Page images
PDF
EPUB

sind in Kamerun und Togo besondere berathende Körperschaften errichtet worden, welche dem kaiserlichen Kommissar in den Angelegenheiten ihres Bezirks zur Seite zu stehen haben.

In Kamerun knüpft der Verwaltungsrath an schon vor der deutschen Besitzergreifung vorhandene Einrichtungen an. Es bestand hier, hervorgegangen aus der eigenen Initiative der europäischen Kaufleute, zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Eingeborenen und Fremden ein Court of Equity, welcher sich unter dem Vorsitze des englischen Konsuls aus Agenten der europäischen Firmen und einheimischen Häuptlingen zusammensetzte. Der Generalkonsul Dr. NACHTIGAL als ausserordentlicher kaiserlicher Kommissar liess den Court of Equity nach der Besitzergreifung vorläufig in der bisherigen Weise fortbestehen, ordnete jedoch die Zuziehung des kommissarischen kaiserlichen Vertreters zu den Berathungen an, der. auch den Entscheidungen des Court of Equity seine Sanktion zu ertheilen hatte 21). Nach den Wünschen der deutschen Kaufleute sollte an die Stelle des Court of Equity, der sich nicht bewährt hatte, zur Unterstützung des Gouverneurs bei der Verwaltung und Rechtsprechung ein Kollegium gebildet werden aus den Vertretern der dortigen Firmen, auch zwei englischen Kaufleuten, einem Missionar und einem oder zwei einheimischen Häuptlingen, letzteren mit berathender Stimme 22). Eine Betheiligung des Kollegiums an der Rechtsprechung ist zwar, nachdem die Reichsgesetzgebung das Gerichtswesen der Schutzgebiete anderweitig geregelt hat, ausgeschlossen; dagegen ist der Verwaltungsrath als berathendes Kollegium bei der Verwaltung des Schutzgebietes in der ursprünglich beabsichtigten Weise, bestehend aus Vertretern europäischer Firmen und, soweit einheimische Verhältnisse zur Sprache kommen, Häuptlingen mit berathender Stimme, durch Verordnung des Gouverneurs von Kamerun gebildet worden. Der Court of Equity ist dagegen aufgehoben. sind in den deutschen Schutzgebieten nicht vorhanden, der Verwaltungsrath ist vielmehr lediglich aus dem praktischen Bedürfnisse der Kolonialverwaltung hervorgegangen.

21) Bericht des Generalkonsuls Dr. NACHTIGAL Vvom 16. August 1884 in den Stenographischen Berichten über die Verhandlungen des Reichstages, 6. Legislaturperiode, 1. Session 1884/85. Anlagen. Berlin 1885, S. 137.

22) Aufzeichnung über eine am 25. September 1884 in Friedrichsruhe stattgefundene Unterredung des Reichskanzlers mit den Inhabern der im Biafragebiet interessirten Firmen, abgedruckt a. a. O., S. 142.

Nach dem Vorbilde des Verwaltungsraths für Kamerun ist ein solcher auch für das Togogebiet durch Verordnung des dortigen kaiserlichen Kommissars gebildet worden. Der Verwaltungsrath besteht hier aus drei Mitgliedern, welche von dem Kommissar alljährlich aus den Vertretern der dortigen europäischen Firmen gewählt werden, und einem Protokollführer. In den Fällen, wo es sich um einheimische Verhältnisse handelt, können auch ein oder mehrere eingeborene Häuptlinge oder sonstige Sachverständige zur Theilnahme an den Berathungen zugezogen werden. Der Verwaltungsrath steht in allen lokalen Angelegenheiten dem Kommissar als berathende Behörde zur Seite. Die zu erlassenden Anordnungen werden, soweit sie sich auf die Verwaltung des Schutzgebietes beziehen, dem Verwaltungsrathe zur Begutachtung vorgelegt, wobei jedoch die Entscheidung dem Kommissar vorbehalten bleibt.

Bei der Führung der Verwaltung ist nun grundsätzlich daran festzuhalten, dass der kaiserliche Kommissar die Regierung des Landes mit Rücksicht auf die Europäer zu leiten und sich in die inneren Angelegenheiten der einheimischen Stämme, soweit es durch das Interesse der Europäer und des Mutterlandes nicht geboten erscheint, nicht einzumischen hat.

