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Christus sei, bekannt und nicht geleugnet, und bekannte: „Ich bin nicht Christus." Bei all seiner Demut aber wollte er doch für den vom Volk angesehen sein, zu welchem GOtt ihn verordnet hatte, für den Vorläufer seines HErrn JEsu. Denn da galt es nicht mehr seine, sondern seines GOttes Ehre.

Ganz so finden wir auch unsern teuren Reformator Dr. Martin Luther gesinnt. Es hat niemand mehr als er gefühlt, erkannt und bekannt, was wir für arme Würmlein sind gegen unseren HErrn JEsum Christum, nicht wert, daß er uns grüßet und daß wir ihm auch nur den allergeringsten Dienst leisten dürfen. Und mit dieser Demut gegen seinen HErrn und Meister verband sich bei Luther auch eine aufrichtige Demut gegen seine Brüder. Leset einmal Luthers Briefe! Was findet ihr da? Daß fast in jeder denkbaren Leibes- und Seelennot von ihm teils Rat, teils Hülfe erbeten worden ist, und daß er sich allen, die ihn anliefen, den Zweiflern, den tiefstgefallenen Sündern, denen, die in Gefahr stunden, Glauben und gut Gewissen zu verlieren, den Zaghaften, den Angefochtenen, den Gefangenen, den mit GOttes Ruten schwer Heimgesuchten, kurz, jeder Art von Elenden und Trostbedürftigen in treuer demütiger Liebe zu dienen für verpflichtet erachtet und ihnen wirklich gedient hat. Manchem andern wäre wohl, wenn Könige und Fürsten seinen Rat begehrt, wenn man in schwierigen und verwickelten Fällen und Fragen zu seinem vom Worte GOttes allein Weisung annehmenden Urteile die lezte Zuflucht genommen hätte, darüber der Kopf groß und das Herz eitel geworden. Bei Luther war dem nicht so. Ob er wohl, um auch einmal beiher ein Wörtlein von seiner außerordentlichen Gelehrsamkeit zu sagen, ein nicht allein in den alten Klassikern, sondern auch in den Kirchenvätern und Scholastikern, ein in der Kirchen- und Weltgeschichte überaus wohl bewanderter Mann war, ob er wohl des Hebräischen, Griechischen, Lateinischen und Deutschen Meister war, ob er wohl ein ganz vorzüglicher Dichter und Sänger, ein ganz ausgezeichneter Prediger und Katechet, wie auch der unübertroffene und unübertreffliche Dolmetscher der heiligen Schrift war, und also eine solche Menge von Vollkommenheiten in sich vereinigte, daß auch seine bittersten Feinde ihn als einen großen Theologen und als den Größten der Deutschen haben anerkennen müssen: so hielt er doch in seiner Demut andere Diener Christi, wie einen Philipp Melanchthon, einen Johann Brenz, die doch, gegen ihn gehalten, viel geringere Lichter waren, deren Schwächen ihm auch selbst nicht entgehen konnten, höher denn sich selbst. Er meint, er ,,habe Magister Philipps. Bücher lieber denn die seinen, sehe dieselben auch, beide im Lateinischen und Deutschen, lieber auf dem Plaze, denn die seinen", weil Melanchthon „so säuberlich und still daherfahre“; gleichwie er auch von Brenz urteilte, er verzweifle ihm in der Kunst der Auslegung der heiligen Schrift gleichzukommen und müsse sich oft verwundern über seinen Geist, und ich glaube, keiner unter uns vermöchte zu thun, was er (Br.)

