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1.

Jhr lieben Väter und Mütter: Was sollen wir thun, daß unsern Kindern die Bibel das liebste Buch werde?

Ich antworte zunächst: wir selbst müssen die Bibel lieber haben, als irgend ein anderes Buch.

Dazu haben wir auch alle Ursache. Denn dies Buch zeugt ja von JEsu Christo, dem Anfänger und Vollender unferes Glaubens und unserer Seligkeit. Von dem, in welchem allein das Heil ist, und außer welchem kein anderer Name den Menschen gegeben ist, darinnen sie sollen selig werden. Wie sehr Er uns geliebt hat und noch liebt, was Er für uns gethan hat und noch täglich für uns thut; was für Anstalten Er getroffen hat, um uns durch dies Meer des Verderbens hindurch sicher in den Hafen des ewigen Friedenslandes zu bringen: das alles finden wir in diesem Buch, in diesem, wie in keinem sonst.

Wir lesen ja sonst wohl gar mancherlei. Nennen wir weltliche Lektüre zuerst! Nicht leicht ein Haus, in dem die Zeitung nicht gelesen würde. Und was für Zeitungen oft! Wird nicht in vielen derselben unser allerheiligster Glaube entweder vornehm beiseite liegen gelassen oder gar von oben herab bespöttelt, ja auch wohl grob beschimpft und verhöhnt? Aber laß sein, daß die Zeitung gut ist, daß es der Seele keinen Nachteil und dem irdischen Fortkommen Vorteil bringt sie zu lesen, wir haben doch Grund genug, uns dabei nicht allzulange aufzuhalten; Grund genug, bald wieder nach Anderem und Besserem zu greifen. Denn was sind wir doch gebessert, wenn wir wissen, wie viele Häuser dieser Sturm abdeckte, was für ein Skandal in jener Stadt sich ereignete, wie viele Schulden Ägypten hat, und was für eine Reisernte Hinterindien diesmal erwartet? Das mag und darf uns vorübergehend interessieren; bessern kann es uns nicht, und unseren Sinn einnehmen soll es nicht.

Wohl aber bessert es uns und ist uns nüße zur Lehre, Strafe, Besserung und Züchtigung in der Gerechtigkeit, wenn wir in der heiligen Schrift lesen, wie GOtt von Anbeginn der Welt her gerichtet hat; wie Er seine Sonne aufgehen läßt über Böse und Gute, regnen läßt über Gerechte und Ungerechte. Wie Er es ist, der die Geschicke der Völker leitet nach seinem Rat, und einem jeglichen Volk Ziel gesezt und zuvor versehen hat, wie lange und wie weit es wohnen und wann es einem andern Plaß machen foll. Wie Er, sei es um den Glauben der Seinen zu prüfen, sei es um den Ungläubigen seinen Zorn zu zeigen, die Fenster des Himmels verschließt und läßt nicht regnen auf Erden. Wie Er die Sünden der Väter heimsucht an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied und thut Barmherzigkeit bis ins tausendste Glied an denen, die Ihn lieben und seine Gebote halten. Ganz besonders aber, wenn wir lesen, wie teuer, wie unaussprechlich teuer wir armen Sünder in seinen Augen geachtet sind, daß Er seinen

eingebornen Sohn für uns in den Tod gab, auf daß alle, die an Jhn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.

Ja, das lehrt, das erfreut, tröstet, stärkt und beffert uns, wie nichts sonst lehren, erfreuen, trösten, stärken und bessern kann. Wir erfahren das, wir schmecken und fühlen es, wenn wir GOttes Wort lesen und treiben. und GOtt also zu uns reden lassen, daß wir wie Samuel sprechen: Rede, HErr, denn dein Knecht höret.

Wo ist sonst ein Buch, das in gleichem Maße unser Herz ergriffe, unsere Seele erfrischte, unseren Geist erleuchtete, unserem Gewissen Frieden gäbe! Laß herzutreten auch alle die Männer GOttes, die aus diesem Urquell aller Weisheit und Seligkeit geschöpft und in reinen und lauteren geistlichen Schriften den Inhalt des Wortes GOttes zu unserer Belehrung und Erbauung zusammengefaßt haben. Ihre Bücher sind köstlich zu lesen und verdienen wahrlich gelesen zu werden. Aber köstlicher noch, köstlicher als Gold und viel feines Gold ist das Wort GOttes selbst, ist die heilige Schrift, die zu uns in Worten spricht, die der Heilige Geist selbst lehret.

