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auch, daß die Tochter Pharaos diese Worte zu der herbeigerufenen Amme sagte, indem sie dieser den soeben gefundenen kleinen Moses übergab. Was bewog doch diese hohe Dame, sich das Wohl eines kleinen, hilflosen, fogar fremden Kindleins so angelegen sein zu lassen? Es war das herzliche Mitleid und Erbarmen, welches Gott eben gegen dieses Kind in ihre Brust gelegt hatte. Das preßte ihr die Thränen aus den Augen und gab ihr die Worte in den Mund: Nimm hin das Kindlein 2c. Nun war da keineswegs bloß das Geschäft des Säugens zu verrichten, sondern noch gar viel und mancherlei wurde der Amme damit übertragen. Sie hätte darum mit Recht antworten können: Aber bedenken Sie auch, was Sie damit von mir fordern? Wie viel Sorge, Mühe, Arbeit, Entbehrung und Selbstverleugnung wird mir damit auferlegt; wie viele schlaflose Nächte werde ich davon haben; von wie viel Stank und Unflat werde ich das Kind täglich und oft reinigen müssen, ja, es wird sogar vorkommen, daß es mich selbst gelegentlich verunreinigt vielleicht gerade dann, wenn ich mich am schönsten geschmückt habe u. s. w. Das alles wußte die hohe Dame wohl, und troßdem spricht sie: Nimm hin das Kindlein 2c.

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Und nun, meine teuern Kollegen: Wie steht es mit uns, wenn uns ein neuer Schüler gebracht wird? Dann steht der HErr JEsus vor uns und übergiebt uns mit denselben Worten seine Lämmlein. Er, der die Liebe und das Erbarmen selber ist, der sich aus Liebe zu jedem Kindlein zu Tode geblutet hat und nicht will, daß Eins dieser Kleinen verloren werde er bittet und fleht: Nimm hin das Kindlein und säuge mirs. Wohl weiß ich, welche Mühe und Arbeit, Sorge und Not dir dasselbe bereiten wird; wie du dich selbst verleugnen und gleichsam selbst wieder zum Kinde werden mußt. Ich weiß auch gar wohl, welchen Unflat, ja, ansteckende Krankheit (die Sünde) dieses Kind mitbringt und wie es sich damit täglich und oft verunreinigt aber eben deshalb, damit es in dem Sündenwust nicht gar umkomme, nimm es von meinen Händen, warte und pflege es; weide es auf den grünen Auen des göttlichen Wortes und führe es zu den frischen Wassern des evangelischen Trostes wider die Sünde. Und ob auch dein eigenes Kleid hier in der Welt noch derart ist, daß es zuweilen beschmußt wird, indem du durch die Bosheit, Leichtsinn, Ungehorsam und dgl. des Kindes in Ungeduld, Zorn, Mißmut u. s. w. gerätst, ziehe deine Hand nicht von ihm ab. Reinige dich selbst wieder in meinem Blut und bezeuge ihm immer wieder aufs neue, wie gut man es bei JEfu hat".- Zeige ihm aber auch die Feinde und lehre es kämpfen den guten Kampf des Glaubens und ergreifen das ewige Leben. Sollten wir, geliebte Kollegen, nun nicht mit Lust und Freude immer wieder zugreifen und mit frischem Mut unser Amt antreten, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß ein so hoher Herr, unser HErr JEsus Christus, selbst uns so freundlich bittet, während er uns kurzweg nur befehlen und sagen könnte: Ihr müßt es thun!? Ja, er bedürfte unser gar nicht einmal dazu: Sein Wille geschieht auch wohl ohne

uns. Aber er will uns, uns die Ehre anthun, daß wir seine Diener in seinem Reich sein sollen, wo doch tausendmal tausend ihm dienen und zehntausendmal zehntausend vor ihm stehen und seines Winkes gewärtig sind!! Doch dieser treue Heiland bittet nicht bloß freundlich, ihm unsere Schüler zuzuführen, sondern spricht nun auch noch:

Ich will dir lohnen.

