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gehört; es ist mir durchs Herz gegangen. Ich bitt Euch, sagt mir noch einmal das Lied." Pfarrer: „Das war unser Abendsegen, den wir alle Tage singen. Ich will's Euch gern noch einmal sagen.“ Der Pfarrer sagte ihm das ganze Lied mit möglichstem Nachdruck vor und erfuhr auch, daß der nächtliche Überfall von dem Korbmacher und der in dem nahen. Walde liegenden Bande ausgeführt war, und daß der Geschossene wieder geheilt sei. Bald kam der Mensch wieder und sagte: „Wir müssen fort aus der Gegend und dürfen nicht wiederkommen. Da wollt' ich Euch aber noch einmal sehen und Euch bitten, mir das Lied aufzuschreiben, das Ihr mir neulich gesagt habt." Der Pfarrer schrieb ihm das Lied auf und sprach mit ihm noch mancherlei aus Gottes Wort bis um Mitternacht. Der Räuber ging hinaus in die dunkle Nacht, aber ein Fünklein des Lichtes war in seine Seele gefallen; und war gleich dasselbe nicht mächtig genug, ihn ganz seinem unstäten Leben zu entziehen, so beging er doch, wie die noch vorhandenen Aktenstücke ausweisen, von da an keine absonderlichen Verbrechen mehr. Als er aber zwei Jahre später auf der Münzplatte im Spessart wegen früher verübter Mordthaten mit dem Strange gerichtet. wurde, da verlangte er ausdrücklich, daß die Schuljugend ihm auf seinem Todesgange das vom Bergpfarrer erhaltene Lied vorsingen solle. (Evang. Liedersegen zum pfälzischen Gesangbuch. 1861.)

V. 5 und 6 haben in folgenden Fällen ihre unmittelbarste Anwendung gefunden. Als der Pfarrer Fricker in Dettingen bei Urach auf seinem Totenbette lag, betete man ihm in der leßten Nacht den fünften Vers:

Das Haupt, die Füß und Hände

Sind froh, daß nun zum Ende

Die Arbeit kommen sei.

Herz, freu dich, du sollst werden

Vom Elend dieser Erden

Und von der Sünden Arbeit frei!

Und als man ihn fragte, ob es ihm auch nach diesen Worten gehe, antwortete er: Ja;,man muß hier stets auf Schlangen gehn, die ihren Gift in unsre Fersen bringen!" Womit der Sterbende ein Zeugnis gab von dem seligen Tausch, den ein Kind Gottes in seinem Tode machen darf. (Christenbote. 1833.)

Im Dezember 1716 kam der Archidiakonus Gabriel Rehfeld in Oschat einsmals krant aus dem Beichtstuhl nach Haus. Die plößlich überhandnehmende Schwäche gab ihm bald zu erkennen, daß der HErr ihn heimholen werde, und er legte sich zu Bette mit den Worten des sechsten Verses:

Nun geht, ihr matten Glieder,
Geht hin und legt euch nieder,
Der Betten ihr begehrt.

Es kommen Stund und Zeiten,

Da man euch wird bereiten

Zur Ruh ein Bettlein in der Erd!

Nach wenig Tagen wurde das an ihm erfüllt und er durfte eingehen zu seines HErrn Freude. (Frenkels Dyptisha Ossit.)

Ein ganzer Kranz von Erzählungen legt sich um den achten Vers her, welcher mit seiner schriftgemäßen Herzlichkeit und hochpoetischen Kindlichkeit in den verschiedensten Lagen Anwendung findet. Wie mancher

Christenseele, Kindern zumeist, aber auch Gotteskindern überhaupt, dient der Vers als legtes Abendgebet! Oftmals ist er zum letzten Erdengebete geworden; ja, in manchen Gegenden Deutschlands beschließt man mit ihm die Taufe der lieben Kleinen, um sie dem Schuß ihres HErrn JEsu zu befehlen.

In der evangelischen Schule zu Kischinew in Südrußland, welche auch von manchen israelitischen Kindern besucht wird, fragte Pastor Gurland 1868 die Schüler nach Morgen- und Abendgebeten, überging aber absichtlich zwei jüdische Mädchen. Da erhob sich das zehnjährige und fragte: ,,Darf ich auch mein Gebet hersagen?" und als er es bejahte, betete sie mit freudestrahlendem Gesicht voll herzlicher Andacht das heilige Vaterunser bis zu Ende. „Und wo hast du denn das gelernt?" fragte er. „Das hab ich in der Schule gelernt“, sagte sie; „denn zu Hause darf ich's nicht lernen in der Gegenwart der Mutter." Die jüngere Schwester aber, ein achtjähriges Kind, sagte: „Ich kann auch ein hübsches Abendgebet." „Laß es hören!" erwiderte er. Da fing es an:

Breit aus die Flügel beide,

O JEsu, meine Freude,

Und nimm dein Küchlein ein!

