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Methode. Wie diese im Einzelnen beschaffen sein muss, kann nicht an diesem Ort erörtert werden, für sicherstehend aber halten wir die Nothwendigkeit einer gewissen Isolirung jeder zu behandelnden Institution. Die Bemühung sie zugleich in ihrer Gesetzmässigkeit und ihrer Complication mit allen anderen socialen Verhältnissen darzustellen, ist eine von vornherein aussichtslose. Wir verweisen diesbezüglich auf CARL MENGER'S Untersuchungen über die Methode der Socialwissenschaften," namentlich auf das 6. Kapitel: Ueber die Theorie, dass die volkswirthschaftlichen Erscheinungen in untrennbarem Zusammenhang mit der gesammten socialen und staatlichen Entwickelung der Völker zu behandeln seien." Das Ziel der Forschung wird es sein Gesetze zu entdecken, welche die Welt der Erscheinungen beherrschen und durchdringen und sowohl zur Aufhellung einer sonst unbekannten Vergangenheit, als vielleicht zur Vorausbestimmung künftiger Bildungen dienen können. Andere Ziele, wie die Erziehung des sittlichen Willens u. dgl. mögen wohl daran geknüpft werden, liegen jedoch bereits ausserhalb des Rahmens der sociologischen Rechtslehre. Die diesbezüglichen Forschungen sind, wie an anderem Ort entwickelt werden wird, ein Theil der theoretischen Socialwissenschaft, nicht der Geschichte, wenn sie auch des allgemeinhistorischen Interesses nicht entbehren.

Im Vorstehenden sind wir genöthigt gewesen in polemischer Weise die Resultate und die Methode der neuen Wissenschaft gegen Prof. STOERK, den Herausgeber dieser Zeitschrift, in Schutz zu nehmen. Zugleich haben wir einen Theil der Lehren Post's, des Altmeisters der ethnologischen Jurisprudenz, einer neuerlichen, ablehnenden Beurtheilung unterzogen. Wir sind es ihm schuldig, hier neuerdings und ausdrücklich hervorzuheben, wie hoch wir seine actuellen Verdienste um die sociologische Rechtslehre anschlagen. Die letztere befindet sich aber in dem unvermeidlich von Zweifeln und Kämpfen begleiteten Stadium des Werdens; da ist es ein Verdienst, das Zweifelhafte und der Klärung Bedürftige zur Discussion zu bringen. Das hat durch seine Studie STOERK gethan und dafür glauben wir ihm, wie im eigenen Namen, so in dem aller mitinteressirten Fachgenossen unseren Dank aussprechen zu sollen.

Quellen und Entscheidungen.

Die Gemeindeverfassung in Frankreich nach dem

Gesetze vom 5. April 1884.

Mitgetheilt durch

Prof. Dr. A. WEISS in Dijon,

und

Prof. Dr. G. BLONDEL in Lyon,

Die Entwickelung des Gemeinderechts in Frankreich hat viele Hindernisse überwinden und viele Missgeschicke erleiden müssen, seit der Zeit, da König Ludwig VI., der Dicke, um Stützpunkte gegen die Ansprüche der Lehnsherren zu gewinnen, den Städten grosse Freiheiten schenkte. Die bald der argwöhnischen Eifersucht der Lehnsherren, bald den Centralisationsbestrebungen der Könige ausgesetzten Gemeinden wurden erst wirklich frei in der Zeit der französischen Revolution. Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, die Aufhebung der veralteten Vorrechte, auf denen die alte Staatsform gegründet war, haben bei uns das Communalleben erzeugt, und den Städten, den Flecken, den Dörfern eine Selbstverwaltung und eine grosse Unabhängigkeit in der Führung ihrer eigenen Angelegenheiten gegeben. Ohne Zweifel haben die politischen und socialen Umwälzungen, deren Schauplatz Frankreich seit dem Anfange dieses Jahrhunderts gewesen ist, eine unläugbar nachtheilige Rückwirkung auf unsere Gemeindeverfassung geübt. Die Freiheit ist ihnen mehr oder weniger kärglich, je nach dem Ursprung und den Bestrebungen der verschiedenen Parteien, die nach einander zur Regierung gelangten, bewilligt worden; und die verschiedenen Wahlsysteme, nach welchen die Mitglieder des Magistrats bestimmt worden sind, haben mit der Zeit den populären Forderungen der Demokratie mehr oder weniger grossen Raum gegeben, jedoch sind die allgemeinen Prinzipien, auf welchen unsere Gemeindeordnung durch die französische Revolution gestellt worden ist, unverletzt geblieben. Die Gesetze des Kaiserreichs, der Monarchie und der Republik haben sich meistens damit begnügt, die Anwendungen zu bestimmen und dieselben in Einklang zu bringen mit der neuen Ordnung der Dinge. Alle diese Gesetze, deren Zahl eine sehr grosse ist1), liegen so zu sagen auf

