allerdings die Eigenkirchen nutzbare Vermögensstücke und konnten es sogar, wenn sie es zu Pfarr recht und Zehnten brachten, in einem solchen Masse werden, dass der Nutzen, den der Herr daraus zog, in gar keinem Verhältnis mehr stand zu dem Aufwande, den die Errichtung der Kirche und ihre Ausstattung erfordert hatte, und dass solch eine Kirchgründung, zumal in Verbindung mit grundherrlicher Kolonisation, gleich einem Brückenbau nicht nur ein Gott wohlgefälliges Werk, sondern auch ein hervorragend einträgliches Unternehmen war. Das alles, weil nach deutsch-mittelalterlicher Vorstellung die Weihe, die der Bischof nach Herrichtung des Altars und der ganzen Kirchenanlagen vornahm, und die mit der Bergung von Reliquien in jenem verbunden war, das Eigentum nicht berührte, sondern nur das Ganze auch zur Kirche im Rechtssinne machte und in dem Heiligen, dessen Patrocinium die Kirche unterstellt wurde, gewissermassen eine Sachfirma schuf, unter der nunmehr, nachdem er selbst und andere durch Dotations- oder Pertinenztradition die Ausstattung besorgt hatten, der Herr sein Kirchenvermögen.... betreiben, mehren und nutzbar machen konnte. Hatte der Herr mehrere solcher Eigenkirchen in Eigen und Gewere, so bildete jede von ihnen ein solches Sondervermögen, das der Bestimmung nach Kirchengut und, wegen der Versteifung des Zubehörverhältnisses durch das Veräusserungsverbot, unauflösbar war. Als Ganzes konnte es dagegen veräussert, verkauft, vertauscht, verschenkt, vererbt werden. Auch Miteigentum zur gesamten Hand und zu ideellen Teilen war daran möglich."

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Da im VIII. und IX. Jahrhundert das Benefizium der grössten Beliebtheit und Verbreitung sich erfreute, und da diese Leiheform zugleich die Leihe des fränkischen Reichsrechtes war, wurde sie mit Vorliebe auch auf die Kirchen

angewendet. Das kirchliche Benefizialwesen ist also nichts anderes als das nach seiner vollen Entwicklung im weltlichen Rechte auf die Kirche übertragene und auf der Grundlage des Eigenkirchenwesens in ihr zur Anwendung gebrachte weltliche Benefizialwesen.... Das Benefizium ist das Komplement des grundherrlichen Eigentums.... Der öffentlichrechtliche Amtsgedanke fiel dabei auch bei Pfarrkirchen völlig aus; auch die Leihe bewegte sich durchaus im Rahmen des Sachenrechtes, indem .... der Geistliche als Gegenleistung für die samt Haus, Hof, Garten, Land und Einkünften geliehene Kirche den Kirchendienst.... und darüber hinaus etwa noch Zinse und weltliche (Schreiber-, Boten-, Verwalter-) Dienste zu leisten hatte.

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War der Eigenkirchenpriester unfrei, so verstand es sich von selbst, dass der Herr nach jenes Tode die ganze Fahrhabe oder einen Teil der Grundstückserwerb erfolgte ohne weiteres für die Kirche bezw. deren Herrn wegnahm. Gegenüber den freien Geistlichen ihrer Kirchen sicherten sich die Grundherren durch den Leihevertrag die Hälfte oder ein Drittel des Fahrhabenachlasses, wie sich daraus ergibt, dass noch später dieser Anspruch des Herrn im Leihevertrag bisweilen wegbedungen wurde. Das Spolienrecht wurzelt also, wenn nicht allein, so doch jedenfalls mit im Eigenkirchenrecht.

„Die Eigenkirche ist ein Privatunternehmen ihres Herrn. Wer von den Nachbarn und von den abhängigen Leuten des Grundherrn oder etwaigen Eingepfarrten freiwillig oder gezwungen zu der Kirche sich hält, muss an ihren Unterhalt und die Kosten des Gottesdienstes beitragen.... Im Gefolge des Eigenkirchenrechts drang der von der alten Kirche mit Erfolg abgewehrte Anspruch auf Stolgebühren durch."

