Page images
PDF
EPUB

Fleisch und Blut übergegangen, daß die Kinder bloß in deinem Geiste zu lesen brauchen, um zu verstehen? Lebst du, wie du lehrst, und lehrst du, wie du lebst? Mit deiner ganzen Persönlichkeit mußt du beim Unterrichte eintreten; du mußt Lehrerin sein von ganzem Herzen, von ganzer Seele, aus allen deinen Kräften; dann werden auch deine Kinder lernen aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele und aus allen ihren Kräften, und was mehr ist, sie werden auch das Gelernte im Leben bethätigen.

Die Kunst zu unterrichten erfordert Beherrschung des Lehrstoffes und der Methode; sie erfordert auch 3) Beherrschung des Kindes. Das Kind steht der Lehrerin als Person gegenüber; es hat seinen eigenen Willen und macht ihn geltend. Soll nun der Unterricht gedeihen, so muß das Kind zunächst den Willen haben zu lernen. Wer unterrichtet hat, weiß, wie schwer das manchmal zu erreichen ist. Gewiß ist es ein schöner und richtiger pädagogischer Gedanke, die Kinder durch die Güte des Unterrichts zum Lernen zu locken, wie der englische Pädagoge Locke und die Philanthropisten es wollten. Aber wenn es schon bei einigen wenigen Kindern schwer ist, mit dem Locken immer zum Ziele zu kommen, so noch unvergleichlich schwerer bei 60, 70, 80 Kindern, wo nicht selten eine bedeutende Summe von Bequemlichkeit und Trägheit zu überwinden ist. Hier ist eine unwiderstehliche Gewalt der Lehrerin über die Kinder nötig. Sie muß zunächst durch ihre Autorität imstande sein, eine strenge äußere Ordnung herzustellen. Rein Kind darf zu spät kommen, schwäßen, Geräusch machen, Störungen verursachen. Anständig, ruhig und gesammelt, Auge in Auge müssen die Kinder der Lehrerin gegenüber sißen. Gemeinschaftliche Verrichtungen wie das Aufstehen und Niedersißen und das Herausnehmen und Weglegen der Schulsachen müssen sich mit militärischer Pünktlichkeit vollziehen. Man nenne dergleichen nicht Pedanterie; es sind vortreffliche Mittel, die Kinder in die Gewalt zu bekommen. Vor Beginn und während des Unterrichts dulde man keine Unordnung, keine Ausschreitung. Es ist zehnmal leichter, Kinder von vorne herein in gute Zucht zu nehmen und darin zu erhalten, als sie von der Ausgelassenheit zur Zucht zurückzubringen. Die äußere Ordnung ist aber nur das Gefäß für den kostbaren Trank, der den Kindern im Unterrichte geboten werden soll. Sind die Kinder so zu sagen auf mechanische Weise, rein durch den Willen der Lehrerin in die richtige Verfassung gebracht, so müssen sie durch die Gediegenheit des Unterrichts darin erhalten werden. Es darf ihnen nicht in den Sinn kommen, etwas anderes zu thun, als zu hören, zu sehen, acht zu geben, sich am Unterrichte zu beteiligen. Aber auch mit dem gediegensten Unterricht ist es nicht genug. Das Kind ist nicht nur ein geistiges, es ist auch ein sittliches Wesen. Der Unterricht ist daher nicht nur ein geistiges Geschäft, er ist im höchsten Grade ugleich ein sittliches Geschäft. Nur auf streng sittlichem, ja, nur auf christlichem Boden kann der Unterricht recht gedeihen.