Geliebte! Wenn wir Väter und Mütter das lebendig erkennen, wenn die Bibel wirklich uns selbst das liebste und teuerste Buch geworden ist, dann sind wir auch die Leute dazu, sie, soviel Menschen möglich ist, unsern Kindern zum liebsten Buch zu machen. Denn dann halten wir eben. GOttes Wort auch vor unseren Kindern in heiligen Ehren und zeigen es ihnen, daß es unser teuerster Schaß, unseres Herzens Freude und Wonne ist.

Solange Vater und Mutter nicht wissen, was sie an der Bibel haben, ist ihnen nicht groß daran gelegen, ob sie auch in ihrem Haus eine Hausandacht haben oder nicht. Die geringste Veranlassung, sie heute einmal ausfallen zu lassen, ist ihnen willkommen und ihren Kindern bald noch willkommener. Findet aber auch ein regulärer Hausgottesdienst statt, so sorgen doch gleichgültige Familienväter oft wenig ordentlich dafür, daß durch denselben auch ihre Hausgemeinde, ihre Kinder mehr und mehr auf ihren allerheiligsten Glauben erbaut werden. Irgend ein Andachtsbuch wird gelesen; die heilige Schrift bleibt entweder ganz ungelesen oder Laune und ein blinder Griff müssen darüber entscheiden, was und wie viel oder wenig Weib und Kinder zu hören bekommen.

Laßt uns, Geliebte, nicht so thun, laßt uns besser sorgen für unser Volk und Hausgesinde. Laßt uns bedenken: wie ihr Leib, so bedarf ihre Seele täglich der Nahrung. Sie bedarf täglich geistliches Brot, das Wort GOttes. Reicht ihnen diese Nahrung reichlich dar durch die Hausandacht, durch Erzählen der biblischen Geschichten, durch Anhalten zum öffentlichen Gottesdienst.

Durch die Haus andacht also. Ja, ohne die sollen und wollen wir nicht sein. Denn der HErr, unser GOtt, hat uns Vätern vornehmlich gesagt: Die Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen und sollst sie deinen Kindern schärfen und davon reden, wenn du in deinem

Hause sizest oder auf dem Wege gehest, wenn du dich niederlegst oder aufstehest. Fleißig also, fleißig laßt uns GOttes Wort treiben; nicht Sonntags allein, auch am Werktag, nicht in der Kirche allein, auch im Hause! Darum versammelt ein christlicher Hausvater, wenn es nur irgend zu ermöglichen ist, alle Morgen und Abend seine Familie um sich und erbaut sich mit ihr aus GOttes Wort. Muß er morgens früher an die Arbeit, ehe die Kinder noch recht wach sind, so tritt die Mutter für ihn ein und übernimmt seine Stelle. Da wird dann ein Kapitel oder, reicht die Zeit dazu nicht, ein halbes Kapitel sonderlich aus dem Neuen Testamente oder etwa ein Psalm gelesen und ein kurzes Gebet gebetet. Denn auf die Länge der Hausandacht kommt's nicht an, wie manche meinen, die kein Ende finden können, obgleich ihre Kinder noch oder schon mit dem Schlafe kämpfen. GOtt mißt Gebet und Andacht nicht nach der Elle. Wohl aber kommt's darauf an, daß die Seele täglich ihr Stücklein vom Brote des Lebens esse.