Sämmtliche seitens der kaiserlichen Behörden mit den einheimischen Machthabern unmittelbar geschlossenen Schutzverträge gewährleisten denselben ihre bisherige Herrschaft über ihre Unterthanen und ihre sonstigen Rechte. So enthält der Vertrag mit dem König von Togo von 15. Juli 1884 23) die Erklärung des Königs, dass er sich unter den Schutz des Kaisers stelle, und diejenige des ausserordentlichen kaiserlichen Kommissars, dass der Kaiser diesen Schutz übernehme. Demnächst verpflichtet sich der König von Togo, keinen Theil seines Gebietes mit. Souveränetätsrechten an eine fremde Macht oder Person abzutreten, Verträge mit fremden Mächten nur unter Zustimmung des Kaisers abzuschliessen. Die Deutschen werden für die meistbegünstigte Nation erklärt. Ohne Zustimmung des Kaisers dürfen ferner von den Europäern keine anderen Steuern und Abgaben als die bisher ortsüblichen, nämlich ein Schilling für die Tonne Palmkörner oder das Fass Palmöl, zahlbar an den repräsentativen

23) Abgedruckt in den Stenogr. Berichten a. a. O., S. 135.

Ortshäuptling erhoben werden. Die bisherige Art und Weise der einheimischen Zolleinnehmerfunktionen soll nicht beeinträchtigt werden. Auch bleiben die bestehenden Handelsverträge in Kraft.

In den Verträgen mit den Häuptlingen des Schutzgebietes von Kamerun sind denselben nach dem Berichte des Generalkonsuls Dr. Nachtigal vom 16. August 1884 24) folgende Zugeständnisse gemacht:

1. Rechte Dritter werden allgemein vorbehalten.

2. Früher abgeschlossene Handels- und Freundschaftsverträge sollen auch weiterhin ihre Geltung behalten.

3. Der Grund und Boden der Ortschaften und ihrer Bewohner soll das Eigenthum derselben bleiben.

4. Die Häuptlinge sollen ihre Abgaben erheben dürfen wie bisher.

5. In der ersten Zeit werden die Sitten und Gebräuche der Eingeborenen geachtet werden 25).

Die Regierung und Rechtsprechung über die Eingeborenen ist auch hier den einheimischen Häuptlingen überlassen worden.

Aehnliche Bestimmungen, wie der Vertrag mit dem König von Togo, abgesehen von denjenigen, betreffend die Besteuerung der Palmenerzeugnisse, enthält der Vertrag mit Bethanien vom 28. Oktober 1884. Dem Kapitän von Bethanien wird auch hier die Erhebung der Einnahmen und die Gerichtsbarkeit über seine Unterthanen ausdrücklich gewährleistet. Ausserdem wird aber dem Kaufmann Lüderitz, bezw. einer an dessen Stelle tretenden noch zu bildenden Gesellschaft gegen Entrichtung von sechzig Pfund Sterling jährlich das ausschliessliche Recht eingeräumt, Wege, Eisenbahnen und Telegraphen zu bauen und zu verwalten, Minen zu graben und auszubeuten, und überhaupt alle öffentlichen Arbeiten auszuführen. Schon hierin liegt eine Uebertragung einzelner, an sich dem einheimischen Herrscher zustehender Hoheitsrechte an eine deutsche Gesellschaft. In noch ausgedehnterem Masse hat eine solche Uebertragung in anderen Schutzverträgen südwestafrikanischer Häuptlinge stattgefunden.

Es ist desshalb hier noch auf die Stellung der deutschen

24) A. a. O., S. 137.

25) Es bezieht sich dies hauptsächlich auf die Sklaverei und Vielweiberei. Bei den übrigen Sitten und Gebräuchen ist ein allmähliches Abschleifen im Verkehr mit Europäern zu erwarten.

