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tigen Theil der Mahlerkunst, auf die Farben= gebung aufmerksam gemacht, besonders in den lezten Jahren, da die Seele ein lebhaftes freudiges Bild der harmonisch-farbigen Welt unter einem reinen glücklichen Himmel empfing. Denn wenn jemand 5 Ursach hat sich um die Wirkungen und Verhältnisse der Farben zu bekümmern: so ist es der Mahler, der sie überall suchen, überall finden, sie versehen, verändern und abstufen muß; dahingegen der Optiker seit langer Zeit beschäftigt ist, sie zu verbannen, seine 10 Gläser davon zu reinigen, und nun seinen höchsten Endzweck erreicht hat, da das Meisterwerk der bis auf einen hohen Grad farblosen Sehröhre in unsern Zeiten endlich gelungen ist.

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Der bildende Künstler konnte von jener Theorie, 15 woraus der Optiker bei seinen negativen Bemühungen die vorkommenden Erscheinungen noch allenfalls er= klärte, wenig Vortheil ziehen. Denn ob er gleich die bunten Farben des Prisma mit den übrigen Beobachtern bewunderte und die Harmonie derselben 20 empfand: so blieb es ihm doch immer ein Räthsel, wie er sie über die Gegenstände austheilen sollte, die er nach gewissen Verhältnissen gebildet und geordnet hatte. Ein großer Theil der Harmonie eines Gemähldes beruht auf Licht und Schatten; aber das 25 Verhältniß der Farben zu Licht und Schatten war

nicht so leicht entdeckt, und doch konnte jeder Mahler bald einsehen, daß bloß durch Verbindung beider Harmonien sein Gemählde vollkommen werden könne, und daß es nicht genug sei, eine Farbe mit Schwarz s oder Braun zu vermischen, um sie zur Schattenfarbe zu machen. Mancherlei Versuche bei einem von der Natur glücklich gebildeten Auge, Übung des Gefühls, Überlieferung und Beispiele großer Meister brachten endlich die Künstler auf einen hohen Grad der Vor10 trefflichkeit, ob sie gleich die Regeln, wornach sie handelten, kaum mittheilen konnten; und man kann sich in einer großen Gemähldesammlung überzeugen, daß fast jeder Meister eine andere Art die Farben zu behandeln gehabt hat.

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Es ist hier der Ort nicht diese Materien weiter auszuführen, und zu untersuchen, welchen allgemeinen Gesezen diese verschiedenen Behandlungen unterworfen sein könnten. Ich bemerke hier nur ein Hauptgesetz, welches die Künstler entdeckten: ein solches, das mit 20 dem Geseze des Lichtes und des Schattens gleichen Schritt hielt und sich an dasselbe auf das innigste anschloß, es war das Gesetz der sogenannten warmen und kalten Tinten. Man bemerkte, daß gewisse Farben neben einander gestellt, eben so einen großen 23 Effect machten, als tiefer Schatten neben dem hellsten

Lichte, und daß diese Farben eben so gut Abstufungen

erlitten, als der Schatten durch die Widerscheine. Ja es fand sich, daß man bloß durch die Gegen= einanderstellung der Farben gleichsam ohne Schatten ein sehr vollkommenes Gemählde hervorbringen könnte, wie uns noch jezt reizende Bilder der größten Meister 5 Beispiele geben.

§ 21.

Mit allen diesen Puncten, deren hier nur im Vorbeigehen gedacht wird, werden wir uns in der Folge mehr beschäftigen, wenn wir erst eine Reihe Erfahrungen durchgegangen sind. Dieses erste gegen= 10 wärtige Stück wird die einfachsten prismatischen Versuche enthalten, wenige, aber merkmürdige Versuche, die zwar nicht alle neu, aber doch nicht so bekannt sind, als sie es zu sein verdienten. Es sei mir erlaubt, eh' ich sie vortrage, das Allgemeinere voraus zu schicken. 15

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Den Zustand des Raums um uns, wenn wir mit offenen gefunden Augen keine Gegenstände erblicken, nennen wir die Finsterniß. Wir denken sie abstract ohne Gegenstand als eine Verneinung, sie ist, wie die Ruhe, den Müden willkommen, den Muntern unangenehm. 20

§ 23.

Das Licht hingegen können wir uns niemals in abstracto denken, sondern wir werden es gewahr als die Wirkung eines bestimmten Gegenstandes, der sich

in dem Raume befindet und durch eben diese Wirkung andere Gegenstände sichtbar macht.

§ 24.

Licht und Finsterniß führen einen beständigen Streit miteinander; Wirkung und Gegenwirkung 5 beider ist nicht zu verkennen. Mit ungeheurer Elasticität und Schnelligkeit eilt das Licht von der Eonne zur Erde und verdrängt die Finsterniß; eben so wirkt ein jedes künstliche Licht in einem proportionirten Raume. Aber sobald diese unmittelbare Wirkung 10 wieder aufhört, zeigt die Finsterniß wieder ihre Gewalt und stellt sich in Schatten, Dämmerung und Nacht sogleich wieder her.

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Die Oberflächen der Körper, die uns sichtbar werden, haben außer ihren Eigenschaften, welche wir 15 durch's Gefühl erkennen, noch eine, welche dem Ge= fühl gewöhnlich nicht unterworfen ist; wir nennen diese Eigenschaft Farbe. In diesem allgemeinen Sinne nennen wir Schwarz und Weiß so gut als Blau, Gelb und Roth mit allen ihren Mischungen 20 eine Farbe. Wenn wir aber genauer aufmerken, so werden wir leicht finden, daß wir jene beiden ersten von den leztern abzusondern haben.

§ 26.

Die Wirkung des Lichts auf ungefärbte Wassertropfen, welche sich vor einem dunkeln Grunde be

finden, zeigt uns eine Erscheinung von Gelb, Blau und Roth mit verschiedenen Mischungen: ein unge= färbtes prismatisches Glas läßt uns ein ähnliches Phänomen an allen Gegenständen erblicken. Diese Farben welche an der Oberfläche der Körper nicht s bleibend sind, sondern nur unter gewissen Umständen gesehen werden, möchte ich absolute Farben nennen; die mit ihnen correspondirenden Oberflächen, farbige Körper.

§ 27.

Wir bemerken, daß wir allen absoluten Farben 10 körperliche Repräsentanten stellen können, welche, ob sie gleich nicht in dem Glanze wie jene erscheinen, dennoch sich ihnen in einem hohen Grade nähern, und eine gewisse Verwandtschaft anzeigen.

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Sind diese farbigen Körper von der Art daß sie 15 ihre Eigenschaften ungefärbten oder anders gefärbten Körpern leicht mittheilen; so nennen wir sie färbende Körper, oder nach dem Vorschlage Herrn Hofraths Lichtenberg Pigmente*).

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Wie wir nun auf diese Weise farbige Körper und 20 Pigmente theils finden, theils bereiten und mischen

*) Erylebens Naturlehre, fünfte Auflage, S. 315.

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