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VII.

Bemerkungen

über die durch ein christliches Religionsbekenntniß bedingte Rechtsfähigkeit in den deutschen Bundes

staaten.

Von

v. Linde.

(Schluß.)

Es ist früher einmal, bei einer andern Gelegenheit, die Frage aufgeworfen worden: ob ein fortwährender Rechtsbestand der Bestimmungen der Rheinbundsacte über die Zeit des rheinischen Bundes hinaus behauptet werden könne.

Diese Frage hat aber Klüber 27) einer gründlichen Prüfung unterworfen, und wir erlauben uns, die Hauptgründe dieses Staatsrechtslehrers hier mitzutheilen, wonach die Anwendung auf unsern Fall sich von selbst macht.

Der rheinische Bund ward (so schreibt Klüber), nach dem Fall seines Protektors, von den Bundesgenossen gegen

**) Abhandl. u. Beobacht. für Geschichtk., Staats- u. Rechtsw. Frnkf. 1830, B. I, N. I.

Zeitschr. f. Civilr. u. Proz. Neue Folge. X. Bb.2.Heft. 12

seitig weder durch eine förmliche Akte, noch sonst ausdrücklich aufgelöset. Die Auflösung erfolgte stillschweigend, durch allseitig sprechende Handlungen. Vorher schon hatten diejenigen Bundesfürsten, die im Oktober, November und December 1813 durch Verträge mit Oestreich, Preußen und Rußland, der Allianz wider Napoleon beitraten, einzeln, diesen Mächten ausdrücklich das Versprechen der Entsagung auf den rheinischen Bund gegeben 28).

Gleichfalls stillschweigend ward die Auflösung anerkannt, sowohl von sämmtlichen Mitgliedern des teutschen Bundes in ihrer Bundes - Acte, als auch von denjenigen europäischen Mächten, welche die Schluß-Acte des Wiener Congresses unterzeichneten, oder derselben beitraten.

Ihrer Natur nach beschränkte sich die stillschweigend erklärte Auflösung des Bundes auf die Form und das Wesen dieses Staatenvereins. Nur davon ist also dieselbe, in zweifelhaftem Fall, zu verstehen; weiter darf sie bei doftrinaler Auslegung nicht erstreckt werden.

Demnach berechtigt jene Auflösung Niemand zu der Behauptung, daß durch sie stillschweigend (ipso facto) auch folche Rechtsverhältnisse seien aufgehoben worden, welche unter teutschen Staaten, während sie in der rheinischen Bundesgenossenschaft standen, durch Uebereinkunft, sei es in der rheinischen Bundes - Acte, oder in andern Verträgen mit Bundesgenossen, gegründet wurden, ohne durch ihre Natur oder durch willkührliche Bestimmung mit dem Bestehen des rheinischen Bundes in nothwendigen Zusammenhang gesetzt, oder davon abhängig gemacht zu seyn.

War es nicht derselbe Fall bei Auflösung der teutschen Reichsverbindung, in Ansehung aller Rechtsverhältnisse, die

**) MARTENS recueil etc. Supplém. T. V, p. 610. 646, 649, 651.

nicht durch Fortdauer der Reichsverbindung klar bedingt waren, oder bei oder nach Stiftung des rheinischen Bundes vertragsweise aufgehoben wurden? Unbestreitbare Beispiele finden sich in Titeln und in dem politischen Rechtsverhältniß der teutschen Landesherren, ihrer Familienglieder und des teutschen Reichsadels, in den Landesverfassungen_teutscher Staaten, in der førtdauernden Gültigkeit mancher teutschen Reichsgesete, in dem gemeinen teutschen Privatrecht, in dem Landes-Privatrecht, in den von Einzelnen in der Zeit des teutschen Reichs erworbenen Privatrechten, in Successions, Rechten, in Rechts-Normen, die von den Reichsgerichten subsidiarisch befolgt wurden 29).

Vorstehender Grundsay, angewandt auf die Bestimmungen der rheinischen Bundesacte, bewährt, daß die Auflösung des Bundes zerstörend auf dieselbe im Zweifel nur so weit wirkte, als dieselbe als Bundes- oder Gesellschaftsvertrag zu betrachten ist; daß also dieselbe nur in solcher Hinsicht aufhörte, für die Bundesgenossen fernerhin verpflichtend zu seyn.

Demzufolge wirkte die Trennung des Bundes zerstörend bloß auf diejenigen Bestimmungen der Bundes-Acte, in welchen dieselbe als Allianz- oder Bundesvertrag im eigentlichen Sinne erscheint. Von solcher Art sind nur diejenigen Bestimmungen, welche die Gründung, Einrichtung und Dauer des Bundesverhältnisses wesentlich betreffen, oder damit unzertrennlich in Verbindung stehen.

