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Uebersicht

der

diplomatischen Verhandlungen

des

wiener Congresses überhaupt,

und

insonderheit über wichtige Angelegenheiten
des teutschen Bundes.

Bon

D. Johann Ludwig Klüber,

großherzoglich; badischem Staats- und Cabinetsrath, ic.

Erke-Abcheilung

Frankfurt am Main

in der Andreäischen Buchhandlung

1 81 6,

i

NOV 7

1913

35+ Lebisch

943.06 K711

Vorrede.

Per wiener Congreß schließt in der Weltgeschichte ein Biertel. Jahrhundert, welches einem Jahrtaus send gleicht, wenn man es mißt nach Menge und Wechsel der wichtigsten Begebenheiten, vornehms lich nach Mißgeschick für Staaten und Menschheit.

Groß, unermeßlich war die Aufgabe, deren Lör fung jener Versammlung oblag. Ein politischer Welts Orfan hatte in dem Gemeinwesen so Europa Verwüstungen angerichtet,.. nicht bloß in geogras phischer und politischer, auch in sittlicher und völ kerrechtlicher Hinsicht Man ericartete Wiederhers stellung und Sicherstellung einer sittlichen Ordnung in den Staatenverhältnissen. Durch sie sollten Staas A

ten, wie Einzelne, genöthigt werden, zu der edlen Gewohnheit zurückzukehren, nichts Unrechtliches zu wollen. Ueber dem Meer von Einzelheiten und Vers suchungen, auf welchem bedachtsam herumzutreiben war, sollten die Steuerleute mit unverwandtem Blick dem reinen Licht eines Leitsterns folgen, mit dessen Hülfe allein es möglich war das große Ziel zu erreichen. Was Menschenkraft, fern von Selbstsucht, vermag, sollte, nach so mancher ernsten Wars nung von Innen und Aussen, geleistet werden, zum Segen für Mit- und Nachwelt, als Vorbild für späte, dankbare Enkel, als Lehr- und War: nungstafel in der Geschichte.

Was und wie, auf der wiener Versammlung der Häupter der europäischen Christenheit, verhan delt und beschlossen ward, soll hier, von einem Augenzeugen, in den Schooß der Weltgeschichte niedergelegt werden, so trêu, in Kürze sp vollständig, mit solcher Unbefangenheit, als feine Kräfte zulaßsen. Im Einzelnen haben-vhhe Zweifel Manche noch Vieles, vielleicht auch Manches hie und da anders, beobachtet. Mögen sie, so weit es frommt, einer Mittheilung sich nicht entziehen! Jeder hat seinen

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Standpunct: aber keinem ist vergönnt, auf seine eigenen Schultern zu steigen, um sich eine weitere Aussicht zu verschaffen.

Zu einem Geständniß hält hier der Verfaffer fich für eben so verpflichtet als berechtigt, und solches eben darum für verantwortbar vor seiner Eigens liebe; zu demjenigen eines gewissen Stolzes, der ihm nie gestattet, im Angesicht des Publicums irgend einer Partei durch Wort oder That zu huls digen. Berechtigt dieses Geständniß keine, ihn als den Ihrigen zu betrachten, so sollte nie eine sich anmassen, ihn wegen solcher Gesinnung anzufeinden. Einem Naturgesek zufolge, bestärkt solches Anfeinden nur den Festen in Grundsäßen und Handlungsweise. Hoffentlich wird ihn Niemand überweisen, daß er je die Grenze unumschränkter Duldung gegen Andersdenkende überschritten habe. Legt er nun durch jenes Geständniß sich zugleich vor dem Richterstuhl des Publicums eine heilige Pflicht auf; fo hat er dabei keineswegs die Absicht, irgend eine besonnene Critik zu bestechen. Die Wahrheit kann durch eine solche nur gewinnen; und sie allein ist das, wonach zu ringen, die Selbstthätigkeit der

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