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als Nachtrag erschiene alles was mir zeither von ältern und neuern Erfahrungen noch bekannt geworden, sodann, in wiefern ich meine Vorstellung über diese Dinge erprobt gefunden, oder verändert.

Hiezu würde die Geschichte der Farbenlehre, vom Anfang des Jahrhunderts bis auf den lezten Tag, vor allen Dingen erforderlich sein, wobei ich versuchen würde meine Widersacher so zu behandeln, als wenn wir sämmtlich, aus der Region des Blinzens und 10 Meinens, schon lange in die Regionen des Schauens und Erkennens übergegangen wären. Hieran würde sich schließen die Anwendung meiner einfachen Darstellung, um nicht zu sagen Grundsäge, auf complicirtere Phänomene, deren Erwähnung ich bisher mit 15 Fleiß vermieden; besonders eine neue Entwicklung des Regenbogens. Dieses ist gerade das Phänomen, worauf sich die mathematische Physik am meisten zu Gute thut. Hier, versichert man, treffe die Rechnung mit der Theorie vollkommen zusammen:

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Es ist belehrend, daß so viele tief- und scharffinnige Männer nicht einsahen, wie eine Berechnung mit dem Phänomen vollkommen übereinstimmen kann und deßwegen gleichwohl die das Phänomen erklärende Theorie falsch sein dürfte. Im Praktischen gewahren 25 wir's jeden Tag, doch in der Wissenschaft sollten auf der Höhe der Philosophie, auf der wir stehen und, obgleich mit einigem Schwanken, gegründet sind, der= gleichen Verwechslungen nicht mehr vorkommen.

Jener Supplementband, den ich selbst an mich fordere, aber leider nicht verspreche, sollte nun ferner enthalten das Verzeichniß eines vollkommenen Appa= rats, den jeder nicht allein besigen, sondern jederzeit zu eigenem und fremdem Gebrauch benutzen könnte. s Denn es ist nichts jammervoller als die akademischoptischen Apparate, welche das Jahr über verstauben und verblinden, bis das Capitel an die Reihe kommt, wo der Lehrer kümmerliche Versuche von Licht und Farben gerne darstellen möchte, wenn nur die Sonne 10 bei der Hand wäre. Es kann sein, daß irgendwo etwas einigermaßen Hinreichendes vorgezeigt werde, immer geschicht's aber nur nach dem kümmerlichen Anlaß der Compendien, in welchen sich die Newtonische Lehre, die doch anfangs wenigstens ein Abracadabra war, 15 zu unzusammenhängenden Trivialitäten verschlechtert. Die Zeugnisse hievon stehen schon im zweiten Bande des Werkes Zur Farbenlehre, und in den Sessionsberichten des künftigen Gerichts wird bei dieser Ge= legenheit öfters stehen: man lacht!

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Ein solches Verzeichniß des nothwendigen Appa= rats wird ausführlich aufzusehen sein, da meine sämmtlichen Vorrichtungen mit den Büttnerschen und älteren fürstlichen Instrumenten vereinigt, in Jena aufgestellt, einen vollständigen Vortrag der Farbenlehre 25 möglich machen werden. Jeder Studirende fordere auf seiner Akademie vom Professor der Physik einen Vortrag sämmtlicher Phänomene, nach beliebiger Ordnung;

fängt dieser aber den bisherigen Bocksbeutel damit an: „Man laffe durch ein kleines Loch einen Licht= strahl u. s. w." so lache man ihn aus, verlasse die dunkle Kammer, erfreue sich am blauen Himmel und 5 am glühenden Roth der untergehenden Sonne nach unserer Anleitung.

Auch würde jener intentirte Supplementband noch manches andere nachbringen, was einem verziehen wird, der nicht viel Zeit hat, das was ihm zu sagen 10 wichtig ist in leserliche Phrasen einzukleiden.

Neuere Einleitung.

Nach abgeschlossenem entoptischen Vortrag, dessen Bearbeitung uns mehrere Jahre beschäftigt, nach dem frischen Beweis, daß an unsere Farbenlehre sich jede neu entdeckte Erscheinung freundlich anschließt, in's s Ganze fügt und keiner besondern theoretischen Erklärung bedarf, finden wir der Sache gerathen, manches Einzelne was sich bisher gesammelt hier gleichfalls darzulegen und in jene Einheit zu verschlingen. Den Hauptsinn unseres ganzen Vorhabens wiederholen wir 10 daher, weil das meiste was bis jetzt über Farbe öffentlich gesagt worden, auf das deutlichste zeigt, daß man meine Bemühungen entweder nicht kennt oder ignorirt, nicht versteht oder nicht verstehen will.

Und so wird es nicht zu weit ausgeholt sein, wenn 15 wir sagen: daß unsere ältesten Vorfahren, bei ihrer Naturbeschauung, sich mit dem Phänomen begnügt, dasselbe wohl zu kennen getrachtet, aber an Versuche, wodurch es wiederholt würde, wodurch sein Alge= meineres zu Tage käme, nicht gedacht. Sie beschauten 20 die Natur, besuchten Handwerker und Fabrikanten und

belehrten sich ohne sich aufzuklären. Sehr lange verfuhr man so: denn wie kindlich war noch die Art von Versuch, daß man in einem ehernen Kessel Eisen-Feilspäne durch einen untergehaltenen Magnet gleichsam 5 sieden ließ.

In der Zwischenzeit wollen wir uns nicht aufhalten, und nur gedenken: wie im 15. und 16. Jahrhundert die unendlichste Masse von einzelnen Erfahrungen auf die Menschen eindrang, wie Porta Kenntnisse und 10 Fertigkeiten viele Jahre durch in der ganzen Welt zu= sammensuchte, und wie Gilbert am Magneten zeigte, daß man auch ein einzelnes Phänomen in sich abschließen könne.

In demselben Zeitraum zeigte Baco auf das leb= 15 hafteste zur Erfahrung hin und erregte das Verlangen unzählbaren und unübersehbaren Einzelnheiten nachzu= gehn. Immer mehr und mehr beobachtete man; man probirte, versuchte, wiederholte; man überdachte, man überlegte zugleich, und so kam ein Wissen zur Erschei= 20 nung, von dem man vorher keinen Begriff gehabt hatte. Weil dieß aber nicht vorübergehen, sondern das einmal Gefundene festgehalten und immer wieder dargestellt werden sollte; so befleißigte man sich schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nothdürftig ver25 besserter Instrumente, und es fanden sich Personen die aus dem Handhaben derselben eine Art von Gewerbe machten. Dieß alles war gut und löblich, aber die Lust zu theoretisiren, gegen welche Baco sich so heftig

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