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Man führe den Spiegel in den rechten Winkel, die Kerze wird horizontal liegend erscheinen und die Flamme bedeutend verdunkelt.

Abermals führe man den Spiegel weiter in die Gegenstellung der ersten Richtung, die Flamme wird s auf dem Kopfe stehen und wieder heller sein. Man drehe den Spiegel ferner um seine Achse, die Kerze scheint horizontal und abermals verdüstert, bis fie denn endlich, in die erste Stellung zurückgeführt, wieder hell wie vom Anfang erscheint. Ein jedes 10 helles Bild auf dunklem Grunde, das man an die Stelle der Kerze bringt, wird dem aufmerksamen Be= obachter dieselbe Erscheinung gewähren. Wir wählen dazu einen hellen Pfeil auf dunklem Grunde, woran sowohl die Veränderung der Stellung des Bildes als 15 deffen Erhellung und Verdüsterung deutlich gesehen wird.

XX.

Identität durch klare Spiegel.

Bisher wäre also nichts Verwunderungswürdiges vorgekommen; bei der größten Mannichfaltigkeit bleibt 20 alles in der Regel; so ist auch folgende Erscheinung ganz dem Gesetz gemäß, ob sie uns gleich bei der ersten Entdeckung wundersam überraschte.

Bei dem Apparat mit zwei Spiegeln nehme man zum untersten, der das Himmelslicht aufnimmt, einen 25 mit Quecksilber belegten und richte ihn, bei dunkelblauer Atmosphäre, gegen den Seitenschein, der im

Würfel das schwarze Kreuz erzeugt, dieses wird nun auch erscheinen und identisch bleiben, wenn schon der Oberspiegel gleichnamig gestellt ist; denn die Eigenschaft des atmosphärischen Scheins wird durch den 5 flaren Spiegel vollkommen überliefert, eben so wie es bei jener Erfahrung mit Einem Spiegel unmittelbar geschieht.

Wir haben zur Bedingung gemacht, daß der Himmel so blau sein müsse als es in unsern Gegenden 10 möglich ist; und hier zeigt sich abermals der Himmel als eine verschleierte Nacht, wie wir ihn immer ansehen. Er ist es nun der sein verdüstertes Licht in den klaren Spiegel sendet, welches alsdann, dem Kubus mitgetheilt, sich gerade in dem mäßigen Gleich15 gewicht befindet das zur Erscheinung unumgänglich nöthig ist.

XXI.

Abgeleiteter Schein- und Widerschein.

Wir haben den unmittelbaren Widerschein von den verschiedenen Himmelsgegenden her als den ersten 20 und ursprünglichen angenommen, aber auch abgelei= teter Schein und Widerschein bringt dieselben Phänomene hervor.

Weißer Batist, vor ein besonntes Fenster gezogen, gibt zwar mit dem einfachen Apparat keine Erschei= 25 nung, wahrscheinlich weil das davon herkommende Licht noch allzustark und lebhaft ist; der Kubus aber zwischen die Doppelspiegel gelegt gibt sowohl das

Goethes Werke. II. Abth. 5. Bd. 1. Abth.

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weiße als schwarze Kreuz, denn der helle Schein der Batistfläche wird durch die beiden Spiegel gemäßigt.

Vom abgeleiteten Widerschein wäre vielleicht nur Folgendes zu sagen: haben wir, durch unsern zweiten Apparat (VI) von irgend einer Himmelsgegend her, s die entoptische Erscheinung bewirkt, so stelle man der= selben atmosphärischen Region eine unbelegte spiegelnde Glastafel entgegen, wende sich mit dem Apparat nun zu ihr und man wird die abgeleitete Erscheinung mit der ursprünglichen gleich finden.

XXII.

Doppelt refrangirende Körper.

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Der durchsichtige rhombische Kalkspath, dessen Eigenschaft Bilder zu verdoppeln, ja zu vervielfachen, schon lange Zeit Forscher und Erklärer beschäftiget, gab immerfort, bei Unzulänglichkeit früheren Be- 15 mühens, zu neuen Untersuchungen Anlaß. Hier wurde nach und nach entdeckt: daß mehrere krystallinisch gebildete Körper eine solche Eigenschaft befizen, und nicht allein dieses ward gefunden, sondern auch, bei vielfachster Behandlung solcher Gegenstände, noch 20 andere begleitende Erscheinungen. Da man nun bei'm rhombischen Kalkspath gar deutlich bemerken konnte: daß der verschiedene Durchgang der Blätter und die deßhalb gegen einander wirkenden Spiegelungen die nächste Ursache der Erscheinung sei; so ward man auf 25 Versuche geleitet das Licht, durch spiegelnde, auf ver

schiedene Weise gegen einander gerichtete Flächen, der= gestalt zu bedingen, daß künstliche Wirkungen, jenen natürlichen ähnlich hervorgebracht werden konnten.

Hiebei war freilich sehr viel gewonnen, man hatte 5 einen äußern, künstlichen Apparat, wodurch man den innern, natürlichen nachahmen, controliren und beide gegeneinander vergleichen konnte.

Nach dem Gange unserer Darstellung haben wir zuerst den künstlichen Apparat, in seiner größten Ein10 falt, mit der Natur in Rapport gesezt, wir haben

den Urquell aller dieser Erscheinungen in der Atmosphäre gefunden, sodann unsere Vorrichtungen ge= steigert, um das Phänomen in seiner größten Ausbildung darzustellen; nun gehen wir zu den natür15 lichen, durchsichtigen, krystallisirten Körpern über, und sprechen also von ihnen aus: daß die Natur, in das Innerste solcher Körper, einen gleichen Spiegelapparat aufgebaut habe, wie wir es mit äußerlichen, physisch-mechanischen Mitteln gethan, und es bleibt 20 uns noch zu zeigen Pflicht: wie die doppelt refrangirenden Körper gerade die sämmtlichen, uns nun schon bekannten Phänomene gleichfalls hervorbringen, daß wir daher, wenn wir ihren natürlichen Apparat mit unserm künstlichen verbinden, die anmuthigsten 25 Erscheinungen vor Augen zu stellen fähig sind. Auch hier werden wir auf's einfachste verfahren und nur drei Körper in Anspruch nehmen, da sich die Erscheinung bei andern ähnlichen immerfort wieder

holen muß und wiederholt. Diese drei Körper aber find der Glimmer, das Fraueneis und der rhombische Kalkspath.

XXIII.
Glimmerblättchen.

Die Glimmerblätter haben von der Natur den s Spiegelungs- Apparat in sich und zugleich die Fähig= teit entoptische Farben hervorzubringen; deßhalb ist es so bequem als lehrreich sie mit unsern künstlichen Vorrichtungen zu verbinden.

Um nun das Glimmerblättchen an und für sich 10 zu untersuchen wird es allein zwischen beide, vorerst parallel gestellte Spiegel gebracht und hier entdecken sich nach und nach die für uns so merkwürdigen Eigenschaften.

Man bewege das Blättchen hin und her und 15 der Beschauer wird sogleich bemerken daß ihm das Gesichtsfeld bald heller bald dunkler erscheine; ist er recht aufmerksam und die Eigenschaft des Glimmerblättchens vollkommen zusagend, so wird er gewahr werden daß die helle Erscheinung von einem gelb= 20 lichen, die dunkle von einem bläulichen Hauch be= gleitet ist. Wir greifen nun aber zu einer Vorrichtung welche uns dient genauere Versuche vorzunehmen.

Wir stellen den entoptischen Kubus zwischen die 25 zwei parallelen Spiegel an den gewohnten Ort, legen das Glimmerblatt darauf und bewegen es hin und

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