Will Satan mich verschlingen,

So laß die Englein singen:

Dies Kind soll unverleget sein!.

Und auf die Frage, ob sie denn auch ein Küchlein JEsu sei, antwortete sie mit Thränen in den Augen: „Das weiß ich nicht, möcht's aber sein!" (Stuttg. Ev. Sonntagsblatt. 1869.)

Ein fünfjähriges Töchterlein wurde von der Mutter zu Bette gebracht, und das Kind betete diesen Vers noch vor dem Einschlafen. Als das geschehen war, fragte das Kind, was denn die leßten Worte bedeuten: „will Satan mich verschlingen"? Die Mutter erklärte es ihm noch und legte sich dann auch schlafen. Eine Stunde vor Mitternacht, als alle im ersten Schlafe lagen, fiel ein großes Stück von der Zimmerdecke dicht neben des Kindes Bett herab. Die Eltern eilten bestürzt hinzu, nach den Kindern zu sehen; die aber schliefen ruhig fort und waren alle unversehrt. Voll Danks gegen Gott konnte nun die Mutter am andern Morgen zu ihrem Töchterlein sagen: „Siehst du nun wohl, wie der liebe Heiland dein Gebet erhört und zu seinen lieben Engeln gesagt hat: dies Kind soll unverleget sein'?" (Heinrich, Erzählungen. 1846.)

Am 14. September 1796 kamen schwere Schreckensstunden über das hessische Städtchen Lisberg, das auf einer der waldigen Vorhöhen des Vogelsbergs liegt. Nachts zwischen neun und zehn Uhr rückten nämlich 500 Mann Fußvolk von der vor Erzherzog Karl auf der Flucht begriffenen französischen Armee racheschnaubend in das Städtlein ein, erschossen den alten ehrwürdigen Pfarrer des Orts, Philipp Jakob Koch, der um Gnade bittend ihnen entgegen gezogen war, und zündeten, nachdem sie mehrere Stunden lang gemordet, zerstört, geraubt und geschändet hatten, die Stadt an allen Ecken an, daß allein 58 Wohngebäude bis auf den Grund niederbrannten. Draußen aber vor dem Städtlein stand etwas abseits am Abhang des Berges ein Häuschen, und in dem saß eine Mutter am Krankenbett ihres Kindes. Aus Furcht, das Leben ihres Lieblings zu gefährden, wollte sie an dem rauhen Septembertage mit demselben nicht in den Wald flüchten, wie die meisten Einwohner thaten. Als nun aber das Schießen und Morden im Orte begann und der Rauch von den angezündeten Häusern vom Berge herab über das Thal zog, ward es dem armen verlassenen Weibe zum Sterben angst; sie verriegelte die Thür des Häuschens und warf sich betend neben der Wiege des Kindes nieder. So lag sie eine Zeit lang, zitternd auf das Wutgeschrei der Soldaten und auf das Wehegeschrei der Mißhandelten horchend, als auch an ihre Thür mit einem Gewehrkolben gestoßen wurde. Diese, alt und gebrechlich wie sie war, fuhr schnell auf, und mit gefälltem Bajonette stürzte ein Franzose wütend auf das erschrockene Weib zu. Blaß wie der Tod, legte die erschrockene Mutter ihre Hände über das Kind und mit der Stimme der Verzweiflung betete sie: „Breit aus die Flügel beide . . . dies Kind soll unverleßet sein." Da senkte plöglich der wilde Soldat die Todeswaffe, trat zur Wiege und legte seine rauhe Hand sanft auf des Kindes Haupt; seine Lippen bewegten sich wie zum Gebete, und dicke Thränentropfen fielen über sein bärtiges Angeficht. Dann reichte er der Mutter die Hand und ging schweigend davon. Als aber die Frau nach einiger Zeit von den Knieen sich erhob und durch das kleine Fensterchen hinaussah, fiehe, da stand der Franzose, das Gewehr im Arm, unter einem Birnbaum der Hausthür gegenüber, als stünde er Wache, allen Schimpf und Schaden von dem Hause seines Schußes fern zu halten. Erst als der ganze Soldatentrupp mit Beute beladen abzog, verließ er seinen Posten mit einem größeren Schat in seinem Herzen, als feine Kameraden in ihren Säcken hatten. (Glaubrecht, Erzählungen aus dem Hessenlande. Frankfurt 1853.)

Die von der königlich bayerischen Regierung in den Jahren 1884 und 1885 für die schriftliche Austrittsprüfung am Seminar zu Altdorf gestellten Aufgaben.