Kolonialgesellschaft für Südwestafrika näher einzugehen, deren Statut vom 5. April 1885 durch Allerhöchste Kabinetsordre vom 13. April 1885 26) genehmigt wurde, indem gleichzeitig die Gesellschaft die Rechte einer juristischen Person nach Massgabe der Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts erhielt 27). Nach dem Statute hat die Gesellschaft den Zweck, die von F. A. E. Lüderitz in Südwestafrika erworbenen, unter dem Schutze des Deutschen Reichs stehenden Ländereien und Rechte käuflich zu übernehmen und durch andere Erwerbungen zu erweitern, die Grundbesitzungen und Bergwerksberechtigungen durch Expeditionen und Untersuchungen zu erforschen, für industrielle und Handelsunternehmungen, sowie deutsche Ansiedlungen vorzubereiten, geeignete gewerbliche Anlagen aller Art dortselbst zu machen und zu betreiben oder durch andere betreiben zu lassen, das Privateigenthum zu verwerthen und endlich die Ausübung staatlicher Hoheitsrechte zu übernehmen, soweit solche der Gesellschaft für ihr Gebiet übertragen werden. Die Hauptzwecke der Gesellschaft sind also kaufmännische Ausbeutung und Verwerthung der unter deutschem Schutze stehenden südwestafrikanischen Gebiete. Soweit die Gesellschaft Hoheitsrechte von den einheimischen Herrschern erwirbt, wird der Zweck des Erwerbs immer der sein, die kaufmännischen Bestrebungen der Gesellschaft zu unterstützen. Die Uebertragung des Monopols gewisser öffentlicher Arbeiten durch den Kapitän von Bethanien ist das beste Beispiel hierfür. Jedenfalls können aber die unter deutschem Schutze stehenden Häuptlinge der Gesellschaft nicht mehr Rechte übertragen, als sie selbst noch haben, also Hoheitsrechte gegenüber der einheimischen Bevölkerung, während ihnen über Europäer keine Hoheitsrechte mehr zustehen.

Die Ausübung von Hoheitsrechten über Europäer hätte die südwestafrikanische Gesellschaft nur erwerben können durch einen kaiserlichen Schutzbrief. Ein solcher ist ihr jedoch nicht zu Theil geworden. Die Gesellschaft nimmt daher in dem Schutzgebiete keine andere Stellung ein als jedes andere grössere kauf

26) Abgedruckt im Reichsanzeiger.

[ocr errors]

27) Nicht völlig klargestellt sind die rechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft in dem neuerdings in den Grenzboten", Jahrg. 45, 2. Quartal, S. 254-264 erschienenen kleinen Aufsatze: Die deutschen Schutzgebiete und ihre Rechtsverhältnisse."

männische Unternehmen, sie hat einen durchaus privaten Charakter. Sofern ihr dagegen die einheimischen Herrscher Hoheitsrechte abgetreten haben, ist sie an die Stelle der betreffenden Häuptlinge getreten und steht als deren Rechtsnachfolgerin in demselben Verhältnisse zu den kaiserlichen Behörden wie die einheimischen Häuptlinge. Die Stellung von Südwestafrika als Kronschutzgebiet wird jedenfalls durch das Bestehen der Gesellschaft in keiner Weise berührt.

Die deutschen Gesellschaftsschutzgebiete sind entstanden in unzweifelhafter Nachahmung der älteren englischen Chartercolonies, insbesondere ist das Beispiel der englisch-ostindischen Kompanie von entscheidendem Einflusse gewesen.

Der Reichskanzler sprach in seiner Reichstagsrede vom 26. Juni 1884 über den Plan sich dahin aus: „Es sollen ihnen (den kolonialen Unternehmern) die Vortheile der Royal charters gewährt werden, unter Hinblick auf die ruhmreiche Laufbahn, welche die englische Kaufmannschaft bei Gründung der ostindischen Kompanie zurückgelegt hat. Den Interessenten der Kolonie soll das Regieren derselben im wesentlichen überlassen und ihnen nur für Europäer die Möglichkeit europäischer Jurisdiktion und desjenigen Schutzes gewährt werden, den wir ohne stehende Garnisonen dort leisten können. Ein Vertreter des Reichs, ein Konsul, wird die Autorität des Reichs wahren und Beschwerden entgegennehmen, Handelsgerichte werden weitere Streitigkeiten entscheiden. Nicht Provinzen sollen gegründet werden, sondern Unternehmungen mit einer Souveränetät, welche dem Reiche lehnbar bleibt; ihre Fortbildung bleibt im wesentlichen den Unternehmern überlassen."

Abgesehen davon, dass dieses Programm für die jetzigen Kronschutzgebiete nicht durchführbar war, hat es auch sonst in den wichtigsten Punkten bei der praktischen Durchführung Abänderungen erfahren müssen. Schon die Anknüpfung der deutschen Kolonialgesellschaften an die ostindische Kompanie beruht mehr in der idealen Anschauung als in wirklicher Nachahmung. Denn die rechtliche Stellung der deutschen Kolonisationsgesellschaften ist eine durchaus andere, als die der meisten älteren Gesellschaften war.

Die englisch-ostindische Kompanie, wie ihre Nebenbuhlerin, die niederländische, sind im Anfange des 17. Jahrhunderts ent

« PreviousContinue »