Diese Worte sette einst die Tochter Pharaos ihrer Bitte hinzu, noch ehe die Amme eine Silbe vom Lohn erwähnt hatte, um diese desto bereit williger zu machen, ihre Bitte zu erfüllen. Worin bestand aber wohl dieser Lohn? Nun, vielleicht in Überresten von der königlichen Tafel, sowie in etlichen abgetragenen Kleidern, und in etlichen Goldstücken. Doch war das noch nicht der ganze Lohn. Bedenkt, welch ein verachtetes, verfolgtes und geknechtetes Volk das Volk dieser Amme war. Wie hoch wird da plöglich dieses Weib vor allen andern Weibern in Israel erhoben, indem es die Amme des Sohnes der königlichen Prinzessin wird! Ist das nicht etwas Großes? Dazu ist sie von aller Frohnarbeit befreit; darf ruhig daheim bleiben, während die übrigen ihres Volkes und Geschlechts geplagt und mißhandelt werden. Ist das nicht ein noch reicherer Lohn als der in Kleidern und Goldstücken bestehende? Endlich aber: Sie hat freien Zutritt zur königlichen Familie, darf ungescheut kommen und sowohl über ihre als des Kindes Anliegen berichten mit der zuversichtlichen Voraussetzung, sie werde gehört und erhört, sei es gute oder böse Botschaft, die sie bringt. Was aber zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben.

Im gewöhnlichen Leben gilt der Grundsaß: Ein Arbeiter ist seines Lohnes wert. Daraus folgt, daß ein Arbeiter, nach vollbrachtem Tagewerk, seinen Lohn fordern kann. Leider glaubt nun mancher Lehrer, im Reiche Christi sei es auch so, oder der Lehrer könne sogar seinen Lohn fordern, ehe er sein Tagewerk vollbracht habe, bedenkt aber nicht, daß der HErr Christus gesagt hat: Wenn ihr alles gethan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnüße Knechte, wir haben gethan, was wir zu thun schuldig waren. Wer dieses nicht glaubt, wird ja freilich seinen Lohn suchen, und zwar hier schon, in der Welt. Dieser gesuchte Lohn besteht bei den Lehrern vornehmlich in Ehre und Ansehen bei den Menschen. Und, merkwürdig! solchen Lehrern läßt es Gott, wie es scheint, gelingen; denn sie erlangen in der Regel, was sie suchen. Sie werden fast auf den Händen getragen; es wird ihnen geschmeichelt; sie sind die Herren Lehrer hier und die Herren Lehrer da, während vielleicht über die andern Kollegen die Nase gerümpft wird. Handelt Gott da nicht ungerecht? Keineswegs! Was sie suchen, das finden sie, aber Sie haben ihren Lohn dahin"! Das ist das bereits gesprochene Urteil über solche lohnsüchtige Lehrer. Würde nun ein Lehrer fragen: Soll ich denn mein Amt so verwalten, daß ich Schimpf und Schande davon habe? so antworte ich: Nein,

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„niemand unter euch leide als ein Übelthäter", sondern, „Verricht das Deine nur getreu", dann „giebt der HErr" (du brauchst nicht darnach zu suchen und zu haschen) Gnade und Ehre". Ps. 84, 11.,„Ich will Ps. dir lohnen", spricht der HErr Christus. Was will er damit wohl sagen? Kurz dieses: Ich will dir alles geben, was dir nötig und nüße ist. Es ist doch wohl kaum anzunehmen, daß Einer unter uns ist, welcher sich wegen Mangels an Nahrung hätte hungrig zu Bette legen und fragen müssen: Was werde ich essen? Was werde ich trinken? Womit werde ich mich kleiden? Können wir auch nicht herrlich und in Freuden leben, so haben wir doch der eine reichlicher, der andere spärlicher unser Auskommen, ja, können auch wohl dann und wann einem noch Ärmeren, als wir sind, ein Scherflein abgeben. Und wenn der HErr Christus heute vor uns träte mit der Frage: Habt ihr je Mangel gehabt? müßten wir nicht alle auch antworten, wie seine Jünger einst: HErr, nie keinen!? Freilich, wer nicht will arbeiten, der soll auch nicht essen. Müßiggänger kann Christus in seinem Reiche nicht gebrauchen; Müßiggang ist aller Laster Anfang. Viele giebt es gerade in unserer Zeit, welche entweder gezwungen oder freiwillig müßig gehen und also wenigstens in der Gefahr stehen, in allerlei Laster zu geraten. Dagegen haben wir täglich unsere Arbeit vor uns, weswegen wir keine Ursache zum Müßiggehen haben, vielweniger ist zu befürchten, wir möchten gewaltsam an unserer Arbeit gehindert werden. Aber in dieser Gefahr stehen auch wir, daß uns unser eigenes böses Fleisch träge macht, weil dasselbe von Natur faul und arbeitsscheu ist. Folgen wir diesem, so wird sich das sehr bald in unsern Schulen offenbaren und furchtbar rächen. Sind wir aber treu in unserm Amt, so tröstet uns Gott in seinem Wort unter anderem mit diesem Spruch: Nun sucht man nicht mehr an den Haushaltern, denn daß sie treu erfunden werden, 1 Kor. 4, 2. Ob du dann mit geringem oder großem Erfolg arbeitest das befiehl deinem Gott, der dir den verheißenen Lohn nicht vorenthalten wird.