(Dem Altdorfer Jahresbericht entnommen.)

A. 1884.

A) Religionslehre und niederer Kirchendienst.

1. Inwiefern war die Aufgabe des Erlösers eine negative und eine positive, warum mußte der, welcher diese doppelte Aufgabe erfüllen sollte, göttliches Wesens sein, und woraus ergibt sich, daß JEsus dies wirklich war?

2. Auf welche Weise vollzog sich die Reformation der Kirche in England, welche Eigentümlichkeiten hat die englische Hochkirche und zu welchen Sekten gaben diese Veranlassung?

3. Die Einrichtung des Kirchenjahres soll nach ihrem inneren Zusammenhange dargelegt werden.

B) Aufsatz.

Thema: Lerne, um zu leben, und lebe, um zu lernen!

C) Arithmetik und Raumlehre.

1. Ein Kaufmann hat sein Haus und Warenlager nach dem vollen Wert versichert und zahlt im ganzen 172,40 Mark Prämie, vom ersteren nämlich 1 pro mille, vom letteren 12 pro mille. Das Haus rentiert sich zu 43 %, das Warenlager dagegen wirft durchschnittlich 93% Gewinn ab; daher ist der Gewinn aus dem Warenlager in 3 Jahren 9 Monaten schon um 495 M. größer als die 4jährige Rente seines Hauses. Wie hoch schlägt er den Wert seines Hauses und wie hoch den seines Magazins an?

2. Eine Kugel wurde von einem geraden Cylinder central durchbohrt; wie groß ist das Volumen des übrig gebliebenen Teiles, wenn der Kugelradius 70 cm beträgt und der Radius des Cylinders 40 cm mißt?

3. Ein Graben ist 20 m lang. Sein Querdurchschnitt bildet ein Trapez, dessen untere Grundlinie um 6 cm kleiner ist, als die obere, und dessen Höhe 40 cm mißt. Wie groß sind beide Grundlinien, wenn der Graben einen Kubikinhalt von 3,12 cbm hat?

D) Geographie und Geschichte.

1. Welche Umstände bewirken den Wechsel der Jahreszeiten auf der Erde? Beschreibe und veranschauliche die Stellung der Erde am Anfang der 4 Jahreszeiten!

2. Was versteht man unter Seen, und wie werden sie eingeteilt mit Rücksicht auf

a) Zu- und Abfluß, b) Beschaffenheit des Wassers, c) Höhenlage

oder Placierung, d) Entstehung? Welches sind seeenreiche Gegenden der Erde? Welche Arten von Seeen find in Deutschland vertreten?

3. Die deutsche Kolonisation im Osten während der sächsischen, salischen und hohenstaufischen Kaiser.

E) Landwirtschaft.

1. Warum ist Moorboden so schwer zu kultivieren?

2. Was versteht man unter Brache, und zu welchem Zwecke wird sie vorgenommen?

3. Die drei wichtigsten Veredlungsarten der Obstbäume sind anzugeben, zu beschreiben und durch Zeichnungen zu erläutern.

F) Erziehungs- und Unterrichtskunde.

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1. Was heißt „, entwickeln“ und wann muß der Lehrer zu diesem Unterrichtsverfahren greifen?

2. Welches sind die wichtigsten Epigonen Pestalozzi's auf dem Gebiete der Erziehung und wodurch haben sie sich hervorgethan? 3. Welche allmählich sich steigernden Übungen sind nötig, um die Volksschüler zu befähigen, sprachrichtige Auffäße über solche Themate zu fertigen, die ihrem Lebens- und Erfahrungskreise entnommen sind? G) Naturkunde.

1. Worin bestehen die Wärme und Lichtwirkungen der elektrischen Ströme, durch welche Experimente können sie gezeigt werden und wozu werden sie benüßt?

2. Was ist die Reflexion des Lichtes; wie heißen die Reflexionsgesetze, welche Bedeutung hat die regelmäßige und unregelmäßige Reflexion? 3. Auf wievielfache und welche Weise verbreitet sich die Wärme; wie verhalten sich die Körper mit Bezug hierauf?

H) Gemeindeschreiberei.

1. Aus welchen beiden Kammern besteht der Landtag, wie seßt sich jede derselben zusammen und welches sind die korporativen und politischen Rechte dieser Volksvertretung?

2. Wodurch wird eine selbstständige Heimat erworben?

3. Welche Bestimmungen gelten bei der Wahl für den deutschen Reichstag, welche für den bayerischen Landtag?

1) Harmonielehre.

1. Welche Formen des Tonsaßes kommen beim mehrstimmigen kirchlichen Chorgesang zur Anwendung und wie unterscheiden sie sich voneinander?

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