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wird uns nicht genau gesagt; wir erfahren bloss, dass es vor der Kriegserklärung an Oesterreich, also vor dem 23. Juli 1445 war. Das Verhältniss zwischen Basel und Oesterreich war aber schon äusserst gespannt; thatsächlich herrschte wohl so viel als Kriegszustand, und die Schiffleute wollten die Reise nur unter der Bedingung wagen, dass ihnen von Seiten der Herrschaft Oesterreich freies Geleite bis zum Bestimmungsort und wieder zurück nach Basel zugesichert werde. Einen solchen Geleitsbrief konnten die fürstlichen Reisenden natürlich ohne Schwierigkeit beschaffen, und die Schiffleute erhielten somit die feierliche Zusicherung, dass sie die Österreichischen Lande ohne Gefährde passieren könnten. Ulrich Häring, der Meister der Schiffleutenzunft, bestimmte selbst die einzelnen Steuerleute und gab jedem einen sog. Rugeknecht, d h. Ruderknech, bei. Im Ganzen bestand die Bedienungsmannschaft der Schiffe aus mehr als 30 Mann. Die Lenkung des Schiffes, auf welchem die Kurfürstin selbst fuhr, wurde dem Schiffmann Hans Möwerli anvertraut, und als Rugeknecht wurde dem Möwerli einer zugetheilt, der den Namen Berchtold Leckertier führte und bisher als Söldner im Dienste der Stadt gestanden hatte. Der Name Leckertier (er wird auch Leckentier geschrieben) ist sonst in Basel nicht nachweisbar; die erste Silbe Le und die letzte tier klingen französisch und es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir es mit einem welschen Namen zu thun haben, der mit der bekannten Eleganz unserer Sprache, in Anlehnung an mehr oder weniger ähnliche deutsche Worte, umgeformt worden war.

Die Schiffreise gieng glücklich von Statten. Wie weit sie eigentlich gieng, wird uns nicht berichtet; wir erfahren nur beiläufig, dass die Schiffleute auf dem Heimweg Strassburg berührten, also mindestens so weit gefahren waren. Am Ziele angelangt, traten sie die Rückreise zu Fuss an, nachdem sie der Uebung gemäss die Waidlinge verkauft hatten, und zwar marschierten sie, in der letzten Etappe wenigstens, auf dem rechten Rheinufer; denn bei der Stadt Neuenburg wurden sie angehalten. Der österreichische Hauptmann daselbst. Namens Belleter, kam vor das untere Thor hinaus und hiess sie alle in Reih und Glied antreten. Dann sprach er zu ihnen: Ihr andern könnet weiter gehen, mit diesem da haben wir etwas zu reden. Dabei deutete er auf Berchtold Leckertier und liess denselben abführen, ungeachtet Möwerlis Protest, der sich auf das zugesicherte freie Geleite berief. Der Vorgang dieser Verhaftung wird in den Zeugenaussagen der Schiffleute einlässlich geschildert. Ueber das, was weiter geschah, enthalten die Acten nur die kurze Nachricht, dass Leckertier zu Neuenburg mittelst Ertränken hingerichtet wurde.

Für diese Mordthat, verbunden mit dem frevelhaften Bruch des freien Geleites, verlangte nun die Obrigkeit von Basel vor dem Schiedsgerichte Genugthuung. Die Oesterreicher bringen in ihrer Klagbeantwortung zwei Gründe vor, wesshalb sie mit vollem Fug und Recht den Leckertier umgebracht hätten; nach ihrer Meinung hätte er sogar noch einen grössern Tod verdient.

