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und breiteren Rechtsgrundlage, deren Feststellung ihm selbst grössere Sicherheit und juristische Bestimmtheit verleiht und demnach eine Frage des öffentlichen Rechts ist. Diese Rechtsbasis ist der zwischen dem Bewerber um das Staatsamt und einem Dritten gleichviel ob Vater oder Fremder abgeschlossene und durch das Sustentationsattest beurkundete Vertrag, welcher ein selbständiges und von irgend welchen anderen unter den contrahirenden Subjekten bestehenden Rechtsbeziehungen unabhängiges obligatorisches Rechtsverhältniss begründet. Dieser Vertrag hat die Natur eines Alimentationsvertrags, der zwischen verschiedenartigsten Subjekten, gleichviel ob sie durch familienrechtliche oder nur freundschaftliche Beziehungen verbunden sind, zu den verschiedenartigsten Zwecken sei es zur Sicherung der Existenz überhaupt, sei es zur Ermöglichung eines liberalen Berufs wie vorliegend abgeschlossen werden mag. Dass in der Regel Vater und Sohn die Subjekte des zur Schaffung des titulus mensae abgeschlossenen Vertrags sind, vermag seine Wirkung im Vergleich zu anders gearteten Fällen ebenso wenig zu erhöhen wie sie andererseits aus dem davon durchaus getrennten Familienrechtsverhältniss abgeleitet werden könnte. Es besteht das durch den Alimentationsvertrag begründete Vertragsverhältniss als selbständiges Rechtsverhältniss und muss vor jeder verwirrenden Vermischung mit ihm bewahrt werden. Und nur dadurch unterscheidet sich dieser Alimentationsvertrag von andern, dass sein Abschluss nicht blos eine faktische Nothwendigkeit, sondern eine rechtliche und gesetzlich erforderliche Voraussetzung der Anstellung im Staatsdienst ist und dadurch in den Zusammenhang mit dem öffentlichen Recht tritt, ohne jedoch selbst eine öffentlichrechtliche Verpflichtung zu begründen1). Ebenso wenig hat er die Natur eines Vertrags zu Gunsten Dritter mit dem Staat, der demnach ein unmittelbares Klagrecht erwürbe. Der Staat ist nicht Vertragssubjekt. Er erfordert für den Referendar als Voraussetzung der Anstellung im Staatsdienst mangels eigenen ertragbringenden Vermögens (titulus patrimonii) den Abschluss eines Alimentationsvertrags, dessen Urkunde er nur als Depositar bewahrt, mit irgend einem zahlungs- und leistungsfähigen Subjekt: so wird der titulus mensae begründet.

14) Wie eine solche das „verwandte Sustentationsattest", dessen der Einjährig-Freiwillige bedarf, zweifellos bewirkt. Da hier die Alimentationspflicht nicht Voraussetzung des freiwilligen Erwerbs eines Staatsamts, sondern der Erfüllung einer an sich nothwendigen Staatsbürgerpflicht in einer bestimmten Art und Zeit bildet, so kann diese Leistung, die nachdem sie einmal als solche begonnen, untheilbar ist, nicht von einem privatrechtlichen Vertragsverhältniss zwischen dem Leistungssubjekt und einem Dritten abhängig sein. Jene Alimentationspflicht ist daher im Gegensatz zu der unserem titulus mensae zu Grunde liegenden keine vertragsmässige, sondern eine öffentlichrechtliche, durch freiwillige Uebernahme begründete, die nicht vom Alimentationsberechtigten im Wege des Civilprozesses, sondern vom Staat im Wege des Verwaltungsverfahrens geltend gemacht werden kann. Im Zusammenhang des Militärrechts würde sie als freiwillig übernommene Militärlast (Einquartierungslast) im Gegensatz zu der nothwendigen zu konstruiren sein.

Literatur.

Archiv für öffentliches Recht. II. 2.

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Dr. Siegfried Brie, ord. Prof. an der Univers. Breslau, Theorie der Staatenverbindungen. Breslau 1886. gr. 4o. 139 S. (Gratulationsschrift der Universität Breslau zum fünfhundertjährigen Jubiläum der Universität Heidelberg.)

