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barkeit“) authentisch dahin erläutert, daß landesherrliche Berordnungen für die Gerichte ohne Ausnahme verbindend feyen. Jene Verordnung bezeichnet sich selbst als erlaffen „auf Veranlassung der beiden Commissäre von Oestreich und Preußen, als der durch Bundesbeschluß vom 11. d. v. M. (Juni) dazu bevollmächtigten hohen Regierungen." Dieser Bundesbeschluß ist bis jest nicht publicirt. Allein jedenfalls folgt daraus, daß der Bund die kurhessische Regierung veranlaßte, einen Paragraphen der Verfassung in einem bestimmten Sinn zu interpretiren, nicht daß die so erläuterte Bestimmung nun die allein dem Bundesrecht gemäße sey. Man muß doch annehmen, der Bund habe wirklich die Ueberzeugung gehabt, diese Interpretation sey die richtige. Und wenn er diese Ueberzeugung hatte, so begreift sich leicht, daß und warum er die kurhessische Regierung veranlaßte, den S. 108 der Verfassung demgemäß authentisch zu erläutern.

Später wurde durch Bundesbeschluß vom 27. März d. J. die kurhessische Verfassung für „in ihrem wesentlichen Inhalt mit den Grundgesehen des deutschen Bundes, insbesondere mit den Vorschriften der Art. 54, 57 und 58 der Wiener Schlußacte nicht vereinbarlich“ erklärt. Allein dieser Ausspruch konnte fich nicht auf die, unsere Frage berührenden Bestimmungen der kurhessischen Verfassung beziehen, in denen der Bund selbst einen dem Art. 57 und dem monarchischen Princip zweifelsohne völlig gemäßen Sinn gefunden hatte. Etwas Anderes wäre es, wenn der Bund die Interpretation des §. 108, welche die hessischen Gerichte und sonstigen Behörden handhabten, für begründet erkannt hätte, er hat sie aber im Gegentheil für unrichtig erklärt.

Der Bund hat unsere Frage bis jegt also ausdrücklich weder bejaht, noch verneint.

Indeß scheint Linde a. a. D. S. 308 zu behaupten, daß Art. 57 der Wiener Schlußacte verbiete, die ständische Zustim

mung irgendwie als Bedingung der Gültigkeit der Conftitution zu betrachten und nach Stahl a. a. D. S. 508 würde dieselbe Auffassung gegen das „monarchische Princip“ verstoßen. Es handelt sich also um eine Interpretation des Art. 57 und des vom Bunde unter seinen Schuß genommenen monarchischen Princips.

Zunächst wird es darauf ankommen, das Verhältniß zwischen dem bundesmäßigen monarchischen Princip und dem Art. 57 festzustellen. Den nothwendigen Ausgangspunkt bilden hier die Karlsbader Conferenzen.

Die eigentliche Absicht einer mächtigen Partei auf dem Karlsbader Congreß (vgl. Schaumann's Auffag in Raumer's Taschenbuch 1850) war, im Wege der Interpretation des Art. 13 der Bundesacte die deutschen constitutionellen Verfassungen des neueren Typus zu beseitigen. Ein Hauptmittel zu diesem Zweck sollte die berühmte Abhandlung von Geng über den Unterschied zwischen landständischen und Repräsentativ verfassungen seyn. Allein jene Absicht scheiterte an der Opposition Würtembergs, unterstügt durch die Bedenklichkeiten Baierns und Badens und die vermittelnde Thätigkeit von Nassau und Mecklenburg. Der Stand der Interessen, die man verfolgte, war dieser. Die großen absoluten Staaten und ihre Verbündeten waren dem süddeutschen constitutionellen Wesen abhold, sie hätten es am liebsten ausgerottet. Destreich hatte hier die sie Initiative übernommen. Die Ausführung sollte natürlich der Bundestag übernehmen. Aber gerade die unbedingte Autorität der Bundesbeschlüsse gegenüber den Landesverfassungen war in den füddeutschen Kammern schon angefochten worden. Auf der andern Seite ftanden die füddeutschen constitutionellen Regierungen und Würtemberg, das das conftitutionelle Wesen als eine Nothwendigkeit für sich erkannte. Diese Regierungen hielten ein völliges Abthun des Constitutionalismus für mißlich, waren aber zugleich wegen möglicher Ausschreitungen desselben für ihre

Autorität besorgt. Insofern mußten sie also wünschen, einen Rückhalt am Bunde zu besigen. Hingegen waren sie wiederum bekanntlich von Anfang an eifrig bedacht, sich keine zu große Beschränkung ihrer Souveränetät durch den Bund gefallen zu lassen. Die Interessen kamen also darin überein, daß dem Bund eine gewisse Einwirkung auf die Landesverfassungen gefichert werden müsse, und daß diese im Sinne der Aufrechterhaltung der fürstlichen Autorität gegen die Volksvertretung zu bestimmen seyn werde. Hierüber konnte man sich einigen. Es handelte, sich also darum, für diese Punkte eine bundesrechtliche Formulirung zu finden. Sie kommt in dem als Resultat der Karlsbader Conferenzen zu betrachtenden Präsidialvortrag vom 20. Sept. 1819 zum Vorschein und lautet : Art. 13 der Bundesacte soll im Sinn des monarchischen Princips und der Anfrechthaltung des Bundes erläutert werden. Hierauf ward denn in derselben Sigung von der Bundesversammlung be schlossen :

„Daß nach dem Sinne des monarchischen Princips und zur Aufrechthaltung des Bundesvereins, die Bun desstaaten bei Wiedereröffnung der Sigungen ihre Erklärungen über eine angemessene Auslegung und Erläuterung des 13. Artikels der Bundesacte abzugeben haben."