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Luther schreibt: Bist du ein Schulmeister oder Zuchtmeister, was sollst du thun? Du sollst die Jugend, die dir befohlen ist, treulich unterweisen, lehren, züchtigen und vermahnen in der Hoffnung, es werden sich etliche recht halten, etliche nicht. Denn wer was Gutes thun will, muß sich des erwägen, daß er es vergeblich thue und seine Wohlthat übel anlege; denn derer sind allezeit mehr, die guten Rat ausschlagen und verachten, als derer, die ihn annehmen. Und sollen wir uns genügen lassen, daß die Wahrheit nicht so gar verloren ist; und wenn unter zehn Aussäßigen einer wieder kommt und die Wahrheit erkennt, ist es genug. Luc. 17, 17. Also wenn unter zehn Schülern einer ist, der sich ziehen lässet und fleißig lernt, ist es genug; denn so ist die Wahrheit auch nicht gar verloren.“ VII, 1474. Ja, wenn unter unsern sämtlichen Schülern nur je einer wäre, dem wir zur Erlangung der Seligkeit behülflich gewesen wären, wäre nicht das schon ein unbezahlbarer Erfolg und für uns ein größerer Lohn

als alle Goldstücke der Erde? Erklärt doch St. Jakobus: Wer den Sünder bekehrt hat von dem Irrtum seines Weges, der hat einer Seele vom Tod geholfen und wird bedecken die Menge der Sünden.

Weil der HErr JEsus uns unsere Schüler übergeben hat, so haben wir dadurch auch diesen großen Vorteil voraus, daß wir soviel öfter Urfache und Gelegenheit haben, im Gebet vor seinem Gnadenthron zu er scheinen. Wie oft ist jedoch unser Herz, unserer Sünden halben, blöde und verzagt; denn wir möchten am liebsten immer in unserm Festkleid an den königlichen Hof gehen. Siehe, da ist vielleicht eben eines unter deinen Schülern geistlich schwer erkrankt. Nun heißt es: eilen! Darum nimm ,,wie du gehst und stehst" deinen Kranken im Gebet auf die Arme und lege ihn deinem Heiland vor die Füße. Da wird dann, wie man zu sagen pflegt, ein Wort das andere geben und du wirst Mut bekommen, auch dein eigenes Anliegen vorzubringen. Er aber, der treue Heiland, wird sowohl deinem Kranken, als auch dir selbst helfen. Ist das nicht auch ein herrlicher Lohn? Doch der beste Lohn kommt zuleßt. Daniel 12, 3. spricht Gott: Die Lehrer werden leuchten wie des Himmels Glanz; und die, so viele zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne immer und ewiglich. So wahr es nun zwar ist, daß wir uns die Seligkeit auch mit unserer schwersten Arbeit und größten Treue nicht verdienen können, so wahr ist es doch auch auf der andern Seite, daß uns die Herrlichkeit im Himmel nach unsern Werken zugemessen werden wird. Im Himmel werden wir es erfahren, daß all unsere Mühe und Arbeit und alle unsere Leiden und Bekümmernisse nicht wert find der Herrlichkeit, die an uns soll offenbart werden. Dann werden wir auch erst erkennen, mit welchem Erfolg wir hier gearbeitet haben, wenn unsere ehemaligen Schüler uns mit Freuden entgegeneilen und ihre Ehrenkronen anbieten werden, weil wir ihnen eine Ursache (oder Veranlassung) zu ihrer Seligkeit waren. Wie manchen werden wir da antreffen, von dem wir's hier nicht mehr geglaubt hatten, dem aber vielleicht erst im Todesstündlein noch ein Spruch oder Verslein einfiel, das er einst in unserer Schule gelernt hatte und wodurch ihn nun der Heilige Geist, wie einen Brand aus dem Feuer, dem ewigen Tod entriß. Wie lieblich wird es aber erst in unsern Ohren klingen, wenn der HErr JEsus sprechen wird: Ei, du frommer und getreuer Knecht, du bist über wenigem getreu gewesen, ich will dich über viel seßen. Gehe ein zu deines HErrn Freude.