Das erste sittliche Erfordernis ist hier eine unwandelbare Gerechtig=

keit. Die Gerechtigkeit ist das Fundament der Staaten, auch einer guten Schulzucht. Es ist eine der schönsten Seiten des Kindes, sich mit Leichtig keit in eine strenge, aber mit Gerechtigkeit und Konsequenz gehandhabte Zucht finden zu können. Die Lehrerin sei daher gerecht mit der Peinlichkeit eines Richters. Sie betrachte sich als die geistige Nährmutter aller Kinder und nehme sich besonders der Schwachen an. Es hat keinen Sinn, mit einigen jungen Adlern aufzusteigen und die große Menge am Boden zurückzulassen. Lob und Tadel spende die Lehrerin mit Unparteilichkeit. Sie demütige nicht die Schwachen; sie sind bei ihrer geringen Begabung genug gestraft, und es hat unterrichtlich und erziehlich keinen Sinn, den glimmenden Docht ganz auszulöschen. Nur die Übermütigen verdienen Demütigung; aber auch sie müssen an der richtigen Stelle gefaßt werden. Faule Kinder suche man durch alle möglichen Mittel der geistigen Erstarrung zu entreißen, durch Lebendigkeit des Unterrichts, durch häufiges. Fragen, genaue Aufsicht, Nacharbeiten. Um ihren Willen zu kräftigen, lehre man sie zunächst das Angenehme mit Ausdauer üben, erkenne ihren guten Willen an und suche sie namentlich zum Wetteifer anzuregen. Was aber dem Unterricht vor allem die rechte Würze giebt und ihn einzig und allein gedeihen läßt, das ist das richtige freundschaftliche Verhältnis zwischen. Lehrerin und Kindern. Wo die Lehrerin mit Freundlichkeit bietet, da nehmen die Kinder mit Bereitwilligkeit auf; wo die Lehrerin mit Liebe lehrt, da lernen die Kinder mit Freuden. Mag der Lehrstoff noch so interessant, die Lehrform noch so korrekt sein, der Unterricht kann nicht munden, wenn er mit dem Gifte der Bosheit durchtränkt ist. Was würde es heißen, wollte man für einen Gast die kostbarsten Speisen auswählen, sie in der ausgesuchtesten Weise zubereiten, sie dann aber mit verdrießlichem Gesichte und mürrischen oder gar beleidigenden Worten bieten? Könnten sie dem Gaste schmecken? Würde er nicht eine einfache Kost bei einem freundlichen Wirte bei weitem vorziehen? Man nimmt nur da gern, wo mit Liebe geboten wird. Der Unterricht kann nur da gedeihen, wo sich mit der Klarheit die Wärme, mit der Wahrheit die Liebe verbindet.

Die Kunst zu unterrichten besteht in der Beherrschung des Unterrichtsstoffes, der Beherrschung der Methode und der Beherrschung der Kinder. Wer unterrichtet hat und zwar mit dem Willen es gut zu machen, der weiß, daß das eine Höhe ist, zu welcher man nicht auf wenigen Stufen aufsteigt. Die Stufen aber find Arbeit, Arbeit und wiederum Arbeit; eifrige Arbeit zur Erwerbung der erforderlichen Kenntnisse; unverdroffene Arbeit zur Erlangung der methodischen Einsicht; feste besonnene Arbeit zur Behauptung der Herrschaft über die Kinder; Arbeit an sich selbst und an den Kindern, schwere, endlose Arbeit. Wie beklagen sich schon die Eltern, wenn sie ein halb Dußend Kinder zu erziehen haben! Die Lehrerin hat deren 60, 70, 80. Wie fühlen die Eltern sich erlöst, wenn die Kinder endlich herangewachsen find! Bei der Lehrerin tritt nie eine Erlösung ein; auf die aufrückenden

Kinder folgen die nachrückenden, auf die entlassenen die neu eintretenden. Ewig Kinder, ewig Arbeit. Alle Tage dieselben Fehler, alle Tage derselbe Kampf. Dabei der Kampf mit der eigenen Ermüdung und Gebrechlichkeit. Hat man die Scylla glücklich vermieden, so fällt man in die Charybdis. Hier noch keine völlige Beherrschung des Lehrstoffes; dort noch nicht vollständige Klarheit der Methode. Hier keine hinreichende Festigkeit, dort eigensinniges Beharren auf unwesentlichen Dingen. Hier Mangel an Verständnis für die Eigenart des Kindes, dort Mangel an Geistesgegenwart unter schwierigen Verhältnissen. Jezt verdrießliches Wesen, Schärfe und Bitterkeit; dann unzeitgemäße Milde und Nachgiebigkeit. Jeden Morgen gute Vorfäße, jeden Abend das Geständnis neuer Fehler; am Abend klug genug für den vergangenen Tag, am Morgen nie klug genug für den beginnenden. Kannst du sie tragen, diese doppelte, diese unermeßliche Arbeit? Brichst du nicht unter der Last zusammen? - Beruhige dich, du kannst sie tragen, aber nicht mit den gewöhnlichen Mitteln. Nicht zeitlicher Gewinn macht dir Mut: die Lehrerin ist auf Genügsamkeit angewiesen. Nicht Anerkennung und Ehre giebt dir Kraft; du findest nicht selten Tadel, wo du glaubst, das Gegenteil verdient zu haben. Nicht der Gedanke, daß du einem. edlen Zwecke, der Menschheit dienest, hält dich aufrecht; es ist eben nur ein blasser Gedanke, so schön er auch sein mag. Es giebt nur ein Mittel, das dir Mut und Kraft im schweren Kampfe verleihen kann, nur ein Mittel, das dich die Mühseligkeiten und Beschwerden mit Ruhe, ja mit Freuden tragen läßt: Sei von Herzen fromm; thue und ertrage alles Gott zu lieb. Und kommen dann schwere und trübe Tage, so rufe um so eifriger zum HErrn, rufe ihn an aus der Tiefe deiner Seele, und er wird dir antworten: „Hier bin ich, meine Tochter, denn du hast mich gerufen.“

Bericht über die Sizungen der Concordiakonferenz zu Cleveland, O.

