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zu beurtheilen und zu reinigen; als Ästhetiker zu prüfen, ob er bei Betrachtung der Werke der Kunst und ihrer Schäßung einen sicherern Maßstab erhält, als der war dessen er sich bisher bedient u. s. w.

Jeder aufmerksame Mensch wird uns an Phänomene erinnern über die wir hinweg sahen. Sehr viel bin ich schon theilnehmenden Freunden schuldig geworden.

Wie viel eine Wissenschaft durch allgemeineren Antheil gewinnt, braucht nicht ausgeführt zu werden, 10 und wie wohlthätig sie besonders in unsern Zeiten werden kann, wenn sie das Gemüth von andern zudrängenden Gedanken ableitet, erfahre ich an mir selber.

Lager bei Marienborn

d. 21 Jul. 1793.

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Über die Eintheilung der Farben und ihr Verhältniß gegen einander.

Wenn der billige Wunsch die Farbenlehre durch mehrere Naturfreunde gemeinschaftlich behandelt zu sehen in Erfüllung gehen sollte, so ist vorauszusehen daß man suche von Einem Standorte auszugehen, sich über einige Puncte zur Leitung der Arbeit zu vereinigen.

Man kann keine völlig ausgearbeitete unwider10 sprechliche Säge zum Grunde legen, denn wir arbeiten

ja erst diese zu finden. Wir wollen suchen, nicht be= weisen, und der Leitfaden, an dem wir ausgehen, möchte so hypothetisch sein als er will, wenn er uns nur dient unsern Weg, wohin wir ihn auch nehmen, 15 zu verfolgen und zurück zu finden.

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Nachstehende Resultate habe ich aus vielen Arbeiten gezogen und finde im Fortarbeiten bequem sie vor Augen zu haben; ich wünsche, daß sie andern auch nüßlich sein mögen.

Wir kennen nur zwei ganz reine Farben welche, ohne uns einen Nebeneindruck zu geben, ohne an etwas

anders zu erinnern, von uns wahrgenommen werden. Es sind

Gelb und Blau.

Sie stehen einander entgegen so wie nur ein irgend uns bekannter Gegensaß. Die reine Existenz der einen s schließt die reine Existenz der andern völlig aus, fie haben aber eine Neigung gegen einander als zwar ent= gegengesezte aber nicht widersprechende Wesen; jede einzeln betrachtet macht einen bestimmten und höchst verschiedenen Effect, neben einander gestellt machen sie 10 einen angenehmen Eindruck auf's Auge, mit einander vermischt befriedigen sie den Blick. Diese gemischte Farbe nennen wir

Grün.

Dieses Grün ist die Wirkung der beiden vermischten 15 aber nicht vereinigten Farben, in den meisten Fällen lassen sie sich sondern und wieder zusammensetzen.

Wir kehren zurück und betrachten die beiden Far= ben Gelb und Blau abermals in ihrem reinen Zustande und finden, daß sie auch heller und dunkler 20 ohne Veränderung ihrer Eigenheit dargestellt werden können.

Wir nehmen z. B. rein aufgelöstes Gummi Gutti und streichen davon auf ein Papier; sobald es ge= trocknet, überstreichen wir einen Theil zum zweitenmal 25 und so fort und wir finden, daß je mehr Farbentheilchen das Papier bedecken, je dunkler die Farbe wird. Eben

diesen Versuch machen wir mit fein geriebenem Berliner Blau.

Wir können zwar auch die hellere Farbe dunkler erscheinen machen, wenn wir das Papier vorher mit 5 einer leichtern oder stärkern Tusche überziehen und dann die Farbe darüber ziehen. Allein von der Vermischung mit Schwarz und Weiß darf bei uns nicht die Rede sein. Bei uns fragt sich's nur: sind die Farbentheile näher oder entfernter beisammen? jedoch 10 in völliger Reinheit.

Auf obgemeldete Weise verstärken wir die Farbe nicht lange, so finden wir, daß sie sich noch auf eine andere Weise verändert, die wir nicht bloß durch dunkler ausdrücken können. Das Blaue nämlich 15 so wohl als Gelbe nehmen einen gewissen Schein an, der, ohne daß die Farbe heller werde als vorher, fie lebhafter macht, ja man möchte beinahe sagen, sie ist würksamer und doch dunkel. Wir nennen diesen Effect

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Roth.

So ist ein reines trocknes Stück Gummi Guttä auf dem Bruche schon orangengelb. Man lege es gegen ein Stück schön roth Siegellack und man wird wenig Unterschied sehen. Eben so schimmert das gute Berliner Blau, der echte Indig auf dem 25 Bruche in's Violette. Der Chemiker wird uns durch Verdickung der Liquore die schönsten Beispiele liefern.

Roth nehmen wir also vorerst als keine eigene Farbe an, sondern kennen es als Eigenschaft, welche dem Gelben und Blauen zukommen kann. Roth steht weder dem Blauen noch dem Gelben entgegen, es ent= steht vielmehr aus ihnen, es ist ein Zustand in den s sie versezt werden können, und zwar durch Verdichtung, durch Aneinanderdrängung ihrer Theile; getheilte rothe Blutkügelchen legen ihre rothe Farbe ab und nehmen. eine gelbe an. Man nehme nun das Gelbrothe und das Blaurothe, beides auf seiner höchsten 10 Stufe und Reinheit, man vermische beide, so wird eine Farbe entstehen, welche alle übrigen an Pracht, besonders wenn die Farben emphatisch find, übertrifft, es ist der

Purpur,

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der so viel Nüancen haben kann als es Übergänge vom Gelbrothen zum Blaurothen geben kann. Diese Vermischung geschieht am reinsten und vollkommensten bei den prismatischen Versuchen. Die Chemie wird uns die Übergänge sehr interessant 20 zeigen. Wie es mit Pigmenten geschehen könne, wird der Mahler angeben.

Wir kennen also nur folgende Farben und Ver= bindungen:

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