in der Auslegung über das Evangelium Johannis gethan1) hat." - In seiner großen Demut wollte es Luther anfänglich schlechterdings nicht gestatten, daß man eine Gesamtausgabe seiner Werke veranstaltete. Denn er fürchtete, über dem Lesen derselben werde man dann vielleicht das Lesen in der heiligen Schrift selbst versäumen, und ehe das geschähe, wollte er lieber, daß alle seine Bücher zu Grunde gingen2) — vermutlich der einzige Wunsch, den die Papisten je mit Luther geteilt haben, nur daß sie ebenso gern die Bibel ungelesen hätten. Aber so herzlich demütig Luther demnach auch gewesen ist, und so entschieden er auch denen wehrte, von welchen er fürchtete, daß sie ihn höher heben wollten, als sich's gebührt, so hat er doch auch gleich Johannes dem Täufer, wo die Sache nicht seine eigene Ehre, sondern die reine Lehre und also GOttes Ehre betraf, fest darauf gehalten, daß ihm sein Name nicht angetastet würde: Wenn du es dafür hältst, daß des Lu,,thers Lehre evangelisch und des Pabstes unevangelisch sei, so mußt du den ,,Luther nicht so gar hinwerfen. Du wirfst sonst seine Lehre auch mit hin, „die du doch für Christi Lehre erkennest. Von der Lehre wegen tasten sie ,,dich an und fragen dich, ob du lutherisch seiest. Hier mußt du wahrlich ,,nicht mit Rohrworten reden, sondern Christum frei bekennen, es habe ihn „Luther, Klaus oder Georg gepredigt. Die Person laß fahren; aber die Lehre mußt du bekennen."

So haber wir denn gesehen, liebe Zuhörer, wie Dr. M. Luther auch durch hellstrahlende christliche Tugenden die Lehre GOttes, seines Heilandes, in seinem Wandel geziert hat. Aber auch, wenn es um Christi willen zu leiden gab, und als es endlich mit ihm zum Sterben ging, hat Luther gleich Johannes dem Täufer Christo die Ehre gegeben. Wenn der Glaube den Christen macht, das Leben ihn beweist, so muß das Leiden ihn bewähren, auf daß ihn dann das Sterben krönen möge. Solche Bewährung im Ofen der Trübsal blieb Luthern ebensowenig erspart, als Johannes dem Täufer. Wie dieser, der nicht aß und trank, es mußte über sich ergehen Lassen, daß man von ihm sagte: „Er hat den Teufel"; wie der Täufer, von den Pharisäern gehaßt und von Herodes endlich um seines Zeugnisses willen in's Gefängnis geworfen, sich bei alle dem aber litt als ein guter Streiter JEsu Christi: so ähnlich auch Luther. Nicht bloß, daß er, wie von dem gottlosen römischen Antichrist freilich nicht anders zu erwarten war, in der Bulle, welche 41 seiner Säße verdammte, für einen „verdammten Keßer“ erklärt und dabei gesagt wurde, sein Name solle gänzlich aus der Gesellschaft der Christgläubigen ausgerottet werden", auch der Kaiser Karl V. sagte in der Reichsacht-Erklärung, welche er über Luthern verhängte, daß Luther „nicht als ein Mensch, sondern als der böse Feind in Ge„stalt eines Menschen mit angenommener Mönchskutte alle

1) Luthers Werke, Walch XXII, 2290.

2) Luthers Werke, Walch XIV, 427; XV, 1735; XIV, 420. 468.

,,alten, längst verdammten Keßereien in eine stinkende Pfüße gesammelt „habe“. — „Sagen wir nicht recht, daß du den Teufel hast?" Ja, diese Stimme klingt durch alle Schriften der Gegner Luthers hindurch. Und man ließ es nicht dabei bleiben, ihm den Christennamen zu entziehen und seine Ehre zu schänden vor aller Welt, man wollte auch sein Blut. Ihn durfte ja nach des Kaisers Acht ungestraft totschlagen, wer ihn fände, „niemand sollte ihn herbergen", jedermann ward aufgefordert, ihn seinen Peinigern in die Hände zu liefern an der Lust, Luthern aus dem Wege zu räumen, hat es den Papisten nicht gefehlt. Und das alles allein um seines Zeugnisses willen für Christum wider den Antichrist. Aber in dem allen hat sich Luther, stets bereit seinen Hals darzugeben um des Wortes GOttes willen, gelitten als ein guter Streiter Christi und hat mitten unter allen Gefahren einen getroften, fröhlichen Christensinn und Christenmut an den Tag gelegt und um der drohenden Gefahr willen nie verleugnet, sondern im Glaubenstroß gesungen: „Nehmen sie den Leib, Gut, Ehr', Kind und Weib, laß fahren dahin, sie haben's kein Gewinn; das Reich muß uns doch bleiben."