Die Tage vom 28.-30. Dezember v. Jahrs waren Tage der Freude und Ermunterung für uns. Laut Beschluß vom Jahre 1884 versammelte sich nämlich die Concordiakonferenz in der St. Paulus - Gemeinde (P. P. Schwan, jun.) zu Cleveland, O. Anwesend waren: 31 Lehrer, der Hochw. Allgemeine Präses, unser Distriktspräses und einige Pastoren. Außerdem waren als Gäste 3 Lehrerinnen und eine Anzahl Gemeindeglieder gegenwärtig. Gruß und herzliche Worte der Liebe sandte der alte Freund der Concordia, Professor Wyneken von Springfield, JU.

Der Präsident der Konferenz, Kollege Rechlin, eröffnete die Sißungen mit einer Ansprache, der das Thema: „Mission für die Schule“ zu Grunde gelegt war. In der selben beantwortete er die Frage: „Wessen Amt oder Pflicht ist es, für die Schule zu missionieren, des Lehrers oder des Pastors?“ Bei Besprechung dieser Ansprache wurde mit Recht bemerkt, daß die Lehrer oder Pastoren, welche diese Frage stellen, ein Ding, und zwar das Hauptding vergäßen, daß sie nämlich vor allem Christen sind oder doch sein sollen. Im übrigen bekannte die Konferenz sich einmütig zu den in der An

sprache klar dargelegten Ansichten ihres Präsidenten hinsichtlich genannter Frage und beschloß die Veröffentlichung der Rede im „Schulblatt“.

Folgende sechs Arbeiten kamen zur Besprechung:

I. Lichtseiten des Amtes eines evang. -luth. Gemeindeschullehrers. (Referent Koll. Paar.)

Einstimmig erklärte die Konferenz die Arbeit als eine in jeder Hinsicht gediegene und beschloß, dieselbe behufs Veröffentlichung an die Redaktion des „Lutheraner“ eins zusenden.

II. Das Bibellesen in der Schule. (Ref. Koll. Hölter, derzeit in St. Louis, vertreten durch Koll. Paar.)

Bei Besprechung dieser Arbeit betonte die Konferenz hauptsächlich die Notwendig keit des Bibellesens in der Schule, dabei sich stüßend: 1) auf den göttlichen Befehl (Josua 1, 8.), 2) auf Beispiele heiliger Schrift (Timotheus, Beroenser), 3) auf praktische Erfahrung (das Bibellesen vervollständigt den biblischen Geschichtsunterricht). III. Welchen Einfluß haben äußere Formen auf Erziehung und Unterricht? (Ref. Koll. A. Schefft.)

Folgende Disposition lag der Arbeit zu Grunde:

Einleitung, enthaltend 1. Wesen, 2. Zweck, 3. Notwendigkeit äußerer Formen. Ausführung: A. Welchen Einfluß haben die äußeren Formen auf Erziehung und Unterricht?

Antwort: Sie gewöhnen 1) zum Gehorsam, 2) zur Ruhe und Stille, 3) zur Aufmerksamkeit während des Unterrichts.

Um dieselbe bei jedem einzelnen Schüler zu erreichen, ist es unerläßlich, allen Schülern gerecht zu werden. Kein Kind sollte die Schule verlassen, ohne Rechenschaft von seinem Wissen und Können in den verschiedenen Unterrichtszweigen täglich abgegeben zu haben. Die äußeren Formen gewöhnen weiter 4) zum Fleiß, 5) zu Wohlanständigkeit und guter Sitte, was a.) Reinlichkeit und b.) Manierlichkeit anlangt. Da der Lehrer die Pflicht hat, seine Schüler, was Höflichkeitsformen anlangt, sowohl Gemeindegliedern als auch Anderen gegenüber zur Wohlanständigkeit anzuleiten, so darf er es nicht unterlassen, die Kinder anzuhalten, bei ihm selbst anzufangen.

B. Welches sind die Vorbedingungen zur Erzielung solcher äußeren Formen? Es sind 1) ein passendes Schulhaus und 2) eine geräumige Schulstube nebst zweckentsprechendem Schulmobiliar.

C. Wie haben äußerliche Formen Einfluß auf Erziehung und Unterricht? Referent veranschaulichte die Antwort auf diese Frage durch Vorführung der Tagesordnung seiner Schule.

IV. Wie gewöhnt die Schule zur Ruhe? (Ref. Koll. Hörr.)

Fünf Hauptpunkte waren es, durch welche Referent diese Frage beantwortete: 1) nämlich sei der Lehrer selbst ruhig.