Wir haben ja, es ist wahr, neben der heiligen Schrift gute Erbauungsbücher, zur Hausandacht dienlich. Laßt uns dieselben gebrauchen; laßt uns aber nicht vergessen, daß die heilige Schrift, daß die Bibel selbst den ersten und höchsten Plaß im Hausgottesdienste haben soll. —

Weiter aber können insonderheit Mütter noch viel mehr thun, ihren Kindern die heilige Schrift zum liebsten und teuersten Buch zu machen, schon ehe die Kinder noch lesen können. Das geschieht, wenn sie ihren lieben Kleinen daheim biblische Geschichten erzählen. O, die lieben Mütter verstehen es in der Regel recht gut, so zu erzählen, daß sie von den Kleinen verstanden werden. Wenn sie da den Kindern nur alle 14 Tage etwas Neues von unserem HErrn JEsu erzählen, von seiner armseligen Geburt, von seinen großen Wundern oder von seinem bittern Leiden und Sterben, von seiner glorreichen Auferstehung, von seiner Himmelfahrt: wie leuchten da oft der Kinder Augen, wie begierig zeigen sie sich mehr zu erfahren, mit wie vielen Fragen unterbrechen sie die Erzählung der Mutter! Mit welchem Respekt schauen sie schon jetzt das große Buch an, aus dem die Mutter alle diese schönen Geschichten hat. Man kann es oft merken, der Heilige Geist hat sein Werk in ihnen und hat ihnen das Wort von Christo bereits lieb gemacht.

Endlich können wir unseren Kindern auch dadurch GOttes Wort lieb machen, daß wir sie frühzeitig und fleißig zum öffentlichen Gottesdienst anhalten und ihnen darin mit gutem eigenen Beispiel voranleuchten. Kein Kind kann, ohne daß GOtt sich sonderlich drein legt, Lust zu GOttes Wort und zur Predigt desselben bekommen, wenn es wahrnehmen muß, daß die Eltern selbst voll Lauheit, Trägheit und Gleichgültigkeit gegen GOttes Wort sind, daß sie sich durch jede Ungunst der Witterung von der Predigt abhalten lassen, daß ihnen jeder Vorwand recht ist, heute nicht zur Kirche zu müssen, daß es ihnen bald zu warm, bald zu falt und bald zu naß ist.

Es steht in der Bibel geschrieben, Geliebte, daß Timotheus von Kind auf die heilige Schrift wußte. Wer hat sie ihn gelehrt? Es war seine fromme Mutter und seine gottselige Großmutter. - Väter, Mütter! unterweiset auch ihr eure Kinder im Gesez des HErrn, redet mit ihnen täglich davon, macht es ihnen lieber, als viel tausend Stück Goldes und Silbers.

Ja, das ist unsere heilige Pflicht, wie denn auch Dr. Luther sagt: ,,Es sollte keiner kein Vater werden, er hätte denn gelernt, daß er seinen ,,Kindern kann predigen die Gebote GOttes und das Evangelium, daß er „fromme Christen zöge. . . . Es greifen ihrer aber viel zum Stand der „heiligen Ehe, können kaum ein Vaterunser beten. Sie wissen nichts; so können sie auch ihren Kindern nichts predigen noch lehren. . . . Man „soll die Kinder recht unterweisen in der Furcht GOttes. Denn soll die „Christenheit in ihre Kraft kommen, so muß man wahrlich an den Kindern „anheben, so wird's ein fein Ding. Ich möchte es wohl leiden, daß man ,,in der Wiegen anhübe."

Doch wir wenden uns nun zu unserer zweiten Frage.

2.

Was soll von uns Lehrern geschehen, daß unsern Kindern die Bibel das liebste Buch werde?

Geliebte Brüder! So viel ist sicher, wir sollen unseren Schulkindern die Bibel zum liebsten und teuersten Buch machen. Wir sollen sonst noch vieles andere; aber dies vor allem anderen. Das ist unsere Hauptaufgabe. Darum stehen wir nicht an religions- und confessionslosen Staatsschulen, sondern an Kirchenschulen, an Schulen der evangelischLutherischen Kirche, welche Kirche ihren Glauben schöpft aus nichts anderem als aus der heiligen Schrift, auf nichts gründet als auf die Bibel.

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Eben so gewiß ist es aber, daß die Bibel dann auch uns selbst das teuerste Buch geworden sein muß. Sind wir nun wohl, geliebte Brüder, alle recht fleißige Bibellefer? Bemühen wir uns eifrig, in den Sinn der Worte des Heiligen Geistes recht deutlich einzudringen? Sinnen wir auch wie David über dem Gesetz des HErrn Tag und Nacht? Oder geben wir unserer unsterblichen Seele dies wahre Brot des geistlichen Lebens nur kümmerlich und dürftig, während wir unserem Geiste die sogenannte schöngeistige Litteratur, ja, vielleicht die Träber derselben, nur allzu reichlich vorseßen? Was legen unsere Bibliotheken für ein Zeugnis über uns ab? Lassen sie auf einen Mann schließen, dem GOttes Wort und was zum Verständnis desselben dient, die wichtigste Angelegenheit, wie seines persönlichen Christentums, so seines Lehramtes ist?