Diese Auslegung, und somit auch die staatsrechtliche Formulirung des monarchischen Princips blieb den Wiener Conferenzen von 1820 überlassen, aus denen die Schlußacte mit ihren Art. 57 u. 58 hervorging:

Art. 57: „Da der deutsche Bund, mit Ausnahme der freien Städte, aus souveränen Fürsten besteht, so muß, dem hierdurch gegebenen Grundbegriffe zufolge, die gesammte Staatsgewalt in dem Oberhaupte des Staats vereinigt bleiben, und der Souverän kann durch eine landständische Verfassung nur in der Aus

übung bestimmter Rechte an die Mitwirkung der Stände gebunden werden."

Art. 58: Die im Bunde vereinten souveränen Fürsten dürfen durch keine landständische Verfassung in der Erfüllung ihrer bundesmäßigen Verpflichtungen gehindert oder beschränkt werden."

Am 16. August 1824 gab der öftreichische Gesandte in der Bundesversammlung eine neue, auf die landständische Verfassung der deutschen Staaten bezügliche Erklärung Namens seines Hofes ab (Protok. vom 16. Aug. §. 131). Er erinnert darin an den Beschluß vom 20. Sept. 1819 über die im Sinn des monarchischen Princips und zur Aufrechthaltung des Bundesvereins" zu gebende Erläuterung des Art. 13 und bemerkt dann wörtlich Folgendes: „Diese erfolgte durch die zum Bundesgeseße erhobene Schlußacte u. f. w. In dem Art. 57 derselben ist das monarchische Princip in Bezies hung auf landständische Verfassungen bestimmt ausgesprochen. Eine Folgerung davon ist, was der Art. 58 bestimmt. Schließlich sagt er: Wenn sonach Seine Maj. der Kaiser, durch die über die landständische Verfassung in der Schlußacte enthaltenen Bestimmungen die im Jahr 1819 bestandene Ungewißheit über den Sinn des 13. Artikels der Bundesacte genügend gehoben finden; so glauben Seine Majestät nichts desto weniger, eben auf den Grund der dießfälligen Bestimmungen, und im wohlverstandenen Interesse der öffentlichen Ruhe und Ordnung in Deutsch. land darauf dringen und den Antrag machen zu sollen,

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daß in allen Bundesstaaten, in welchen landständische Verfassungen bestehen, strenge darüber gewacht werde, damit

1) in der Ausübung der den Ständen durch die landständische Verfassung zugestandenen Rechte das monarchische Princip unverlegt erhalten bleibe;" u. s. w.

Dieser Antrag wurde denn auch wörtlich zum Beschluß erhoben.

Aus dem Allen geht nun unzweifelhaft hervor :

1) daß Art. 57 der Schlußacte die bundestägliche Erläuterung dessen ist, was der Bund unter der Wahrung des monarchischen Princips in Bezug auf die landständischen Rechte versteht und

2) daß der Beschluß vom 16. Aug. 1824 nichts ist als eine neue Einschärfung des Art. 57,

So anerkennt auch das Großherzoglich Hessische Votum, daß der Präsidialantrag „nichts enthält, was nicht schon durch die Schlußacte festgesest wäre" und der Großherzoglich und Herzoglich Sächsische Gesandte „erkennt in dem Präfidialantrage, welcher das landständische Verfassungswesen betrifft, nur eine Erinnerung an schon bestehende Geseze" und erklärt noch besonders Namens S. Weimar und Eisenach, der Großherzog werde nie gestatten, daß bei Beurtheilung und Anwendung des Grundgesetzes vom 5, Mai 1816 ein anderer Grundsatz als der im Art. 57 der Schlußacte aufgestellte zur Geltung komme.

Wilde in seinem lesenswerthen Auffah über die Landftände in Weiske's Rechtslexicon Bd. VI behauptet im Gegentheil S. 853: Der Beschluß vom 16. August könne nicht als eine bloße Wiederholung und stricte Anwendung des Art. 57 betrachtet werden. Denn Art. 57 handle von den Befugnissen, welche den Ständen durch die Landesverfassung eingeräumt werden können, dort aber sey davon die Rede, daß bei der Ausübung der den Ständen eingeräumten Rechte das monarchische Princip unverlegt erhalten bleibe. Er meint, dadurch -könnten möglicherweise alle bisher in anerkannter Wirksamkeit bestehenden Verfassungen gefährdet werden, indem die Regierungen und der Bund in der Ausübung der verfassungsmäßigen Rechte der Landstände eine Verlegung des monarchischen Princips

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