Dagegen kann, rechtlicherweise, die Auflösung des Bundes auf solche Bestimmungen der Bundes - Acte nicht bezogen werden, welche die Paciscenten nicht als Bundesgenossen, sondern in der Eigenschaft unabhängiger Landes- Regenten, nicht in nothwendiger Voraussegung des Bundesverhältnisses, sondern

29) Klüber, öffentl. Recht d. D. B. §. 48–52.

in Hinsicht auf Territorial - Verhältnisse, die föderativer Natur nicht sind, in der Bundes-Acte vertragsmäßig festsegen, in Ansehung deren also dieser öffentliche Vertrag nicht als Bundesvertrag, sondern als Territorial-Staatsvertrag zu betrachten ist.

Könnte oder wollte man aber annehmen, daß die Aufhebung der Bundes-Acte auch auf die darin enthaltenen Bestimmungen der legten Art sich erstrecke, daß also die Wirksamfeit auch dieser stillschweigend mit aufgehoben sey, so würde würde doch eine solche Aufhebung, da etwas Anderes durch unzweifelhafte Willenserklärung der Betheiligten nicht festgefeßt ist, wie die Aufhebung eines jeden anderen Völkervertrags, feine rückwirkende Kraft, weder vernichtende, noch ändernde, haben. Sie würde nicht zurückwirken können auf schon be stehende Rechtsverhältniffe, die begründet find in einer schon geschehenen Erfüllung der, in dem nun aufgehobenen Vertrag, oder in Folge desselben, festgesetten Bestimmungen. In Ansehung dieser hatte der Vertrag schon in demselben Zeitpunkt aufgehört, in welchem, ihm zufolge, jene Rechtsverhältnisse in Wirksamkeit getreten waren, wo also die durch den Vertrag begründete Verbindlichkeit erfüllt war 30).

Sollten bestehende Rechtsverhältnisse dieser Art wieder aufgehoben, sollte in Absicht auf sie die Sache in den Stand zurückgesezt werden, worin dieselbe vor dem Vertrag sich befand, so mußte dieses durch einen neuen Vertrag festgesegt werden, der, wie der Vorige, ohne beiderseitige Einwilligung der Betheiligten nicht zu Stande kommen könnte.

Das Geschehene fonnte nicht ungeschehen gemacht, es konnte aber (wie auch schon während der Dauer des rheinis schen Bundes) an dessen Stelle etwas Anderes, etwa das

30) Klüber, europäisches Völkerrecht §. 164. Note b.

Alte, durch einen neuen Vertrag gesezt werden. Daß dieses geschehen sey, wäre eine Thatsache, mithin rechtlich nicht zu vermuthen, sondern von dem behauptenden Theil streng zu erweisen.

Diesen Rechtsgrundsäßen gemäß mußten mit der still. schweigenden Auflösung des rheinischen Bundes alle Bestimmungen der Bundes - Acte, welche föderativer Natur sind, aufhören, für die Zukunft wirksam zu seyn. Von solcher Art find alle die, welche sich beziehen auf das Daseyn und die Form des Bundesvereins, auf das Protektorat und die Bundesgenossenschaft, auf den Bundestag, seine Einrichtung und Wirkungsbefugniß, auf die Aufnahme neuer Mitglieder, auf das Vertheidigungssystem des Bundes, auf das Kriegsbündniß der Bundesglieder mit dem Protektor, auf das Verbot einer Veräußerung der Souverainetät über bundesverwandte Besigungen an nicht Bundes - Genoffen. Auch haben, kundbar, alle diese in der Bundes - Acte festgesetten Rechtsverhältnisse aufgehört wirksam zu seyn.

Dagegen mußten und müssen, wenn und soweit nicht durch gegenseitige Willenserklärung der Betheiligten das Gegentheil festgesezt ist, alle Bestimmungen der rheinischen Bundes-Acte fernerhin wirksam seyn, welche nicht föderativer Natur sind, zu deren Wirksamkeit die Fortdauer des Bundesvereins als nothwendig nicht vorauszusehen, bei welchen folglich jene Urkunde als Bundesvertrag nicht zu betrachten ist.

Auf jeden Fall müssen die, schon vor Auflösung des rheinischen Bundes vertragsmäßig eingetretenen, Folgen dieser Art von Bestimmungen in rechtsgültiger Wirksamkeit fortbestehen. Es sind diese Rechtsverhältnisse von nicht föderativer Natur, bei welchen die Vertrags-Stipulation bereits in Erfüllung gegangen, mithin ein Recht auf ihre Fortdauer ex pacto schon

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