Erstens nämlich, behaupten sie, sei Leckertier gar kein Rugeknecht, sondern ein Spion gewesen; die von Basel hätten ihn heimtückischer

Weise unter die übrigen, ehrlichen Schiffleute gemischlet“, damit er Verrätherei treibe und Kundschaft einnehme. Diese Beschuldigung weisen die Basler natürlich mit Entrüstung zurück; ob in guten Treuen, wollen wir nicht entscheiden. Etwas verdächtig ist es jedenfalls, dass man gerade auf das Schiff der Kurfürstin diesen Söldner setzte; dort war ja in der That am ehesten Gelegenheit, von Personen, welche unterwegs oder am Schluss der Reise zu der Fürstin an Bord kamen, irgend etwas über die Anschläge der Oesterreicher zu erlauschen.

Zweitens aber erklären die Oesterreicher vor dem Schiedsgericht, es sei allgemein bekannt gewesen, dass Leckertier die drei Schüsse zu unsres Herren Marterbild getan und die drei Mordschüsse an manchem Bidermann und armen Menschen begangen und solche vom Leben zum Tod bracht habe." Sie behaupten also nichts andres, als dass Leckertier ein Freischütz gewesen sei, welcher nach der Anweisung des Hexenhammers drei Schüsse, wahrscheinlich mit der Armbrust, in ein Crucifix geschossen und die drei Freischüsse, welche ihm kraft seines Teufelsbundes jeden Tag zur Verfügung standen, dazu benützt habe, um Biedermänner und arme Menschen, d. h. wohl Anhänger der österreichischen Partei, zu erschiessen.

Die Replik des Basler Rathes auf diese Behauptung ist sehr bezeichnend für die Auffassung, welche damals über diesen Gegenstand herrschte. Es liegt dem Rath durchaus ferne, zu entgegnen, die Ausführungen der Oesterreicher seien ein Unsinn und so etwas gebe es überhaupt nicht; sondern er erklärt mit vollem Ernste, es sei ihm nichts davon bekannt gewesen, dass Leckertier mit den drei Schüssen umgehe"; wenn er gewusst hätte, dass er ein solcher Frevler sei, würde er nicht ermangelt haben, ihn nach Verdienst zu bestrafen; Pflicht der Oesterreicher wäre es gewesen, den Leckertier in Basel zu verklagen, anstatt das versprochene Geleite an ihm zu brechen und ohne Recht über ihn zu richten. Der Rath ist also von der Möglichkeit des Freischützenverbrechens vollkommen überzeugt. Wenn er allerdings versichert, er hätte den Leckertier, falls er von seinem sträflichen Treiben Kenntnis gehabt hätte, selbst zur Rechenschaft gezogen, so mag man die Aufrichtigkeit dieser Behauptung vielleicht etwas bezweifeln. So viel dürfen wir zwar glauben, dass ein privater Freischütze auch in Basel dem Scharfrichter überliefert worden wäre. Aber wenn es sich darum handelte, einen Söldner gegen Oesterreich anzuwerben, so mochte es im Gegentheil als eine besondere Qualification desselben gelten, dass man ihn für einen Freischützen hielt, wiewohl man es natürlich officiell ignorierte.

Man ist nun gespannt, zu vernehmen, wie das Schiedsgericht über den Fall urtheilte. Leider wird diese Erwartung getäuscht. Der Schiedspruch, der endlich im Jahre 1449 erfolgte, entscheidet lediglich die staatsrechtlichen Streitigkeiten über Zoll, Freizügigkeit us w, während die beidseitigen Schädigungen an Leuten und Gut gegen einander wettgeschlagen werden.

Dass der hergelaufene Söldner Leckertier ein Spitzbube war, ist sehr wohl möglich. Dass er sich als Spion gebrauchen liess, ist nicht be

wiesen, aber keineswegs ausgeschlossen. Die Beschuldigung, ein Freischütze zu sein, verdankte er wohl lediglich dem Umstande, dass er ein guter Schütze war, und er gehört damit zu den vielen, denen in jenen Zeiten des Hexen- und Zauberglaubens eine Kunstfertigkeit, durch die sie sich auszeichneten, zum Verderben gereicht hat.

Quellen: Staatsarchiv. Politisches. D. 2. (Kolmarer Richtung). Malleus maleficarum II. 1. 16.

Karl Stehlin.