2) Beschäftige er die Kinder zweckmäßig.

Die Arbeiten seien weder zu leicht, noch zu schwer. Die Frage, was mit den Kindern zu thun sei, die ihr Pensum vor der fest= gesezten Zeit bewältigen, wurde dahin beantwortet, daß ihnen eine andere Aufgabe erteilt werden müsse. Sind übrigens die Kinder mit dem Programm oder Lektionsplane der Schule bekannt, was auch notwendig ist, so beschäftigen sie sich schon von selbst mit dem, was später von ihnen verlangt wird. Gewarnt wurde bei diesem Punkt auch vor gedankenlosem und mechanischem Unterricht. Die Gefahr eines solchen Unterrichts liegt hauptsächlich beim „Aufsagen“ vor. Durch katechetisches Abfragen und durch Abwechslung ist wohl bei diesem Unterrichtszweig dieser Gefahr am besten vorzubeugen.

3) Den Unterricht störende Fragen seitens der Kinder sind unstatthaft und daher abzuweisen.

4) Wenn Unruhe entsteht, unterdrücke sie der Lehrer sofort. Das kann geschehen durch ein Zeichen mit der Glocke, durch plößliches Innehalten im Unterricht, durch lauteres, manchmal auch durch leiseres Sprechen.

5) Endlich dulde es der Lehrer nie, daß die Kinder mit dem Schlage der Uhr den Unterricht eigenmächtig abbrechen und also Störung verursachen.

V. Über die Temperamente" 2c. (Ref. Koll. Malich.)

Diese umfangreiche und vorzügliche Arbeit erregte das Interesse der Konferenz in nicht geringem Maße. Es wurde beschlossen, diese Arbeit der Redaktion des „Schulblattes“ zur Aufnahme einzusenden.

Next and last in order was VI. A treatise on "Mathematical Geography" delivered by Coll. Fedder. Members of Conference paid close attention to Mr. Fedder's remarks on this subject and answered the questions which he put at intervals with such readiness and precision that should have delighted the teacher pro tem. Suffice it to say that the subject was creditably handled by Mr. Fedder.

Von 17 eingereichten Thematen wurden folgende 7 zur künftigen Bearbeitung bestimmt:

1. Wert der Hymnologie für unsere Gemeindeschule, an einem Liede illustriert. (Ref. Koll. Meibohm )

2. Praktikum: Die Historie: Wie JEsus die kleinen Kinder gesegnet hat. (Ref. Koll. Arnhold.)

3. Katechese über das Geseß. (Ref. Koll. Engelbert.)

4. Das Gedächtnis und seine Störungen. (Ref. Koll. Leutner.)

5. Vortrag und Behandlung einer englischen Fabel. (Ref. Koll. Ulrich.)
6. Divisibility of numbers practically shown. (Ref. Koll. Rechlin.)
7. Die „Hygiene“ in der Schule. (Ref. Koll. Ernst.)

Die nächste Konferenz soll, f. G. w., in Pittsburg abgehalten werden.
J. Schneider, Sekretär.

Vermischtes.

Zeitgemäße Bemerkungen zur deutschen Schrift. Auf dem Gebiete der deutschen Rechtschreibung herrscht zur Zeit eine eigentümliche Stille. Durch ministerielle Erlasse ist vor einigen Jahren in den Schulen der meisten deutschen Staaten die Schreibweise festgeseht und damit den Reformen vorläufig Einhalt gethan worden. Deswegen find die Verhandlungen über den Gegenstand vollständig verstummt. Wenn man aber wissen will, wie die Sprachgelehrten über einzelne Punkte unserer Schrift denken, so findet man in den Werken der sogenannten Historiker: Jakob Grimm, Philipp Wackernagel, Weinhold, Möller, Zacher, und ihrer Gegner, der Phonetiker: Rud. von Raumer, Michaelis, Rumpelt, Fricke u. A., ein reiches Für und Wider aufgestapelt. Auch die beklagenswerte Thatsache, daß wir für eine Reihe von Lauten zwei bis vier Bezeichnungen haben, während uns für andere Laute kein einfacher Buchstabe zur Verfügung steht, erfährt dort eine eingehende Behandlung. Am bedenklichsten ist wohl der erste dieser Mißstände. Wir besiyen neben y vier Zeichen für das lange J: i, ie, ih und ieh; zwei Zeichen für den E-laut: e und ä; zwei für den Eu-laut: eu und äu; drei für den Flaut: f, v und ph; zwei für den Ei-laut: ei und ai; drei für den harten S-laut: ß, ss und §; vier für den T-laut: t, th, dt und d (Land); drei für den K-laut: k, c und

« PreviousContinue »