Dem sachkundigen Leser braucht nicht gesagt zu werden, dass die hier besprochene Schrift den Abschluss langjähriger, höchst eindringender Forschungen bildet und dass sie eine in den betheiligten wissenschaftlichen Kreisen seit Jahren gehegte Erwartung erfüllt. Schon im Jahre 1874 hat der Verfasser seine historisch-dogmatische Untersuchung über den Bundesstaat veröffentlicht und durch diese ebenso durch Gelehrsamkeit und Gründlichkeit wie durch klare und fesselnde Darstellung ausgezeichnete Monographie sich einen angesehenen Platz unter den deutschen Staatsrechts-Schriftstellern erworben. Aber es erschien nur die erste dogmengeschichtliche Abtheilung. Die in dem Vorwort derselben ertheilte Zusage des Verfassers, dass der zweite Theil der Arbeit, welcher die Begründung seiner eigenen Theorie enthalten sollte, voraussichtlich während des nächsten Sommers erscheinen werde, blieb unerfüllt. Fast schien es, als ob der Verfasser sich von dem mit so grossem Erfolge bearbeiteten Thema ganz abgewendet habe; durch das Erscheinen des geistreichen und hochbedeutsamen Buches von JELLINEK, die Lehre von den Staatenverbindungen, Wien 1881, wurde aber BRIE zu einer Weiterführung seiner Studien veranlasst. Im elften Bande der Grünhut'schen Zeitschrift f. das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart (1884) veröffentlichte BRIE eine sehr werthwolle kritische Erörterung der von JELLINEK entwickelten Theorien, welche ihm Veranlassung bot, auch auf andere im letzten Jahrzehnt erschienene Untersuchungen über denselben Gegenstand Rücksicht zu nehmen und zugleich die Gesichtspunkte anzudeuten, von welchen aus er selbst eine Lösung des wissenschaftlichen Problems glaubte gewinnen zu können. Aber auch diese Abhandlung, welche die Ueberschrift „Erster Artikel" trägt, war und blieb ein Torso; der „Zweite Artikel“ erschien nicht und das Verlangen, die eigene Theorie des Verfassers in zusammenhängender dogmatischer Darstellung kennen zu lernen, blieb wieder ungestillt. Da bot das Jubiläum der Heidelberger Universität dem Verfasser die Veranlassung, die Grundzüge seiner eigenen Auffassung der Staatenverbindungen und ihrer verschiedenen Arten zu veröffentlichen. Der Universität Heidelberg, welche für die Förderung der Staatswissenschaft so Grosses geleistet hat, kommt daher auch an der Bereicherung derselben durch die vorliegende Arbeit ein mittelbares Verdienst zu. Wenngleich demnach diese Abhandlung eine Gelegenheitsschrift ist, so ist sie doch nicht, wie manche andere Gelegenheitsschrift, unter dem Drucke eines kurzen Termins verfasst, sondern sie bietet

die reife Frucht langer und eifriger Vorarbeiten. Es ist daher wohl kaum nöthig, der Schrift die blichen Lobesprädikate zu ertheiler und ihr diejenigen Eigenschaften einzeln nachzurühmen, welche jede echt wissenschaftliche, mit Ernst auf die Erken ntniss der Wahrheit gerichtete Forschung an sich tragen muss; es genügt auszusprechen, dass die vorliegende Monographie eine solche von echter Wissenschaftlichkeit getragene Leistung ist.

Wenden wir uns nun dem Inhalt der Schrift zu und betrachten wir die vom Verf asser gegebene Lösung der Aufgabe. Zur Orientirung möge zunächst eine Uebersicht des Inhaltes dienen.

Die Schrift zerfällt in zwei Theile: „grundlegende Erörterungen" (S. 2 bis 25) urd die einzelnen Arten von Staatenverbindungen“ (S. 26–137). Im erster Theil geht der Verfasser aus von einer Feststellung des Staatsbegriffer, auf welche wir unten näher zurückkommen werden, knüpft daran Bemer' kungen über die Nothwendigkeit der Coëxistenz von Staaten und über die gegenseitigen Beziehungen der Staaten und gibt eine allgemeine Uebersich über die Staatenverbindungen. Dieser Ausdruck wird in dem weitesten Sine genommen. Er soll jede friedliche Beziehung zwischen Staaten und im Rechts sinne jede durch Rechtsnormen geordnete friedliche Beziehung zwischen Staaten bezeichnen; ferner den Fall mitumfassen, dass objektives Recht gleichmässig für zwei oder mehrere Staaten gilt, selbst wenn diese Rechtsnormen nur das gegenseitige feindliche Verhalten reguliren sollen. Innerhalb dieses weiteu Rahmens können nun die Staatenverbindungen sehr verschiedenartige sein und nach mannigfachen Gesichtspunkten von einander differiren. Für die juristische Konstruktion ist die rechtliche Stellung der Gliedstaaten zu einander maassgebend, und nach diesem Kriterium unterscheidet der Verfasser drei Hauptklassen: entweder besteht gar keine Unterordnung der Glieder, oder zweitens die Glieder stehen zu einander im Verhältniss der Ueber- und Unterordnung (einseitige Abhängigkeitsverhältnisse), oder endlich die Glieder sind einander nebengeordnet, aber einer höheren Gesammtgewalt untergeordnet. Jede dieser Hauptklassen enthält wieder Unterarten nach der vorzugsweise durch den Zweck bestimmten Struktur der Verbindung.

In dem zweiten Theile werden nun die einzelnen Arten der Reihe nach erörtert. Der Verfasser beginnt mit den einseitigen Abhängigkeitsverhältnissen, welche er in Herrschafts- und Schutzverhältnisse eintheilt; er hebt jedoch selbst hervor, dass diese Arten vielfach ineinander übergehen. Unter den „auf dem Princip der Nebenordnung beruhenden Staatenverbindungen wird zunächst die „Völkerrechtsgemeinschaft" erörtert, zu deren Thatbestand nichts weiter erfordert wird, als eine Gemeinschaft objektiven Rechts zum Schutz gegen willkürliche Eingriffe des einen Staates in die Rechtssphäre und die vernünftigen Interessen des anderen, eine „Friedensordnung“ unter unabhängigen Staaten, ein Völkerrecht. Da dasselbe aber nicht genügt, um den Krieg unter den Mitgliedern der Völkerrechtsgemeinschaft auszuschliessen, das Völkerrecht vielmehr den Krieg rechtlich anzuerkennen genöthigt ist, so hat es wenigstens die Aufgabe, demselben die mit dem Zwecke der Niederwerfung des Gegners vereinbaren Schranken zu setzen. Dieser allgemeinen Völkerrechtsgemeinschaft stehen gegenüber alle intensiveren Staatenverbindungen, die „völkerrechtlichen Spezialverbindungen". Dieselben sind in ihrer rechtlichen Konstruktion der Völkerrechtsgemeinschaft gleichartig oder wenig

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