Und, meine teuren Zuhörer, in dieser unerschütterlichen Glaubenszuversicht ist unser seliger Vater Dr. M. Luther dann auch am 18. Februar 1546 zu Eisleben eines seligen Todes gestorben. Zwar nicht, wie Johannes der Täufer, unter Henkershand, wie seine blutgierigen Feinde es ihm frei lich von Herzen gegönnt hätten; sondern, umgeben von seinen Brüdern in Christo, auf dem Sterbebette, aber im Glauben und Bekenntnis Johannis des Täufers, im Sterben noch den HErrn preisend, in dessen Dienst er alle Kräfte seines Lebens verzehrt hatte. Denn als ihm der Todesschweiß bereits auf der Stirne stand, betete er noch also:

„O mein himmlischer Vater, ein GOtt und Vater unseres HErrn JEsu „Christi, du GOtt alles Trostes, ich danke dir, daß du mir deinen lieben „Sohn JEsum Christum geoffenbaret hast, an den ich glaube, den ich ge,,predigt und bekannt habe, den ich geliebt und gelobt habe, welchen der ,,leidige Pabst und alle Gottlosen schänden, verfolgen und lästern; ich bitte ,,dich, laß dir mein Seelichen befohlen sein. O himmlischer Vater, ob ich schon diesen meinen Leib lassen und aus diesem Leben hinweggerissen ,,werden muß, so weiß ich doch gewiß, daß ich bei dir ewig bleiben, und aus ,,deinen Händen mich niemand reißen kann." 1)

Dreimal sprach er alsdann, sehr eilend nacheinander, auf Lateinisch: ,,Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist, du hast mich erlöst, o du treuer GOtt!" Und nachdem er hierauf dem Dr. Justus Jonas auf seine Frage: „Ehrwürdiger Vater, wollet Ihr auf Christum und die Lehre, wie Ihr sie gepredigt, beständig sterben?" noch mit einem deutlichen „Ja“ ge= antwortet hatte, ist er selig entschlafen.

1) Meurer, S. 752.

Ja, Geliebte, so hat Luther geglaubt und gelehrt, so hat er gelebt, so gelitten, so ist er gestorben, daß man über die ganze Zeit seines Lebens von dem Punkte an, wo er seinen Heiland JEsum Christum im Glauben erkannt hatte, die Worte St. Pauli seßen kann und muß: „Ich lebe, doch „nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir; denn was ich jetzt lebe im „Fleisch, das lebe ich im Glauben des Sohnes GOttes, der mich geliebt „und sich selbst für mich in den Tod gegeben hat."

Nun, HErr, Du lebendiger, ewiger GOtt, wir loben Dich, wir benedeien Dich, wir beten Dich an, wir preisen Dich, wir sagen Dir Dank von Herzensgrund dafür, daß Du aus unermeßlicher Gnade vor nunmehr 400 Jahren den teuren Mann Martin Luther Deiner lieben Kirche geschenkt hast. Er war ja ein Mensch, von Dir, o GOtt, gesandt, wie Johannes der Täufer. Denn in Deiner Kraft hat er den gottlosen Antichrist geoffenbart und Deine heilige, liebe Kirche von seinen seelenverderblichen Greueln ge= reinigt. In Deiner Kraft hat er die heilige Schrift treulich und deutlich verdolmetscht, in Deiner Kraft viel tausendmal tausend Seelen den Weg zum ewigen Frieden gewiesen durch den Glauben an das Blut Deines lieben Sohnes JEsu Christi. Für dies alles, o HErr, können wir Dir nimmermehr genug danken. So gieb denn, darum flehen wir Dich inbrünstig an, gieb denn Deiner teuren lutherischen Kirche, sonderlich auch in diesem Lande, die Gnade, unverrückt bei Deinem Worte und Luthers Lehre zu verharren und keinen Schritt davon abzuweichen, weder zur Rechten noch zur Linken. Und weil, o HErr, niemand Dich und Dein Wort lieben kann, ohne zu haffen, die Dich und Dein Wort hassen, so erfülle uns, wie mit Liebe zu Dir und Deinem heiligen, seligmachenden Wort, so mit Haß gegen den schädlichen Stuhl zu Rom, der Dein Gesetz übel deutet, mit Haß gegen den Pabst! Amen. Amen.

Orgelweihpredigt, *)

gehalten in York Centre am 21. März 1886 von C. A. T. Selle.