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Wirst du Gott also bleiben treu,

So wird er sich erweisen,

Daß er dein lieber Vater sei,

Wie er dir hat verheißen,

Und eine Kron zum Gnadenlohn

Im Himmel dir aufseßen;

Da wirst du dich fort ewiglich

In seiner Treu ergößen.

Amen.

„Eröffnung und Schluß unserer Schulen.“

(Auf Beschluß der Cleveland Lokal-Lehrerkonferenz eingesandt von Joh. Schneider.)

Vor kurzer Zeit schrieb ein lutherisches Gemeindeglied des Staates New York an seinen hiesigen Freund, daß seine Gemeinde gezwungen gewesen wäre, ihren Lehrer zu entlassen, da derselbe seine Schule weder recht zu beginnen, noch recht zu schließen imstande gewesen sei. Diese Mitteilung giebt uns zu denken! In unserem Berufe haben wir täglich Schule zu eröffnen und Schule zu schließen. Wie thun wir das? Ist uns dieser tägliche Akt des Eröffnens und Schließens unserer Schulen zu einem mechanischen, einem Handlangerdienst geworden, oder sind wir stets überzeugt und überzeugt gewesen, daß auch Anfang und Schluß unserer Schulen ein wesentlicher Teil unserer Arbeit sind? Hier und da hört man freilich die Bemerkung, daß diese zwei Punkte eigentlich herzlich wenig beim Schulehalten ins Gewicht fielen, und daß, sei die Schule nur eine gute, Anfang und Schluß derselben jedenfalls dasselbe Prädikat verdienten. Wie stehen. wir nun zu dieser Äußerung? Stellen wir uns etwa als Vertreter derselben auf, oder meinen wir nicht vielmehr, daß, wo ein Lehrer Gleichgültigkeit für Anfang und Schluß seiner Schule zeigt, diese Untugend seine ganze Schule charakterisiert? Ist jener unglückliche Kollege, dessen ich anfangs erwähnte, wirklich nur entlassen worden, weil er sich etwa linkisch und ungeschickt beim Anfang und Schluß seiner Schule benahm, oder steckt nicht hinter den einfachen Worten jenes New-Yorker Briefschreibers ein tieferer Sinn verborgen? Ich fürchte fast, daß jener entlassene Kollege vergessen hatte: All, was mein Thun und Anfang ist, gescheh im Namen JEsu Christ."

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Ist nun aber Anfang und Schluß der Schule wirklich ein so wichtiger Punkt, daß er, wie gesehen, solche Folgen nach sich ziehen kann, so ist es doch wohl am Play, wenn Lehrer lutherischer Gemeindeschulen das „Wie" desselben einmal erwägen. Wie also, fragen wir zuerst, eröffnen wir denn unsere Schulen, die Pflanzstätten des Wortes Gottes?

Zweierlei ist es da, worauf wir unser Augenmerk zu richten haben: das Äußerliche und das Göttliche unseres Anfangs. Was nun das erstere, das Äußerliche des Anfangs, betrifft, so gilt da wohl das Wort unseres Gottes: „Lasset alles ehrlich und ordentlich zugehen. Unsere Kinder sind, wie wir zuversichtlich hoffen, Gottes Kinder. Als solche sollen sie sich wesentlich unterscheiden von den Kindern der Welt. Ziehen diese oft mit Fluchen, Toben und Zanken in die Stätte ihrer Bildung ein, so sollten jene erscheinen als solche, die da wissen, daß, wo sie sind, auch ihr allwissender Schöpfer zugegen ist.

Und mit solchen Kindern beginnen wir unser mühsames und doch köstliches Tagewerk. Es ist 10 Minuten vor 9 Uhr. Die Glocke, als

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