In

Die Eigenkirchenherren rissen auch den Zehnt an sich, was zur festen Abgrenzung von Zehntsprengeln führte. diesen liessen die Grundherren die Eingesessenen durch den bischöflichen Verwaltungsbann für ihre kirchlichen Bedürfnisse und mit ihren kirchlichen Leistungen an ihre Eigenkirchen bannen. Auch das Pfarr recht im Sinne eines

kirchlichen Gewerbe- oder Bannrechtes mit Pfarrzwang entstand im engsten Zusammenhange mit dem Eigenkirchenrecht."

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Gegen das Eigenkirchen wesen eröffnete die kirchliche. Reformpartei und das auf der Höhe seiner Macht angelangte Papsttum den Kampf. Dabei trat eine Spaltung ein: das Eigenkirchenrecht der Laien sollte verschwinden, dasjenige der Klöster und Stifter selbst beanstandete man nicht. Im Gegenteil, man kam den Wünschen der Klöster entgegen, die gerne schon längst ihre Kirchen zu sich auch in geistliche Beziehungen gebracht und, unter Inanspruchnahme des Eigenkirchengutes für ihre Zwecke und Bedürfnisse, die geistliche Verwaltung in Regiebetrieb (durch exponierte Regularen oder amovible Vikare) genommen hätten." So baute man die Inkorporation aus. Diese ist nämlich nichts anderes als das seit Einführung des Patronates isolierte, systematisch ausgebaute und mit besonderem Namen versehene Eigenkirchenrecht." Bei den übrigen Eigenkirchen kam es zur Ersetzung durch das Patronatsrecht. Der Eigentumsanspruch wurde verworfen und wich einem Schutzrecht der Gründer und ihrer Erben, die statt einer Nutzungsbefugnis bloss einen Unterhaltsanspruch für den Fall der Verarmung haben sollten. Das Schutzrecht ward auf die Dankbarkeit der Kirche für die Stiftung gegründet, die sie selbst ihrem Umfange nach bestimmte, und als Patronat bezeichnet. Alexander III. charakterisierte es als ius spirituali annexum und unterstellte folgerichtig die Patronatsstreitigkeiten auch der kirchlichen Gerichtsbarkeit. Von 1150 an gab es dem Namen nach daher keine Eigenkirchen mehr. In der Sache freilich lebte die alte Anschauung und das alte Recht fast ungeschwächt noch Jahrhunderte lang fort. Der beste Beweis hiefür ist das habsburgische Urbar. Es bezeichnet die herrschaftlichen Kirchen nicht mehr als eigen, die Herrschaft beansprucht bloss noch den „kilchensatz". Sie lieh aber tatsächlich Kirche und Pfründe „du herschaft lichet die kylchen ze ...." ist ständige Formel und bezog auch die alte Ueberschussnutzung, d. h. eine jährlich wiederkehrende Leiheabgabe, was nämlich die Kirche uber den pfaffen giltet". Daraus ergibt sich, dass aus dieser

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Formel des Urbars auf den Charakter der betreffenden Kirche als alte Eigenkirche geschlossen werden darf.

4. Durch diesen Rückschluss erweisen sich eine Reihe Kirchen des alten Argaus sofort als ursprüngliche Eigenkirchen. Aus dem Eigenamt, wo die Grafen von Habsburg Grundherren waren, ohne im Besitz der gräflichen Rechte zu sein, mag Windisch genannt werden, in der Folge die Mutterkirche von Brugg (auch im Gebiet ihres Eigenklosters Muri waren die Habsburger nicht Grafen, was so recht das innerste Wesen des Eigenkirchenrechts als grundherrliches Recht dartut); den Grafen von Lenzburg, denen die gräflichen Rechte im Argau zustunden, gehörten u. a. Staufen (1103 Stöfen), später Mutterkirche von Lenzburg, Sur (1045 Sura), die Mutterkirche von Arau, Beromünster (1036) Peronis monasterium), Pfäffikon (1045 Faffinchouen) und Zofingen, Oberkirch (1036 Ecclesia superior), die Mutterkirche von Sursee, Kirchbühl (1274 Kilbül), die Mutterkirche von Sempach, Richental (1045 Richintala), Schongau (831 Scongaua) usw. Nicht mehr alle diese Gotteshäuser erscheinen im habsburgischen Urbar als herrschaftliche Kirchen, aber überall ist nachzuweisen, weshalb es nicht der Fall ist sie sind Reichskirchen geworden (Beromünster 1045) oder Eigenkirchen von Beromünster (Pfäffikon, Richental, Schongau) bezw. Murbach (Sempach).