Text: Ps. 81, 2-5.

HErr Gott, Du lieber himmlischer Vater, von oben herab, von Dir, dem Vater des Lichtes, kommt alle gute und vollkommene Gabe. So haben wir Dir denn jezt auch zu danken für die Orgel, die wir heute durch Dein Wort und durchs Gebet, wodurch ja alle Dinge geheiliget werden, weihen wollen. Du, der Schöpfer Himmels und der Erden, hast ja auch die Stoffe bereitet, aus welchen diese Orgel gemacht ist; Dir allein haben wir dafür zu danken, daß Menschenkinder die Gabe haben, ein solches Werk zu bereiten;

Die Herren PP. G. G. und F. L. werden in dieser Predigt, die für das „Schulblatt" gewünscht wird, wohl einigen „,alten Bekannten“ begegnen, denen sie hoffentlich ein freundliches Willkommen bieten.

S.

Du bist es, der dem Erbauer dieser Orgel die nötige Geschicklichkeit und Gesundheit verliehen hat, dies Werk auszuführen; Du bist es ja endlich auch allein, der dieser Gemeinde die Mittel gegeben hat, und die Willigkeit, sie darzureichen zur Beschaffung der Orgel. Für dies alles, wie für alle Deine Gnaden, danken wir Dir von Herzensgrund und bitten Dich nun auch, Du wollest es Dir wohlgefallen lassen, daß wir diese Orgel absondern zu dem Ende, daß sie allein zu Deines Namens Ehre und zur Erbauung Deiner Gemeinde gebraucht werde, und Deinen Segen in reichem Maße verleihen, daß dieser ihr Zweck erreicht werde. Erhöre uns um Christi willen! Amen.

In Christo JEsu herzlich geliebte Festgenossen!

Die erste dunkle Kunde über Orgeln ist zu uns gedrungen aus dem dritten und vierten Jahrhundert christlicher Zeitrechnung. Nachdem darauf im neunten Jahrhundert die Orgeln im Abendland bereits weitere Verbreitung gefunden hatten, waren sie in unserm alten, deutschen Vaterlande im vierzehnten Jahrhundert fast allgemein in den christlichen Kirchen in Gebrauch gekommen. So fand also die Kirchen-Reformation, die Gott, der HErr, durch sein auserwähltes Rüstzeug, Dr. Martin Luther, ausführte, die Orgel im Gottesdienst vor. Luther, wie er überhaupt stets mit schonender Hand verfuhr und nur offenbar antichristische Greuel aus den Kirchen entfernte, duldete nicht allein die Orgeln, sondern begünstigte ihren Gebrauch beim Gottesdienst. Zwingli dagegen, der erste Gründer der reformierten Kirche, nebst dem Schwärmer Carlstadt, und die sogenannten himmlischen Propheten verwarfen den Gebrauch der Orgeln in Gottesdiensten als sündlich, und ihr Geist hat sich auch in dieser Beziehung mehr oder weniger bis auf die heutige Zeit in den verschiedenen Zweigen der reformierten Kirche fortgeerbt. Hat doch erst vor wenigen Jahren eine große presbyterianische Gemeinschaft unseres Landes sich über dem Streit betreffs der Zulässigkeit des Gebrauchs von Orgeln im Gottesdienst gespalten. Und ihr? Ihr freutet euch, als ihr die erste kleine Melodiumorgel anschaffen konntet; ihr freutet euch aufs neue, als ihr an deren Stelle ein etwas größeres Instrument erhieltet, und heute nun, da ihr eine euren Bedürfnissen entsprechend große Orgel weihet, ist eure Freude erst recht groß. Habt ihr nun ein Recht zu dieser eurer Freude, oder ist sie eine Sünde? Und wenn ihr ein Recht zu derselben habt, wie mag diese Freude eine bleibende und stets erhöhte werden? Dies sind die Fragen, die wir jest in kurzem zu beantworten gedenken.

Der Gegenstand unserer Betrachtung soll also sein:

Die Freude einer chriftlichen Gemeinde an ihrer Orgel.

Wir sehen hiebei:

I. wie berechtigt diese Freude ist, und

II. wie diese Freude eine bleibende und stets erhöhte werden kann und soll.

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