Zum überfrornen Rhein vom Januar 1514. Alle Basler Chroniken des XVI. Jahrhunderts erwähnen den strengen Winter von 1513/14, und wie im Januar letztern Jahres der Rhein zwischen Gross- und Kleinbasel vierzehn Tage hindurch so fest überfroren war, dass auf dem Eise von Jung und Alt allerlei Kurzweil getrieben wurde.') Dieses seltene Ereignis wurde von einem Zeitgenossen auch in einem lateinischen Gedicht besungen, das uns vollständig jetzt nur noch in einer Handschrift erhalten ist, welche von einem damaligen Kaplan am Basler Münster, Hieronymus Brilinger, herrührt. In dieser Handschrift, die sich jetzt als Cod. Z 37 auf der Kantonsbibliothek in Aarau befindet, und deren sonstiger geschichtlicher Inhalt im nächsten Bande der Basler Chroniken erscheinen soll, steht dieses Gedicht auf Bl. 122-124 und wird dort als ein Werk des Hiacobi Judicis Zorvicensis" bezeichnet. Nun erwähnt allerdings die Universitätsmatrikel zum Herbst 1514 den nachmaligen Zürcher Chorherrn Johann Jakob Ammann. Doch abgesehen davon, dass dieser damals erst vierzehnjährig war,) so lässt sich „Zorvicensis" nicht wohl auf Zürich zurückführen, sondern eher noch auf Zarwick in Pommern, welcher Name nach Basler Mundart jedenfalls „Zorwick" gesprochen wurde. Aber auch diese entlegene Heimat unsres Jacobus Judex bleibt bis auf weiteres eine blosse Vermutung, da von dorther bis jetzt weder ein Richter noch ein Schulze als in Basel lebender Humanist nachweisbar ist.

So unbekannt nun dieser Poet uns bleibt, so ist immerhin der Anfang seiner Dichtung, bis zum 28. Vers, uns auch in Wurstisens Analekten erhalten,3) und zwar mit einigen Varianten, welche zeigen, dass dieser das Gedicht aus einer andern Handschrift kannte als Brilinger. Wir geben daher diese Varianten, soweit sie von Belang sind, in den Anmerkungen.

Hiacobi Judicis Zorvicensis de insolita Rheni apud Basileam
congelatione carmen extemporaneum.

Algificam hyemem, priscisque incognita saeclis

Frigora, venturis et memoranda viris,1)

Et mutata novis clarissima flumina formis

Nunc elegis lenibus, chara Thalia, refer.

Fors aliquis vates haec carmine rara superbo

1) S. Basler Chron. I 20, V 199, VI 59, 334 u 454.

2) Laut gütiger Mitteilung von Dr. Hermann Escher in Zürich.

') S. Wurstisens Analekten, Handschrift d. Oeffentl. Bibliothek A II 14, S.

') Hs. memorandis viris; W.: memoranda viris.

Perget et altiloqua gesta sonare tuba.

At nos, quae parcis manicus Thymbreus Apollo
Praebuit, haec grato carmina corde damus.
Inclyta et arctoas celebris Basilea per oras
Urbs est, Helvetiis finibus arva tenens.
Ciara viris, invicta armis, celeberrima templis,
Laeta situ, domibus splendida, dives aquis.*,
Fixere hic sedes astris fulgentior ipsis
Astrea et Mavors, Pallas et alma, suas

Hanc Rhenus tumidis mediam perlabitur undis,
Rhenus Germanis rex venerandus aquis.
Suscipit hic primos Rhetis ex alpibus ortus,
Hinc rigat Helvetii littora clara soli,

Quae colit invictis gens martia laeta sub armis.
Qua nulla in toto fortior orbe nitet,3)
Quae sua nunc totum pandit miranda per orbem
Gesta Maroneo carmine digna cani,

Cuius regna tenent aequum pietasque fidesque,
Pax concors, superum sanctaque cura deum.
Post binosque lacus, post oppida multa per urbem

Jam dictam rapidis volvitur altus aquis.