Für Beromünster selbst sind aber direkte urkundliche Zeugnisse für die Eigenkirchenqualität vorhanden. Auf diese muss hier noch aus dem weitern Grunde eingetreten werden, weil wie sich später ergeben wird Beromünster und Zofingen dieselbe Entwicklung durchgemacht haben und die spärlichen Nachrichten über Zofingen daher in sehr erwünschter Weise von Beromünster her Licht erhalten.

Graf Ulrich von Lenzburg konnte sein Erbgut (omne patrimonium meum) nicht einem Sohne hinterlassen, sondern musste es auf seine Enkel vererben. Dazu gehörte auch die Stiftung seiner Vordern zur Ehre des h. Michael, die canonica mea, que est in loco que (!) dicitur Peronis monasterium. Königlich wollte er sie nicht machen (regalem nolui facere nisi coactus), aber auch nicht den Enkeln insgemein hinterlassen (in commune dimittere), damit sie

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möglichst sichergestellt und allfälligen Erbstreitigkeiten dieser Dynasten entzogen sei (ad reprimendas lites futuras). So übergab (tradidi) er sie am 9. II. 1036 unter Vorbehalt des Besitzes auf Lebenszeit seinem Enkel Arnolf mit dem Gedinge, dass nach dessen Tode je der Aelteste aus seinem Stamme sie besitze, aber immer nur einer (post obitum illius unus de legittimis heredibus eius, qui sit maior etate, sine condictione aliorum cum hec tradicio nulli facta sit illorum nisi uni teneat atque possideat; und noch einmal: notate quod dico unus, non omnes, ut unus semper heredum predicti Arnolfi, qui scilicet de stirpe mea generetur, teneat atque possideat). Er sei Vogt und Schirmer (iustus et pius advocatus atque defensor eiusdem ecclesie et canonicorum atque familie); seine Pflichten werden aufgezählt: nullam tradicionem de prediis vel mancipiis huius loci sine utili et probabili comcambio faciat et ipsum locum sublimare et reparare conetur, si opus fuerit, omnibus modis in canonicis libris et muris et tectis paraturis, et claustrum atque officinas omnes indubitanter per se restauret, et in festivitate sancti Michahelis per triduum publico convivio omnes in Christi nomine advenientes pauperes et clericos pascat. Und damit nicht der canonicorum annona hiezu irgend etwas entzogen werde, scheidet Graf Ulrich scharf aus, was dem Vogt und was den Chorherren gehört (quid pertineat ad dominum predicte ecclesie ad domi

num advocatum et quid ad fratres canonicos), und unter dem dem Vogte zugewiesenen Besitz erscheinen eine Reihe vormals lenzburgischer Eigenkirchen, die an die Hausstiftung Beromünster waren vergabt worden.

Die Art, wie hier über die Stiftskirche und ihre Zugehörden verfügt wird, zeigt klar das alte Eigenkirchenrecht: Graf Ulrich zählt seine Canonica zu seinem angestammten Gute, worüber er ohne weiteres verfügen darf (tradere), das nach den erbrechtlichen Grundsätzen auf die Nachkommen übergeht und über dessen Teilung oft genug böse Streitigkeiten ausbrachen. Dreimal wiederholt er, nur einer soll sie haben, und dieser soll ihr Vogt und Schirmer sein. Dass die Bezeichnung als Vogt nur ein anderer Ausdruck für das tatsächlich bestehende Eigenkirchenrecht ist, erweist die

Basler Zeitschrift f. Gesch. und Altertum XII, 2.

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