1) Unter den wichtigsten Gemeindegesetzen, die in Frankreich nach

einander, ohne Einheit in den Gedanken, und sind bis jetzt eine formlose Anhäufung von Gesetzen gewesen, die sehr verschiedene und sogar oft kontradiktorische Ideen ausdrückten. In ihrem Wirrwar hatten die Vorsteher unserer Landgemeinden viel Mühe die Gründe einer Entscheidung und eine feste Norm zu finden. Der Gesetzgeber von 1884 hat es sich vor allem zur Aufgabe gesetzt diesen Organen der communalen Verwaltung behülflich zu sein, indem er in einem einzigen systematisch geordneten Gesetze den vorhandenen zerstreuten, von der Vergangenheit überlieferten Stoff zusammenstellte. In Folge dessen ist das Gesetz vom 5. April weit eher eine Codificationsarbeit, als eine neue Gesetzgebung zu nennen; seine Verfasser haben jedoch die Nothwendigkeit verstanden, und die Gelegenheit ergriffen das Gesetz mit den Ideen, die zur Zeit in der öffentlichen Meinung und in unseren parlamentarischen Versammlungen vorherrschen, in Einklang zu bringen, indem sie die Unabhängigkeit der Gemeinde und ihrer erwählten Vertreter einerseits der Centralgewalt der Verwaltung, andererseits den kirchlichen Behörden gegenüber ausgedehnt haben.

Wir glauben der orientirenden Aufgabe des Archivs zu entsprechen, wenn wir in einer kurzen Skizze die Verfassung, in welche die französischen Gemeinden durch dieses neue Gesetz gebracht worden sind, darstellen.

Das Gesetz vom 5. April 1884, das im „Journal officiel" des folgenden Tages verkündigt worden ist, hat 168 Artikel und wird in sieben Titel eingetheilt.

I. Der erste den „Communes" gewidmete Titel (art. 1-9) bestimmt die entweder an den Namen der Gemeinden, oder im Umfang ihrer Gemarkungsgrenzen vorgenommenen Abänderungen; es dürfte daher überflüssig erscheinen hier bei diesen Normen streng localer Bedeutung länger zu verweilen.

II. Im Titel II, der ziemlich lange Erörterungen verlangt, wird von den „Conseils municipaux" gehandelt (art. 9-72). Wir wollen nach einander ihre Organisation, ihre Thätigkeit und ihren Wirkungskreis betrachten.

a. Organisation der „Conseils municipaux". An die Spitze jeder Gemeinde ist eine berathende Versammlung gestellt, die über die gemeinschaftlichen Angelegenheiten der Einwohner zu wachen beauftragt ist: es ist der Conseil municipal". Die Zahl der Mitglieder, aus denen sie besteht, ist wechselnd; sie ist, nach dem Ergebnisse der unmittelbar vor der Wahl stattfindenden offiziellen Bevölkerungszählung festgestellt, und auf der folgenden Grundlage bestimmt. Der Conseil besteht aus:

einander proklamirt worden sind, müssen hier Erwähnung finden: in der époque intermédiaire (von 1789-1804), das Gesetz vom 22. Dez.-8. Jan. 1790, die Constitution vom 5. fructidor des Jahres III, das Gesetz vom 28. pluviose des Jahres VIII. Unter der Monarchie: die Gesetze vom 21. März 1831 und vom 18. Juli 1837. Unter der Regierung der zweiten Republik, das Gesetz vom 3. Juli 1848. Unter der Regierung Napoleons III. die Gesetze vom 5. Mai 1855, vom 24. Juli 1867 und vom 22. Juli 1870. Endlich unter der jetzigen Regierung, diejenigen vom 14. April 1871, vom 20. Jan. 1874 vom 7. Juli desselben Jahres und vom 12. August 1876.

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