Ferner: Von den Müttern sagte ich, sie sollen ihren Kindern biblische Geschichten erzählen. Wir noch viel mehr. Wie viele Vorbereitung er fordert dieser schönste und segensreichste Zweig unseres Schulamtes! Wie sorgfältig müssen wir uns den heiligen Text einprägen, damit wir ihn nicht

durch salzlose Umschreibung verwässern. Wie eifrig müssen wir es uns angelegen sein lassen, den Zweck jeder einzelnen biblischen Geschichte in ihrem Zusammenhange recht zu erkennen! Wie uns bemühen, das Unbekannte den Kindern bekannt zu machen; ja, selbst oft das Faßliche noch faßlicher, damit auch die Schwächsten es vernehmen können! Und wenn wir denn alles gethan haben, was die Vorbereitung auf diese Stunde erfordern mag, wie viel hängt dann noch ab davon, daß wir in der Lehrstunde selbst GOttes Segen haben, recht erzählen, so erzählen, daß die Kinder merken und spüren: Jezt ist nicht von irdischen, sondern von himmlischen Dingen die Rede, von Dingen, die GOtt selbst einst geoffenbart hat. Worte des ewigen Lebens redet jeßt unser Lehrer, Worte, die der Heilige Geist selbst gelehret hat! wie manche Lehrer, welche die Biblische Geschichte erzählen wie „einen andern Tand" und das Heilige damit gemein machen, oder auch die nur darauf hin arbeiten, daß das Kind wisse, wisse und drittens wisse, unbekümmert darum, ob das Wort auch dem Herzen der Kinder nahe komme, und sie sich freuen lernen GOttes, ihres Heilandes, sind mit daran schuld, daß den Kindern die Biblische Geschichte und damit nachher auch die Bibel selbst widerwärtig und verhaßt wird als ein Buch, das nur zur Plage der Kinder auf der Welt sei, weshalb sie denn, sobald sie die Schule verlassen, Bibel und Biblische Geschichte zusamt dem Schulbeutel in die Ecke legen auf Nimmerwiedersehen!

Endlich aber, teure Brüder im Schulamte, möchte ich noch auf eines aufmerksam machen. Es giebt in unserer Synode eine Anzahl Schulen, in welchen keine eigenen Bibellesestunden mehr stattfinden. „Ich habe genug zu thun mit der Biblischen Geschichte und dem Katechismus“, sagt der eine, und ein anderer spricht etwa: „Ich habe früher die Bibel lesen lassen. Aber die Kinder machen beim Lesen so viele Fehler; da ist dann so viel Korrigierens und Tadelns, daß ich wenig Segen verspüre und den geistlichen Gewinn, der sonst mit dem Bibellesen verbunden sein möchte, nicht mehr hoch anschlagen kann."

Aber, geliebte Freunde, die ihr also steht: wird nicht der junge Timotheus, als Lois und Eunike ihn lesen lehrten, auch Fehler gemacht haben? Und er hat doch von Kind auf die heilige Schrift gelernt. Sollte euch nicht möglich sein, was jenen frommen Frauen möglich war, nämlich beim Bibellesen Lesefehler mit Geduld und Sanftmut zu korrigieren, ohne dabei den Segen der heiligen Schrift zu verschütten? Und wer nötigt euch denn, mit denen die Bibel zu lesen, für welche vorerst noch die Fibel ist? Entzieht die heilige Schrift nur denen nicht, die bereits etlichermaßen Übung im Lesen haben! Es ist fürwahr keine Ehre, sondern eine Schande für eine lutherische Gemeindeschule, wenn die Mehrzahl derer, die aus ihr hervorgehen, fast gar keine Bekanntschaft mit der heiligen Schrift selbst aufweisen können; wenn 13 bis 15jährige Knaben und Mädchen ungewiß

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