Viderunt patres nulla hunc per tempora cani

Torpenti penitus diriguisse gelu

Zodiaci at Titan per candida sydera cursu

Centurias egerat quinque decemque suo,

Tertia messis erat dena et superaddita, postquam

Aeternum virgo fudit in orbe Hiesum

Jamque novum reverens bifronti vertice Janum

Lustrabas rigidi cornua, Phoebe, capri

Monstrosa ex gelidis species tum missa cavernis

Apparuit, canas hyrta rigensque comas

Nubibus imbriferis tristem fuscata figuram

Terrifica ostendens fronteque nomen, hyems.

Lipposos volvens oculos lachrymisque madentes

Prospectat corvis atra superciliis.

Horrendo et rapidos quassans cum murmure dentes

Insano Boream spirat ab ore trucem.

Vidisses foedum naribus stillare liquorem,

Prodere liventes frigora saeva genas.

Nunc agitat stupidasque manus, tremulosque lacertos,

Et duram instabili nunc pede pulsat humum,

Ut quondam dirae caput exitiale Medusae
Vertisse innumeros in pigra saxa viros

1) W.: grata carmine mente.

*) Hs: Leta; W.: Laeta.

") W: orbe manet.

Hier bricht W. ab.

Dicitur, horribilem qui infausto lumine formam
Vidissent, versas anguibus atque comas.
Obstupuit viso Rhenus sic pectore monstro,
Et gelidus fluxit membra per alta tremor.
Palluit, et pavidos texit velamine vultus
In rigidum versus, fronteque marmor abit.
Plebs stupet, ecce novas facies, vitreamque pererrans
Per glaciem ignotas ducit in amne vias.
Mirantur civesque pii, matrespue pudicae,
Belligeri et juvenes, multividique senes,
Pes siccus liquidis vestigia signet ut undis,
Saltantesque ferant stagna profunda viros.
Jam struit hic mensas epulis festiva juventus,
Grataque dat mediis pocula Bachus aquis.
Ora leves calamos digitis modulantibus inflant,
Hic resonat celeri tympana pulsa manu.
Sunt, quibus hic cupida jactatur et alea dextra,
Perque aqueum volitat tessera jacta solum.
Nec sinit hic proprios calido puer impete lusus,
Per glaciem lubrico sed fluit usque pede.
Jam multi haec nitidis tanquam miracula cartis,
Posteritas stupida quae legat aure, notant.
Nam licet ille imis glacie durescat in oris,
Hic loca, non mirum, frigidiora tenet.
Atque ibidem placidis fertur mitissimus undis,
Vis ulla haud cursus praecipitatque suos.
Alme deus, fausto dignare, ah, sydere terras
Cernere, in eventus cunctaque verte bonos
Omina, cum saevis pestemque averte timendam
Bellis, Christicolae quis maduere plagae
Sanguine. Fecundos da tandem frugibus annos,
Dira colat semper Scythica saxa fames.

Te canere ut merita valeant hic pectora laude
Laeta, petant celsi denique regna poli.

Amen.

August Bernoulli.

Deutsche Reimsprüche vom ersten Viertel des XVI. Jahrhunderts. Dieselbe Handschrift, in welcher sich das lateinische Gedicht über den gefrornen Rhein von 1514 findet, enthält auch zwei Sammlungen deutscher Sprüche aus jener Zeit, von welchen die einen, auf Bl. 143-144, meistens in Prosa, die andern hingegen, auf Bl. 174–178, durchweg gereimt sind. Aus diesen zwei Sammlungen, welche beide erst nach 1525 entstanden sind, teilen wir hier nur einige wenige Sprüche mit, welche sich teils speziell auf Basel beziehen, teils für jene Zeit besonders bezeichnend erscheinen.

Beim ersten und zweiten dieser Sprüche weisen schon die beigefügten Ueberschriften auf ihren Basler Ursprung, und ebenso beim

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